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ORNITHOLOGIE/173: Lärm - Sicherheit vor Nesträubern? (Der Falke)


Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2009

Ornithologie aktuell

Lärm: Sicherheit vor Nesträubern?


Wenn Vögel "verlärmte" Gebiete bevorzugen, sind sie dabei möglicherweise sicherer vor Nesträubern. Grundsätzlich geht der Umgebungslärm auch an Vögeln nicht immer spurlos vorüber und treibt so manchen in die Flucht. Einige scheinen jedoch lärmbelastete Gegenden zu bevorzugen. Amerikanische Biologen haben in einer umfangreichen Studie untersucht, wie unterschiedliche Vogelarten auf Lärm reagieren: Während die meisten Arten laute Geräusche tatsächlich meiden und sie anderen gleichgültig zu sein scheinen, gibt es wenige Arten, die den Lärm suchen und Nutzen daraus ziehen. Die Forscher hatten die Vogelwelt in der Nähe von zivilisationsfernen Gasquellen im Südwesten von Colorado und im Nordwesten New Mexikos an einer Reihe von Erdgasförderanlagen untersucht. In einem Teil dieser Anlagen lärmt Tag und Nacht ein großer Kompressor, in anderen nicht. Das Forscherteam untersuchte die Verteilung der Nester und den Bruterfolg verschiedener Vogelarten rund um die Förderanlagen. Während sich die absolute Zahl der Vogelnester aller erfassten Arten kaum unterschied, zeigte die Artenzahl und die Zusammensetzung der Vogelgemeinschaften jedoch trotz ähnlicher Landschaft deutliche Unterschiede: In der Nähe der ruhigen Anlagen nisteten mehr Arten. Dem Lärm der Kompressoren schienen Hausgimpel (Carpodacus mexicanus) ebenso zu trotzen wie Schwarzkinnkolibris (Archilochus alexandri), jedenfalls nisteten hier deutlich mehr Paare beider Arten als an den ruhigen Standorten. Carolinataube (Zenaida macroura) und Schwarzkopf-Kernbeißer (Pheucticus melanocephalus) waren dagegen nur an ruhigen Stellen zu finden. Andere Arten wiederum nisteten zwar rund um die lärmenden Maschinen, hielten aber nach Möglichkeit einen großen Abstand ein. Interessanterweise hatten die beiden "lärmresistenten" Arten nahe der Förderanlagen einen besseren Bruterfolg als in ruhigeren Gegenden. Der Einsatz künstlicher Ködernester brachte die Lösung für das Phänomen: Nahe der Kompressoren wurden diese Nester nur ein Drittel so oft vom Westlichen Buschhäher (Aphelocoma coerulescens) - dem häufigsten Nesträuber der Gegend - aufgesucht. Fazit: Die meisten Vogelarten ergreifen vor Lärm offenbar tatsächlich die Flucht. Einige bauen ihr Nest aber ausgerechnet im Getöse und erhöhen dadurch offensichtlich ihren Fortpflanzungserfolg. Denn vor dem Westlichen Buschhäher scheint die laute "Wohnlage" mehr Sicherheit zu bieten. (wir)

C. D. Francis u. a., Current Biology (23. Juli) 2009,
Online-Vorabversion: doi:10.1016/j.cub.2009.06.052.


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Quelle:
Der Falke - Journal für Vogelbeobachter 11/2009
56. Jahrgang, November 2009, S. 402
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. November 2009