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FORSCHUNG/232: Nano-Maschinen lassen Zuckersaft fließen (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 14.10.2010

Nano-Maschinen lassen Zuckersaft fließen


Als Produzenten von Zucker und Kohlenhydraten spielen Pflanzen eine wichtige Rolle. Auf diesem Gebiet forschen Wissenschaftler der Uni Würzburg - mit dem Fernziel, den Zuckerhaushalt landwirtschaftlicher Nutzpflanzen zu beeinflussen.

Der Zucker, den die Menschheit verbraucht, wird vorwiegend aus Zuckerrohr und Zuckerrüben gewonnen. Pflanzen produzieren den süßen und energiereichen Stoff bei ihrer Photosynthese in den Blättern. Von dort transportieren sie ihn in Form von Saccharose über die Leitbahnen hin zu den Geweben, die keine Photosynthese betreiben - und die darum auf den Import von Zucker angewiesen sind, wie etwa Wurzel und Früchte.

Wichtig für die Verteilung des Zuckers in der Pflanze ist ein zentrales Molekül, der so genannte Saccharose-Transporter. Er sitzt in den Zellmembranen der Leitbahnen und verbringt wahre Höchstleistungen. Dietmar Geiger von der Universität Würzburg hat sie gemessen und bezeichnet den Transporter nun als "nahezu reibungslos funktionierende Nano-Maschine".


Starke Transportleistung gegen hohen Widerstand

Ein einziger Transporter pumpt pro Sekunde bis zu 500 Saccharose-Moleküle durch die Zellmembran in die Leitbahnen. Dabei überwindet er einen großen Widerstand: Auch wenn die Leitbahnen schon prall mit Zucker gefüllt sind, kann er trotzdem noch mehr hineinschaffen - bis zu einer Konzentration nahe der Löslichkeitsgrenze der Saccharose. Vergleichbar ist diese Leistung mit der Anstrengung beim Aufpumpen eines Reifens: Je mehr Luft der Reifen enthält, umso schwerer geht das Pumpen.

Die starke Anhäufung von Zucker in den Leitbahnen lässt dort den Druck steigen. Gleichzeitig aber wird aus dem Leitungssystem auch Druck abgelassen: in den Geweben, die mit Zucker versorgt werden. Folge: Der Druckunterschied lässt den zuckerhaltigen Saft in der Pflanze dorthin fließen, wo Zucker verbraucht wird. "Wie beim Menschen das Herz für die Zirkulation des Blutes verantwortlich ist, so sorgen die Saccharose-Transporter bei der Pflanze dafür, dass der Zuckersaft fließt", sagt Geiger.

Blatt der Pflanze Arabidopsis thaliana, in dem die Saccharose-Transporter zu sehen sind. - Bild: © Dietmar Geiger

Blatt der Pflanze Arabidopsis thaliana, in dem die Saccharose-Transporter zu sehen sind. Markiert wurden sie mit einem fluoreszierenden Protein. Die Transporter sitzen entlang der Leitbahnen, der so genannten Siebröhren, durch die zuckerhaltiger Saft fließt.
Bild: © Dietmar Geiger


Ergebnisse im Magazin PLoS one veröffentlicht

Die Funktion der Saccharose-Transporter aus Maispflanzen beschreibt der Würzburger Pflanzenphysiologe und Biophysiker Geiger detailliert im Fachblatt PLoS one. An der Publikation haben seine Würzburger Kollegen Rainer Hedrich und Hermann Koepsell mitgewirkt; außerdem waren Wissenschaftler aus Frankfurt am Main und Genua beteiligt.

Gewonnen wurden die Erkenntnisse mit Hilfe von Eiern des südafrikanischen Krallenfroschs: Die Forscher benutzen sie als lebende Reagenzgläser. Sie bringen das Gen für den Saccharose-Transporter in die Eier ein, wo daraus aktive Transporter produziert und in die Hüllmembran eingebaut werden. "So wird das Transportprotein für biophysikalische Messungen zugänglich", erklärt Geiger. Unter anderem haben die Wissenschaftler auf diese Weise erstmals demonstriert, dass ein Transportprotein unter physiologischen Bedingungen sowohl für die Beladung als auch für die Entladung der Leitbahnen zuständig sein kann.


Molekulares Innenleben des Transporters wird weiter erforscht

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Arbeit von Dietmar Geiger, damit er das Wissen über das molekulare Innenleben der Zuckertransportmaschinen weiter vermehren kann. Geiger widmet sich derzeit den strukturellen und funktionellen Voraussetzungen, die es dem Transporter erlauben, Saccharose-Moleküle treffsicher und mit höchster Effizienz durch Membranen zu transportieren.

Geiger und seine Kollegen wollen das Räderwerk des Transporters mit neuen biophysikalischen Methoden in seine Einzelteile zerlegen. Unter anderem planen sie, ein fluoreszierendes Molekül an eine Stelle des Transporters zu hängen, die sich während des Transportvorgangs bewegt. Über die Beobachtung der Fluoreszenz können sie dann "live" dem Transporter bei der Arbeit zuschauen.


Fernziel: Landwirtschaftliche Nutzpflanzen optimieren

"Fernziel unserer Arbeit ist es, die Verteilung und die Speicherung wichtiger Zuckerverbindungen in landwirtschaftlich genutzten Pflanzen zu optimieren", sagt Dietmar Geiger. Der Pilzbefall von Nutzpflanzen beispielsweise führe Jahr für Jahr zu erheblichen Ernteausfällen. Auch Pilze besitzen Saccharose-Transporter, mit denen sie Zucker aufnehmen - und die noch effizienter arbeiten als die der Pflanzen. Damit untergraben sie die Versorgung der Pflanze mit energiereichen Zuckerverbindungen. "Eine Aufrüstung der Pflanzen mit ähnlich effizienten Saccharose-Transportern könnte den Kampf um die Zuckerressourcen zu Gunsten der Pflanze entscheiden und Ernteausfälle verringern", so Geiger.

Nach der Erforschung des Funktionsprinzips von Saccharose-Transportern stellt sich den Wissenschaftlern die Frage, ob die genaue Einstellung des Zuckergehalts in den Leitbahnen der Pflanze nur vom Import und Export abhängt. Oder wird der Zuckerspiegel in Pflanzen sensorisch reguliert, ähnlich wie beim Insulinsystem beim Menschen? Durch das Eingreifen in ein solches Zuckersensoriksystem könnte die Biomasseproduktion landwirtschaftlich genutzter Pflanzen gesteuert und gesteigert werden.


Veröffentlichtung:
"Sucrose- and H+-Dependent Charge Movements Associated with the Gating of Sucrose Transporter ZmSUT1", Armando Carpaneto, Hermann Koepsell, Ernst Bamberg, Rainer Hedrich, Dietmar Geiger, PloS one, September 2010, Vol. 5, Issue 9: e12605. DOI: 10.1371/journal.pone.0012605

Der Forscher
Dr. Dietmar Geiger hat am Lehrstuhl für Molekulare Pflanzenphysiologie und Biophysik der Uni Würzburg promoviert. Danach war er Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Biophysik im Labor von Professor Ernst Bamberg in Frankfurt. Als Assistent am Lehrstuhl von Professor Rainer Hedrich setzt er molekulare und biophysikalische Methoden ein, um Strukturen von Ionen-Kanälen und Metabolit-Carriern zu verstehen, die die besondere Funktion von Membranproteinen ausmachen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Robert Emmerich, 14.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2010