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FORSCHUNG/270: "Back to the roots" - chemische Kommunikation der Wurzel (idw)


Institut für Pflanzenbiochemie - 08.09.2011

"Back to the roots"

Chemische Kommunikation der Wurzel im Fokus des neuen Paktes für Forschung und Innovation


Dass Wurzeln Pflanzen an ihren Standort binden, um sie mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen, ist gemeinhin bekannt. Trotz dieser erzwungenen Ortstreue sind Pflanzen ihrem Standort nicht hilflos ausgeliefert. Sie verfügen vielmehr über Mechanismen, die sie befähigen, Trockenheit, Nährstoffmangel, Krankheitsbefall und andere Stressauslöser adäquat abzuwehren und zu überleben. Dies tun sie zu einem Großteil mit genau jenem Organ, das sie im Boden verankert: mit der Wurzel. Pflanzen sind demnach in der Lage, die unmittelbare Umgebung ihrer Wurzeln (Rhizosphäre) ihren Bedürfnissen anzupassen und zu modulieren. Wie sie das machen, soll jetzt in einem neuen Forschungsprojekt im Rahmen des Paktes für Forschung und Innovation näher untersucht werden.

Das Paktprojekt zum Thema Chemische Kommunikation in der Rhizosphäre wird seit April 2011 von der Leibniz-Gemeinschaft mit 1,2 Millionen Euro für die kommenden drei Jahre gefördert. Mit diesen Geldern wollen die Wissenschaftler des Leibniz-Institutes für Pflanzenbiochemie (IPB) zusammen mit Kooperationspartnern der Martin-Luther-Universität und anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen, vorhandene Ideen, Equipment und Kompetenz gemeinsam nutzen, um die Dynamik im Wurzelraum besser zu verstehen. Innerhalb des Verbundes ist das IPB mit fünf Teilprojekten beteiligt und hat als Hauptantragsteller und Koordinator einen großen Beitrag zur Einwerbung der Fördermittel geleistet.

Gemessen am Stand der Erkenntnisse ist die Wurzel im Gegensatz zu den oberirdischen Organen der Pflanze bisher wenig untersucht. Dabei leistet sie mit einer Oberfläche, die bis zu zehn Mal größer sein kann, als das entsprechende Blattwerk, einen erheblichen Beitrag zum Überleben der Pflanze. Bekannt ist, dass Wurzeln schwerlösliche und damit für die Pflanze nicht verfügbare Bodenmineralien lösen können. Bei Nährstoffmangel erhöhen sie ihre Verzweigungsstruktur. Sie senden Signalstoffe aus, die nützliche Mikroorganismen anziehen oder schädliche Bodenbewohner vertreiben. Manche Pflanzen verbreiten über ihre Wurzeln Substanzen, die andere Pflanzen als potentielle Nahrungskonkurrenten am Wachstum hindern.

Diese von der Wurzel ins Erdreich gesendeten Substanzen bilden ein komplexes Stoffgemisch aus Zuckern, Eiweißen, organischen Säuren, Sekundärstoffen und weiteren Komponenten. In seiner Zusammensetzung ist dieses Stoffgemisch, das sogenannte Wurzelexsudat, nicht konstant; vielmehr ändern sich Art und Menge seiner Komponenten dynamisch und abhängig vom Entwicklungsstadium der Pflanze (Keimung, Wachstum oder Reife) oder in Reaktion auf sich ändernde Umweltfaktoren.

Während man bisher nur bestimmte exsudierte Substanzen und deren Auswirkungen auf die Pflanze untersuchte, will man im Rahmen des Paktprojektes eine umfassende Bestandsaufnahme der Komponenten der pflanzlichen Wurzelexsudate durchführen und deren Veränderung unter bestimmten Bedingungen dokumentieren. So sollen die Versuchspflanzen z.B. unter Nährstoffmangel oder auch in Gesellschaft von Nutz- und Schadorganismen, wie Bakterien oder Mykorrhizapilzen angezogen und die entsprechenden Muster der Wurzelexsudate bestimmt werden.

Mit dem Wissen um die genaue chemische Zusammensetzung der Exsudate sollen die Zusammenhänge zwischen Wurzelkommunikation und Pflanzenvitalität aufgeklärt und besser verstanden werden. "In Relation zu den Umweltbedingungen ändert sich nicht nur das Exsudat, sondern auch das Wachstum der Wurzel und damit auch das der gesamten Pflanze", erklärt Professor Dierk Scheel, Leiter der Abteilung Stress- und Entwicklungsbiologie des IPB. "Im positiven Fall wächst die Pflanze besser, bildet mehr Biomasse aus und ist resistenter gegen Trockenstress und den Befall von Krankheitserregern."

Zudem weisen unterschiedliche Pflanzensorten auch unterschiedliche Spektren ihrer Exsudatsubstanzen auf. Diese Unterschiede, vermutet man, sind genetischer Natur. Im Rahmen des Paktes soll auch hierfür der Beweis erbracht werden. Ein besseres Verständnis der genetischen Regulation der Exsudatproduktion könnte in der Zukunft zur Züchtung von vitaleren Pflanzensorten führen, deren Wurzeln die chemische Kommunikation besser "beherrschen" als andere, weil sie schneller und flexibler auf widrige Bedingungen reagieren.

Im Angesicht der drängenden agrarökonomischen Probleme ist von den Partnern des Paktes die Initiierung eines interdisziplinären Rhizosphärenprojektes geplant. "Die Biologie der Rhizosphäre ist ein Großprojekt", sagt Dierk Scheel. "Das kann man erfolgversprechend nur im Verbund angehen."

Partner des Paktprojektes Chemische Kommunikation der Rhizosphäre sind neben dem IPB das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben, das Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau Großbeeren, das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Halle und die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Weitere Informationen unter:
http://www.ipb-halle.de/de/infrastruktur/oeffentlichkeitsarbeit/pressemitteilungen/2011/back-to-the-roots/

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution243


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Pflanzenbiochemie, Dipl.Biol. Sylvia Pieplow, 08.09.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. September 2011