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FORSCHUNG/390: Bessere Langfristprognosen möglich? (idw)


GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel - 15.09.2015

Bessere Langfristprognosen möglich?

Langzeitliche Klimavariabilität auf der Nordhemisphäre an solare Schwankungen gekoppelt


Der natürliche, 11-jährige Zyklus der Sonnenaktivität beeinflusst offenbar langzeitliche Klimaschwankungen auf der Nordhemisphäre. Wie ein internationales Wissenschaftlerteam unter der Leitung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen konnte, ist die sogenannte Nordatlantische Oszillation, eines der dominierenden Zirkulationsmuster auf der Nordhalbkugel, mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren an die dekadische Sonnenaktivität gekoppelt. Die Studie erscheint heute im internationalen Fachmagazin Nature Communications.


Grafik: © GEOMAR

Zeitreihen des solaren Radioflussindexes (unten) und der Nordatlantischen Oszillation in zwei Modellsimulationen, ohne (blau) bzw. mit (gelb) Berücksichtigung der solaren Schwankungen.
Grafik: © GEOMAR


Klimavorhersagen über mehrere Jahre erscheinen angesichts von Wettervorhersagen, die oft schon nach wenigen Tagen an Zuverlässigkeit verlieren, eine Utopie. Dennoch gibt es Chancen, das Verhalten großräumiger Klimaparameter auch auf längeren Zeitskalen vorherzusagen. Eine neue Studie unter der Führung von Wissenschaftlern am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel zeigt, wie sich der bekannte 11-jährige Zyklus der Sonnenaktivität auf das langzeitliche Verhalten großskaliger Luftdruckschwankungen über dem Nordatlantik auswirkt.

Für ihre Untersuchungen benutzten die Kieler Forscher ein Klimamodell, welches den Ozean und die Atmosphäre bis in eine Höhe von 140 km beinhaltet. Zusätzlich verfügte dieses Modell noch über eine detaillierte Atmosphärenchemie, welche die Wirkung von Variationen der Ultravioletten Strahlung (UV) mit dem 11-jährigen Sonnenfleckenzyklus in höheren Schichten der Atmosphäre besonders gut berücksichtigt. Diese zusätzliche Komponente war offensichtlich der Schlüssel, um die Schwankungen in der solaren Einstrahlung, die an der Erdoberfläche nur eine geringe, direkte Wirkung entfalten, über komplexe Wirkungsmechanismen aus der Stratosphäre (10-50 km Höhe) in die untere Atmosphäre zu übertragen. "Wir haben mehrere Experimente durchgeführt", erläutert Dr. Rémi Thiéblemont, Hauptautor der Studie vom GEOMAR.

"Wir haben das Modell über 145 Jahre gerechnet, einmal mit dem Einfluss der solaren Aktivität, einmal ohne", so Thiéblemont weiter. Der Einfluss der Sonne zeigte sich deutlich in der sogenannten Nordatlantischen Oszillation, grob gesprochen einer Druckschaukel zwischen dem Azorenhoch und dem Islandtief. Das Verhältnis dieser beiden Druckgebilde bestimmt oft langfristige Wetterperioden in Europa, etwa ob die Wintermonate warm und stürmisch oder kalt und schneereich ausfallen. Die Forscher fanden eine zeitliche Verzögerung zwischen den Schwankungen der solaren Einstrahlung und den atmosphärischen Druckmustern von etwa ein bis zwei Jahren, die durch eine Wechselwirkung zwischen Atmosphäre und Ozean erklärt werden kann. Durch einen Vergleich der beiden Experimente mit und ohne solare Aktivität, konnten sie erstmals feststellen, dass die Sonne sozusagen den Takt für die Nordatlantische Oszillation angibt. Mit diesem Zusammenhang erhöht sich die dekadische Vorhersagbarkeit der NAO Phase.

"Dass die Zirkulation in der höheren Atmosphäre deutlich auf die solaren Schwankungen reagiert, ist schon länger bekannt", erläutert Prof. Dr. Katja Matthes, Initiatorin und Co-Autorin der Studie vom GEOMAR. "Mit der neuen Studie können wir zum einen die Übertragung des Signals bis zum Erdboden und dessen Wechselwirkung mit dem Ozean nachweisen, und zum anderen zeigen, wie wichtig die Kopplung über die chemischen Reaktionen ist", so Prof. Matthes weiter. Die meisten globalen Klimamodelle verfügen bisher weder über eine ausreichende Auflösung in der Stratosphäre noch über interaktive chemische Komponenten. "Auch wenn der solare Effekt auf die Nordatlantische Oszillation nur wenige Prozent der Gesamtvarianz erklärt, ist die enge Phasenbeziehung zwischen solarer Aktivität und Nordatlantischer Oszillation ein wichtiger Indikator, um die Vorhersagbarkeit dieser Klimaschwankung zu verbessern", so Dr. Thiéblemont.

Bis zu erfolgreichen Langzeitprognosen von bis zu einer Dekade ist es sicher noch ein weiter Weg, die Berücksichtigung der solaren Schwankungen aber in jedem Fall ein wichtiger Bestandteil, um hier zukünftig erfolgreich zu sein, so Professor Matthes abschließend.


Originalarbeit:
Thiéblemont, R., K. Matthes, N.-E. Omrani, K. Kodera and F. Hansen, 2015,
Solar forcing synchronizes decadal North Atlantic climate variability.
Nature Communications,
doi: 10.1038/ncomms9268.



Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution818

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel,
Dr. Andreas Villwock, 15.09.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2015

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