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FORSCHUNG/413: Mee(h)r Wissen über den Regen - Neue Methode ermöglicht genauere Rekonstruktion (idw)


Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen - 28.06.2016

Mee(h)r Wissen über den Regen - Neue Methode ermöglicht genauere Rekonstruktion


Frankfurt am Main, den 28.06.2016. Mal viel zu viel, mal viel zu wenig Regen: so sieht die Klimabilanz des 20. Jahrhunderts für die afrikanische Sahelzone aus. Mit einer innovativen Methode, die ein Team um Senckenberg-Wissenschaftlerin Dr. Eva Niedermeyer, kürzlich im Fachjournal "Geochimica et Cosmochimica Acta" publizierte, können diese Schwankungen nun rückblickend genauer rekonstruiert werden. Hierzu wurden die Regenmengen der Vergangenheit erstmals unter Berücksichtigung von Isotopenverhältnissen in Pflanzenwachsen berechnet. Die neue Methode treibt die Erforschung des Klimas in der Kurz- und Langzeitperspektive voran.


Foto: © Eva M. Niedermeyer

Regenarchiv: Wasserstoff-Isotope in Pflanzenwachsen
Foto: © Eva M. Niedermeyer

In der Sahelzone südlich der Sahara geht es heiß her - hier regnet es nur zwischen Juli und September; während des restlichen Jahres herrscht Trockenheit. Die Vegetation ist dem Klima angepasst: Weite Teile der Sahelzone bestehen aus Grasland und Savanne, in der vereinzelt Bäume und Sträucher stehen. Anhand von Resten dieser Pflanzen kann quantitativ berechnet werden, wieviel es hier in den letzten 100 Jahren geregnet hat. Der Vergleich mit Messdaten der Niederschlagsmenge in diesem Zeitraum zeigt, dass die neue Methode ein sehr genaues Abbild der Regenhistorie liefert.

Die Studie ist eine Pionierarbeit, denn "bisher ließ die Rekonstruktion von Niederschlagsmengen anhand von Isotopenverhältnissen in Pflanzenresten oft nur die relative Aussage zu, 'Es hat mehr oder weniger geregnet'." so die Leitautorin der Studie, Dr. Eva Niedermeyer vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt. "Grund hierfür ist, dass außer der reinen Niederschlagsmenge, ein hochkomplexes Zusammenspiel weiterer verschiedener Faktoren das finale Isotopensignal bestimmt." Einen davon haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaflter als besonders bedeutsam berücksichtigt: die Zusammensetzung des Ökosystems; denn Savannengräser und Bäume unterscheiden sich maßgeblich darin, wie Wasserstoff und seine Isotope in der obersten Schicht der Pflanzen, den sogenannten Pflanzenwachsen, eingelagert wird.

Auf der Suche nach Regenspuren in der Sahelzone begaben sich die Forschenden aufs Meer vor Nordwestafrika. Dort findet man im Meeresboden in 323 Meter Tiefe Pflanzenwachse vom Kontinent. Sie wurden mit dem Wind verfrachtet oder durch den Senegal-Fluss ins Meer gespült und dann abgelagert. Der Gehalt stabiler Wasserstoff-Isotope in diesen Pflanzenwachsen hängt von der Menge an Niederschlag ab, dem die Pflanzen zur Zeit des Wachstums ausgesetzt waren. Außerdem berechnete das Team anhand von Kohlenstoff-Isotopen das Verhältnis von Gräsern zu Bäumen im Untersuchungsgebiet. Betrachtet man beide Ergebnisse zusammen unter Berücksichtigung des Zusammenspiels von Niederschlagsmenge und der Isotopenzusammensetzung des Wassers, lässt sich die quantitative Regenmenge für den Zeitraum 1910 bis 2006 berechnen.

Im 20. Jahrhunderten hatten die Menschen in der Sahelzone mit enormen Schwankungen der Niederschlagsmenge zu kämpfen. Auf Zeiträume mit besonders viel Niederschlag zwischen 1925 bis 1935 und 1950 bis 1965 folgten die großen Dürreperioden während der 70er und 80er Jahre. "In Gebieten mit solchen Extremen ist es besonders wichtig zu verstehen, inwieweit sie natürliche Ursachen haben und welche Mechanismen dahinter stecken.", erläutert Niedermeyer. Das ist auch mit Blick auf den Klimawandel interessant, denn die Länder der Sahelzone sind von dessen negativen Auswirkungen besonders betroffen. Über die jüngste Vergangenheit hinaus liefert die Methode zudem wichtige Impulse zur Erforschung des Paläoklimas, um Klimaveränderungen in der Langzeitperspektive zu verstehen.


Publikation:
Niedermeyer, E. M., Forrest, M., Beckmann, B., Sessions, A. L., Mulch, M., Schefuß, E. (2016): The stable hydrogen isotopic composition of sedimentary plant waxes as quantitative proxy for rainfall in the West African Sahel. Geochimica et Cosmochimica Acta, 184, 55-57, doi:10.1016/j.gca.2016.03032

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution639

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Sabine Wendler, 28.06.2016
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2016

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