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FORSCHUNG/437: Die Anfänge von Global Change in Nord- und Ostsee (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 04.04.2017

Die Anfänge von Global Change in Nord- und Ostsee


Sammlungen von Universitäten sind eine einzigartige Quelle, um Forschungsfragen zu beantworten oder ganz neue zu stellen. Wertvolle historische Sammlungen mariner Organismen sind die Grundlage eines zum 1. April gestarteten Verbundprojektes, das für die nächsten drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Die Leitung liegt beim Zoologischen Museum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Forschende aus der Zoologie, Molekularbiologie und Biomedizin untersuchen, wie sich die Tierwelt in Nord- und Ostsee seit Mitte des 19. Jahrhunderts verändert hat und welche Schlüsse sich daraus ziehen lassen, zum Beispiel über frühe Klimaveränderungen.

Wenn sich die Fauna wandelt, liegt das vor allem an zwei Faktoren, vermuten Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen: Einwirkungen des Menschen oder klimatische Veränderungen. Sammlungen wie die des Zoologischen Museums, die aus konservierten Exemplaren von Krebsen, Muscheln oder Seeigeln bestehen, verraten daher nicht nur einiges über die einzelnen Organismen, sondern auch über die Zeit, aus der sie stammen. Im Forschungsprojekt "Historische Sammlungen mariner Organismen - ein Fenster in die Anfänge von Global Change in Nord- und Ostsee" geht es zum einen darum, zu welchen populationsgenetischen Differenzierungen und funktionellen Anpassungen es in der Fauna der Nord- und Ostsee in den letzten 170 Jahren kam. Zum anderen wird untersucht, inwieweit frühe Klimaveränderungen, invasive Arten oder andere anthropogene Einflüsse der Grund dafür sind. Dazu werden auch Methoden der Ancient-DNA-Analyse und bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) genutzt.

"Für uns als Universität ist es nicht nur wichtig, wertvolle historische Sammlungen zu bewahren, sondern auch sie auch für moderne Forschungsfragen zur Verfügung zu stellen. Die Bewilligung des Projekts ist ein großer Erfolg für das Zoologische Museum sowie für unseren Forschungsstandort. Er zeigt einmal mehr das Potential, das in der interdisziplinären Zusammenarbeit und der Verbundforschung mit starken Partnern liegt", so Professorin Karin Schwarz, CAU-Vizepräsidentin für Forschung. Am Verbundprojekt sind unter anderem auch das Forschungsinstitut Senckenberg in Frankfurt und das Deutsche Primatenzentrum in Göttingen beteiligt.

"Durch Methoden wie das MRT können wir Veränderungen in den inneren Organen erkennen oder Mageninhalte sichtbar machen. Daraus lässt zum Beispiel auf ein geändertes Fortpflanzungs- oder Ernährungsverhalten schließen, das oft durch einen Wandel in der Umwelt erklärbar ist", erklärt PD Dr. Dirk Brandis, Leiter des Zoologischen Museums und des Verbundprojektes. In der Mitte des 19. Jahrhunderts nahm durch die Industrialisierung die Schiffereiwirtschaft deutlich zu, Kanäle wurden gebaut, aber auch das Klima änderte sich.

Historische Sammlungen haben eine besondere Bedeutung für die moderne Forschung, macht Brandis deutlich: "Während heute gezielt für bestimmte Forschungsfragen gesammelt wird, sind historische Sammlungen in der Regel besonders breit angelegt und bieten eine Vielzahl von Erforschungsmöglichkeiten. In Kiel haben wir mit die älteste und am sorgfältigsten dokumentierte Sammlung für den Ostseeraum." Gleich drei historische Sammlungen sind Basis des Forschungsprojekts und ergänzen sich in einzigartiger Weise: Die Sammlung des Zoologischen Museums umfasst Objekte aus Ost- und Nordsee von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Zweiten Weltkrieg. Die Sammlungen des Forschungsinstitutes Senckenberg Frankfurt a.M. beginnen ab 1945. Weitere Exemplare steuern die historischen und vielfältigen Sammlungen des Verbunds der deutschen Nord- und Ostseesammlungen (NORe e.V.) bei.

Etwa 8.000 bis 10.000 Objekte gilt es zunächst zu erfassen, bevor Projektpartner aus der Molekularbiologie sie im Hinblick auf DNA-Sequenzen analysieren und Partner aus Göttingen mit dem MRT-Verfahren untersuchen. Die erfassten Sammlungen sollen in einer Online-Datenbank frei zur Verfügung gestellt werden. "Erst durch die interdisziplinäre Arbeit können wir den Schatz an Informationen, der in den Sammlungen steckt, vollständig heben. Wir schauen damit in eine Zeit zurück, die wir bisher vor allem theoretisch erfasst haben. Dank der speziellen genetischen Analyse, die DNA aus historischen oder subfossilen Objekten gewinnt, können wir Organismen aus einer anderen Zeit fast so untersuchen, als hätten wir sie gerade erst aus der Förde gefischt", sagt Brandis.

Im Projekt sollen auch sammlungsbasierte Konzepte für die universitäre Lehre und eine Wanderausstellung entwickelt werden. Ein Anteil der vom Zoologischen Museum beantragten Mittel ist außerdem für Inklusionsmaßnahmen vorgesehen. "Zu einer zeitgemäßen Ausstellung gehört ein Konzept, das möglichst viele Menschen teilhaben lässt. Hier sehen wir in der Museumslandschaft noch großen Handlungsbedarf", erläutert Brandis, der in dem Naturkundemuseum im vergangenen Jahr die erste Inklusionsausstellung für seheingeschränkte Besucherinnen und Besucher eröffnete.


Projektinformationen:
Projekttitel: Historische Sammlungen mariner Organismen - ein Fenster in die Anfänge von Global Change in Nord- und Ostsee Teilprojekt in Kiel: Populationsbiologische und morphologische Untersuchungen historischer mariner Sammlungen
Förderdauer: 1. April 2017 - 31. März 2020
Budget: Teilprojekt Kiel 500.000 Euro
Koordination: Zoologisches Museum, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Projektleiter: PD Dr. Dirk Brandis, Zoologisches Museum
BMBF-Förderlinie: "Vernetzen - Erschließen - Forschen. Allianz für universitäre Sammlungen"
Partner des Verbundprojekts:
Zoologisches Museum, CAU
Institut für klinische Molekularbiologie, Labor für Ancient DNA, CAU
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Abteilung Marine Zoologie
Deutsches Primatenzentrum, Göttingen, Leibniz-Institut für Primatenforschung, Abteilung für Funktionelle Bildgebung
Verbund der deutschen Nord- und Ostseesammlungen (NORe e.V.).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution235

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 04.04.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2017

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