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ASTRO/157: Erster Nachweis von Gammastrahlung aus Richtung eines Kugelsternhaufens (idw)


Max-Planck-Institut für Kernphysik - 22.06.2011

Erster Nachweis von Gammastrahlung aus Richtung eines Kugelsternhaufens


Mit dem H.E.S.S.-Teleskopsystem in Namibia wurde eine neue Quelle sehr hochenergetischer Gammastrahlung aus Richtung des Kugelsternhaufens Terzan 5 entdeckt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit befindet sie sich in dessen Außenbereichen. Damit wurde erstmals ein Kugelsternhaufen als Ort einer Gammaquelle identifiziert. Neben der exzentrischen Lage der Quelle gibt der genaue Ursprung der Gammastrahlung den Forschern noch Rätsel auf.

Der Kugelsternhaufen Terzan 5 im Sternbild Schütze ist ein in mehrfacher Hinsicht bemerkenswertes Objekt. Verborgen hinter galaktischen Staubwolken und daher sehr lichtschwach wurde er erst 1968 von Agop Terzan auf Fotoplatten der Sternwarte Haute Provence in Frankreich entdeckt. Etwa 150 bekannte Kugelsternhaufen - wie ihr Name andeutet, enge kugelförmige Ansammlungen von vielen Sternen - umkreisen als Teil des galaktischen Halos wie ein riesiger seinerseits kugelförmiger Schwarm das Zentrum unserer Galaxis und gehören zu deren ältesten Objekten. Terzan 5 befindet sich innerhalb der zentralen Bereiche der Galaxis nur wenig oberhalb der galaktischen Ebene in knapp 20.000 Lichtjahren Entfernung zur Erde. An Sterndichte übertrifft er die übrigen Kugelsternhaufen deutlich und enthält zudem die größte Zahl von Millisekunden-Pulsaren, rasch rotierenden Neutronensternen, die vermutlich Teil enger Doppelsternsysteme sind. Besondere Aufmerksamkeit herhielt Terzan 5, als im Jahr 2009 nachgewiesen wurde, dass er zwei verschieden alte (ca. 12 und 6 Milliarden Jahre) Populationen von Sternen umfasst. Aufgrund dieser Eigenheiten, die ihn von den allermeisten Kugelsternhaufen unterscheiden, wird vermutet, dass er der Überrest einer Zwerggalaxie ist, die von unserer Galaxis eingefangen wurde.

Abb. 1. Der Kugelsternhaufen Terzan 5 (Bildmitte) im sichtbaren Licht und die Gammaquelle HESS J1747 - 248. - Bildquellen: © ESO/Digitized Sky Survey 2 und ESO/F. Ferraro (IR)

Abb. 1. Der Kugelsternhaufen Terzan 5 (Bildmitte) im sichtbaren Licht
und die Gammaquelle HESS J1747 - 248. Die Gammaintensität ist in
Falschfarben von blau (niedrig) nach weiß (hoch) dargestellt. Der
kleinere Kreis (durchgezogen) umfasst die Hälfte der Masse von Terzan
5. Dieser zentrale Bereich im Infrarotlicht ist rechts oben vergrößert
gezeigt. Der größere Kreis (gestrichelt) gibt die Ausdehnung von
Terzan 5 an innerhalb der Sterne noch durch Gravitation an den Haufen
gebunden sind.
Bildquellen: © ESO/Digitized Sky Survey 2 und ESO/F. Ferraro (IR)

Forscher des Heidelberger Max-Planck-Instituts für Kernphysik und 33 weiterer Institutionen der H.E.S.S.-Kollaboration haben nun eine neue Quelle (HESS J1747 - 248) sehr hochenergetischer Gammastrahlung entdeckt, die sich nahezu in der gleichen Richtung am Himmel befindet wie Terzan 5 (siehe Abb. 1). Diese unmittelbare Nachbarschaft legt nahe, dass es sich tatsächlich um einen bisher unbekannten Teil von Terzan 5 handelt, zumal die Wahrscheinlichkeit für eine zufällige Richtungsübereinstimmung anhand der Häufigkeit bekannter Gammaquellen unter 1:10.000 liegt. Zum Nachweis dieser Gammastrahlung, deren Energie pro Quant die des sichtbaren Lichts billionenfach übertrifft, dient das Tscherenkow-Teleskopsystem H.E.S.S. (High Energy Stereoscopic System) in Namibia (Abb. 2). Es besteht aus vier Großteleskopen, welche mit ultraschnellen Kameras äußerst schwache Lichtspuren (Tscherenkow-Strahlung) von atmosphärischen Teilchenschauern aufnehmen, die von Gammaquanten in etwa 10 km Höhe ausgelöst werden. Die zeitgleiche Beobachtung aus den bis zu vier verschiedenen Blickrichtungen erlaubt die Rekonstruktion der Richtung der Gammaquelle am Himmel. Im Fall von Terzan 5 wurde erstmals ein Kugelsternhaufen als mögliches Quellobjekt identifiziert.

Wie viele neue Entdeckungen wirft auch diese eine Reihe von Fragen auf, die noch nicht abschließend geklärt sind. Bemerkenswert sind zunächst die längliche Form der Quelle und ihre Lage abseits des Haufenzentrums. Für den Ursprung der Gammastrahlung gibt es am Beispiel anderer bekannter Objekte eine Reihe von möglichen Erklärungen. Gestützt von theoretischen Modellen geht man davon aus, dass zunächst geladene Teilchen, Elektronen oder Protonen, in einem kosmischen Beschleuniger auf die entsprechenden Energien gebracht werden und diese dann in weiteren Stoßprozessen in Gammaquanten umwandeln. Bei Elektronen kommen die erwähnten Millisekundenpulsare selbst in Frage oder auch von ihnen ausgehende Sternenwinde bzw. Schockfronten, wenn diese aufeinander treffen, was bei der hohen Sterndichte in einem Kugelsternhaufen plausibel erscheint. In der Tat wurde auch schon diffuse Röntgenstrahlung aus Terzan 5 nachgewiesen, aber dies erklärt nicht ohne weiteres die räumliche Verschiebung der neuen Gammaquelle gegenüber dem Haufenzentrum, wo man die meisten Pulsare als auch Wechselwirkungen der hochenergetischen Elektronen mit dem Sternenlicht erwarten würde. Protonen könnten in Supernovaüberresten beschleunigt werden; dies ist aus anderen Quellen bekannt und Supernovae infolge von Sternkollisionen sind in Kugelsternhaufen durchaus zu erwarten. Aber wiederum erhebt sich die Frage, warum die beobachtete Quelle abseits vom Zentrum liegt. Das eigentliche Quellobjekt könnte als Folge von nahen Sternbegegnungen in die Außenbereiche geschleudert worden sein. Es ist aber nach wie vor ein Rätsel, warum HESS J1747 - 248 eine "dunkle Quelle" ist, also in den anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums bisher nicht nachweisbar leuchtet. "Letztlich ist die Natur der Quelle unklar, weil kein Gegenstück oder Modell die beobachtete Morphologie erklärt", sagt Wilfried Domainko vom Max-Planck-Institut für Kernphysik.

Abb. 2. Zwei der vier H.E.S.S.-Teleskope für den Nachweis sehr hochenergetischer kosmischer Gammastrahlung im Khomas-Hochland von Namibia. Der Durchmesser der Teleskope beträgt etwa 14 m. - Foto: © H.E.S.S.-Kollaboration

Abb. 2. Zwei der vier H.E.S.S.-Teleskope für den Nachweis sehr
hochenergetischer kosmischer Gammastrahlung im Khomas-Hochland von
Namibia. Der Durchmesser der Teleskope beträgt etwa 14 m.
Foto: © H.E.S.S.-Kollaboration

Von besonderem Interesse ist für zukünftige Untersuchungen der benachbarte Bereich niedrigerer Gammaenergien, der im Fall von Terzan 5 sich dem Nachweis sowohl durch Satellitenmessungen als auch Beobachtungen vom Erdboden nach Art von H.E.S.S. entzog. Derzeit ist ein fünftes Großteleskop (H.E.S.S. II) in Bau, dass eine fünfmal größere Spiegelfläche von etwa 600 qm besitzt und mit der dadurch gesteigerten Empfindlichkeit auch weniger energetische Quanten, die lichtschwächerer Teilchenschauer auslösen, nachweisen soll. Dies ist von zweifachem Interesse - zum einen kann die Energieverteilung (Spektrum) zu niedrigeren Energien helfen, die zugrunde liegenden möglichen Entstehungsmechanismen zu unterscheiden. Zum anderen ist die Entdeckung weiterer neuer Gammaquellen evtl. auch im Zusammenhang mit anderen Kugelsternhaufen zu erwarten. Die Zukunft bleibt auf alle Fälle spannend und HESS J1747 - 248 dürfte nicht das letzte Rätsel sein, das den Astrophysikern aufgegeben wird.


Originalveröffentlichung:
A. Abramowski et al.:
Very-high-energy gamma-ray emission from the direction of the Galactic globular cluster Terzan 5,
http://arxiv.org/abs/1106.4069 (Astronomy & Astrophysics, accepted for publication)


Weitere Informationen finden unter:
http://www.mpi-hd.mpg.de/hfm/HESS
- H.E.S.S.-Kollaboration
http://www.mpi-hd.mpg.de/hfm/HESS/pages/home/som/2011/05
- Terzan 5: H.E.S.S. 'Source of the Month' May 2011
http://www.mpi-hd.mpg.de/mpi/hfm
- Abteilung von Prof. Hofmann am MPIK
http://www.eso.org/public/videos/eso0945a
Zoom auf Terzan 5 (ESO-Video)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution687


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Max-Planck-Institut für Kernphysik, Dr. Bernold Feuerstein, 22.06.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2011