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FORSCHUNG/637: Quantenphysik mit Spin (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 21.09.2009

Quantenphysik mit Spin


In der Grundlagenforschung von Patrik Recher kreist alles um den Spin, einen intrinsischen Drehimpuls im Elektron selbst, aus dem ein magnetisches Moment resultiert. Und sie könnte dazu beitragen, den Quantencomputer zu realisieren - einen Computer, der viele Aufgaben schneller lösen würde als die herkömmlichen Rechner. Seit 1. August leitet der promovierte Physiker an der Universität Würzburg eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe, das Förderprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für exzellente junge Wissenschaftler.

Die Nachwuchsgruppe "Korrelierter Spin Transport und Spin Manipulation in Graphen und Quanten Spin Hall Isolatoren" ist in der Abteilung Mesoskopische Physik der Theoretischen Physik angesiedelt und wird von der DFG über fünf Jahre mit rund 1,1 Millionen Euro gefördert.

Bei einer Messung zeigt der Elektronenspin entweder nach oben oder nach unten. Dabei entsprechen "spin up" und "spin down" den bits 0 und 1 im klassischen Computer, erklärt Patrik Recher. Im Unterschied zu 0 und 1 jedoch könnten sich im Quantenbit "up" und "down" überlagern und dadurch gleichzeitig auftreten - und damit die Leistungssteigerung ermöglichen. Das zentrale Problem jedoch, warum es diesen Quantencomputer noch nicht gibt, bestehe darin, dass diese Überlagerung in aller Regel nicht sehr stabil sei.

Der Prozess, wie diese Überlagerung sich auflöst, wird Dekohärenz genannt und durch die Kopplung der Spins an die Umgebung verursacht. Diese Kopplung ist sehr schwach in Graphen, dem erst vor kurzem entdeckten Untersuchungsmaterial von Patrik Recher. Dies sei vor allem der Tatsache geschuldet, dass diese Art Kohlenstoff, die dem der Bleistiftmine sehr nahe kommt, beinahe keine Atome mit Kernspins besitzt mit denen der Elektronenspin wechselwirken könnte.

Patrik Recher versteht sich als theoretischer Physiker, der Fragestellungen aufgreift und versucht, theoretische Modelle dafür zu entwickeln. Mit seiner Forschergruppe will er nun untersuchen, wie groß die Dekohärenz in Graphen tatsächlich ist und wie man die Spins mit elektrischen und magnetischen Feldern manipulieren kann. Und er will einen weiteren, fürs Quantencomputing ebenfalls wichtigen Aspekt studieren: Dass nämlich die Spins von Elektronen, die nebeneinander liegen und miteinander wechselwirken - den sogenannten verschränkten Elektronenpaaren - auch dann noch korrelieren, nachdem man sie räumlich getrennt hat.

Nicht zuletzt möchte er im Rahmen des Projekts die Elektron-Elektron Wechselwirkungen in einem sogenannten Randkanal anschauen, also in einem Strom von aneinandergereihten Elektronen, die alle die gleiche Spin-Richtung aufweisen. Dazu will er die bereits an Graphen gewonnenen Erkenntnisse auf die Quecksilber-Tellurid-Quantentröge übertragen - einem Material, das die benachbarte Arbeitsgruppe von Professor Laurens Molenkamp am Lehrstuhl für Experimentelle Physik III entwickelt hat und intensiv untersucht.

Mit dem Emmy Noether-Programm möchte die DFG Nachwuchswissenschaftlern einen Weg zu früher wissenschaftlicher Selbständigkeit ermöglichen. Indem sie eine eigene Nachwuchsgruppe leiten, sollen promovierte Forscher durch die in der Regel fünfjährige Förderung die Befähigung zum Hochschullehrer erhalten. Im Jahr 2008 hat die DFG in ganz Deutschland insgesamt 84 solcher Nachwuchsgruppen neu bewilligt.

Im Fall von Patrik Recher hat sie ein zukunftsweisendes Projekt gewürdigt. "Aber auch der Standort Würzburg wurde als sehr fördernd, geradezu als ideal, für mein Forschungsvorhaben angesehen", berichtet Recher. "Das sind vor allem die Gruppe von Professor Björn Trauzettel in der theoretischen Physik und die Gruppe von Professor Molenkamp in der experimentellen Physik."

Die DFG hat aber auch die eigenen Vorleistungen des 36-jährigen Schweizers honoriert, der an der Universität Basel Physik studiert hat und dort auch 2003 in theoretischer Physik promoviert wurde. So hat er zum Beispiel in seiner Dissertation Pionierarbeit bei der Frage geleistet, wie verschränkte und räumlich getrennte Elektronenpaare erzeugt werden können. 2004 bis 2006 forschte er in den USA an der Stanford Universität. 2006 bis 2008 ging er als Postdoc an die Universität Leiden und an das Kavli Institut für Nanowissenschaften in Delft in den Niederlanden und ist damit auch international gut vernetzt. Nach einem halben Jahr als Postdoc an der Universität Würzburg ist er seit August 2009 Emmy Noether-Nachwuchsgruppenleiter am Institut für Theoretische Physik und Astrophysik der Universität Würzburg und ist gerade dabei, sich seine Arbeitsgruppe aufzubauen.

Weitere Informationen unter:
http://www.physik.uni-wuerzburg.de/meso

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution99


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Margarete Pauli, 21.09.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2009