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BUNDESTAG/3869: Heute im Bundestag Nr. 269 - 15.05.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 269
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 15. Mai 2013 Redaktionsschluss: 16:40 Uhr

1. Regierung lobt wirtschaftliche Fortschritte Deutschlands im Rahmen des Nationalen Reformprogramms
2. Kontroverse über die parlamentarische Aufhebung der Verurteilungen von Homosexuellen
3. SPD-Fraktion will "Informationsfreiheit und Transparenz" stärken



1. Regierung lobt wirtschaftliche Fortschritte Deutschlands im Rahmen des Nationalen Reformprogramms

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Berlin: (hib/AS) Das Nationale Reformprogramm (NRP) zeigt nach Auffassung der Bundesregierung große Fortschritte bei der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. In einer Sitzung des Europaausschusses am Mittwoch erklärte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ernst Burgbacher (FDP), man habe die länderspezifischen Empfehlungen der Kommissionen aufgegriffen und "umfangreich inhaltlich umgesetzt". Als ein Beispiel nannte er den Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit sowie das Einhalten der Schuldenbremse bereits im Jahr 2012. Mit dem Aktionsprogramm für den Euro-Plus-Pakt solle zudem unter anderem ein ausgeglichener Haushalt für 2014 sowie eine Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes realisiert werden. Gleichzeitig betonte Burgbacher, dass man in diesem Jahr versucht habe, das NRP auf eine "breite gesellschaftliche Basis" zu stellen. Neben der intensiven Einbindung der Länder habe man auch die Verbände sowie das Parlament frühzeitig informiert.

Im Nationalen Reformprogramm, das Deutschland im April an die EU-Kommission übermittelt hat, stellen die Mitgliedstaaten der EU im Rahmen des Europäischen Semesters ihre wirtschaftspolitische Strategie für Wachstum und Beschäftigung in ihren Ländern vor.

Für die CDU/CSU-Fraktion sprach sich David Wadephul in diesem Zusammenhang für einen Abbau der sogenannten kalten Progression aus, weil sie die Kräfte in der Wirtschaft bremse, die das Wachstum erhöhen. Die Steuerpläne der Opposition seien daher kontraproduktiv, sagte er. Gleichzeitig wollte er wissen, wie die Kommission die Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen der NRP überprüfen wolle. Kerstin Griese (SPD) lobte, dass sich die Information des Parlaments verbessert habe, die Einbeziehung der Verbände erfolge aber weiterhin zu kurzfristig. Sie kritisierte zudem, dass die Armut in Deutschland an der Langzeitarbeitslosigkeit gemessen werde und hob hervor, dass geringfügige und prekäre Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland weiter zunehmen würden. Den Arbeitsmarkt bezeichnete Gabriele Molitor (FDP) als "sehr guten Indikator" für die wirtschaftliche Entwicklung. Sie wies darauf hin, dass es eine geringere Niedriglohnquote gebe und auch die Zahl der Kinder, die auf Sozialleistungen angewiesen seien, abgenommen habe.

Für die Fraktion Die Linke stellte Dieter Dehm die Frage, ob die Bundesregierung gedenke, den Indikator der Langzeitarbeitslosigkeit um qualitative Indikatoren zu erweitern. Er wies darauf hin, dass zwar die Quote der Langzeitarbeitslosigkeit von 10,8 Prozent auf 8,1 Prozent gesunken sei, gleichzeitig aber die Armutsquote von 13,4 Prozent auf 15,3 Prozent gestiegen sei. Außerdem habe es in Deutschland eine Reallohnsenkung gegeben. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erkundigte sich nach den quantitativen Zielen der Strategie Europa 2020. Lisa Paus wollte wissen, wo Deutschland in Bezug auf diese Ziele stehe und wie groß der Beitrag Deutschlands, etwa hinsichtlich des Energie- und Klimafonds sei, diese Ziele auch zu erreichen.

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2. Kontroverse über die parlamentarische Aufhebung der Verurteilungen von Homosexuellen

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/KOS) Kann der Bundestag Verurteilungen von Homosexuellen aus den fünfziger und sechziger Jahren aufheben, die 1957 vom Bundesverfassungsgericht gebilligt wurden, nach heutigen politischen und juristischen Maßstäben aber als menschenrechtswidrig gelten? Oder steht einem solchen Schritt das Prinzip der Gewaltenteilung gegenüber, wonach die Legislative nicht in die Gerichtsbarkeit hineinregieren und so die Unabhängigkeit der Justiz in Frage stellen darf? Die kontroverse Debatte dieser Problematik prägte am Dienstagnachmittag eine Anhörung des Rechtsausschusses über Möglichkeiten zur Rehabilitierung jener Personen, die einst in der Bundesrepublik oder der DDR strafrechtlich verfolgt wurden. Dem Hearing mit sieben Sachverständigen lagen Gesetzentwürfe der Linksfraktion (17/10841) und der Grünen (17/4042) zugrunde, die eine Annullierung der Urteile aus jener Zeit durch das Parlament verlangen.

Manfred Bruns erklärte, eine Aufhebung richterlicher Entscheidungen obliege zwar in erster Linie der Justiz selbst, doch sei eine entsprechende Entscheidung der Legislative nicht ausgeschlossen. Aus Sicht des Ex-Bundesanwalts wird mit dem Argument, die Gewaltenteilung stehe einem solchen Votum des Bundestags entgegen, eine "Scheindebatte" geführt. Auf diese Weise solle verborgen werden, dass hinter der Ablehnung einer parlamentarischen Aufhebung der alten Urteile in Wahrheit politische Motive stünden. Es gehe aber um die "Korrektur eines kollektiven Versagens" der Justiz. Bruns kritisierte, dass in der Nachkriegszeit die strafrechtliche Verfolgung von Homosexuellen mit dem gleichen Eifer betrieben worden sei wie zur NS-Zeit. Der einzige Unterschied sei gewesen, dass die Betroffenen nicht mehr ins KZ gekommen seien.

Auch Günter Grau bezeichnete es als "unverständlich", dass die Justiz noch lange Zeit nach dem Krieg an der im Jahr 1935 eingeführten Rechtsprechung gegen Homosexuelle festgehalten habe. Der Berliner Historiker führte dies auch darauf zurück, dass im bundesdeutschen Gerichtswesen manch hochrangige Juristen aus der NS-Zeit noch über viel Einfluss verfügt hätten. Der Sachverständige kritisierte es als inakzeptabel, dass heute immer noch 50000 Bürger wegen ihrer Homosexualität als strafrechtlich verurteilt gelten.

Gegen eine pauschale Aufhebung der alten Urteile sprach sich Klaus Gärditz aus, dies wäre verfassungsrechtlich angreifbar. Gerichtsentscheidungen, die von Karlsruhe als verfassungskonform bestätigt worden seien, könne man nicht mit Willkürurteilen der NS-Justiz gleichsetzen, so der Rechtsprofessor an der Uni Bonn. Wenn man Urteile gegen eine bestimmte Gruppe wie die Homosexuellen aufhebe, stelle sich die Frage, warum man dies nicht auch bei anderen Gruppen mache.

Herbert Grziwotz unterstrich, dass die generelle Aufhebung der gegen Homosexuelle gefällten Urteile unvereinbar mit der Gewaltenteilung sei. Die Unabhängigkeit der Justiz von den anderen Staatsgewalten sei jedoch für einen Rechtsstaat zentral, erklärte der Historiker und Honorarprofessor an der Uni Regensburg. "Kein Verständnis" habe er für den Vorwurf, die Gerichtsentscheidungen aus der Nachkriegszeit seien den in der NS-Zeit verkündeten Urteilen ähnlich. In den fünfziger und sechziger Jahren hätten sich viele Richter bemüht, milde Entscheidungen zu treffen, nicht selten sei nur die Mindeststrafe von drei Mark verhängt worden. Auch könne man dem Verfassungsgericht von 1957 nicht vorhalten, vom NS-Geist beeinflusst gewesen zu sein. Für Grziwotz ist als Alternative zu einer parlamentarischen Aufhebung aller Urteile eine Wiederaufnahme von Prozessen in Einzelfällen denkbar. Er bezeichnete es allerdings als "sehr fraglich", ob dies im Interesse der Betroffenen liege. Aus Sicht des Sachverständigen ist, wie es in seiner schriftlichen Stellungnah me heißt, eine "vollständige Rehabilitierung" der verurteilten Homosexuellen "längst überfällig". Helfen könne dabei ein parteiübergreifend gefasster Beschluss des Bundestags.

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3. SPD-Fraktion will "Informationsfreiheit und Transparenz" stärken

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die SPD-Fraktion hat einen Gesetzentwurf "zur Stärkung von Informationsfreiheit und Transparenz unter Einschluss von Verbraucher- und Umweltinformationen" (17/13467) vorgelegt. Damit soll ein "einheitliches Informationsrecht auf möglichst hohem Transparenzniveau mit einer zeitgemäßen Verpflichtung zur Veröffentlichung relevanter Informationen in niedrigschwelliger und moderner Form geschaffen werden", wie es in der Vorlage heißt. Sie steht am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

Mit dem Entwurf sollen das Informationsfreiheitsgesetz (IFG), das Umweltinformationsgesetz (UIG) und das Verbraucherinformationsgesetz zu einem einheitlichen Informationszugangsgesetz zusammengefasst werden. Dabei orientiert er sich den Angaben zufolge sich "jeweils an der Regelung mit dem höheren Transparenzniveau". Gleichzeitig sollen die Ergebnisse der Evaluation des IFG aufgegriffen werden, die das Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation Speyer im Jahr 2012 vorgenommen hatte.

Neben dem Informationszugangsrecht sieht der Entwurf zudem eine Verpflichtung "zur aktiven Veröffentlichung im Gesetz bezeichneter wesentlicher Informationen der Verwaltung" vor. Die Behörden sollen dadurch angehalten werden, Informationen von allgemeinem Interesse von sich aus zu veröffentlichen und sie den Bürgern "einfach und kostenfrei in öffentlich zugänglichen Datenbanken zur Verfügung zu stellen". Ferner soll mit der Vorlage die Stellung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gestärkt werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 269 - 15. Mai 2013 - 16:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013