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BUNDESTAG/4359: Heute im Bundestag Nr. 223 - 05.05.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 223
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 5. Mai 2014 Redaktionsschluss: 11:00 Uhr

1. Ausweitung des Adoptionsrechts
2. Englisch als Gerichtssprache
3. Datenhehlerei soll Straftat werden
4. Arbeit an Tschernobyl verzögert sich
5. Risiken europäischer Atomkraftwerke



1. Ausweitung des Adoptionsrechts

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/KOS) Eingetragenen Lebenspartnerschaften soll das Recht auf die sogenannte "Sukzessivadoption" eingeräumt werden. Als Konsequenz aus dieser Neuregelung, die ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/1285) vorsieht, werden Lesben und Schwule künftig ein Kind auch dann adoptieren können, wenn es zuvor bereits vom jeweiligen Partner adoptiert worden ist. Mit ihrer Initiative will die Regierung einen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts erfüllen, das in einem Urteil vom Februar 2013 die Einführung der Sukzessivadoption auch für eingetragene Partnerschaften bis spätestens Ende Juni dieses Jahres verlangt hat.

Justizminister Heiko Maas (SPD) wertet die avisierte Reform des Adoptionsrechts als gesellschaftlich wichtiges Signal und einen "weiteren Schritt auf dem Weg zur völligen rechtlichen Gleichstellung von Lebenspartnerschaften". In diesem Sinne begrüßt auch der Bundesrat in einer Stellungnahme zur Gesetzesvorlage der Regierung die Ausdehnung des Rechts auf Sukzessivadoptionen auf gleichgeschlechtliche Paare. Allerdings moniert die Länderkammer, dass die Gesetzesänderung dem Ziel der völligen rechtlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften "noch nicht hinreichend Rechnung trägt", da deren Gleichbehandlung im Adoptionsrecht nicht verwirklicht werde. Der Bundesrat plädiert deshalb dafür, im Gesetzgebungsverfahren weitergehende Reformschritte ins Auge zu fassen. Mit ihrer Kritik weist die Länderkammer darauf hin, dass Lesben und Schwule auch in Zukunft ein Kind nicht gemeinsam adoptieren können - dieses Recht bleibt nach der Vorlage der Regierung Ehepaaren vorbehalten.

Bisher ist Homosexuellen die sogenannte "Stiefkindadoption" gestattet, sie können also das leibliche Kind eines Partners adoptieren. Das Recht auf Sukzessivadoption steht indes nur Ehepaaren zu. In seinem Urteil vom Februar 2013 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass diese Ungleichbehandlung dem Grundgesetz widerspricht. Seit der Verkündung dieses Karlsruher Urteils wird die Sukzessivadoption bei Lesben und Schwulen im Sinne einer Übergangsregelung bereits angewandt. Mit ihrem Vorstoß will die Regierung nun das Gesetz an die Praxis anpassen.

In der Vorlage wird erläutert, dass die geplante Reform mit internationalem Recht vereinbar ist. Zwar gilt in Deutschland bislang noch ein Vertrag des Europarats in der aus dem Jahr 1967 stammenden Version, wonach die Mitgliedsländer des Staatenbunds Sukzessivadoptionen nur Ehepaaren gestatten dürfen. Dieses Straßburger Abkommen wurde jedoch 2008 revidiert, und nach dessen neuer Fassung haben die Europaratsnationen das Recht, Sukzessivadoptionen auch gleichgeschlechtlichen Lebenspartnern zuzugestehen. In dem Gesetzentwurf der Regierung heißt es, dass die Ratifizierung dieser revidierten Version geplant sei. Allerdings wolle man von der in dem neuen Übereinkommen eröffneten Möglichkeit, im nationalen Adoptionsrecht bei Lebenspartnerschaften auch die gemeinsame Adoption von Kindern zuzulassen, "keinen Gebrauch machen".

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2. Englisch als Gerichtssprache

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/KOS) Konflikte zwischen grenzübergreifend aktiven Unternehmen sollen vor deutschen Gerichten künftig auch in englischer Sprache verhandelt werden können. In einem Gesetzentwurf (18/1287) schlägt der Bundesrat vor, bei Landgerichten Kammern für internationale Handelssachen einzurichten, bei denen Englisch als Verfahrenssprache gewählt werden kann - was dann auch für höhere Berufungs- und Revisionsinstanzen gelten soll. Voraussetzung müsse zum einen ein internationaler Bezug des jeweiligen Rechtsstreits sein, dass also etwa Verträge zwischen den Firmen auf Englisch verfasst sind. Zum andern soll es erforderlich sein, dass sich beide Parteien für Englisch entscheiden.

Mit ihrem Vorstoß greift die Länderkammer eine seit Jahren geführte Debatte auf. Das Gerichtsverfassungsgesetz schreibt vor, dass hierzulande Deutsch Gerichtssprache ist. Das Verwaltungsgericht Aachen hat geurteilt, dass im Geltungsbereich des Grundgesetzes Deutsch offizielles Verständigungsmittel sei und dass sich staatliche Instanzen untereinander wie gegenüber den Bürgern in deutscher Sprache zu verständigen hätten. Allerdings schreitet die Globalisierung zügig voran, in deren Gefolge Englisch zunehmend das Wirtschaftsleben durchdringt. In der Gesetzesvorlage des Bundesrats heißt es, dass sich hiesige Unternehmen, die international tätig seien, und ihre Interessenverbände dafür stark machten, deutsche Gerichtsverfahren auch auf Englisch abwickeln zu können.

Die Ländervertretung betont, dass das deutsche Recht und die hiesige Justiz international hohes Ansehen genössen. Doch leide der Gerichtsstandort Deutschland darunter, dass nur Deutsch als Sprache zulässig sei. Ausländische Vertragspartner und Prozessparteien schreckten davor zurück, ihre Anliegen vor der Justiz in einer fremden Sprache zu verhandeln. Deshalb würden "bedeutende wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten entweder im Ausland oder vor Schiedsgerichten ausgetragen - zum Nachteil des Gerichtsstandorts Deutschland und deutscher Unternehmen", so der Gesetzentwurf. Kammern für internationale Handelssachen mit Englisch als Prozesssprache könnten hingegen solche Verfahren anziehen, meint der Bundesrat. Der Justizstandort Deutschland würde so "in hohem Maße an Attraktivität gewinnen".

Aus Sicht der Länderkammer wird auch das deutsche Recht international aufgewertet, weil es vermehrt auf grenzübergreifende Wirtschaftsbeziehungen angewandt werden dürfte. Im internationalen Wirtschaftsverkehr sei es üblich, zu vereinbaren, welches Recht für das Vertragsverhältnis zwischen den jeweiligen Unternehmen gelten soll. Dabei stehe die "Einheitlichkeit von gewähltem Recht und Gerichtsstandort im Vordergrund", erläutert die Gesetzesvorlage. Komme nun wegen der Möglichkeit, in der Bundesrepublik auf Englisch zu prozessieren, verstärkt das hiesige Recht zum Zuge, so könnten sich deutsche Firmen auf das das ihnen vertraute Justizsystem stützen - ein "wertvoller Vorteil", der für die Betriebe die Rechtssicherheit erhöhe.

Der Bundesrat zeigt sich optimistisch, dass deutsche Richter in der Lage sind, auf Englisch Prozesse zu führen und Urteile zu formulieren? Natürlich dürfe die Qualität der Rechtsprechung nicht unter einer unzureichenden Fremdsprachenkompetenz des Justizpersonals leiden. Doch es gebe zahlreiche Richter, die Englisch "hervorragend beherrschen", und dies einschließlich des juristischen Fachvokabulars.

Der Gesetzentwurf setzt sich auch mit dem Problem auseinander, dass Gerichtsverhandlungen öffentlich sein müssen - um eine Kontrolle des Verfahrensablaufs und der Prozessparteien zu sichern. Die Nutzung einer fremden Sprache erschwere es Zuhörern, einer Verhandlung zu folgen, räumt die Ländervertretung ein. Da aber laut Umfragen zwei Drittel der Bevölkerung des Englischen "einigermaßen gut" mächtig seien, müssten Richter und andere Verfahrensbeteiligte auch dann mit einer Kontrolle durch Zuschauer rechnen, wenn Englisch gesprochen werde. Nicht entscheidend sei indes die Frage, ob jeder einzelne Zuhörer alles verstehe. Im Übrigen werde die Transparenz bei Prozessen heute vor allem durch Medien gewährleistet. Auch hier gibt sich der Bundesrat optimistisch: "Kenntnisse und Verbreitungsgrad der englischen Sprache dürften bei Journalisten jedenfalls nicht geringer sein als in der Gesamtbevölkerung."

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3. Datenhehlerei soll Straftat werden

Recht und Verbraucherschutz/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/KOS) Künftig sollen nicht mehr nur die rechtswidrige Beschaffung von Daten, sondern auch der An- und Verkauf gestohlener Daten wie etwa Kreditkartennummern oder Zugangsdaten zu Onlinebanking, E-Mail-Diensten und sozialen Netzwerken im Internet unter Strafe gestellt werden. Ein Gesetzentwurf des Bundesrats (18/1288) sieht zur effektiveren Bekämpfung der Cyberkriminalität den neuen Straftatbestand der "Datenhehlerei" vor, der besonders auf den Handel mit "digitalen Identitäten" zielt. Die Länderkammer schlägt einen Paragraphen 202d im Strafgesetzbuch vor: Wer Daten, "die ein anderer ausgespäht oder sonst durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft". Nicht belangt werden sollen nach dem Willen des Bundesrats hingegen staatliche Instanzen, wenn sie illegal erworbene Daten für die Strafverfolgung nutzen - wobei die Ländervertretung ausdrücklich auf den Ankauf von Steuer-CD verweist.

Mit seiner Initiative reagiert der Bundesrat auf die wachsende Zahl von Hackerattacken, bei denen im Internet Daten abgegriffen werden. Spektakuläre Fälle mit dem millionenfachen Diebstahl von Datensätzen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Angriffe im Internet mit Trojanern oder Viren seien inzwischen "Massenphänomene", heißt es in der Gesetzesvorlage. Nun sind bereits jetzt die illegale Beschaffung und Nutzung von Daten strafbar, was etwa für das Ausspähen von Passwörtern oder das Abfangen digitaler Identitäten gilt. Während jedoch der Verkauf gestohlener Güter wie etwa von Autos, Computern oder Handys mit Strafe bedroht ist, gilt dies bislang für rechtswidrig erworbene Daten nur in Teilbereichen.

Diese Lücke will die Länderkammer mit ihrem Vorstoß schließen, um den "massenhaften Missbrauch" von Daten besser bekämpfen zu können. In Zukunft soll schon der Versuch, an illegal erlangte Daten heranzukommen, kriminalisiert werden. Bei der Strafverfolgung von Datenhehlerei will der Bundesrat eine Telekommunikationsüberwachung in erheblichem Umfang erlauben.

Nach den Erkenntnissen der Ländervertretung nutzen jene, die sich gesetzwidrig Daten besorgen, diese häufig nicht selbst, um sich zu bereichern. Vielmehr finde über Webportale und Internet-Foren ein "intensiver Handel mit widerrechtlich erlangten Daten aller Art statt", heißt es in dem Gesetzentwurf. Die Angriffe würden oft von "internationalen, arbeitsteilig strukturierten Gruppen verübt, die in speziellen - meist nicht öffentlich zugänglichen - Diskussionsforen und Chat-Diensten eine breite Palette von Diensten anbieten und damit hohe Gewinne erzielen".

Als Delikt soll nur der Handel mit jenen Daten eingestuft werden, "an deren Nichtweiterverwendung ein schutzwürdiges Interesse besteht und die nicht aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können". Erforderlich ist auch eine Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht. Und nicht strafbar soll es sein, wenn Amtsträger Daten in Besteuerungs- und Strafverfahren oder auch nur im Fall von Ordnungswidrigkeiten nutzen. Hintergrund dieser Regelung ist vor allem der Ankauf von Steuer-CD mit gestohlenen Bankdaten deutscher Bürger im Ausland, besonders in der Schweiz und in Liechtenstein.

In einer Stellungnahme begrüßt die Regierung den Vorschlag des Bundesrats, den neuen Straftatbestand der Datenhehlerei einzuführen. Ein solcher Paragraph erscheine "grundsätzlich geeignet", den Geheimnis- und Datenschutz im Internet zu stärken. Die Regierung will einen eigenen Gesetzentwurf zur Anpassung des Strafrechts an das digitale Zeitalter und besonders zur Datenhehlerei vorlegen.

Während der mehrjährigen Vorarbeiten zum Vorstoß der Länderkammer, für die Hessen federführend zuständig war, waren aus Anwalts- und Datenschützerkreisen auch kritische Fragen gestellt worden: Ist etwa in ausreichendem Maße sichergestellt, dass Journalisten oder Internetblogger sich noch auf E-Mails und brisante Daten beziehen können, die von Whistleblowern in Unternehmen oder staatlichen Instanzen stammen? Eine weitere Frage bezog sich auf solche Insider, die über die Verbreitung brisanter Daten Missstände publik machen wollen.

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4. Arbeit an Tschernobyl verzögert sich

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Die Krisensituation im Osten der Ukraine hat nach Kenntnis der Bundesregierung bisher keine wesentlichen Auswirkungen auf die Arbeiten an neuen Sicherungsbauten im 1986 havarierten Atomkraftwerk Tschernobyl. Im Dialog zwischen der Ukraine und den internationalen Gebern zur Gewährleistung der nuklearen Sicherheit in Tschernobyl würden alle notwendigen Maßnahmen besprochen, erklärt die Bundesregierung in einer Antwort (18/1242) auf eine Kleine Anfrage (18/1089) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Regierung räumt jedoch ein, dass es zu einer Verschiebung des aktuellen Zeitplans kommen werde. Ein neuer, belastbarer Termin für die Fertigstellung des neuen sicheren Einschlusses liege bisher nicht vor. Zugleich betont sie, dass sie keinen Einfluss auf die Zeitplanung des Projekts habe.

Mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft würden derzeit Arbeiten zur Überführung des Unfallstandortes in ein "ökologisch sicheres Gebiet" realisiert, heißt es in der Antwort. Zurzeit erfolge der Aufbau der Westhälfte des neuen sicheren Einschlusses. Die Osthälfte sei bereits fertig gestellt.

Die Grünen-Fraktion hatte sich in ihrer Anfrage besorgt darüber gezeigt, dass 28 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl die Lage vor Ort "nicht wirklich unter Kontrolle" sei. Die damaligen Sicherungsbauten seien inzwischen brüchig geworden, immer wieder komme es zu Verzögerungen am Bau eines neuen sicheren Einschlusses und des neuen Sarkophags.

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5. Risiken europäischer Atomkraftwerke

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/JOH) Die Risiken der rund 150 europäischen Atomkraftwerke (AKW) stehen im Zentrum einer Kleinen Anfrage (18/1245) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Unter anderem wollen die Abgeordneten erfahren, welche AKW welche Auslegung gegen Flugzeugabstürze besitzen und in welchen eine dem deutschen 30-Minuten-Konzept vergleichbare vollautomatische Beherrschung der ersten Phase eines Störfalls realisiert ist. Außerdem interessiert sie, bei welchen europäischen Atomkraftwerken, für die eine Laufzeitverlängerung über eine 40-jährige Betriebszeit hinaus geplant, beantragt oder bewilligt ist, mit welcher Methodik die sicherheitstechnische Unbedenklichkeit dieser Laufzeitverlängerung geprüft werden solle beziehungsweise bereits geprüft worden sei.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 223 - 5. Mai 2014 - 11:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2014