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BUNDESTAG/4433: Heute im Bundestag Nr. 298 - 04.06.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 298
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 04. Juni 2014, Redaktionsschluss: 13.15 Uhr

1. Weitere Beschlüsse zur Gleichstellung
2. Gabriel verteidigt Grenze bei Biomasse
3. Einstimmig für Reform der Ghetto-Renten
4. Ausschuss billigt GKV-Reformgesetz
5. Keine Unterzeichnung des Weltagrarberichts
6. Experten bewerten neue Lärmverordnung positiv



1. Weitere Beschlüsse zur Gleichstellung

Finanzausschuss/

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat am Mittwoch weitere Maßnahmen zur steuerlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften beschlossen. Dies hatte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil verlangt. Mit dem Stimmen aller Fraktionen stimmte der Ausschuss dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (18/1306) zu, nachdem zuvor ein klarstellender Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD angenommen worden war. Dennoch gab es unterschiedliche Ansichten zwischen den Fraktionen über die Gleichstellung.

Mit dem Gesetz zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. Mai 2013 war bereits zum Ende der 17. Legislaturperiode kurzfristig zunächst die steuerliche Gleichbehandlung von Lebenspartnern nur für das Einkommensteuerrecht umgesetzt worden. Weitere Folgeänderungen hatte die Bundesregerung für den Beginn der 18. Legislaturperiode angekündigt, die in dem Gesetzentwurf enthalten sind. Anpassungen zur steuerlichen Gleichbehandlung von Lebenspartnern werden damit insbesondere in der Abgabenordnung, im Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, im Bewertungsgesetz, im Bundeskindergeldgesetz, im Eigenheimzulagengesetz und im Wohnungsbau-Prämiengesetz vorgenommen.

Zwei Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wurden von der Koalitionsmehrheit abgelehnt. Ein Änderungsantrag betraf nicht bestandkräftige Kindergeldbescheide, mit dem zweiten Antrag wollte die Fraktion erreichen, dass die Definition von gemeinnützigen Zwecken in der Abgabenordnung nicht nur für Ehe und Familie gilt, sondern auf die Förderung des Schutzes von Lebenspartnerschaft erweitert wird. Während sich der Antrag zum Kindergeld nach Ansicht der CDU/CSU-Fraktion durch eine Klarstellung der Bundesregierung erledigt hat, lehnte die Fraktion die Erweiterung der Definition der Gemeinnützigkeit ab. Dazu gebe es keine Notwendigkeit. Das Bundesverfassungsgericht habe dies nicht vorgegeben.

Die SPD-Fraktion lobte, dass mit dem Gesetzentwurf die Lebenspartnerschaften steuerlich auf das Niveau der Ehe gehoben würden. Dies sollte auch bei der Gemeinnützigkeit geschehen, auch wenn es über andere Regelungen in der Abgabenordnung die Möglichkeit gebe, dieses Ziel indirekt zu erreichen. Die SPD-Fraktion gab eine Protokollerklärung ab, wonach es in dieser Frage keine Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen gebe.

Die Linksfraktion bezeichnete den Gesetzentwurf als unvollständig, kündigte aber ihre Zustimmung an. Die vollständige steuerliche Gleichstellung mit der Ehe sei noch nicht hergestellt. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zeigte sich enttäuscht. Symbolisch wichtige Punkte seien auf Grund des Drucks der CDU/CSU-Fraktion herausgelassen worden.

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2. Gabriel verteidigt Grenze bei Biomasse

Ausschuss für Wirtschaft und Energie/

Berlin: (hib/HLE) Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat die Begrenzung des Ausbaus der Stromerzeugung aus Biomasse auf 100 Megawatt pro Jahr verteidigt. In der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie sagte der Minister am Mittwoch bei der Beratung über die von der Bundesregierung eingebrachte Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (18/1304, 18/1449, 18/1331), die Begrenzung habe nicht nur ökologische, sondern auch Kostengründe. Mit 24,5 Cent pro Kilowattstunde sei die Biomasse die teuerste der aller erneuerbaren Energien. Dieser Weg könne so nicht weiter beschritten werden, sagte der Minister auf Fragen der Fraktionen.

Zu den anderen Ausbaupfaden für erneuerbare Energien verwies Gabriel auf die Einigung mit den Bundesländern und plädierte dafür, diese Einigung nicht in Frage zu stellen. Die Energiewende leide auch daran, dass Investoren und andere Beteiligte nicht wüssten, was bei politischen Mehrheitswechseln geändert werden könnte. Es sei daher wichtig, sich in den bestimmten Korridoren zu bewegen. Wer an den Ausbauzielen noch etwas verändern wolle, könne den Kompromiss mit den Bundesländern aufkündigen, warnte Gabriel, der sich auch dagegen aussprach, die Begünstigungen des Eigenstromverbrauchs noch auszuweiten. Es gebe bereits wegen der geringeren EEG-Umlage einen "Run in die Eigenstromerzeugung". Als schwer bezeichnete es der Minister, weitere Branchen in die von der EU festgelegte Liste für das sogenannte Industrieprivileg aufzunehmen. Auf Fragen nach den Klimaschutzzielen unterstrich Gabriel die Notwendigkeit, den europäischen Emissionshandel in Gang zu bringen.

Die CDU/CSU-Fraktion hatte zuvor noch Diskussionsbedarf bei der Eigenstromregelung angemeldet. Bestandsanlagen würden nicht von der EEG-Umlage erfasst, aber bei Bestandserweiterungen gebe es ebenso noch Unschärfen wie bei der Abgrenzung zwischen Industrie- und anderen Anlagen. Die SPD-Fraktion sprach die Eigenstromerzeugung ebenfalls an, zeigte sich mit dem Gesetzentwurf aber insgesamt zufrieden. Die Kostendynamik bei der EEG-Umlage könne gebrochen werden, und außerdem gebe es eine bessere Planbarkeit, ohne dass die Energiewende gefährdet werde.

Die Linksfraktion bezweifelte, dass der Erfolg der Energiewende mit diesem Entwurf noch eintrete. Außerdem würden die Klimaschutzziele nicht erreicht. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien bereits jetzt unter den im Gesetzentwurf genannten Zielen bleibe. Der Ausbaukorridor bei der Biomasse sei "wenig bis nichts". Außerdem kritisierte die Fraktion die geplante Ausschreibungsregelung für erneuerbare Energien.

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3. Einstimmig für Reform der Ghetto-Renten

Ausschuss für Arbeit und Soziales/

Berlin: (hib/CHE) Die Auszahlung von Renten ehemaliger Ghetto-Arbeiter soll künftig deutlich verbessert werden. Dazu hat der Ausschuss für Arbeit und Soziales am Mittwochvormittag einen Gesetzentwurf (18/1308) der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) einstimmig beschlossen. Abgelehnt wurde dagegen mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ein Antrag (18/636) der Fraktion Die Linke, mit dem diese ebenfalls eine rasche Änderung des ZRBG zugunsten der Betroffenen erreichen wollte. Für diesen Antrag stimmten Die Linke selbst und Bündnis 90/Die Grünen. Auch ein Änderungsantrag der Grünen (18(11)112), mit dem erreicht werden sollte, dass Hinterbliebene von Ghetto-Arbeitern postum deren Rente beantragen können, wurde mit den Stimmen von Union, SPD und Linksfraktion abgelehnt.

In der vorangegangenen Debatte begrüßten alle Fraktionen, dass eine Änderung des ZRBG nun endlich auf den Weg gebracht werde. Diese sieht vor, dass für Rentenanträge nach dem ZRBG die allgemein im Sozialrecht geltende vierjährige Rückwirkungsfrist nicht mehr angewendet wird. Dies soll allen Betroffenen ermöglichen, ihre Rente rückwirkend vom 1. Juli 1997 an zu beziehen. Ursprünglich war das nur bei rechtzeitig bis Juni 2003 gestellten Anträgen möglich, diese Antragsfrist entfällt ebenfalls. Die Renten, die bisher wegen der vierjährigen Rückwirkungsfrist oder wegen verspäteter Antragstellung ab einem späteren Zeitpunkt gezahlt wurden, werden auf Antrag neu festgestellt und gezahlt, sofern die Voraussetzungen für die Rente zu diesem Zeitpunkt erfüllt sind. Das ZRBG wurde im Jahr 2002 beschlossen. Jedoch führte die Rechtsauslegung des Bundessozialgerichts zunächst dazu, dass rund 90 Prozent der Anträge auf Renten nach diesem Gesetz abgelehnt wurden. Nach einer 2009 erfolgten veränderten Rechtsprechung konnte nachträglich in über 50 Prozent der zunächst abgelehnten Fälle eine Rente bewilligt werden. Wegen der vierjährigen Rückwirkungsfrist wurden diese jedoch nicht ab 1997, sondern erst ab 2005 gezahlt.

Die Linke betonte, dass es beim ZRBG nicht um eine Wiedergutmachung oder Entschädigung gehe, sondern um einen Altersrentenanspruch. Der "unwürdige Irrgarten sich widersprechender Gerichtsurteile" finde mit dem Gesetz endlich ein Ende. Die Koalitionsfraktionen zeigten sich zufrieden, "das subjektive Ungerechtigkeitsgefühl, das wir leider bei den Betroffenen hinterlassen haben", nun beseitigen zu können. Die Grünen bedankten sich bei der Bundesregierung, so zügig einen Entwurf zur Änderung des ZRBG vorgelegt zu haben. Sie verteidigten gleichzeitig ihren Vorstoß für Hinterbliebene, der zwar "sozialrechtlich grenzwertig" aber an dieser Stelle dennoch gerechtfertigt sei, weil es für die Hinterbliebenen bitter sei, zu sehen, dass sie einen Anspruch auf eine Rente gehabt hätten. Dieser Argumentation schlossen sich alle anderen Fraktionen und auch die Bundesregierung nicht an. Rückwirkend die Rente eines Verstorbenen zu erhalten, widerspreche eklatant dem Rentenrecht und könne "präjudizierende Wirkung" haben, so die Befürchtung der Bundesregierung. Deren Vertreterin kündigt zudem eine Lösung für die in Polen lebenden ehemaligen Ghetto-Arbeiter an, da diese bisher aufgrund sozialrechtlicher Abkommen zwischen Deutschland und Polen keine Rente nach dem ZRBG geltend machen können. Mitte Juni werde es dazu ein zweites Treffen auf ministerieller Ebene geben, hieß es.

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4. Ausschuss billigt GKV-Reformgesetz

Ausschuss für Gesundheit/

Berlin: (hib/PK) Der Gesundheitsausschuss des Bundestages gibt grünes Licht für das an mehreren Stellen veränderte Gesundheitsreformgesetz der Regierung. Mit den Stimmen der Fraktionen von Union und SPD und gegen das Votum der Opposition billigte der Ausschuss am Mittwoch den Entwurf für das "GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz" (18/1307). Zuletzt hatte es noch diverse Änderungsanträge seitens der Koalitionsfraktionen gegeben, die nun in den Entwurf eingearbeitet werden. Die Verabschiedung des Gesetzentwurfs ist für Donnerstag im Bundestag vorgesehen.

Das Gesetz sieht vor, dass der Beitragssatz ab 2015 von jetzt 15,5 auf 14,6 Prozent sinkt, wobei der hälftige Arbeitgeberanteil von 7,3 Prozent gesetzlich festgeschrieben wird. Der bisher allein von den Versicherten gezahlte Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent des Einkommens fällt ebenso weg wie die pauschalen Zusatzbeiträge und der damit einher gehende steuerfinanzierte Sozialausgleich. Dafür können die Krankenkassen künftig einkommensabhängige Zusatzbeiträge erheben, die allein von den Versicherten zu tragen sind. Bezieher von Arbeitslosengeld I und II müssen keine Zusatzbeiträge zahlen.

Der Gesetzentwurf ist nach einer Expertenanhörung am 21. Mai zugunsten der Versicherten noch einmal angepasst worden. Verbraucherverbände hatten gefordert, im Internet die Zusatzbeiträge der Krankenkassen darzustellen, damit die Versicherten entscheiden können, ob sie von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen wollen. Nun ist im Gesetz vorgesehen, dass die Kassen ihre Mitglieder rechtzeitig und schriftlich über erstmalige oder erhöhte Zusatzbeiträge informieren müssen. Zudem soll der GKV-Spitzenverband im Internet eine aktuelle Übersicht bereitstellen, aus der deutlich wird, welche Kassen einen Zusatzbeitrag in welcher Höhe erheben.

Die Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen machten deutlich, dass sie einzelne Bestandteile des Gesetzes befürworten, das Gesamtpaket jedoch ablehnen. So begrüßt die Opposition das geplante neue Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen, das etwa die Aufgabe haben soll, im Sinne der Verbraucher die Krankenhausleistungen vergleichbar zu machen. Die Grünen kritisierten hier jedoch, dass der Schwerpunkt auf der stationären Versorgung liege und die ambulante Seite vernachlässigt werde.

Im Grundsatz mitgetragen werden von der Opposition auch mehrere Ergänzungen zum ursprünglichen Gesetzentwurf. So beinhaltet die Vorlage den Ausbau der Unabhängigen Patientenberatung in Deutschland (UPD). Die bundesweit 21 Beratungsstellen werden von den Bürgern so rege genutzt, dass vor allem die Telefonberatung an ihre Grenzen stößt. Nun soll der Förderzeitraum für die UPD von fünf auf sieben Jahre erweitert und das Fördervolumen von fünf auf neun Millionen Euro angehoben werden.

Auch die geplanten Soforthilfen für Hebammen finden breiten Zuspruch, nachdem im Gesetzentwurf ein sogenannter Sicherstellungszuschlag für Geburtshelferinnen in Abhängigkeit von der Zahl der betreuten Geburten vorgesehen ist. Die Hebammen müssen künftig aber bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllen und diese mit der Teilnahme an entsprechenden Fortbildungen belegen. Der Zuschlag soll im Sinne einer flächendeckend verfügbaren Geburtshilfe insbesondere jenen Hebammen helfen, die nur wenige Geburten betreuen und unter den extrem hohen Berufshaftpflichtprämien leiden. Das Kernproblem der teuren Versicherungen in einem schrumpfenden Markt ist aber weiter nicht gelöst.

Im Gesetz vorgesehen ist auch eine Verlängerung der Optionsphase für das neue Abrechnungssystem in psychiatrischen Fachkliniken. Bei einer Anhörung hatten Experten dafür plädiert, das Pauschalierende Entgeltsystem Psychiatrie und Psychosomatik (PEPP) weiterzuentwickeln und wirkungsvoller an die Bedürfnisse der Patienten anzupassen. Befürchtet wird, dass in Kliniken zu wenig Personal zu wenig Zeit für Patienten hat und Fehlanreize gesetzt werden, weil das System dazu beitragen soll, Kosten zu sparen. Ursprünglich sollte PEPP ab 2015 verpflichtend eingeführt werden, nun verschiebt sich der Termin auf 2017. Die psychiatrischen Einrichtungen können also auch 2015 und 2016 frei entscheiden, ob sie das alte oder das neue Vergütungssystem anwenden.

Mit dem Gesetzentwurf will die Regierung auch die Beitragsautonomie sowie den Qualitäts- und Preiswettbewerb der Krankenkassen untereinander stärken. Heftig umstritten ist weiterhin die Frage der paritätischen Finanzierung im Gesundheitswesen, die nach Auffassung der Opposition mit dem Gesetz aufgehoben wird, weil Beitragssatzsteigerungen künftig allein von den Versicherten getragen werden müssen. Dies sei der Hauptgrund, weshalb dem Gesetz insgesamt nicht zugestimmt werden könne. Union und SPD sehen in der Novelle hingegen wichtige Weichenstellungen für Fortschritt, Transparenz und Qualität in der Medizin.

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5. Keine Unterzeichnung des Weltagrarberichts

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist mit ihrer Forderung nach einer Unterzeichnung des Weltagrarberichts durch die Bundesregierung gescheitert. Einen entsprechenden Antrag (18/979) lehnte der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Mittwoch mit den Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU und SPD ab, die Fraktion Die Linke votierte für die Vorlage.

Die Grünen hatten in ihrem Antrag argumentiert, dass der Bericht des von den Vereinten Nationen und der Weltbank initiierten Weltagrarrates bisher von 58 Staaten unterzeichnet worden sei. Er fordere eine "grundsätzliche Neuausrichtung von Agrarpolitik und Agrarforschung, welche die überragende Bedeutung der bäuerlichen Landwirtschaft für die Bekämpfung des Hungers anerkennt". Der Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Gerd Müller (CSU), postuliere die nachhaltige ländliche Entwicklung und den Kampf gegen Hunger als Schwerpunkt seiner Politik. Die Bundesregierung sei aufgefordert, ein "deutliches Zeichen" zu setzen, "indem sie den Weltagrarbericht anerkennt und diesen umsetzt".

Die Bundesregierung solle "Farbe bekennen", ob sie auf der Seite des Modells einer industriellen oder kleinbäuerlichen Landwirtschaft in Entwicklungsländern steht, argumentierte ein Vertreter der Grünen. Der Weltagrarbericht zeige, dass die kleinbäuerliche Wirtschaft ökologisch, sozial und auch mit Blick auf das Weltklima die besseren Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung habe.

Ein Vertreter der Linksfraktion sprach von dem Eindruck, dass die Bundesregierung unter dem "Deckmantel der Hungerbekämpfung" vor allem neue Märkte erschließen wolle. Es dürfe nicht um den "Export des westlichen Agrarmodells" gehen, das etwa mit industriellen Saatgut und industriellen Düngemethoden Kleinbauern in die Abhängigkeit treibe.

Vertreter der Koalitionsfraktionen betonten, dass die Bundesregierung auch ohne die Unterzeichnung im Lichte der Erkenntnisse und Empfehlungen des Weltagrarberichtes handle. Ein Vertreter der Unionsfraktion verwies auf den Plan von Minister Müller, "grüne Zentren" als Pilotprojekte in Afrika einzurichten, bei denen landwirtschaftliche Techniken vermittelt werden sollen, um die Produktivität zu erhöhen und Ernteverluste zu vermeiden. Ein Vertreter der SPD-Fraktion nannte die Unterzeichnung des Weltagrarberichts zwar wünschenswert; entscheidend sei aber, dass man im Koalitionsvertrag Empfehlungen des Berichts verankert habe und nun auch umsetze.

Die Abgeordneten diskutierten außerdem über einen Antrag der Fraktion Die Linke (18/1482), der vom Bundestagsplenum noch nicht überwiesen worden ist und über den zu einem späteren Zeitpunkt abgestimmt werden soll. Die Fraktion fordert - neben der Unterzeichnung des Weltagrarberichts -, die Ernährungssouveränität zum Leitbild der deutschen Entwicklungs- und Agrarpolitik zu machen und "die Selbstversorgung in den Partnerländern und nicht ihre Integration in internationale Wertschöpfungsketten als oberstes Ziel anzusehen". Weitere Forderungen zielen unter anderem auf die Stärkung der Rechte von Kleinbauern, die Verhinderung von "Landgrabbing"-Praktiken und die Abschaffung von Exportfördersubventionen insbesondere für Ausfuhren in Entwicklungsländer.

Vertreter von Union und SPD wandten sich insbesondere gegen die Forderung nach einem Stopp sämtlicher Verhandlungen über Freihandelsabkommen. Es sei richtig und wichtig, dass auch Entwicklungsländer mit eigener Wertschöpfung am Welthandel teilhaben können.

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6. Experten bewerten neue Lärmverordnung positiv

Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur (Anhörung)/

Berlin: (hib/MIK) Die Verordnung zur Änderung der Sechszehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (18/1280) wird von den meisten Experten positiv aufgenommen. Dies wurde am Mittwoch bei der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur deutlich. Mit der Änderung will die Bundesregierung aktuelle Erkenntnisse aus den Bereichen Immissionen von Eisenbahnen und Straßenbahnen sowie Lärmausbreitung in die Verkehrslärmschutzverordnung einarbeiten. Die neue Berechnungsvorschrift Schall 03 (2012) soll das bisherige Verfahren Schall 03 aus dem Jahr 1990 ersetzen.

Für Jens Böhlke vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) stellt der Entwurf eine Verbesserung dar. Sie ermögliche gegenüber der Schall 03 "grundsätzlich" eine genauere Berechnung der Schienenlärmbelästigung betroffener Anwohner beim Neu- und Ausbau von Schienenstrecken der Eisenbahnen des Bundes (Lärmvorsorge). Hieraus würde nicht zuletzt auch eine größere Sicherheit im Hinblick auf festgesetzte Maßnahmen zum Schutz der Anwohner von Eisenbahnlärm resultieren. Zusätzlich würden Lärmprognosen zukünftig stärker als bisher eine Plausibilisierung gegenüber der Planfeststellungsbehörde bedürfen. Deshalb sei die Verordnung wichtig für die zukünftige Arbeit des EBA. Ohne sie bestehe die Gefahr, dass das EBA sich zukünftig in den einzelnen Planfeststellungsverfahren mit den Obergerichten in jedem Fall über die Frage, ob und in welchem Umfang zum Beispiel innovative Schallschutzmaßnahmen anerkannt werden können, gesondert auseinandersetzen müsse.

Auch Wolfgang Herrmann von der Obermeyer Planen und Beraten GmbH hält es für notwendig, dass die fast 25 Jahre alte Schall 03 an den Stand der Technik angepasst wird. Er habe bereits erste praktische Erfahrungen mit dem Entwurf der Richtlinie sammeln können und deshalb könne er bestätigen, dass sie trotz einer formal deutlich größeren Komplexität des Berechnungsverfahrens für den Anwender praktikabel und handhabbar sei.

Ebenso begrüßte Michael Jäger-Cüppers vom Arbeitsring Lärm der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) die Revision der Schall 03 in der vorliegenden Form. Dennoch würden Defizite der alten Verordnung noch bestehen bleiben. Dazu zählt er vor allem die unzureichende Definition des für die Immissionen einflussreichen Zustandes der Schienen. Diese sollte vorrangig verbessert werden, betonte er.

Für Wolfgang Probst von DataKustik bringt die Neufassung "voraussichtlich" eine Verbesserung für die vom Lärm betroffene Bevölkerung. Diese gelte vor allem für die Integration von innovativen Schallschutz. Allerdings sei der Mehraufwand an Eingabedaten durch die wesentlich differenziertere Beschreibung des Schienenverkehrs erheblich. Außerdem würden erhebliche Zweifel bestehen, ob der Mehraufwand zur Erhöhung der Genauigkeit führen könne.

Kritisch äußerte sich Gerd Kirchhoff von der Bundesvereinigung gegen Schienenlärm. Nach seiner Meinung unterlaufe die geplante Verordnung das Vorhaben der Schaffung einer unionseinheitlichen Regelung zur Berechnung und Bewertung aller Arten von Umgebungslärm und fördere die weitere Zersplitterung des nationalen Lärmschutzrechts. Deshalb würde er es begrüßen, wenn die Entscheidung auf EU-Ebene abgewartet würde. Mit der Novelle packe die Bundesregierung keine einzige der wirklich drängenden Aufgaben im Verkehrslärmschutz an, insbesondere werde die im Koalitionsvertrag vereinbarte verkehrsträgerübergreifende Gesamtlärmbetrachtung in der Novelle "nicht einmal angesprochen". Wolf Maire vom Ingenieurbüro Bonk-Maire-Hoppmann kritisiert in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass die vorliegende Neufassung keine Änderungen an den technischen Daten und Kennwerten habe.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 298 - 4. Juni 2014 - 13.15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2014