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BUNDESTAG/4487: Heute im Bundestag Nr. 352 - 02.07.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 352
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 02. Juli 2014, Redaktionsschluss: 13.50 Uhr

1. Mindestlohn: Erhöhung kommt früher
2. Verbraucherschutz als Aufgabe der Bafin
3. Probleme mit neuer Gesundheitskarte



1. Mindestlohn: Erhöhung kommt früher

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Berlin: (hib/CHE) Der Mindestlohn von 8,50 Euro soll ein Jahr früher als ursprünglich geplant angehoben werden. Das sieht die geänderte Fassung des Tarifautonomiestärkungsgesetzes (18/1558, 18(11)183) der Bundesregierung vor, das der Ausschuss für Arbeit und Soziales am Mittwochmittag mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen hat. Die Linke enthielt sich. Am morgigen Donnerstag berät der Bundestag in abschließender Lesung über den Entwurf.

Das Tarifpaket sieht vor, erstmals in Deutschland einen flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro ab 2015 einzuführen. Tarifverträge mit einem niedrigeren Brutto-Stundenlohn sollen in einer Übergangsphase jedoch bis Ende 2016 gültig bleiben können, so dass der Mindestlohn erst ab 2017 voll greift. Über die geplanten Ausnahmeregelungen und andere Detailfragen wie die Arbeit der Mindestlohnkommission hatte es jedoch bis zuletzt Diskussionen gegeben. Erst am Montag fand dazu eine Expertenanhörung im Bundestag statt.

Der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht nun vor, dass die Mindestlohnkommission nicht jährlich, sondern alle zwei Jahre über eine Anpassung des Mindestlohns, orientiert an der nachlaufenden Tarifentwicklung, entscheidet. Der Zeitpunkt der erstmaligen Erhöhung des Mindestlohns wird jedoch von 2018 auf 2017 vorverlegt. Neu sind auch separate Übergangslösungen für die Zeitungsbranche: So sollen Zeitungszusteller ab nächsten Jahr einen Anspruch auf 75 Prozent, ab 2016 auf 85 Prozent und ab 2017 dann auf 8,50 Euro pro Stunde haben. Für alle anderen Branchen sind Übergangslösungen nur aufgrund von Tarifverträgen nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz möglich. Geändert wurden außerdem die Ausnahmeregeln für Praktikanten: Zwar sind verpflichtende Praktika im Rahmen einer Ausbildung weiter grundsätzlich vom Mindestlohn ausgenommen. Bei Orientierungspraktika vor oder während einer Ausbildung gilt jedoch, dass erst nach drei Monaten und nicht wie bisher nach sechs Wochen der Mindestlohn gezahlt werden muss. Neu definiert wird darüber hinaus die geringfügige, sozialversicherungsfreie Beschäftigung im Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Demnach liegt diese nun vor, wenn "die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450 Euro im Monat übersteigt". Bisher waren dies zwei Monate beziehungsweise 50 Arbeitstage. Kost und Logis von Saisonarbeitern können auf den Mindestlohn angerechnet werden. Laut Änderungsantrag soll diese Regelungen möglichen "Problemen bei der Saisonarbeit durch Einführung des Mindestlohns Rechnung tragen".

Einig waren sich in der Sitzung alle Fraktionen darin, dass es sich um eine mit "historischer Dimension" handelt. Die Unionsfraktion sprach gar von einer "Operation am offenen Herzen", um die Dimension der Beschlüsse zu charakterisieren. Sie trügen zweifellos die Züge eines "großen Kompromisses" und seien keineswegs eine Abkehr von der sozialen Marktwirtschaft sondern deren Erweiterung, hieß es von CDU/CSU. Die SPD-Fraktion betonte, mit dem Gesetz werde nicht nur eine "untere Haltelinie" gezogen, sondern die Tarifautonomie insgesamt gestärkt. Die Linke bezeichnete die Ausnahmeregelungen für Unter-18-Jährige als "Altersdiskriminierung" und für Langzeitarbeitslose als "entwürdigend". Die Grünen fragten, wie man angesichts der Ausnahmen von einem flächendeckenden Mindestlohn reden könne. In keinem anderen Land mit Mindestlöhnen gebe es eine solche Benachteiligung von Langzeitarbeitslosen und Jugendlichen, hieß es aus der Fraktion.

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2. Verbraucherschutz als Aufgabe der Bafin

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz

Berlin: (hib/JBB) Über das Verhältnis von Aufsicht, Prävention und Verbraucherschutz in der Arbeit ihrer Behörde berichtete am Mittwoch die Präsidentin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), Elke König, den Mitgliedern des Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages. Im Vordergrund standen hierbei besonders die neu geplanten Finanzmarktwächter sowie die Regulierung des sogenannten grauen Finanzmarktes.

König sagte, der kollektive Verbraucherschutz sei "schon seit je her" Teil der Aufgaben der Bafin. Darüber hinaus sei der Verbraucherschutz auch integraler Bestandteil bei den Aufgabengebieten Solvenzaufsicht und Marktaufsicht, die die Bafin ausübt. Schließlich sorgten diese für faire und transparente Bedingungen auf dem Markt, was auch den Verbrauchern nütze. "Die Solvenzaufsicht ist nicht der Feind des Verbraucherschutzes, sondern die Basis aller Dinge am Markt", sagte König. Wenn ein Unternehmen liquide genug sei um seine Rechnungen zu bezahlen profitierten davon auch die Kunden, sagte sie. Besondere aufsichtsrechtliche Instrumente der Bafin seien der Verbraucherbeirat, die Beratungsprotokolle und seit November 2012 die Mitarbeiter- und Beschwerderegister für Anlageberater. Diese hätten seit ihrem Start 15.000 Beschwerden erhalten hätten, woraus sich 350 Aufsichtsbesuche ergaben. "Das ist kein Pranger, wirkt aber ungemein disziplinierend", erklärte König. Insgesamt bekomme die Bafin pro Jahr bis zu 20.000 Beschwerden und 23.000 Beschwerdeanrufe. Auf Nachfrage der Abgeordneten erläuterte König, dass bei der Bafin eine Abteilung komplett für den Verbraucherschutz zuständig ist aber auch andere Aufgabenbereiche der Finanzdienstleistungsaufsicht damit zu tun hätten. Konkret seien 100 Personen komplett für Verbraucherschutz zuständig und ein Viertel bis ein Drittel der insgesamt 2400 Angestellten zum Teil.

Von den neuen Finanzmarktwächtern erhofft König eine neue Erkenntnisquelle, vor "allem für Verbrauchertrends". Wichtig sei aber eine unabhängige Arbeit der Wächter, sowohl vom Einfluss der Verbraucherzentralen als auch vom Einfluss der Finanzwirtschaft. So sollen alle Informationen gesammelt und Trends publik gemacht werden. Zum Grauen Kapitalmarkt äußerte sich König ebenso. Dieser ist nicht verboten aber auch nicht reguliert. Gerade auch deshalb übe er einen Reiz für manche Anleger aus. Hier könne man zwar Änderung bei den Regeln für den Vertrieb dieser Angebote nachdenken, so König, ein komplettes Verbot aber sei schwierig. "Wir wollen nicht jedes Darlehensverhältnis unter Aufsicht stellen. Eine Finanzierung außerhalb des regulären Marktes ist für mich per se kein Problem", sagte sie. Zumal der graue Kapitalmarkt auch solche Neuerungen wie Crowdfunding beinhalte.

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3. Probleme mit neuer Gesundheitskarte

Ausschuss für Gesundheit

Berlin: (hib/PK) Die neue Elektronische Gesundheitskarte (eGK) wird noch immer nicht von allen Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) genutzt. Rund sechs bis acht Prozent der Versicherten hätten nach wie vor ihre alte Gesundheitskarte, teilweise mit langer Gültigkeitsdauer bis 2020, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, am Mittwoch im Gesundheitsausschuss des Bundestages.

Gleichwohl sei der "Rollout" der E-Card in vollem Gange, aber noch nicht vollständig abgeschlossen, sondern bei einem Status zwischen 91 und 93 Prozent. Viele Versicherte hätten immer noch keine neue Karte beantragt oder kein Foto eingeschickt. Manche schickten sogar irgendwelche Fantasiefotos ein, die dann nicht verwendet werden könnten. Ungeachtet der Probleme solle Anfang 2015 die Einführung der Karte komplett umgesetzt sein. Problematisch könnte es nochmals werden, wenn im Herbst Patienten mit alter, aber gültiger Karte kämen und damit nicht mehr abgerechnet werden könnten, sagte Gassen. Immerhin seien im 4. Quartal 2013 noch 19 Millionen Behandlungsfälle mit der alten Karte registriert worden.

Daher werde gerade eine Kompromisslösung erarbeitet. Geplant sei, für das letzte Quartal 2014 eine Übergangsregelung für die alten Karten zu finden und die Versicherten seitens der Ärzte und Kassen nochmals auf die Notwendigkeit der neuen Karte hinzuweisen, sodass dann am Ende des Jahres "wirklich Schluss" sei mit der alten Karte.

Ungelöst sind aus Sicht der KBV noch immer bestimmte technische Fragen, wie Gassen sagte. So müsse es für die neuen Karten künftig regelmäßig Sicherheits- und Software-Updates geben. Das könne nicht über die Arztpraxen laufen, und für die Kassen wäre ein regelmäßiger Einzug der Karten sicher mit erheblichen Kosten verbunden. Noch sei unklar, welche Lösungen die Industrie dafür präsentieren werde. Jedenfalls benötigten die neuen Karten eine beständige technische Aktualisierung.

Die E-Card soll dazu beitragen, Qualität, Effizienz und Sicherheit im Gesundheitswesen zu erhöhen. Sie enthält einen Mikroprozessor, der weit leistungsfähiger ist als der bisherige Chip in den alten Karten. Auf der Vorderseite der eGK ist ein Bild des Versicherten aufgebracht, um Missbrauch zu verhindern. An den Schutz der gespeicherten medizinischen Daten werden höchste Sicherheitsanforderungen gestellt. Die Karte soll unter anderem zeigen, welche Medikamente ein Patient bekommt oder bekommen hat.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 352 - 2. Juli 2014 - 13.50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2014