Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/4902: Heute im Bundestag Nr. 103 - 26.02.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 103
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 26. Februar 2015, Redaktionsschluss: 10.20 Uhr

1. Beamter X: BKA in der Mangel
2. Wirtschaftskrise in der Ukraine
3. Kohärente Ziele für Post-2015-Agenda
4. Soziale Gleichheit bei SDG-Zielen


1. Beamter X: BKA in der Mangel

2. Untersuchungsausschuss (Edathy)

Berlin: (hib/pst) Lange vor Sebastian Edathy war im gleichen Ermittlungskomplex ein Beamter des Bundeskriminalamts unter Kinderporno-Verdacht geraten. Nun mussten drei Mitarbeiter des BKA als Zeugen vor dem 2. Untersuchungsausschuss viele kritische Fragen zum Umgang mit diesem "Beamten X" beantworten. Dabei behandelte der Ausschuss den kritischsten Teil aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes unter Ausschluss der Öffentlichkeit, denn hier ging es um die Disziplinarmaßnahmen, die der damalige BKA-Chef Jörg Ziercke nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens gegen seinen Mitarbeiter verhängt hatte. Aber schon im öffentlichen Teil wurden aus den Fragen und Stellungnahmen mehrerer Ausschussmitglieder Zweifel deutlich, ob hier immer mit angemessener Konsequenz vorgegangen worden war. Nicht erhärtet, aber auch nicht ausgeräumt wurde der Verdacht, der "Beamte X" könnte aus dem Haus heraus gewarnt worden sein.

Zeuge Jörg Spaniol war als Leiter des Geheimschutz-Referats des BKA mit den Ermittlungen gegen den "Beamten X" betraut, seit im Januar 2012 einer Kinderporno-Ermittlerin der Name einer Führungskraft ihres Referats auf einer Kundenliste eines einschlägigen kanadischen Vertriebs aufgefallen war. Spaniol berichtete, dass die Zahl der Eingeweihten im Hause sehr klein gehalten worden sei. Man habe den Fall schnellstmöglich an die Staatsanwaltschaft Mainz, zuständig für den Wohnsitz des Beamten, abgegeben.

Zu intensiven Nachfragen führte die Aussage Spaniols, die Staatsanwaltschaft habe an einer Sicherung des Dienstrechners des Beamten X kein Interesse gehabt. Sie habe dies damit begründet, dass die in der Wohnung gefundenen Beweise ausgereicht hätten und es keinen Hinweis gegeben hätte, dass im Büro noch etwas zu finden sei. Spaniol berichtete außerdem von der Aussage des Mainzer Staatsanwalts Joachim Schumacher, der Beamte X und seine Familie hätten bei der Hausdurchsuchung einen gefassten Eindruck gemacht. Oberstaatsanwältin Andrea Keller habe später auf die Frage, ob das auf eine vorherige Warnung aus dem BKA hindeute, geantwortet, durch die Vorermittlungen seien so viele Personen außerhalb des BKA informiert gewesen, dass der Beamte X es von überall her hätte erfahren können. Die Tatsache, dass trotzdem Beweismaterial gefunden wurde, spreche aber gegen eine Warnung.

Später war im BKA aufgefallen, dass mehr als 80 Mitarbeiter des Hauses den Namen des Beamten X als Suchbegriff ins Polizeiliche Informationssystem eingegeben hatten. Die Wenigsten hatten dazu eine Berechtigung. Wie der im Justiziariat des BKA tätige Christoph Becker berichtete, sei es als Konsequenz meist bei "ermahnenden Gesprächen" durch die Vorgesetzten geblieben, Disziplinarverfahren habe es in keinem Fall gegeben. Ob es solche Suchanfragen bereits gegeben hatte, bevor durch die Hausdurchsuchung am 13. April 2012 der Verdacht gegen den Beamten X publik wurde, konnte keiner der Zeugen sagen.

Ebenfalls keine Antwort gab es darauf, warum dem Beamten X erst am 24. April 2012 die Ausübung der Dienstgeschäfte untersagt und sein Dienstausweis eingezogen wurde. Auch ob er in der Zwischenzeit noch an seinem Schreibtisch war, konnte kein Zeuge sagen. Matthias Meyer, seit November 2012 Leiter des Rechtsreferats und damit auch für das Disziplinarverfahren gegen den Beamten X zuständig, sagte aus, seines Wissens habe es seinerzeit den Vorschlag gegeben, dessen Diensträume unzugänglich zu machen. Warum das dann nicht geschehen sei, wisse er nicht.

Zum Disziplinarverfahren selbst sagte Meyer im öffentlichen Teil der Vernehmung, er habe eine Disziplinarklage vorbereitet, doch die Amtsleitung - also Ziercke - habe es "anderweitig geregelt". Dies sei allerdings nicht nur in diesem Fall so gewesen, ergänzte Meyer und sagte zur Konsequenz für die Arbeit seines Referats: "Wir machen Vorschläge. Wenn die Amtsleitung dann regelmäßig anders verfährt, passen wir unsere Vorschläge an." Ziercke habe bei Disziplinarverstößen generell eine "beamtenfreundliche Linie" verfolgt.

Auch in den drei folgenden Zeugenbefragungen des Untersuchungsausschusses im März soll es vor allem um den "Beamten X" gehen. Am Ende muss auch Ex-BKA-Chef Jörg Ziercke noch einmal auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen.

*

2. Wirtschaftskrise in der Ukraine

Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Berlin: (hib/AHE) Der Krieg in der Ostukraine hat die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Ukraine verschärft: Eine erfolgreiche Stabilisierung hänge allerdings nicht nur von einer Befriedung des Konfliktes ab, sondern auch von einer Reihe von Reformen der Regierung in Kiew - das legten Ricardo Giucci und Robert Richter, Leiter beziehungsweise Mitglied der Deutschen Beratergruppe bei der ukrainischen Regierung am Mittwoch bei einem Gespräch zur Lage der Wirtschaft der Ukraine im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union dar.

Im vergangenen Jahr hätte das Land ein Minuswachstum von 7,5 Prozent zu verkraften gehabt, für das laufende Jahr würde ein Minus 5,5 Prozent prognostiziert. Die öffentliche Verschuldung sei zwischen Ende 2013 und Ende 2014 von 40 auf 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen, die ukrainische Währung Griwna verliere stark an Wert, die Inflationsrate liege derzeit bei 30 Prozent. "Die Preise steigen auf breiter Front", sagte Richter. Er verwies zudem darauf, dass sowohl Kredite in der Ukraine mit einem Zinssatz von 25 Prozent wie auch das Ausbleiben von Investoren aus dem Ausland wegen der ungewissen Lage im Osten des Landes es der ukrainischen Wirtschaft schwer machten.

Das vom Internationalen Währungsfonds (IWF) in Aussicht gestellte Kreditprogramm im Gesamtumfang von 40 Milliarden US-Dollar für die nächsten vier Jahre (davon 17,5 Milliarden vom IWF selbst, der Rest von anderen multilateralen und bilateralen Gebern) bilde in diesem Umfeld einen "Anker". Zu den Auflagen des IWF gehörten unter anderem Deregulierungen, Haushaltskonsolidierung, Reformen im Steuerwesen und im Bankensektor sowie Reformen insbesondere im Energiesektor: Bisher subventioniere der Staat die Energiepreise zu rund 80 Prozent, dies werde nicht nur als eine der wichtigsten Ursachen für Haushaltsdefizite angesehen, sondern auch für Energieverschwendung und Korruption, argumentierte Richter. Ziel der Regierung in Kiew sei, bis April 2017 die Inlandspreise für Gas auf den eigentlichen Importpreis anzuheben. Dies allerdings würde eine Steigerung der Gaspreise für Privathaushalte um mehr als 280 Prozent bedeuten - die Regierung in Kiew plane entsprechende Programme im Haushalt ein, um Energiearmut und schlimmste soziale Verwerfungen zu vermeiden.

Vertreter der Fraktionen von CDU/CSU und SPD erkundigten sich nach den Auswirkungen des Konfliktes im Osten des Landes auf die innerukrainischen Wirtschaftsbeziehungen. Wie ein Vertreter der Linksfraktion thematisierten sie zudem die Frage, inwieweit ein Wegbrechen der Wirtschaftsleistungen aus dem Donbass für Kiew wirtschaftlich zu verkraften wäre. Ein Vertreter der Grünen erkundigte sich unter anderem nach möglichen Plänen zum Aufbau einer eigenen Erdgasförderung in der Ukraine, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern.

Zur Frage der Wirtschaft im Donbass sprach Giucci von einem "gemischten Bild" für die Zentralregierung in Kiew: Es sei zwar davon auszugehen, dass die fehlenden Devisen aus den Exporten der rohstoffreichen Region sich negativ auf die Handelsbilanz der Ukraine auswirken würden. Fiskalisch stelle sich die Situation allerdings positiver dar: Der Donbass sei - anders als häufig dargestellt - ein großer Nettoempfänger aus dem ukrainischen Staatshaushalt - etwa durch die Erstattung der Mehrwertsteuer auf Exporte und durch Subvention für die Kohleförderung und eine veraltete Schwerindustrie. Giucci sprach sich für eine rasche Umsetzung des wirtschaftlichen Teils des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine aus, der aus politischen Gründen zunächst bis Ende 2015 ruht. Der Vorteil des Freihandelsabkommens liege weniger im zollfreien Zugang zum Markt der EU, sondern vielmehr in der Beschleunigung bei der Einführung von europäischen Standards: Dies könne ukrainischen Unternehmen bei der Diversifizierung ihrer Absatzmärkte helfen und bedeute damit für das Land weniger Abhängigkeit von Exporten nach Russland.

*

3. Kohärente Ziele für Post-2015-Agenda

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD machen sich für eine Post-2015-Agenda stark, in der "die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung" berücksichtigt und UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) mit universeller Geltung für alle Länder etabliert werden. Das Besondere der Post-2015-Agenda sei, dass sie universell anwendbare Ziele für eine nachhaltige Entwicklung enthält, die für alle im Handeln nach innen und nach außen gelten: für Entwicklungsländer, Schwellenländer und Industrieländer, heißt es in einem Antrag (18/4088), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Die Abgeordneten heben darin unter anderem den Synthesebericht des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon hervor, der die Vorschläge der offenen Arbeitsgruppe für nachhaltige Entwicklungsziele (Open Working Group, OWG) mit 17 Oberzielen und weiteren 169 Unterzielen sowie die Vorschläge eines Expertenkomitees zur Entwicklungsfinanzierung zusammenfasst. "Der Synthesebericht ist Grundlage für die anstehenden zwischenstaatlichen Verhandlungen in diesem Jahr, die zu einem Beschluss durch die UN-Generalversammlung im September 2015 führen sollen", schreiben die Abgeordneten.

Der Bericht der OWG benenne die vollständige Beseitigung von extremer Armut als größte globale Aufgabe. Darüber hinaus gelte es, nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum zu fördern und ein Auskommen mit der zur Verfügung stehenden Ressourcengrundlage für wirtschaftliche und soziale Entwicklung sicherzustellen. "Das Dokument stellt außerdem heraus, dass es zunächst immer die primäre Verantwortung der Staaten ist, auf ihrem Staatsgebiet für eine nachhaltige soziale, ökonomische und ökologische Entwicklung entsprechend ihren Fähigkeiten zu sorgen. Jedoch handelt es sich bei vielen Aspekten um globale Herausforderungen, die nur gemeinsam und mit vereinten Kräften bewältigt werden können", heißt es im Antrag weiter.

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, sich dafür einzusetzen, "dass bei den Post-2015-Verhandlungen die Substanz des Vorschlages der OWG in seiner Gesamtheit erhalten bleibt, damit eine Agenda mit einem kohärenten Zielsystem entsteht, das klar formuliert, universell anwendbar und in der Zielerreichung eindeutig zu überprüfen ist". Ziel solle sein, "eine neue globale Partnerschaft zu etablieren, in der die Universalität der Ziele und eine gemeinsame Verantwortung aller Staaten und Akteure für das globale Gemeinwohl festgeschrieben wird". Dabei müsse deutlich werden, dass Entwicklung ein souveräner Prozess ist, für den in erster Linie die Staaten selbst verantwortlich sind. Entwicklungszusammenarbeit könne gestaltend unterstützen, keinesfalls aber nationalstaatliche Verantwortung ersetzen.

Weiter fordern die Abgeordneten, die im Rahmen der Millenniumentwicklungsziele bereits gewonnenen Erfahrungen mit der Überwachung, Steuerung und praktischen Umsetzung der Zielsysteme im SDG-Prozess zu berücksichtigen und nach Möglichkeit einen "unabhängigen Überprüfungsmechanismus zur Prozessbegleitung der Post 2015-Agenda ähnlich der Allgemeinen Staatenüberprüfung im UN-Menschenrechtsrat" einzurichten.

Weitere Forderungen betreffen unter anderem das Engagement der Bundesregierung auf EU-Ebene und im Rahmen der G7-Präsidentschaft für den SDG-Prozess, die Ausrichtung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie an der Post-2015-Agenda sowie die Zielstellung, "dass die Beendigung von Armut auch durch die Einhaltung und nationale Umsetzung der international verbindlich vereinbarten Menschenrechtskonventionen, Umweltabkommen und ILO-Kernarbeitsnormen sowie damit verbundenen anderer UN-Konventionen in Handels-, Investitions- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen und im Allgemeinen Präferenzsystem der EU verankert werden".

*

4. Soziale Gleichheit bei SDG-Zielen

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke dringt darauf, die Überwindung von Armut und sozialer Ungleichheit weltweit in den Mittelpunkt der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) zu stellen, die in diesem Jahr von den Vereinten Nationen beschlossen werden sollen. Die "Open Working Group" (OWG) der VN habe einen Vorschlag für die SDGs vorgelegt, der bis September 2015 diskutiert und dann von der Generalversammlung beschlossen werden soll, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/4091), der am heutigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Die Bundesregierung habe in ihrer als Unterrichtung vorliegenden "Agenda für den Wandel zu nachhaltiger Entwicklung weltweit" (18/3604) ihre Position für die Verhandlungen vorgelegt, in der sie sich positiv auf den OWG-Vorschlag beziehe. "Allerdings finden sich nicht alle wesentlichen Inhalte des OWG-Vorschlags in der Positionierung der Bundesregierung wieder". Insbesondere das Ziel, "Ungleichheit in und zwischen den Staaten zu verringern", erhalte keine Priorität, schreiben die Abgeordneten.

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, sich dafür einzusetzen, "dass die Herstellung sozialer Gleichheit und gerechter Wirtschaftsstrukturen zentrales Anliegen der SDGs wird" - durch angemessene Besteuerung von "Spitzeneinkommen, Vermögen und Gewinnen" weltweit, durch das Schließen von Steuerschlupflöchern, den Aufbau sozialer Sicherungssysteme und die Durchsetzung von angemessenen Mindestlöhnen und verbindlichen Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards. Weitere Forderungen zielen auf "die Geschlechtergerechtigkeit und die Gleichstellung der Frau als unabhängiges Ziel", auf den deutschen finanziellen Beitrag zur Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele, sowie darauf, dass die Bundesregierung "ihre Handels-, Entwicklungs- und Umweltpolitik" in Einklang mit diesen Zielen bringt.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 103 - 26. Februar 2015 - 10.20 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang