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BUNDESTAG/4959: Heute im Bundestag Nr. 160 - 24.03.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 160
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 24. März 2015, Redaktionsschluss: 10.55 Uhr

1. Terror-Strafrecht: Experten uneins
2. Umsetzung Bologna-Prozess geht voran


1. Terror-Strafrecht: Experten uneins

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (öffentliche Anhörung)

Berlin: (hib/SCR) Die geplante Verschärfung des Strafrechts in Hinblick auf sogenannten Terror-Tourismus und die Finanzierung des Terrorismus ist gestern Nachmittag bei einer Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz auf ein geteiltes Echo gestoßen. Mit Bezug auf einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (18/4087) diskutierten die Experten unter anderem die Frage der geplanten Vorverlagerung der Strafbarkeit in den entsprechenden Tatbeständen kontrovers. Hintergrund sind unter anderem die Reise mutmaßlicher Dschihadisten aus Deutschland in die Krisengebiete Syrien und Irak.

Das geplante Gesetz soll die Reise (beziehungsweise den Versuch) in ein Land unter Strafe stellen, wenn der Reisende dort plant, entweder terroristisch tätig zu werden oder sich in sogenannten Terror-Camps ausbilden zu lassen. Mit dieser Regelung wäre eine "neue Qualität der Vorfeldstrafbarkeit" erreicht, kritisierte Nikolaos Gazeas, Rechtswissenschaftler von der Universität Köln. Das Ziel sei legitim, aber in Hinblick auf Verhältnismäßigkeit, Übermaßverbot und Bestimmtheitsgrundsatz bestünden aus seiner Sicht erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Gazeas schlug vor, eher mit Ausreiseverboten zu arbeiten. Hier seien auch die Nachweisprobleme weniger problematisch. Anke Müller-Jacobsen von der Bundesrechtsanwaltskammer betonte, dass auch der "liberale Rechtsstaat" geschützt werden müsse. Durch die Verlängerung der Strafbarkeit weiter ins Vorfeld hinein, von der Reise selbst gehe schließlich noch keine Gefahr aus, werde die notwendige Grenze im Strafrecht zwischen Prävention und Repression beschädigt.

Anders äußerte sich hingegen Rolf Raum, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof. Er könne die Bedenken hinsichtlich der Vorfeldstrafbarkeit nicht teilen, da durch die geplante Regelung wichtige Rechtsgüter geschützt werden könnten, zum Beispiel die Sicherheit in Deutschland, aber auch in den Ländern, in die die mutmaßlichen Täter ausreisen wollten. Rainer Grisbaum, stellvertretender Generalbundesanwalt im Ruhestand, sah in dem Entwurf grundsätzlich Vorteile für die Strafverfolgung. Aus Praxissicht begrüßte Sven Kurenbach vom Bundeskriminalamt die vorgeschlagenen Änderungen.

Der zweite Aspekt des Gesetzentwurfes, die Neuregelung des Straftatbestandes zur Terrorismusfinanzierung, sieht vor, das Sammeln und zur Verfügung stellen auch von Kleinstbeträgen für terroristische Zwecke unter Strafe zu stellen. Ulrich Sieber, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, meinte, dass das Vorhaben grundsätzlich richtig sei. Optimierungsbedarf bestünde aber etwa in der Konkretisierung der Tathandlungen, um unproblematisches Alltagshandeln nicht unter Strafe zu stellen. Ausdrückliches Lob fand Siebert für die Regelung des Vorsatzes in dem Gesetzentwurf. Es sei richtig, hier nicht nur auf einen Eventualvorsatz abzustellen. Griesbaum hingegen merkte an, dass durch die Vorsatzregelung der Anwendungsbereich "sehr eng" ausfallen könnte. Auch Richter Raum meinte, dass die geplante Abstellung auf Wissentlichkeit - also ein direktes Wollen - "überscharf" sei.

Joachim Krause, Politikwissenschaftler von der Christian-Albrechts-Universität Kiel, verwies grundsätzlich auf das Gefahrenpotenzial des salafistischen Dschihadismus. Insofern sei zwar zu bejahen, dass die vorgeschlagenen Änderungen hilfreichen seien. Fraglich sei aber, ob sie ausreichten. Krause schlug vor, über eine "grundgesetzkonforme" Vorratsdatenspeicherung nachzudenken, um terroristische Netzwerke aufklären zu können. Auch die Polizei und die Verfassungsschutzbehörden müssten besser ausgestattet werden. Zudem sei es notwendig, gegen salafistische Propaganda und Prediger vorzugehen.

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2. Umsetzung Bologna-Prozess geht voran

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Unterrichtung

Berlin: (hib/ROL) Der Bologna-Prozess hat in ganz Europa die nationalen Hochschulsysteme verändert. Auch wenn die Reformen weitgehend umgesetzt sind, stehen im internationalen Kontext vor allem die weitere Förderung der Mobilität, die Anerkennung, die Qualitätssicherung, die Förderung des Lebenslangen Lernens und die soziale Dimension im Vordergrund. Zu den Schwerpunkten bei der Umsetzung der Ziele des Bologna-Prozesses in Deutschland gehören die Konsolidierung und Optimierung des Umsetzungsprozesses. Das schreibt die Bundesregierung in ihrer Unterrichtung (18/4385).

Am 19. Juni 1999 haben 30 europäische Staaten in Bologna den Grundstein zu einer umfassenden Studienreform im Europäischen Hochschulraum (EHR) gelegt, der sich inzwischen 47 Mitgliedstaaten angeschlossen haben. In der Bologna-Erklärung verständigten sich die Unterzeichnerstaaten auf sechs Kernziele: Die Einführung gestufter Studiengänge, die Vereinfachung der Anerkennung, die Einführung eines Kreditpunktesystems wie ECTS, die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Qualitätssicherung, die Förderung der Mobilität der Hochschulangehörigen und die Ausrichtung auf eine europäische Dimension der Hochschulbildung. Erweitert wurde der Zielkatalog bei den Folgekonferenzen in Prag (2001) und Berlin (2003) um die Punkte Lebenslanges Lernen, Einbeziehung der Hochschulen und Studenten, Förderung der weiteren Entwicklung der Qualitätssicherung, Erhöhung der weltweiten Attraktivität des Europäischen Hochschulraums sowie der Etablierung des Europäischen Hochschulraums und des Europäischen Forschungsraums als die entscheidenden zwei Säulen der Wissensgesellschaft.

Seit der letzten Berichterstattung im Jahr 2012 habe sich die Zahl der Studenten in Deutschland weiter zugenommen. Im Wintersemester 2014/2015 studierten rund 2,7 Millionen Studenten an deutschen Hochschulen. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der Bemühungen um die Herstellung sozialer Chancengleichheit seien im Sinne des Lebenslangen Lernens die Bemühungen verstärkt worden, die Hochschulen für neue Studentengruppen zu öffnen. Die Zahl der beruflich Qualifizierten ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung unter den Studienanfängern habe sich seit 2000 auf über 12.000 verzehnfacht. Die Umstellung auf die gestuften Studiengänge sei mit Ausnahme der staatlich geregelten Studiengänge (insbesondere Medizin und Rechtswissenschaften) weitgehend abgeschlossen. Im Wintersemester 2013/14 führten 87,4 Prozent aller Studiengänge zu Bachelor- und Masterabschlüssen gegenüber 85 Prozent im Wintersemester 2010/11.

Im Hinblick auf die steigende Zahl von Studenten, der demografischen Entwicklung und der immer heterogener werdenden Studentenschaft komme der verbesserten finanziellen Ausstattung der Hochschulen und der Studentenwerke weiterhin eine besondere Bedeutung zu, schreibt die Bundesregierung.

Am 26. und 27. April 2012 fand in Bukarest die siebte Bologna-Folgekonferenz statt. Die Minister bekannten sich im Bukarest-Kommuniqué zur Investition in Bildung. Trotz finanzieller Schwierigkeiten vieler europäischer Staaten sei dabei gerade die Investition in Bildung als eine Antwort auf die Finanzkrise sowie auf gesellschaftliche Herausforderungen gesehen worden. Ein Schwerpunkt der Arbeit in den nächsten Jahren soll die Stärkung der internationalen Mobilität der Studenten sein. Die Minister verabschiedeten deshalb die Mobilitätsstrategie 2020.

Gleichzeitig betonten sie, dass Hochschulbildung ein offener Prozess sei, der den Studenten nicht nur fachliche und Schlüsselkompetenzen vermitteln, sondern sie darüber hinaus zu selbstbewussten und kritischen Menschen heranbilden soll.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 160 - 24. März 2015 - 10.55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2015

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