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BUNDESTAG/5120: Heute im Bundestag Nr. 321 - 18.06.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 321
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. Juni 2015, Redaktionsschluss: 10.45 Uhr

1. Netzneutralität und Spezialdienste
2. Grünen-Vorstoß für Universitäten
3. Linke fordern Ehe für alle
4. Urbanisierung in Ländern des Südens
5. Schwerpunkte der Afrikapolitik


1. Netzneutralität und Spezialdienste

Ausschuss Digitale Agenda

Berlin: (hib/HAU) Über die Frage der gesetzlichen Festschreibung der Netzneutralität und der Zulassung bevorzugt behandelter Spezialdienste gibt es unter Experten unterschiedliche Ansichten. Das wurde während eines öffentlichen Fachgespräches im Ausschuss Digitale Agenda am Mittwoch deutlich. Vor allem Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer beim Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche (Bitkom), sprach sich für die Zulassung von Spezialdiensten aus, was auch aus Sicht der Bundesregierung der richtige Weg sei, wie Wilhelm Eschweiler, Vizepräsident der Bundesnetzagentur, sagte. Die weiteren geladenen Sachverständigen sahen das anders und sprachen sich für eine gesetzliche Festschreibung der Netzneutralität aus.

Der Vizepräsident der Bundesnetzagentur verwies auf die Haltung der Bundesregierung zum Thema Netzneutralität. Dabei gehe es zum einen um die Beibehaltung des Best-Effort-Prinzips, also der Gleichbehandlung aller Daten im Internet. Zudem sollten Spezialdienste "nicht als Ersatz für Internetzugänge vertreiben werden dürfen". Des Weiteren müssten ausreichende Kapazitäten für Spezialdienste geschaffen werden, um den sonstigen Datenverkehr nicht zu behindern. Diese Kernaspekte des deutschen Vorschlags im Rahmen der europaweiten Diskussion zur Netzneutralität zielen laut Eschweiler darauf ab, "ein tragfähiges Nebeneinander von Internetzugangsdiensten und Spezialdiensten zu realisieren".

Gegen allzu strenge Regelungen der Netzneutralität, wie sie derzeit im Europäischen Parlament diskutiert würden, wandte sich Bitkom-Hauptgeschäftsführer Rohleder. Ebenso wie der Vertreter der Bundesnetzagentur sprach auch er sich dafür aus, das Best-Effort-Prinzip zu erhalten, gleichzeitig aber bevorzugt zu behandelnde Spezialdienste zuzulassen. Das sei wichtig, um die Innovationsfähigkeit und Investitionskraft der Branche nicht zu gefährden. Rohleder betonte: "Ein absolutes und dogmatisches Verständnis von Netzneutralität geht an den tatsächlichen Gegebenheiten in den Netzen vorbei und würde im Falle der Umsetzung die Aufrechterhaltung der verschiedenen Netzfunktionalitäten erschweren sowie die Integrität und Sicherheit der Netze gefährden."

Alleinige Profiteure einer Abschaffung oder Lockerung des Prinzips wären größere Telekommunikationsanbieter, welche sich eine höhere Rentabilität ihrer Infrastruktur durch diskriminierende Geschäftsmodelle erhoffen, gab Thomas Lohninger vom Verein Initiative für Netzfreiheit - Bürgerrechte im digitalen Zeitalter zu bedenken. Derzeit, so Lohniger, gebe es einen internationalen Trend "hin zur Netzneutralität". Sollte Europa sich für den anderen Weg entscheiden und Startsups erst mit den Telekommunikationsanbietern in Verhandlung treten müssen, bevor sie ihr Produkt auf den Markt bringen können, "sind wir in der großen Gefahr, dass es uns nicht möglich ist, auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig zu sein", warnte er.

Alexander Sander vom Verein Digitale Gesellschaft e.V. machte deutlich, dass es schon jetzt im mobilen Bereich erhebliche Verletzungen der Netzneutralität gebe. Dieses Problem, so seine Befürchtung, solle nun auch bei Festnetzanschlüssen verfestigt werden. Ziel der Anbieter sei es, "mit bestehenden Netzen mehr Geld zu verdienen, ohne in den weiteren Breitbandausbau investieren zu müssen", sagte Sander. Auch vor diesem Hintergrund sei die Festschreibung der Netzneutralität gut für den Breitbandausbau. Das zeigten im Übrigen auch die Erfahrungen in Ländern mit einer strengen Auslegung der Netzneutralität.

Auf die aktuellen Entwicklungen in den USA ging Benn Scott, ehemaliger Innovationsberater der amerikanischen Außenministerin Hillary Clinton und jetzt Geschäftsführer der Stiftung Neue Verantwortung, ein. So habe die amerikanische Regulierungsbehörde FCC mit dem Gesetz zur Netzneutralität das "umfassendste Dokument, was es zu dem Thema jemals gegeben hat", verabschiedet. Kernaussagen darin seien, dass es keinerlei Drosselung geben dürfe sowie keine "diskriminierende Preisgestaltung". Laut Scott seien daher keine Geschäftsmodelle erlaubt, die auf einer bezahlten Priorisierung von Datenverkehr beruhen.

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2. Grünen-Vorstoß für Universitäten

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Ein innovatives Land braucht starke Hochschulen, in denen gedacht, geforscht, gelehrt und gelebt werden kann. Das schreiben Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag (18/5207). Universitäten und (Fach)Hochschulen bräuchten moderne Bauten und eine zeitgemäße und zukunftsfähige Ausstattung.

Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern ein Modernisierungsprogramm für moderne Infrastrukturen des Wissens auf den Weg zu bringen. Dieses soll nach Auffassung der Grünen noch 2016 starten, damit bis 2020 Bauten und Ausstattung wieder auf der Höhe der Zeit sind. Mit dem Programm sollen auch qualitative Ansprüche verbunden werden, zum Beispiel energetisch-klimaneutrale Referenzbauten, ästhetische Ansprüche an die Architektur oder auch Gebäudekonzepte, die auf Innovations- und Variabilität ausgerichtet sind. Von Seiten des Bundes sollen für das Programm jährlich zwei Milliarden Euro bereitgestellt werden.

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3. Linke fordern Ehe für alle

Recht und Verbraucherschutz/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Anlässlich der heutigen Debatte zu dem Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/5098) zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare setzt auch die Fraktion Die Linke ein Signal. In einem Antrag (18/5205) fordert sie die Bundesregierung auf, der Entschließung des Bundesrates in dieser Sache zu folgen und einen Gesetzentwurf vorzulegen, "um die weiterhin bestehende Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare zu beenden".

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4. Urbanisierung in Ländern des Südens

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke fordert die Stärkung der Kommunen in Partnerländern der Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Stadtentwicklung. Die Urbanisierung werde in vielen Ländern durch Faktoren bedingt, die nicht im Ermessen der lokalen oder nationalen Akteure liegen würden, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/5204). "Sie wird bestimmt durch eine globale Handelspolitik, die in den ländlichen Regionen des Südens die Existenzgrundlagen bäuerlicher Wirtschaft vernichtet, ohne zugleich Existenzgrundlagen in den urbanen Räumen zu schaffen." Auf diese Weise würden Städte des Südens "zu Werkbänken niedriger Fertigungsstufe oder zu riesigen Märkten, auf denen die Billigimporte aus Europa, Nordamerika und Asien gehandelt werden, aber kaum Wertschöpfung stattfindet".

Die Bundesregierung wird unter anderem aufgefordert, Partnerschaften deutscher Kommunen mit Kommunen in den Ländern des Südens aktiv zu fördern und die Mittel für das kommunale Engagement im Haushaltsentwurf deutlich zu erhöhen. Ferner solle sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit nicht an Privatisierungen oder der Umwandlung öffentlicher Leistungen in öffentlich-private Partnerschaften beteiligen sowie in urbanen Infrastrukturprojekten aktiv die Beteiligung der betroffenen Bevölkerung suchen und fördern. Innerhalb der EU solle sich die Bundesregierung zudem für eine Neuausrichtung der Handelspolitik einsetzen, "die auf Liberalisierungsforderungen verzichtet und die es den Handelspartnern im Süden ermöglicht, ihre Landwirtschaft und Industrien im Aufbau vor Verdrängungswettbewerb zu schützen".

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5. Schwerpunkte der Afrikapolitik

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Im Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2014 haben die gesamten bilateralen Zusagen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit an Afrika rund 1,3 Milliarden Euro betragen. "Das im Afrikakonzept des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) erklärte Ziel, pro Jahr mindestens 100 Millionen Euro zusätzlich für Afrika zuzusagen, wurde im Jahr 2014 weit übertroffen", schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (18/5074) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/4866). Die Bundesregierung verweist zudem auf die BMZ Sonderinitiativen "Fluchtursachen bekämpfen - Flüchtlinge reintegrieren", "Stabilisierung und Entwicklung Nordafrika und Naher Osten" sowie "Eine Welt ohne Hunger", die Schwerpunkte jeweils in afrikanischen Ländern setzen würden.

Die Bundesregierung verweist auf die 2014 verabschiedeten Afrikapolitischen Leitlinien, die "einen umfassenden Ansatz der afrikapolitischen Instrumente der Bundesregierung und ein gemeinsames, koordiniertes und kohärentes Vorgehen der mit Afrika befassten Ressorts in allen Bereichen, darunter Frieden und Sicherheit, Entwicklung, Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, Umwelt und Globale Fragen" verfolgen würden. Schwerpunkten sei unter anderem die Schaffung von Frieden und Sicherheit durch diplomatisches, sicherheitspolitisches und entwicklungspolitisches Engagement, die Unterstützung der regionalen Integration Afrikas, der Abbau von Fragilität, die Reduzierung von Konflikten und Gewalt, Armutsbekämpfung und die Förderung rechtsstaatlicher Strukturen.

In diesen Kontext stellt die Bundesregierung auch den Abschluss von EU-Freihandelsabkommen mit afrikanischen Ländern: Die Weltwirtschaft sei lange Zeit von Strukturen geprägt gewesen, die es Entwicklungsländern erschwerten, eine eigene Produktion und Wertschöpfung aufzubauen und sich angemessen in internationale Wertschöpfungsketten zu integrieren. "Insbesondere Marktabschottung, verzerrte Handelsbedingungen und einseitig ausgerichtete Verträge (zum Beispiel im Rohstoffsektor), sowie Verhandlungen mit asymmetrischem Informationsstand werden als kritische Faktoren gesehen." Auf multilateraler Ebene suche man dieser Situation seit langem gegenzusteuern. Die Sonderstellung der Entwicklungsländer im Welthandelssystem sei im Laufe der Jahrzehnte Schritt für Schritt ausgebaut worden. "Die derzeit bestehenden Sonderregelungen, die Welthandelsorganisation (WTO) zählt insgesamt 145 solcher Normen, gehen auf die Bedürfnisse der Entwicklungsländer ein und erlauben die nötige Flexibilität der Verpflichtungen."

Ziel der "Wirtschaftspartnerschaftsabkommen" der EU sei es, nachhaltige Entwicklung und regionale Integration zu fördern und WTO-Konformität herzustellen. Zudem solle die regionale Integration vorangetrieben werden. "Inhaltlich sehen die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vor, dass die betreffenden Staaten zoll- und quotenfreien Marktzugang zur EU erhalten, wohingegen diese Staaten selbst nur einen Marktzugang einräumen müssen, der für die WTO-Konformität unbedingt erforderlich ist", schreibt die Bundesregierung.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 321 - 18. Juni 2015 - 10.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2015

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