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BUNDESTAG/5389: Heute im Bundestag Nr. 589 - 11.11.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 589
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. November 2015, Redaktionsschluss: 12.52 Uhr

1. EU-Mobilitätsrichtlinie beschlossen
2. Bericht zu Synthetischer Biologie
3. Experten gegen ausufernde Zeitverträge


1. EU-Mobilitätsrichtlinie beschlossen

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag einen Gesetzentwurf (18/6283) der Bundesregierung zur Umsetzung der EU-Mobilitätsrichtlinie in geänderter Fassung angenommen. Für den Entwurf stimmten CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Die Linke enthielt sich.

Die Richtlinie sieht Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten vor. Im Zentrum stehen dabei Regelungen zur betrieblichen Altersvorsorge durch Änderungen des Betriebsrentengesetzes und des Gesetzes über die Modernisierung der Finanzaufsicht über Versicherungen.

Die Fraktion Die Linke betonte, der Entwurf enthalte viele positive Aspekte hinsichtlich der erworbenen Anwartschaften bei Betriebsrenten. Es gebe aber bei den Interessen der Beschäftigten noch "Luft nach oben". Gerade für durchschnittliche und kleinere Einkommen seien die positiven Aspekte des Entwurfs, insbesondere seine Regelungen zur kapitalgedeckten Finanzierung, fraglich.

Die Grünen merkten dagegen an, es gehe nicht darum, "den Casino-Kapitalismus von der Kette zu lassen", sondern um mehr Flexibilität in der wahrscheinlich noch länger andauernden Niedrigzinsphase.

Die SPD-Fraktion betonte, der Entwurf stoße nicht das große Tor zur Reform der Betriebsrenten auf. Er sei jedoch ein erster Schritt. Weitere müssten folgen, um die betriebliche Altersvorsorge zu stärken. Natürlich sei es immer eine Grundsatzfrage, wenn man von kapitalgedeckter Altersvorsorge rede. Aber es seien genügend Sicherungsmechanismen eingebaut worden, die verhinderten, dass Angestellte ihre Ansprüche verlieren, so die Sozialdemokraten.

Die CDU/CSU-Fraktion zeigte sich zufrieden darüber, dass Unternehmen nun die Möglichkeit hätten, die betriebliche Altersvorsorge um kapitalgedeckte Regelungen zu erweitern. Da aber eine Mindestrente garantiert werden müsse, bestehe kein erhöhtes Risiko für Arbeitnehmer. "Wir stärken die betriebliche Altersvorsorge", war sich die Unionsfraktion sicher.

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2. Bericht zu Synthetischer Biologie

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) Seit gut zehn Jahren werden mit dem Begriff "Synthetische Biologie" (kurz Synbio) Forschungsvorhaben, Methoden und Verfahren zu einem "Umbau" natürlicher Organismen bezeichnet, der weiter geht, als es bislang mithilfe der Gentechnik möglich war. Die Ansätze reichen bis hin zur Schaffung (kompletter) künstlicher "biologischer" Systeme, schreibt das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) in seinem Abschlussbericht "Synthetische Biologie - die nächste Stufe der Bio- und Gentechnologie", der vom Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung 2011 in Auftrag gegeben wurde und nun am Mittwochvormittag in Berlin von diesem zur Veröffentlichung abgenommen wurde. Die kurz- und mittelfristige Bedeutung wie auch das längerfristige Potenzial des sehr heterogenen Feldes würde innerhalb von Wissenschaft, Wirtschaft und Politik unterschiedlich eingeschätzt, was auch an der nach wie vor fehlenden stringenten Definition liege. Insbesondere eine wissenschaftlich sinnvolle, auch für Laien leicht nachvollziehbare Abgrenzung gegenüber der Gentechnologie sei bislang nicht gelungen.

Die Untersuchung richtet sich neben naturwissenschaftlich-technologischen Aspekten insbesondere auf Fragen der Ethik, der Sicherheit (Biosafety und Biosecurity), des geistigen Eigentums, der Regulierung (bzw. Governance), der öffentlichen Wahrnehmung sowie einer adäquaten und frühzeitigen Chancen- und Risikokommunikation.

Viele Forschungs- und Entwicklungsansätze der Synbio würden sich auf die Nutzung nachwachsender anstelle fossiler Rohstoffe in der Chemie- und Energieproduktion und damit auf Kernbereiche einer zukünftigen "Bioökonomie" richten. Hinzu kämen vielfältige Ansätze in der Medizin sowie der Umweltsensorik und -sanierung. Das Ziel sei jeweils, mithilfe der Synbio einige den biologischen Prozessen innewohnenden Begrenzungen zu überwinden beziehungsweise zumindest auszudehnen.

In der Summe könne bilanziert werden, dass der Entwicklungs- und Anwendungsstand der Synbio noch nicht sehr weit fortgeschritten sei und eine zukünftige Überlegenheit und ökonomische Durchsetzungsfähigkeit von Synbio-Ansätzen nicht ernsthaft abgeschätzt werden könne. Ob (mehr oder weniger komplett) künstliche Organismen beziehungsweise "bioartige" Systeme jemals eine große Bedeutung für effiziente, zuverlässige und sichere "biobasierte" Produktion erlangen, sei nicht absehbar.

Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) berät das Parlament und seine Ausschüsse seit 1990 in Fragen des technischen und gesellschaftlichen Wandels. Das TAB ist eine organisatorische Einheit des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) im Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Hierbei kooperiert es seit September 2013 mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, dem IZT - Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung sowie der VDI/VDE Innovation + Technik.

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3. Experten gegen ausufernde Zeitverträge

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Anhörung

Berlin: (hib/ROL) Wissenschaftliche Stellen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sollen nicht mehr in so starkem Maß befristet werden wie bisher. Viele Wissenschaftler an Universitäten müssen mit sehr kurzen Vertragslaufzeiten von lediglich bis zu einem Jahr zurechtkommen. Das soll nun geändert werden. Zu dem Thema "Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses" hatte der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag zu einer Öffentlichen Anhörung eingeladen. Überwiegend befanden alle geladenen Sachverständigen, dass eine Novellierung des WissZeitVG dringend nötig sei.

Nikolaus Blum, Kaufmännischer Geschäftsführer, Helmholtz Zentrum München, Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, sagte, es stehe völlig außer Frage, dass das Gesetz novelliert werden müsse und lobte den Entwurf, da er ein richtiges Maß habe und Flexibilität bei den Stellenlaufzeiten auch weiterhin möglich sei.

Klaus Böhme, Vorsitzender des Bundesfachbereichs Bildung, Wissenschaft und Forschung, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di, Bundesvorstand, begrüßte ebenfalls die Neufassung, forderte aber gleichzeitig die Aufhebung der Tarifsperre, da so mehr Verhandlungsräume für die Tarifparteien erhalten bleiben würden. Nach dem momentan vorliegenden Gesetzentwurf soll die Tarifsperre bestehen bleiben.

Matthias Goldmann, Vertreter der Wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen der Geistes- Sozial- und Humanwissenschaftlichen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, kritisierte: "Eine grundlegende Verbesserung der Karriereperspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses ist von dem Entwurf nicht zu erwarten." Dennoch könne er dem Entwurf im Einzelnen viele positive Effekte abgewinnen. Gleichwohl forderte er die Anhebung der höchstzulässigen Befristungsdauer von 2 x 6 Jahren, also maximal 12 Jahre, auf 14 Jahre.

Professor Horst Hippler, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), sagte, dass die HRK mit Erleichterung zur Kenntnis genommen habe, dass durch den vorgelegten Entwurf die in der Wissenschaft bei der Beschäftigung und Befristung von wissenschaftlichen und künstlerischem Personal in der Qualifizierungsphase und in den drittmittelfinanzierten Projekten erforderliche Flexibilität nicht beeinträchtigt werde. Selbstverständlich solle die Befristungspraxis der Hochschulen Transparenz und Verlässlichkeit für den wissenschaftlichen Nachwuchs gewährleisten - aber nicht im Sinn einer Garantie auf einen Karriereweg, denn die könne in der Wissenschaft nur durch Bestenauswahl gewährleistet werden.

Andreas Keller, Stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, betonte, dass die Wissenschaftler "verlässliche Karrierewege" bräuchten und regte ein Minimum der Befristung von drei Jahren an. Er sagte: "Die Karrierewege an deutschen Hochschulen sind lang, steinig und unberechenbar."

Ludwig Kronthaler, Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft, Allianz der Wissenschaftsorganisationen, sagte, die Novellierung des WissZeitVG - die er als "sachgerecht" und "umsetzbar" bezeichnete - sei nur ein Baustein, um insgesamt bessere Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs zu schaffen. Das sei das Kernthema. Ähnlich wie Hippler argumentierte auch Kronthaler: "Das oberste wissenschaftliche Ziel sei die Ausbildung von Exzellenzen." Da könne man keine Kompromisse dulden. Aber es müsste für die Besten auch attraktiv sein, in diesen Wettbewerb zu treten.

Antonia Kühn, Leiterin der Abteilung Hochschule, Wissenschaft und Forschung beim Deutschen Gewerkschaftsbund Nordrhein-Westfalen forderte, dass Daueraufgaben auf Dauerstellen gebracht werden müssten. Zudem sollte den Hochschulen und Forschungseinrichtungen ein Sonderbefristungsrecht ausschließlich für Qualifizierungsstellen eingeräumt werden.

Professor Ulrich Preis, Geschäftsführender Direktor Universität zu Köln, Rechtswissenschaftliche Fakultät, Institut für Deutsches und Europäisches Arbeits- und Sozialrecht, der am ersten WissZeitVG mitgearbeitet hatte, kritisierte den vorliegenden Entwurf. Er werde in der Praxis das Problem der sehr starken Befristungen nicht lösen. Preis schlug konkrete Formulierungsänderungen vor, um weiten und unter Umständen vom Gesetzgeber auch anders intendierten Auslegungsmöglichkeiten einen Riegel vor zu schieben.

Professor Peter Strohschneider Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, lobte im Grundsatz die Novellierung, wenn er auch Detailkritik anbrachte. Grundsätzlich sagte er über das Wissenschaftssystem: "Es muss einen dritten Weg jenseits eines Aufstiegs auf eine Professur oder einem Ausstieg aus dem Wissenschaftssystem geben." Zudem forderte er, die Grundlagenfinanzierung der Universitäten zu verbessern.

Anna Tschaut, Bundesvorsitzende THESIS e. V. - Interdisziplinäres Netzwerk für Promovierende und Promovierte, kritisierte wie auch andere Sachverständige, dass die im vorliegenden Gesetzentwurf verwendeten Begriffe der "Qualifikation" und "Angemessenheit der Vertragsdauer" zu unbestimmt blieben.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 589 - 11. November 2015 - 12.52 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2015

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