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BUNDESTAG/5731: Heute im Bundestag Nr. 245 - 27.04.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 245
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 27. April 2016, Redaktionsschluss: 17.30 Uhr

1. Autoindustrie setzt auf Automatisierung
2. E-Government gibt es de facto nicht
3. Digitalisierung von Hotel-Anmeldungen


1. Autoindustrie setzt auf Automatisierung

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Automobilindustrie setzt auf Automatisierung. "Nur wenn wir da investieren, werden wir im Wettbewerb bestehen", sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, am Mittwoch in einer Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie. Der Weg gehe eindeutig zur Automatisierung. Zuerst werde es zur Automatisierung des Verkehrs auf Autobahnen kommen, später in den Städten zur automatischen Wegfindung, schilderte Wissmann seine Erwartungen für die Zeit um das Jahr 2025.

Bei den Elektroantrieben hätten die deutschen Hersteller massiv aufgeholt, nachdem sie vor Jahren noch hinter der Konkurrenz gelegen hätten, erläuterte Wissmann. In den letzten vier Jahren seien in diesem Bereich 14 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung ausgegeben worden. Die deutschen Hersteller seien mit 30 auf dem Markt angebotenen Fahrzeugen an die Weltspitze gekommen und ein Leitanbieter, dessen Angebotspalette größer sei als die der anderen Leitanbieter USA und Japan. In Norwegen betrage der Anteil deutscher Elektroautos an der Elektroautoflotte 50 Prozent, in den USA 20 Prozent. Mit 0,7 Prozent sei der Anteil der elektrisch betriebenen Fahrzeuge am Gesamtmarkt in den USA vergleichsweise gering; in Norwegen betrage der Anteil 27 Prozent. Wichtig sei der Aufbau von Ladeinfrastruktur durch die öffentliche Hand. Deutschland sei bisher das einzige Land ohne Förderung des Markthochlaufs, beklagte Wissmann, der die Verständigung zwischen Regierung und Wirtschaft auf Einführung einer Kaufprämie würdigte. Am Ende werde die Produktion von E-Autos dort am stärksten sein, "wo die Märkte am virulentesten sind". Die Verbrennungsmotortechnologie (auch Diesel) bezeichnete Wissmann als Brückentechnologie bis weit in das nächste Jahrzehnt hinein.

Zur öffentlichen Debatte über die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen und besonders bei VW-Modellen sagte Wissmann, das könne niemanden froh stimmen. Aber er sei erfreut über die "Leitplanken", die den Herstellern jetzt gegeben würden. So seien Straßentestes für Fahrzeuge EU-weit ab 2017 angekündigt worden, und es werde an einem neuen europäischen Normenzyklus gearbeitet. In der Debatte dürfe nicht übersehen werden, dass von den Fahrzeugen heute 60 Prozent weniger Stickoxide ausgestoßen würden als noch vor 15 Jahren. Auch der Ausstoß von Kohlendioxid sei drastisch gesunken.

Die CDU/CSU-Fraktion zeigte sich im Gespräch mit dem Präsidenten erfreut über die Lage der deutschen Automobilindustrie. Das sei mit Blick auf das europäische Ausland nicht selbstverständlich. An der Kaufprämie für Elektroautos gebe es aus technologischen und ordnungspolitischen Gründen Zweifel. In anderen Ländern sei die Erfahrung gemacht worden, dass es Strohfeuereffekte geben könne.

Die SPD-Fraktion hob die zentrale Bedeutung der Automobilwirtschaft für die guten deutschen Wirtschaftsdaten hervor. Ein Sprecher zeigte sich erfreut über Wissmanns Aussage, die deutschen Hersteller seien ein Leitanbieter im Bereich Elektromobilität, aber der Leitanbieter sei man noch nicht. Und wenn man auf die anderen Leitanbieter USA und Japan schaue, gebe es schon Sorgen, die noch wachsen würden angesichts der Tatsache, dass die deutschen Hersteller ihre Batterien aus Asien beziehen würden. Zudem gebe es durch die Abgasaffäre einen enormen Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust.

Die Fraktion Die Linke zeigte sich empört, dass die in Deutschland produzierenden Firmen Ford und Opel nicht zum Automobilgipfel im Kanzleramt eingeladen gewesen seien. Dies sei ein fragwürdiges Verfahren und habe in den Belegschaften Unruhe ausgelöst. Die vereinbarte Kaufprämie für Elektroautos bringe die Elektromobilität nicht wirklich nach vorn bei einer Preisdifferenz im Mittelklassebereich von 25.000 Euro für ein Modell mit Verbrennungsmotor und 45.000 Euro für ein Elektrofahrzeug in dieser Kategorie. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezweifelte, ob die die deutsche Automobilindustrie überall führend sei. Das habe man noch vor zehn Jahren auch von der Energiewirtschaft gehört. Außerdem hätten die deutschen Hersteller ein Imageproblem bei jungen Menschen. Deren bevorzugte Modelle würden nicht in Deutschland hergestellt. Zur Abgasaffäre sagte der Sprecher, ein Bericht des Kraftfahrtbundesamtes habe gezeigt, dass die Abgasreinigung unter Berufung auf eine Ausnahmeregelung in der Hälfte der Zeit abgeschaltet bleibe. Die Autoindustrie gebe nur zu, was ihr nachgewiesen werde.

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2. E-Government gibt es de facto nicht

Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Ein ernüchterndes Urteil bezüglich des Standes der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung (E-Government) zog der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates, Johannes Ludewig, am Mittwoch vor dem Ausschuss Digitale Agenda. "E-Government in Deutschland gibt es de facto nicht", sagte Ludewig vor den Abgeordneten bei der Vorstellung des Gutachtens "E-Government in Deutschland: Vom Abstieg zum Aufstieg". Zwar kämen innerhalb der Verwaltung diverse IT-Unterstützungen zum Einsatz, doch bleibe den Bürgern der Weg zum Amt in der Regel nicht erspart. E-Government drehe sich in einem Teufelskreis, so der Vorsitzende des Nationalen Normenkontrollrates. Unattraktive Angebote und eine geringe Nutzung würden sich wechselseitig bedingen. "Wir brauchen in Deutschland ein E-Government, dass Nutzen stiftet", forderte der ehemalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Davon sei man jedoch derzeit "Lichtjahre entfernt".

Benötigt werde eine klare politische Linie, sagte Ludewig. Doch genau daran mangele es. Aus seiner Sicht ein schwerer Fehler, gehe es doch "um unsere Wettbewerbsfähigkeit". Deutschland befinde sich in vielen internationalen Rankings in der Frage E-Government auf den hinteren Plätzen. "Im Vergleich zu Österreich sind wir zehn Jahre zurück", führte er als Beispiel an.

Dabei habe das vorliegende Gutachten ergeben, dass es in Deutschland "kein Erkenntnisproblem, aber ein Umsetzungsproblem gibt". Es sei bei den Verantwortlichen bekannt, was getan werden muss. "Es wird aber nicht getan", beklagte Ludewig.

Der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, Wolf-Michael Catenhusen, verwies als Beleg für die Problematik auf die "konzeptlose" Einführung des elektronischen Personalausweises. Es falle schwer, die Menschen zu ermuntern, den elektronischen Personalausweis zu nutzen, weil es so gut wie keinen Anwendungsbereich gebe. "Da ist etwas isoliert in den Raum gestellt worden", kritisierte er.

Ole Schröder (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, räumte ein, dass im Bereich des Personalausweisgesetzes etwas getan werden müsse. Schröder machte zudem deutlich, dass das Resortprinzip in der Bundesregierung und der Föderalismus zwei entscheidende Hemmnisse für ein erfolgreiches E-Government in Deutschland seien. Nach Ansicht des Staatsekretärs könne das Resortprinzip, bei dem die verschiedenen Ministerien jeweils nicht aufeinander abgestimmte digitale Lösungen entwickeln, in dieser Legislaturperiode überwunden werden. Schröder betonte in diesem Zusammenhang die Verantwortung des Parlaments. So seien die einzelnen Resorts erst durch die Sperrung von Haushaltsmitteln dazu gebracht worden, die inneren Widerstände gegen eine zentrale Lösung aufzugeben.

Der Föderalismus ist laut Schröder insofern ein Problem, als das sich zuletzt beim E-Government-Gesetz wieder gezeigt habe, dass es sehr schwierig ist, die Länder dazu zu bringen, den Kommunen verpflichtende Vorgaben zu machen. Bund und Länder müssten in dieser Frage zusammenarbeiten, betonten auch die Experten vom Normenkontrollrat. Er habe allerdings noch nicht davon gehört, dass das Thema bei einem Gipfel der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten eine herausragende Rolle gespielt hätte, zeigte sich Johannes Ludewig enttäuscht. Wolf-Michael Catenhusen hielt der Bundesregierung zugute, inzwischen eine Strategie entwickelt zu haben. Nun müsse aber auch der Bundesrat ins Spiel kommen, forderte er.

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3. Digitalisierung von Hotel-Anmeldungen

Tourismus/Ausschuss

Berlin (hib/wid) Hält das Meldewesen im deutschen Hotelgewerbe mit der digitalen Entwicklung noch Schritt? Zweifel daran äußerten am Mittwoch im Tourismusausschuss vor allem Vertreter der Opposition. Den Abgeordneten lag ein Bericht der Bundesregierung vor, "aus welchen Gründen in Deutschland von der Möglichkeit einer elektronischen Unterschrift für Meldescheine in Beherbergungsbetrieben abgesehen worden ist".

Hintergrund ist eine Neuregelung im Bundesmeldegesetz, die am 1. November in Kraft trat und nach dem Willen der Bundesregierung den Verwaltungsaufwand im Hotelsektor "wesentlich vereinfachen" soll. Die Gäste sind seither nicht mehr verpflichtet, ihren Meldezettel persönlich auszufüllen. Sie müssen ihn allerdings noch selbst unterschreiben. Die Vertreterin des Bundesinnenministeriums, Gabriele Eisel, sprach von einem "guten Kompromiss zwischen dem Interesse des Hotelgewerbes an der Entbürokratisierung und dem Interesse der Polizei an einem Mittel der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr".

Die Mehrheit des Ausschusses sah es mit Blick auf die derzeit in ganz Europa prekäre Sicherheitslage ähnlich. "In der jetzigen Situation" müsse man die Regelung "einfach akzeptieren", sagte die Abgeordnete der Linken Kerstin Kassner. Sie könne allerdings "nicht das Gelbe von Ei sein". Die Frage sei, ob der Personalausweis zur Identifikation von Hotelgästen nicht doch ausreiche. Zumindest für Angehörige bestimmter Berufsgruppen, deren Tätigkeit mit häufigen Dienstreisen verbunden sei, wäre ein entsprechende Sonderregelung wünschenswert, meinte Kassner.

Der Obmann der Grünen, Markus Tressel, stellte die Frage, welchen Gewinn an Sicherheit sich die Bundesregierung von der eigenhändigen Unterschrift des Gastes auf einem Papierformular verspreche. Wenn jemand falsche Angabe mache, sei es recht gleichgültig, ob er die nun selbst oder elektronisch unterschreibe. Wenn das Ziel eine "Digitalisierung der Reisekette", also weniger Bürokratie, sei, dürfe der Gesetzgeber nicht auf halbem Wege stehenbleiben: "Wir wollen ja nicht verzichten auf die Anmeldung." Für viele Reisende zumal aus "anderen Kulturkreisen" sei es mittlerweile "völlig undenkbar", dass sie überhaupt noch irgendetwas selber unterschreiben müssten. Dies sei von Vertretern des Hotel- und Gaststättengewerbes immer wieder zu hören.

Die Sozialdemokratin Gabriele Hiller-Ohm wies auf das Beispiel Österreichs hin. Dort sei das Meldeverfahren völlig digitalisiert, auch Unterschriften würden elektronisch erfasst. Der Christdemokrat Michael Donth gab zu bedenken, dass es naher Zukunft in den Hotels keine Rezeption mehr geben werde. Dann sei nicht einmal ein Tisch vorhanden, auf dem der Gast einen Zettel unterschreiben könne: "Die Entwicklung geht weiter. Es ist wichtig, dass wie nicht die Letzten sind."

Die Vertreterin des Innenministeriums machte europarechtliche Gründe für die Regelung geltend. Laut Artikel 45 des Schengen-Durchführungsübereinkommens seien Meldevordrucke eigenhändig auszufüllen und zu unterschreiben. Insofern sei schon die geltende Neufassung des Bundesmeldegesetzes eine großzügige Interpretation. Die österreichische Regelung sei vermutlich europarechtswidrig. Zur Identifikation von Personen anhand ihre Handschriften sei es zudem erforderlich, auch die Abdrucktiefe zu ermitteln. Das sei mit der elektronischen Unterschrift nicht möglich.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 245 - 27. April 2016 - 17.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2016

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