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BUNDESTAG/6046: Heute im Bundestag Nr. 560 - 29.09.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 560
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 29. September 2016, Redaktionsschluss: 09.05 Uhr

1. Strafbarkeit von Sportwettbetrug
2. Schutz von Menschenrechtsverteidigern


1. Strafbarkeit von Sportwettbetrug

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben (18/8831) stößt bei Experten auf ein unterschiedliches Echo. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Mittwochnachmittag deutlich. Mit dem Gesetz sollen zwei neue Straftatbestände geschaffen werden. So soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung zum einen Sportwettbetrug strafbar werden. Definiert wird dies im Entwurf als "Manipulationsabsprache bei Wettbewerben, auf die eine Sportwette gesetzt werden soll". Als Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben sollen zum anderen Absprachen zur Beeinflussung von hochklassigen Profisport-Veranstaltungen geahndet werden, auch wenn kein Bezug zu Wetten feststellbar ist.

Professor Michael Kubiciel von der Universität zu Köln nannte die neu geschaffenen Straftatbestände "verfassungskonform und kriminalpolitisch sinnvoll". Sie würden Schutzlücken in einem Bereich schließen, der in zunehmendem Maß kriminellen Angriffen von innen und außen ausgesetzt sei. Aus Sicht des Strafrechtlers gibt es gute Gründe, die Institution Sport zu schützen. Der Sport stehe für die Vermittlung von Werten. Wenn seine Regeln unterminiert werden, würden auch diese Werte unterminiert, sagte er. Zugleich machte er deutlich, das Gesetz sei kein Allheilmittel, aber ein wichtiges Signal an die Verbände, ihre Compliance-Bemühungen zu verstärken.

Die Schließung von Strafbarkeitslücken begrüßte auch Professor Martin Nolte von der Deutschen Sporthochschule Köln. Es sei dadurch möglich, die Sportler nicht nur als Gehilfen sondern als Täter bestrafen zu können. Dass der Schutz der Integrität des Sports kein herkömmliches Rechtsgut sei, mindert aus Sicht des Sportrechtlers weder dessen rechtstatsächliche Bedeutung für den organisierten Sport, noch verstoße der geplante Schutz gegen Verfassungsrecht.

"Fast uneingeschränkt" begrüßte Henning Sauer, Richter am Amtsgericht Güstrow, den Entwurf. Mit Blick auf den Schutz von Vermögensinteressen habe sich gezeigt, dass die Sportverbandgerichtsbarkeit nicht ausreiche, sagte er. Höchststrafen von drei oder fünf Jahren Haft sind aus Sicht Sauers jedoch nicht ausreichend. Insbesondere wenn die Manipulationen Top-Events betreffen und so Vermögensschäden in Millionenhöhe entstünden, sollte die Höchststrafe bei zehn Jahren liegen, forderte er.

Abgelehnt wurde der Entwurf durch Professor Ralf Krack von der Universität Osnabrück. Die Rechtsgüter "Integrität des Sports" und "Vermögen" könnten die geplante Strafbarkeit nicht legitimeren, befand er. Außerdem sei es nicht angemessen, mit dem Spitzensport und dem "bewetteten Sport" einen Teilbereich der sportlichen Betätigung strafrechtlich zu schützen und so den Breitensport für weniger bedeutend zu erklären. Insbesondere vor dem Hintergrund der derzeit ohnehin schon bestehenden Überlastung von Staatsanwaltschaften und Gerichten sei zudem nicht ersichtlich, warum der "Luxus" der Etablierung eines Sportstrafrechts angebracht erscheinen soll.

Auch Adrian Fiedler von Transparency International Deutschland äußerte Zweifel, ob die zu erwartende Mehrbelastung der Justiz ohne die entsprechende Schaffung neuer Stellen abgefedert werden kann. Eine lediglich lückenhafte oder praktisch nicht erfolgende Sanktionierung wäre aber kontraproduktiv, warnte Fiedler. Auf keinen Fall aber dürfe die strafrechtliche Regelung von der bei Korruptionsdelikten generell entscheidenden Prävention ablenken. Wichtig sei auch die überfällige Regulierung des Weltmarktes.

Dem stimmte auch Hans Wolfram Kessler, Vizepräsident des Deutschen Sportwettenverbandes zu. Die fehlende Regulierung bei Sportwetten sei der Nährboden für Manipulationen, urteilte er. Erst mit einer Regulierung könne effektive Prävention betrieben werden. Kritisch an dem Gesetzentwurf bewertet er, dass lediglich eine Konstellation, nämlich die Einflussnahme "zugunsten des Wettbewerbsgegners" unter Strafe gestellt werde. Ausgeklammert seien hingegen beispielsweise Ergebnisabsprachen zwischen Vereinen.

Martin Stadelmaier vom Deutschen Lotto- und Totoblock begrüßte die Initiative als ein Element zur Sicherung der Integrität des Sports. Der Gesetzentwurf stelle zudem eine sinnvolle Ergänzung des Glücksspielstaatsvertrages dar.

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2. Schutz von Menschenrechtsverteidigern

Menschenrechte/Anhörung

Berlin: (hib/AHE) Die Handlungsspielräume für Menschenrechtsverteidiger werden im weltweiten Maßstab kleiner. In einer Anhörung des Menschenrechtsausschusses am Mittwochnachmittag führten die Sachverständigen für diese Entwicklung vor allem zwei Faktoren an: Zum einen gebe es das Bestreben von immer mehr Regierungen, die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern einzuschränken, zu verhindern oder gar zu kriminalisieren sowie unter Berufung auf das Prinzip der Nichteinmischung Unterstützung für Menschenrechtsaktivisten von außen zu unterbinden. Diese Trends, auch darin herrschte Konsens, betreffe zwar vor allem autoritäre Regime, sei aber auch in einigen demokratischen Staaten zu beobachten. In einer Reihe von Ländern machten die Experten andererseits gerade schwache Regierungen und ein Mangel an Staatlichkeit als die entscheidende Faktoren aus, die zivilgesellschaftliche Spielräume und menschenrechtliches Engagement einengen oder gar unmöglich machen würden.

Jean Pierre Froehly vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE (ODIHR) sprach mit Blick auf die 2014 verabschiedeten OSZE-Leitlinien für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern von einer "Implementierungslücke": Auf dem Papier seien in den OSZE-Mitgliedsländern Schutzmechanismen zwar vorhanden, diese würden aber auf vielfältige Weise ausgehebelt: etwa durch restriktives Verwaltungshandeln, eine rigide Registrierungspraxis für Nichtregierungsorganisationen oder etwa durch die Stigmatisierung als "ausländische Agenten". Verbreitet sei zudem, dass Menschenrechtsaktivisten durch andere nichtstaatliche Akteure eingeschüchtert würden oder ihr Wirken durch steuerrechtliche Restriktionen einschränkt würde. "Die Leitlinie zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern sind nur so gut, wie sie in der Praxis umgesetzt werden können", sagte Froehly. Es gelte hier unter anderem durch Wahlbeobachtungen, durch Beobachtung von Gerichtsprozessen gegenzusteuern, gefragt sei aber auch Rechtsberatung von staatlichen Stellen in Verfassungsfragen, beim Wahlre cht oder in der NRO-Gesetzgebung.

Thomas Gebauer von der Hilfsorganisation Medico international begrüßte die entsprechenden Leitlinien der OSZE und auch der EU zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern: "Aber die besten Leitlinien nützen nichts wenn sie nicht bekannt sind oder angewendet werden." Es bedürfe eines gezielten diplomatischen Handelns "aller Akteure bei allen Gelegenheiten und Treffen". Man müsse entschlossen klarmachen, dass es nicht allein um die Menschenrechte geht, sondern dass eine lebendige Zivilgesellschaft der Garant dafür ist, dass sich die Dinge in einem Land zum Besseren entwickeln. Gebauer ordnete die immer stärkeren Einschränkungen für Menschenrechtsverteidiger in eine größeren politischen Kontext ein: Eine wachsende Zahl von Ländern mit fragiler Staatlichkeit, die Zunahme von langfristigen Konflikten und der global weiter aufgehenden sozialen Schere bis hin zur "absoluten Verrohung von politischen Verhältnissen" wie im Falle Syriens, wo weder das Völkerrecht noch humanitäre Absprachen noch Geltungen hätten. Als konkrete Empfehlung zum Schutz von Menschenrechtsverteidigern nannte Gebauer unter anderem Erleichterungen bei der dauerhaften oder zwischenzeitlichen Aufnahme von bedrängten Aktivisten sowie zum Beispiel auch eine bessere Ausstattung der Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung - dies im Sinne einer schnelleren Reaktions- und diplomatischen Interventionsfähigkeit. Gebauer regte zudem an, bei Menschenrechtsfragen stärker auf die soziale Dimension zu fokussieren und dabei auch die Auswirkungen von deutschen Unternehmen im Ausland auf die Menschenrechtslage dort in den Blick zu nehmen.

Michael Krennerich von Universität Erlangen-Nürnberg betonte, dass es trotz Gegenwind in den allermeisten Staaten sehr wohl Spielräume gibt, etwas für Menschenrechtsverteidiger zu tun: Diese Spielräume gelte es in der Außenpolitik, in der Entwicklungszusammenarbeit und in den Wirtschaftspolitik beständig auszuloten. "Man muss beharrlich für Menschenrechte und Menschenrechtsverteidiger eintreten, selbst wenn die Wirkung klein bleibt. Der Wert der Menschenrechte muss immer wieder bestätigt werden." Dazu gehöre etwa, das Personal an Botschaften in besonders kritischen Ländern in Fragen der Menschenrechte zu schulen und gegebenenfalls Personal aufzustocken. Krennerich nannte zudem Russland und China als Länder, die in ihrer Gesetzgebung für autoritäre Regime weltweit den Weg vorzeichnen, wie die Zivilgesellschaft kleinzuhalten sei. Demokratische Staaten seien hier aufgefordert konkrete "Gegenvorbilder" zu kreieren - also etwa aufzuzeigen, wie NGO-Gesetze oder Gesetze zur Terrorabwehr so ausgestaltet werden, dass sie menschenrechtskonform sind. Krennerich hob zudem die große Bedeutung von Patenschaften wie beim Programm "Parlamentarier schützen Parlamentarier" des Menschenrechtsausschusses hervor.

Martin Lessenthin von der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) benannte unter anderem Russland, China, Pakistan, den Iran, die Türkei und Kuba als Beispiele für Länder, in denen Menschenrechtsverteidiger ebenso wie Blogger, Journalisten, Anwälte, Intellektuelle oder Umweltaktivisten bedrängt würden. Insbesondere China entwickle ein "immer perfekter werdendes Überwachungssystem". Hier würden etwa Menschenrechtsaktivisten verfolgt, die sich für geflüchtete nordkoreanische Frauen einsetzen. Peking halte sich nicht an internationale Normen und schicke diese Frauen zurück nach Nordkorea - "in den Tod, mit Sicherheit aber ins Lager". Lessenthin warb dafür, dass die Bundesregierung bei Reisen in kritische Länder gezielt und konsequent das Gespräch mit Vertretern der Zivilgesellschaft und mit Menschenrechtsaktivisten sucht. Bei Gerichtsprozessen gegen Menschenrechtsaktivisten sollten kontinuierlich Mitarbeiter der deutschen Botschaften als Beobachter entsendet werden, auch gehe es in solchen Fällen um den Beistand für die Familien und nahen Mitarbeitern der Angeklagten oder Inhaftierten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 560 - 29. September 2016 - 09.05 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2016

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