Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/6141: Heute im Bundestag Nr. 655 - 09.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 655
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 09. November 2016, Redaktionsschluss: 11.26 Uhr

1. Geschichtsaufarbeitung im Hause Maas
2. Aufsicht prüft Verträge der Krankenkassen
3. Ausschuss für Antibiotikaminimierung


1. Geschichtsaufarbeitung im Hause Maas

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/PST) NS-Belastungen in der Anfangszeit des Bundesjustizministeriums und die Konsequenzen daraus waren ein Tagesordnungspunkt in der heutigen Sitzung des Rechtsausschusses. Das Bundesjustizministerium hatte 2012 unter Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine Wissenschaftlerkommission mit der Aufarbeitung der Nachkriegsgeschichte des Hauses beauftragt. Das Ergebnis, erschienen als Buch "Die Akte Rosenburg", stellte Amtsinhaber Heiko Maas (SPD) am 10. Oktober dieses Jahres vor. Danach war in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten die Mehrheit der Führungskräfte des Hauses NS-belastet, von einfacher NSDAP-Mitgliedschaft bis hin zu Führungsfunktionen im Regime. Die Rosenburg war bis 1973 Dienstsitz des Ministeriums in Bonn.

Im Rechtsausschuss berichtete nun der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Christian Lange (SPD), über die Folgerungen seines Hauses aus der "Rosenburg-Akte". Wie er sagte, habe diese vor allem die Frage nach dem Stellenwert der Ethik in der heutigen Juristenausbildung aufgeworfen. Man habe deshalb beschlossen, mit den Ländern eine Arbeitsgruppe auf Abteilungsleiter-Ebene einzusetzen, die hierzu Vorschläge erarbeiten soll. Lange berichtete zudem von neuen Weiterbildungsangeboten für Mitarbeiter zu dem Thema. Ein erstes Seminar finde in Kürze im Haus der Wannseekonferenz statt, wo die "Endlösung der Judenfrage" beschlossen worden war. Außerdem gehe das Ministerium der Frage nach, inwieweit das geltende Recht noch Relikte aus der Nazizeit enthält, die beseitigt werden sollten.

Die SPD-Fraktion gab in der Sitzung bekannt, dass sie noch im November ein Expertengespräch zur Rosenburg-Akte durchführen wolle. Die Ausschussvorsitzende Renate Künast (Grüne) forderte die Abgeordneten im Ausschuss auf, sich für eine vergleichbare Aufarbeitung auch in den anderen Bundesministerien einzusetzen. Eine erste solche Studie war für das Auswärtige Amt durchgeführt worden, im Bundesinnenministerium ist eine gerade in Arbeit.

*

2. Aufsicht prüft Verträge der Krankenkassen

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Die jüngst bekannt gewordenen Strategien der Krankenkassen, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds systematisch zu erhöhen, werden von den Aufsichtsbehörden kritisch gesehen. Vorwürfe, wonach die Kassen versuchten, auf die Diagnosekodierung von Ärzten Einfluss zu nehmen, um höhere Zuweisungen zu erhalten, begleiteten den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) jedoch schon von Anbeginn, heißt es in einem Bericht der Bundesregierung an den Gesundheitsausschuss, der am Mittwoch auf der Tagesordnung des Gremiums stand.

Das Bundesversicherungsamt (BVA) habe in seinem Prüfbericht 2011 aber keine Hinweise auf ein systematisches Up-Coding feststellen können. Die Aufsichtsbehörde gehe jedoch jedem Einzelfall nach und überprüfe die Datenmeldungen.

Es werde in der Presse über drei Varianten der Einflussnahme berichtet: Mit Hilfe externer Dienstleister, über sogenannte Kodierberater sowie über Betreuungsstrukturverträge, wobei für jeden Patienten, bei dem der Arzt eine RSA-relevante Krankheit feststelle, eine Provision gezahlt werde.

Das BVA komme in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für 2015 zu der Einschätzung, dass Betreuungsstrukturverträge an Bedeutung zu gewinnen schienen. Den Aufsichtsbehörden seien unterschiedliche Verträge bekannt geworden, die indirekt auch auf die Dokumentation bestimmter Diagnosen gerichtet seien.

Die Aufsichtsbehörden von Bund und Ländern hätten im November 2015 festgehalten, dass in selektivvertraglichen Regelungen eine gesonderte Vergütung allein für eine vollständige und zutreffende Diagnose des Vertragsarztes unzulässig sei.

Im Oktober 2016 habe die Arbeitsgruppe der Aufsichtsbehörden unter Beteiligung des Bundesgesundheitsministeriums eine einheitliche Vorgehensweise im Umgang mit diesen Verträgen abgestimmt. Eine endgültige Beschlussfassung sei bei einer Aufsichtsbehördentagung am 23./24. in München zu erwarten. Darüber hinaus werde auf Vorschlag des BVA geprüft, eine Kennzeichnung der selektivvertraglichen Diagnosen einzuführen. So könnte über eine verbesserte statistische Auswertung mehr Transparenz erreicht werden.

Seit 1994 gibt es den Risikostrukturausgleich (RSA) zwischen den gesetzlichen Krankenkassen, um die unterschiedlichen Kosten für die Versicherten je nach Alter und Geschlecht genauer abzubilden. Seit 2009 wird die Verteilung der Gelder aus dem Gesundheitsfonds zusätzlich anhand von 80 ausgewählten Krankheiten berücksichtigt (Morbi-RSA). Je älter und kränker die Versicherten sind, umso höher fallen die Zuweisungen des Fonds an die Krankenkassen aus, um die Ausgaben decken zu können.

*

3. Ausschuss für Antibiotikaminimierung

Ernährung und Landwirtschaft/Ausschuss

Berlin: (hib/EIS) Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt die Annahme des Koalitionsantrags zur Antibiotikaminimierung in der Human- und Tiermedizin (18/9789) im Plenum des Bundestages. Mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen sprach sich der Ausschuss am Mittwochmorgen dafür aus, den "zielgenauen" Einsatz von Antibiotika zu fördern sowie in den Beratungen zur EU-Tierarzneimittelnovelle ein Verbot für den Internethandel von Antibiotika zu erwirken. Darüber hinaus soll die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie "DART 2020" weiter umgesetzt werden. In der Veterinärmedizin soll zudem im Sinne des sogenannten One-Health-Ansatzes ein einheitlicher Rechtsrahmen für ein umfassendes Hygiene-, Gesundheits- und Haltungsmanagement in der Tierhaltung entwickelt werden. Des Weiteren wollen die Koalitionsfraktionen erreichen, dass Antibiotika mit besonderer Bedeutung für Menschen im Rahmen der Umwidmung für den Gebrauch bei Tieren nur in begründeten Ausnahmefällen eingesetzt werden und grundsätzlich vorab Antibiogramme erstellt werden müssen. Für die Zukunft soll die Einrichtung eines ständigen veterinär- und humanmedizinischen Fachgremiums geprüft werden, das regelmäßig die Resistenzlage der Antibiotika evaluiert, bewertet und eine Empfehlung zum Einsatz von Antibiotika abgeben soll. Ökonomische Fehlanreize bei Tierarzneimitteln sollen abgeschafft werden, indem bei Beibehaltung des Dispensierrechts für Veterinäre die Rabattgewährung seitens der Hersteller von antimikrobiell wirksamen Mitteln auf den Prüfstand gestellt wird. Auch die Preisgestaltung für antimikrobiell wirksame Mittel soll in diesem Zuge überarbeitet werden, um bestehende Fehlanreize zu beseitigen. Die CDU/CSU-Fraktion verwies darauf, dass schon jetzt der Einsatz von sogenannten Reserveantibiotika in der Tierhaltung zurückgehe. "Der Antrag wird diesen Trend unterstützen", hieß es. Dass jedoch irgendwann einmal eine "Nulllösung" erreicht werden könne, also keine Antibiotika in der Tierhaltung mehr eingesetzt werden, sei unrealistisch. "Denn kranke Tiere müssen behandelt werden", meinten CDU/CSU und SPD. Die Sozialdemokraten hoben hervor, dass mit dem Antrag zur Reduzierung der Antibiotikaresistenzen nicht nur auf die Humanmedizin geguckt werde, sondern auch die Landwirtschaft Verantwortung übernehme.

Die Linksfraktion erkannte an, dass der Antrag ein "Gewinn" im Streben zur Reduzierung der Anwendung von Antibiotika sei. "Aber es wird dabei nur bei den Symptomen angesetzt", kritisierte die Fraktion. In der Praxis müsse das Personal in den Ställen aufgestockt, qualifiziert und besser bezahlt werden. Prekäre Arbeitsverhältnisse seien hingegen die Realität. Die Marktpreise sollten zudem für die Tierhalter realistisch und fair gestaltet sein, um nicht unter den Kosten produzieren und verkaufen zu müssen. Die Grünen forderten zudem, dass keine Rabatte beim Verkauf großer Mengen von Medikamenten mehr gewährt werden dürfen, denn "im Rabattsystem gibt es falsche Anreize." Auch die Herdenbehandlung in der Geflügeltierhaltung über das Trinkwasser wurde moniert. "Nur tatsächlich kranke Tiere sollen behandelt werden." Die Bundesregierung versprach, sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass in den Ländern, die Antibiotika als Leistungsförderer in der Mast anwenden, diese nur zu therapeutischen Zwecken nutzen sollen. Hinsichtlich der Regelungen zur Betreuung von Tierbeständen werde eine Initiative auf EU-Eben e abgewartet, in die sich die Bundesrepublik einbringen wolle. Bei der Rabattierung von Antibiotika gebe hingegen die derzeit gültige Rechtslage keine direkten Eingriffsmöglichkeiten her. Allerdings sollen Möglichkeiten untersucht werden, das "Problem" anzugehen.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 655 - 9. November 2016 - 11.26 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang