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BUNDESTAG/6380: Heute im Bundestag Nr. 132 - 06.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 132
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 06. März 2017, Redaktionsschluss: 16.09 Uhr

1. Disput um Videoüberwachung
2. Versorgung der Mukoviszidose-Patienten


1. Disput um Videoüberwachung

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/STO) Zwei Gesetzesvorlagen der Bundesregierung zum verstärkten Einsatz von Videotechnik stoßen bei Experten auf unterschiedliche Einschätzungen. Dies wurde am Montagnachmittag bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses zu den Regierungsentwürfen eines "Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes" (18/10941) und eines "Gesetzes zur Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei durch den Einsatz von mobiler Videotechnik" (18/10939) deutlich.

Das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz sieht Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes vor mit dem Ziel, bei einem Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen in Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs und öffentlichen Anlagen wie Sportstätten und Einkaufszentren festzuschreiben, dass der "Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit dort befindlicher Personen als besonders wichtiges Interesse gilt". Diese Wertung soll bei der Abwägung über den Einsatz von Videoüberwachungsmaßnahmen zu berücksichtigen sein.

Mit dem zweiten Gesetzentwurf soll "eine Stärkung der polizeilichen Befugnisse zum Einsatz von technischen Mitteln erreicht werden". Vorgesehen ist unter anderem eine Verbesserung des Schutzes von Polizeibeamten sowie der "Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von auch im Einzelfall erheblicher Bedeutung" durch die Befugnis, mobile Videotechnik einzusetzen. Wie die Regierung dazu ausführt, haben die Erfahrungen in einzelnen Ländern gezeigt, dass mobile Videotechnik erfolgreich zur Eindämmung von Gewaltdelikten gegen Polizeibeamte eingesetzt werden kann. Durch den Einsatz körpernah getragener Kameras würden auch die Möglichkeiten zur Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung verbessert.

Professor Hans Peter Bull bewertete den Entwurf des Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes als von Zielrichtung und Inhalt her "richtig, angemessen, legitim, verfassungsgemäß". Die Regelung werde praxisgerecht sein, sagte er. Eine Grundrechtsbeeinträchtigung könne er nicht erkennen, und auch europarechtliche Bedenken sehe er nicht.

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, Professor Johannes Caspar, kritisierte dagegen, der Gesetzentwurf ebne "einen Weg für eine Totalüberwachung des öffentlichen Raums". Dabei werde die Neuregelung keinen präventiven Schutz vor Terroranschlägen bieten, da sich Terroristen von Videoüberwachung nicht abschrecken ließen.

Professor Kai von Lewinski von der Universität Passau entgegnete, Videoüberwachung wirke sich sowohl auf das Verhalten von Tätern als auch von Unbeteiligten und die Gesellschaft insgesamt aus. Welchen Aspekt davon man betonte, scheine ihm "eher eine Frage der politischen Rhetorik zu sein". In dem Entwurf des Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes gehe es wahrscheinlich "um so etwas wie eine informationelle Sozialpflichtigkeit: dass man sich im Dienste der allgemeinen Sicherheit beobachten lassen muss."

Für die Gewerkschaft der Polizei begrüßte Jörg Radek den Einsatz mobiler Videotechnik. Ebenfalls begrüße man, dass diese zum Schutz der Beamten eingesetzt werden solle. Dies sei eine "neue Qualität in der Diskussion". In dem Gesetz müsse aber auch verankert sein, dass der Beamte, der die Aufzeichnungen vornimmt, seine eingesetzten Kollegen darüber informiert. Notwendig sei zudem, die Beamten hinreichend zu schulen.

Andreas Ruch von der Ruhr-Universität Bochum sagte mit Blick auf den Einsatz sogenannter Bodycams, grundsätzlich spreche nichts dagegen, dass die Bundespolizei "die Technik nutzt, die mittlerweile fast jeder Bürger nutzt". Allerdings könnten Bodycams "niemals die ganze Geschichte" mit allen Facetten erfassen. Die Aufnahmen müssten auch genutzt werden, "um polizeiliches Fehlverhalten zu dokumentieren".

Für den Verband Deutscher Verkehrsunternehmen machte Jan Schilling deutlich, dass seine Organisation das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz ebenfalls begrüße. Der Entwurf stelle eine "geeignete, erforderliche und auch angemessene Lösung" dar, sagte Schilling. Dabei sehe sein Verband auch eine präventive Wirkung der Videoüberwachung.

Jörg Töpfer vom Bundespolizeipräsidium verwies auf positive Ergebnisse einer Erprobung von Bodycams durch die Bundespolizei. Aus Sicht der Bundespolizei und ihrer Beschäftigten sei die Einführung des neuen Paragrafen zum Einsatz dieser Geräte in das Bundespolizeigesetz "konsequent und notwendig".

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2. Versorgung der Mukoviszidose-Patienten

Petitionsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Aus Sicht der Bundesregierung ist eine bedarfsgerechte Versorgung der Mukoviszidose-Patienten möglich. Das sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Annette Widmann-Mauz (CDU), am Montag während der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses. Im Jahr 2012 sei der Paragraf 116b des Versorgungsstrukturgesetzes, der die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) am Krankenhaus regelt, geändert worden, sagte die Ministeriumsvertreterin. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) habe zudem im Dezember 2016 die krankheitsspezifischen Regelungen zur Behandlung von Mukoviszidose als Ergänzung zu seiner Richtlinie zur ASV beschlossen. Widmann-Mauz machte zudem auf die derzeit laufenden Vergütungsverhandlungen aufmerksam. "Daher ist dieser Prozess von uns auch noch nicht abschließend zu bewerten", sagte sie. Es müsse abgewartet werden, welche Kliniken in Zukunft die gewährten Zuschläge nutzen und zu "Zentren für seltene Erkrankungen" werden.

Stephan Kruip, Bundesvorsitzender des Vereins Mukoviszidose e.V., verwies in der Sitzung hingegen auf die schwierige Situation vieler - vor allem erwachsener - Patienten, die an Mukoviszidose leiden, einer angeborenen nicht heilbaren aber behandelbaren Stoffwechselerkrankung, die dazu führt, dass in vielen Organen des Körpers ein sehr zäher Schleim produziert wird, der eine Reihe lebenswichtiger Organe verstopft. In einer von seinem Verein eingebrachten Petition, die mehr als 96.000 Unterstützer gefunden hat, wird unter anderem eine ausreichende Anzahl von multimodalen, auf Mukoviszidose spezialisierten Fachzentren für Erwachsene - mit Ärzten, Psychologen, einem Sozialdienst, in Mukoviszidose-geschulten Physiotherapeuten und Ernährungstherapeuten - gefordert. Beklagt wird zugleich die mangelnde Vergütung für die Behandlung erwachsener Mukoviszidose-Patienten. Benötigt würden 500 Euro pro Patient in jedem Quartal. Die Kassen würden jedoch nur rund die Hälfte davon vergüten, sagte Kruip.

Der Bundesvorsitzende des Vereins Mukoviszidose, der selbst an der Krankheit leidet, kritisierte außerdem die Formulierung der Staatssekretärin, es müsse abgewartet werden, was bei den Vergütungsverhandlungen herauskomme und welche Kliniken in Zukunft zu Zentren für seltene Erkrankungen würden. Laut Kruip ist derzeit ein Abbau der ohnehin knappen Strukturen zu verzeichnen. "Wir können nicht erkennen, dass sich wirklich jemand darum kümmert, dass das Angebot tatsächlich zur Verfügung gestellt wird", sagte er.

Die Behandlung Erwachsener in Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) ist aus Sicht von Professor Manfred Ballmann, Leiter des Mukoviszidose-Zentrums Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied im Verein Mukoviszidose auch keine Lösung. "Wir brauchen zeitnah umsetzbare Lösungen angesichts der geringen Lebenserwartung der Patienten", sagte er.

Widmann-Mauz wiederum verwies darauf, dass der Gesetzgeber nur auf Bundesebene die Rahmenbedingungen festsetzen könne, jedoch nicht vor Ort für die konkrete Umsetzung verantwortlich sei. "An der Änderung des Paragrafen 116b können Sie erkennen, dass wir nicht nur abwarten, sondern auch die Konsequenzen daraus ziehen, wenn sich die Selbstverwaltungspartner vor Ort blockieren", sagte sie. Die Ungeduld der Betroffenen sei verständlich, betonte sie, aber: "Der Deutsche Bundestag hat gehandelt." Jetzt seien die Entscheidungsträger vor Ort zuständig, die man auch nicht aus der Verantwortung entlassen dürfe, sagte Widmann-Mauz.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 132 - 6. März 2017 - 16.09 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2017

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