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BUNDESTAG/6381: Heute im Bundestag Nr. 133 - 06.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 133
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 06. März 2017, Redaktionsschluss: 16.49 Uhr

1. Banken gegen mehr Rechte für BaFin
2. Bundesfinanzhilfen für Schulsanierung
3. Reiserecht: Regierung will nachbessern
4. Blankes Elend auf Lkw-Parkplätzen


1. Banken gegen mehr Rechte für BaFin

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Einschränkungen für Banken bei der Kreditvergabe zur Sicherung der Finanzstabilität im Immobilienbereich sind von Kreditinstituten und Immobilienbranche abgelehnt worden. In einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag stellte Stephan Rabe vom Zentralen Immobilienausschuss fest: "Wir haben keine Blase, wir wollen keine Blase, und wir wollen keine Blase herbeireden." Auch Professor Michael Voigtländer vom Institut der deutschen Wirtschaft verwies auf den stabilen Immobilienmarkt in Deutschland. Es gebe kaum variabel verzinste Darlehen, die bei Zinssteigerungen zu Problemen für die Hauskäufer führen könnten. Außerdem gebe es hohe Tilgungsraten, so dass die Lage mit der in den USA nicht vergleichbar sei, wo es fast keine Tilgung gebe. Grundlage der Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Finanzdienstleistungsaufsichtsrechts im Bereich der Maßnahmen bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems und zur Änderung der Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie (18/10935).

Mit dem Finanzaufsichtsrechtergänzungsgesetz soll die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) neue Befugnisse erhalten, um künftig gezielt mögliche Gefahren für die Finanzmarktstabilität in Folge einer Immobilienblase abwehren zu können. Dazu gehört unter anderem die Festlegung bestimmter Mindeststandards für die Vergabe von Neukrediten. Die Bundesregierung betont in der Begründung, dass die neuen BaFin-Instrumente "rein vorsorglich" geschaffen werden, "um für den Gefahrenfall das geeignete Instrumentarium für ein schnelles und zielgerichtetes Handeln der Aufsicht zur Verfügung zu stellen".

Trotz einer zum Teil deutlichen Preissteigerung liege gegenwärtig in Deutschland keine Überhitzung des Immobilienmarktes vor, stellte die deutsche Kreditwirtschaft, der Zusammenschluss der fünf Bankenverbände, fest. Der Gesetzgeber wolle dennoch die Kreditvergabe regulieren. Andere Möglichkeiten zur Bekämpfung einer Überhitzung, etwa steuerliche Maßnahmen oder die Bereitstellung von Bauland in Ballungsgebieten sowie eine Vereinfachung der Bauordnung, sehe der Entwurf dagegen nicht vor. Außerdem sei der deutsche Immobilienmarkt gut gegen systemische Risiken geschützt.

Mögliche Überbewertungen auf den Wohnimmobilienmärkten seien in Deutschland ein rein regionales Phänomen, erklärte der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. Betroffen seien überwiegend einzelne Großstädte und Ballungsgebiete. Der ländliche Raum verliere dagegen Einwohner. "Ein flächendeckendes Problem, von dem wesentliche Systemrisiken ausgehen könnten, ist aus unserer Sicht derzeit nicht ersichtlich", stellte der Verband fest. Auch der Zentrale Immobilienausschuss erklärte, im privaten Immobilienfinanzierungsgeschäft bestehe keine Dringlichkeit, zusätzliche Instrumente einzuführen. Die Ausfallraten bei den Krediten seien minimal. Die große Stabilität des deutschen Wohnimmobilienfinanzierungsmarktes lasse es fraglich erscheinen, "ob makroprudenzielle Instrumente tatsächlich benötigt werden und ob deren gesellschaftliche Kosten den Nutzen für die Finanzstabilität nicht überschreiten", stellte das Institut der deutschen Wirtschaft in seiner Stellungnahme fest.

Arno Gottschalk (Verbraucherzentrale Bremen) schrieb in seiner Stellungnahme, mit ihrem Entwurf wolle die Regierung die Verantwortung für eine kreditnehmergerechte Immobilienfinanzierung sehr viel stärker zu den Kreditinstituten verlagern. Dies sei zu begrüßen, "da der normale Verbraucher in der komplexen und für ihn zumeist singulären Frage der Finanzierung einer Wohnimmobilie tendenziell überfordert ist". Wenn jetzt die "Profi-Seite" des Marktes in eine stärkere Haftungsverantwortung gestellt werde, sei das angemessen. Gottschalk regte allerdings eine regionale Begrenzung der Maßnahmen an, "denn mögliche Überhitzungen des Marktes dürften eher lokal und regional sowie insbesondere in den Großstädten auftreten". Einen ähnlichen Vorschlag machte auch Thomas Theobald von der Hans-Böckler-Stiftung, während andere Sachverständige dies zum Teil strikt ablehnten.

Rudolf Hickel (Universität Bremen) nannte eine Regulierung gegen Immobilienspekulationen, die zu einer sich verstärkenden Blase führen würden, "dringend erforderlich". Der Gesetzentwurf setze nicht an der Nachfrage nach Immobilien an, sondern konzentriere sich auf die staatliche Regulierung der Anforderungen an die Kreditvergabe. So könne die BaFin Obergrenzen für das Verhältnis von Darlehenshöhe und Immobilienwert festsetzen sowie einen Zeitraum vorgeben, in dem ein bestimmter Anteil des Darlehens zu tilgen sei. Hickel regte noch weitergehende Maßnahmen an, etwa die Hereinnahme von Gewerbeimmobilien in den Entwurf. Die Verbraucherzentrale - Bundesverband warnte in ihrer Stellungnahme allerdings davor, den Verbraucherschutz zu verschlechtern.

Isabel Schnabel, Professorin für Finanzmarktökonomie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, wies in ihrer Stellungnahme Kritik an dem Entwurf zurück. Ein Markteingriff lasse sich rechtfertigen, wenn die Vergabe von Immobilienkrediten mit geringer Besicherung oder an stark verschuldete Kreditnehmer Auswirkungen auf die Finanzstabilität und damit auf die Volkswirtschaft als Ganzes habe. Schnabel rechnete jedoch nicht damit, dass die Instrumente bald genutzt werden müssten, denn die Immobilienpreise seien zwar gestiegen, aber ein rasantes Kreditwachstum lasse sich bisher nicht beobachten. Sie bezeichnete es als Versäumnis, dass Gewerbeimmobilien nicht in die Regelung einbezogen seien, wo es laut Europäischer Zentralbank Zeichen für eine Überhitzung gebe.

Sinnvolle Nachbesserungen in Bezug auf die bereits 2016 in Kraft getretene Wohnimmobilienkreditrichtlinie sah Professor Sven Bienert (MRICS REV - Universität Regensburg). Einzelne Elemente würden jedoch der Diskussion bedürfen. So könne eine Störung schon bereits eingetreten sein, wenn es zum Einsatz der Instrumente komme. Korrekturen nur anhand des Neugeschäfts könnten bei grundsätzlichen makroökonomischen Problemen eine generelle Marktkorrektur kaum verhindern. Den Banken im Krisenfall Kennzahlen vorzuschreiben, könne auch prozyklische Wirkungen entfalten und Krisen verstärken.

Von den im Entwurf vorgesehenen Regelungen zur Kreditaufnahme für Wohnzwecke für junge Familien und Senioren hieß es von Professor Peter Mühlberg (Universität Mainz), die Formulierungen seien geeignet, die auf die Wohnimmobilienkreditrichtlinie zurückgehenden Probleme etwas zu klären und zu bereinigen. Professor Sebastian Omlor (Philipps Universität Marburg) nannte die europäischen Vorgaben für den Gesetzgeber sehr einengend. Durch den Gesetzentwurf komme es zu Erleichterungen an verschiedenen Stellen. Der Entwurf sei ein Schritt in die richtige Richtung, werde aber gehemmt durch die Wohnimmobilienkreditrichtlinie, "die wir nicht ändern können". Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband berichtete von einem Rückgang des Kredit-Neugeschäfts aufgrund der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in einem Umfang von fünf bis 15 Prozent, was die Deutsche Bundesbank allerdings nicht bestätigen konnte.

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2. Bundesfinanzhilfen für Schulsanierung

Haushalt/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Die geplanten Regelungen zu Bundesfinanzhilfen für finanzschwache Kommunen, um Bildungsinfrastrukturen zu sanieren, sind bei Sachverständigen am Montag in einer Anhörung im Haushaltsausschuss auf ein geteiltes Echo gestoßen. Das Vorhaben ist Teil der Gesetzespakete der Bundesregierung zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen (18/11131, 18/11135). Um die Unterstützung der Kommune zu ermöglichen, soll zum einen ein neuer Artikel 104c im Grundgesetz eingeführt werde. Zum anderen sind Änderungen der Gesetze zum Kommunalinvestitionsförderungsfonds geplant. Über dieses 2015 eingerichtete Sondervermögen des Bundes soll das Geld von den Ländern für ihre Kommunen abgerufen werden können. Die Mittel stehen auch schon bereit: 3,5 Milliarden Euro stellte der Bundestag Mitte Februar in einen Nachtragshaushalt für 2016 ein.

Unter anderem der Bundesrechnungshof sieht die geplante Neuregelung kritisch. Das Vorhaben stelle einen "weitreichenden Schritt" dar, "der von der klaren verfassungsrechtlichen Aufgabenzuweisung im föderalen System wegführt". Es fehle in den Entwürfen an "ausreichenden Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten, die es dem Bund ermöglichen würden, einen sachgerechten und wirtschaftlichen Mitteleinsatz sicherzustellen", schrieb der Rechnungshof in seiner Stellungnahme.

Andere Sachverständige begrüßten das Vorhaben hingegen im Grundsatz, bemängelten aber, dass die Regelungen nicht weit genug gingen. Der Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB) forderte beispielsweise, das bestehende Kooperationsverbot im Bildungsbereich gänzlich aufzuheben. Direkte Zahlungen des Bundes an die Kommunen seien "vorzugswürdig", denn damit wäre sichergestellt, "dass die Bundesmittel vollständig in den Gemeinden investiert werden", schrieb der DStGB in seiner Stellungnahme. Auch der Deutsche Städtetag sprach sich in seiner Stellungnahme für die Aufhebung des Kooperationsverbotes aus.

Christian Waldhoff (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Finanzrecht, Humboldt-Universität zu Berlin) stellte sich gegen die Einführung des geplanten Artikel 104c GG. Dieser sei aus "verfassungssystematischen und demokratietheoretischen Gründen abzulehnen", schrieb der Rechtswissenschaftler in seiner Stellungnahme. Sollte das Vorhaben trotzdem umgesetzt werden, müsse dann zum einen der Bund festlegen, was finanzschwache Kommunen sind. Zum anderen müssten die bisher geplanten Kriterien zur Verteilung der Mittel überarbeitet werden. Aktuell ist vorgesehen, die Mittel zu je einem Drittel nach Einwohnerzahl, Höhe der Arbeitslosigkeit und Höhe der Kassenkredite an die Länder zu vergeben.

In eine ähnliche Richtung argumentierte Thiess Büttner (Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg). Die Mittelverteilung teils an der Höhe der Kassenkredite festzumachen, sei problematisch, denn es handle sich um einen "Finanzausgleich nach dem Rückspiegel". Das Geld fließe dann dahin, "wo in der Vergangenheit mehr ausgegeben wurde. Das müssen aber keineswegs Gemeinden sein, die einen ungedeckten Investitionsbedarf haben", schrieb Büttner in seiner Stellungnahme. Zudem würden jene Länder "bestraft", die ihren Kommunen nicht gestattet haben, Kassenkredite in Anspruch zu nehmen.

Hans-Günter Henneke (Deutscher Landkreistag) sprach sich ebenfalls gegen die Einführung des Artikel 104c GG aus. Damit würden "bewährte Verantwortungsstrukturen" zerstört. "Die Länder, die schon bisher ihre Kommunen nicht angemessen ausgestattet haben, werden in Zukunft umso lauter auf eine Investitionshilfebefugnis des Bundes nach Einfügung eines Art. 104c GG verweisen. Völlig offen bleibt dabei, ob der Bund dann tatsächlich in neue Finanzhilfeleistungen eintritt", heißt es in Hennekes schriftlicher Stellungnahme. Wenn der Bund die Kommunen unterstützen wolle, dann sei es sinnvoller, Mittel über eine Erhöhung der sogenannten Entflechtungsmittel zur Verfügung zu stellen. Dies sei auch schon beim Sozialen Wohnungsbau praktiziert worden.

Joachim Wieland (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) äußerte sich hingegen positiv in Hinblick auf die geplanten Änderungen und den neuen Artikel im Grundgesetz. Problematisch sei indes, auf kommunale Kassenkredite abzustellen, denn Stadtstaaten könnten so benachteiligt werden, da es dort keine kommunale Ebene gebe. Hierfür brauche es eine Sonderregelung. Kritisch äußerte sich Wieland zu dem Vorhaben, die Unterstützung finanzschwacher Kommunen bei der Sanierung von Bildungsinfrastrukturen im geplanten Artikel 104c GG mit Bezug auf die bestehenden Regelungen im Artikel 104b Absatz 2 GG zu befristen und degressiv zu gestalten. Der Finanzbedarf der finanzschwachen Kommunen dürfte "dauerhaft sein und auch in der Höhe nicht abnehmen", heißt es in Wielands Stellungnahme. Wieland schlug in der Anhörung vor, Befristung und Degression nicht im Grundgesetz zu regeln, sondern dem politischen Prozess zu überlassen.

Ansgar Klinger (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW) begrüßte grundsätzlich die geplante Neuregelung. Das "strukturelle Problem der Unterfinanzierung der Kommunen" werde aber mit 3,5 Milliarden Euro nicht gelöst. So bestünde aktuell ein Investitionsstau von 34 Milliarden Euro. Dauerhafte Lösungen könnten durch eine Erhöhung der Steuereinnahmen, etwa bei hohen Einkommen sowie bei der Neujustierung der Gewerbesteuer, erreicht werden. Grundsätzlich müsse zudem das Kooperationsverbot komplett abgeschafft werden, forderte Klinger in seiner schriftlichen Stellungnahme. Der GEW-Vertreter sprach sich zudem gegen Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft aus. Es gebe viele Erfahrungen damit, die belegten, dass die öffentliche Hand dabei am Ende mehr zahlte, führte Klinger aus.

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3. Reiserecht: Regierung will nachbessern

Petitionsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung will sich bei der Umsetzung einer EU-Richtlinie über Pauschalreisen für weitere Verbesserungen einsetzen. Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Ulrich Kelber (SPD), am Montag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses. Die Bundesregierung sei derzeit bei "Umsetzungs-Workshops"sehr aktiv. Man spreche dabei einzelne Punkte aus der Richtlinie an und mache deutlich, dass diese "in der Umsetzung schwierig sind", sagte Kelber. Grundsätzlich müsse aber festgestellt werden, dass die Umsetzung der Richtlinie zu einer Erhöhung des Verbraucherschutzes führe, befand er.

Das bewertete die Petentin Marija Linnhoff, Reisebürobesitzerin in Iserlohn, anders. Verbraucher würden durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen (18/10822) deutlich schlechter gestellt als in der bisherigen Regelung, heißt es in ihrer Petition. Nach der neuen Richtlinie könne bis zu 20 Tage vor Reiseantritt ein Mehrpreis von bis zu acht Prozent für gestiegene Kerosinkosten, geänderte Wechselkurse und Ähnliches berechnet werden, wobei der Reiseveranstalter nicht beweisen müsse, dass die Kosten tatsächlich gestiegen sind, kritisiert die Petentin in der Vorlage.

Die Richtlinie berge aber auch die Gefahr inakzeptabler Haftungsrisiken bei der Vermittlung verbundener Reiseleistungen in sich, sagte Linnhoff vor den Abgeordneten. Bei verbundenen Reiseleistungen - also beispielsweise der Buchung von Flug, Hotel und Veranstaltung verschiedener Anbieter in einem Reisebüro - würden Reisebüros in die möglicherweise sehr teure Veranstalterhaftung rutschen, obwohl sie lediglich Reisemittler seien, sagte sie. "Der Reisemittlerstand wird zerstört", betonte die Petentin. Aber auch Touristeninformationen oder Hoteliers seien in ihrer Existenz gefährdet. In Brüssel, so Linnhoffs Einschätzung, sei nicht verstanden worden, "was der Unterschied zwischen einem Reiseveranstalter und einem Reisemittler ist". Von Bundestag und Bundesregierung fordere sie nun den "Mut", die geforderte Umsetzung nicht zu vollziehen.

Laut Staatssekretär Kelber würde dies zu einem Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU-Kommission gegen Deutschland führen - verbunden mit einen Strafgeld in Höhe von pauschal 11,7 Millionen Euro und einen Tagesgeld bis zu 800.000 Euro. Außerdem könnten Verbraucher, die sich auf einzelne Regelungen der gültigen Richtlinie berufen würden, Deutschland für die nicht stattgefundene rechtliche Absicherung haftbar machen.

Kelber sagte weiter, man wolle stattdessen einzelne Punkte nachbessern. So etwa bei der Frage, ob es bei der Betrachtung einzelner Leistungen bleiben kann, auch wenn es am Ende eine gemeinsame Zahlung gegeben hat. Deutschland sei das einzige Land, das dieses Thema angesprochen habe, so der Staatssekretär. "Wir bekommen aber zunehmend Unterstützung aus anderen Mitgliedstaaten und positive Signale der Kommission", sagte Kelber. Man hoffe daher, "im Gesetzgebungsverfahren entsprechende positive Umformulierungen anbieten zu können".

Kelber teilte nicht die Kritik der Petentin an der Ausweitung der Regressmöglichkeit von vier Wochen auf 24 Monate. Nach Ansicht Linnhoffs sei dies "weit weg von der Realität". Niemand könne mehr nachvollziehen, wie die Umstände um eine derartig weit zurückliegende Beschwerde gewesen seien, sagte sie.

Kelber bewertete die Regelung hingegen als Stärkung des Verbraucherschutzes. Künftig gebe es damit zwei Ansprechpartner für unzufriedene Kunden. Im Übrigen sei das Reisebüro durch die Neuregelung nicht automatisch haftend. "Es ist nur eine Stelle zum Vortragen", betonte der Staatssekretär. Mit der Ausweitung der Gewährleistung auf zwei Jahre erfolge außerdem eine Anpassung an die Frist, die in den allermeisten Bereichen schon gelte, was gut für Verbraucher sei, die schließlich "keine Experten für einzelne Branchen sind".

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4. Blankes Elend auf Lkw-Parkplätzen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Berlin: (hib/fla) "Katastrophal und menschenunwürdig" sei die Lage der Berufskraftfahrer, wenn sie für ihre vorgeschriebenen regelmäßigen Wochenruhezeiten in ihren Lkw auf Parkplätzen pausieren - durchaus 200 Fahrzeuge bei eigentlich nur 90 Stellplätzen; viele Fahrer ohne Zugang zu sanitären Anlagen. Und so manche von ihnen gerade aus dem osteuropäischen Raum seien sechs Monate und mehr unterwegs, ohne ihre Heimat zu kommen. Gerade zu Weihnachten erlebe er das "blanke Elend": So schilderte es Thomas Fiala vom Polizeipräsidium Köln am heutigen Montag bei einer Sachverständigen-Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur zu geplanten Änderungen im Güterverkehrsrecht.

Im Einzelnen ging es dabei um den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG), des Fahrpersonalgesetzes (FPersG), des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern, des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamtes" (18/10882).

Die Anhörung konzentrierte sich auf die Lage des Fahrpersonals, die "tatsächlich menschenunwürdig sei", wie es auch der Fernfahrer Udo Skoppeck formulierte, der sich mit der "Allianz im deutschen Transportwesen" um seine Kollegen aus der gesamten EU kümmert. Die meisten übten ihren Job "in keinster Weise freiwillig" aus. Er wies speziell auch auf die Sprinter-Fahrzeuge hin, deren Fahrer oft quer über die Fahrersitze schliefen - und dies "bei bis zu minus 15 Grad".

Fiala machte deutlich, dass es zu den katastrophalen Zuständen insbesondere an den Grenzen zu Nachbarländern wie Frankreich, Belgien oder die Niederlande komme, weil dort gegen die Übernachtungen im Fahrzeug restriktiver vorgegangen werde. Die Erfahrungen in diesen Ländern zeigten, dass entsprechende Regulierungen "kontrollierbar" wären, wenn es sie denn in Deutschland gäbe: "Unser Schwert schneidet nicht, um das zu verhindern."

Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Dienstleistungsgewerkschaft Verdi machten sich stark für einen Vorschlag des Bundesrats, so ihre Vertreter Dominik John und Ralph Werner. In dem Vorschlag seien die Ansprüche an den Unternehmer bezüglich der Wochenruhezeiten ebenso klar definiert wie die an das Fahrpersonal - nämlich die Rückkehr zum Wohnort des Fahrers oder zum Ort des Unternehmenssitzes oder Übernachtung in einer festen Unterkunft mit geeigneten Sanitäreinrichtungen und ausreichenden Versorgungsmöglichkeiten.

Beide bemängelten den Vorstoß der Fraktionen von CDU/CSU und SPD im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur, demzufolge im Gesetz eine "geeignete Schlafmöglichkeit" für die Wochenruhezeit vorgegeben werden soll. Das sei, so Werner, "sehr problematisch", weil "niemand genau definieren" könne, was denn unter "geeignet" zu verstehen sei. Dies sei eine "Steilvorlage für Rechtsstreite".

Zurückhaltender äußerte sich Skoppeck. Zwar sei der Vorschlag des Bundesrates zu begrüßen. Doch er fürchte, dass solche Regelungen von der EU "wieder kassiert" würden. Die Wahrscheinlichkeit sei jedenfalls "sehr groß". Da sei es besser, dass jetzt auf nationaler Ebene "überhaupt etwas passiert". Und das gehe ohne gesetzliche Grundlage nicht, betonte Fiala. Eine "Ausschärfung" der gegenwärtigen Lage sei "wünschenswert".

Professor Dirk Engelhardt vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) stufte ein "grundsätzliches Verbot des Verbringens der regelmäßigen Wochenruhezeit im Fahrzeug", wie vom Bundesrat vorgeschlagen, zwar als einen "Ansatz" zur Bekämpfung des "Nomadentums auf Park- und Rastplätzen im Bundesgebiet" ein. Dies könne zur "Verbesserung der Arbeitsbedingungen" insbesondere des osteuropäischen Fahrpersonals beitragen.

Allerdings setzte sich der BGL dafür ein, dass es den Fahrpersonal freigestellt bleiben müsse, wo und wie es seine Freizeit verbringt. Es gehe "nicht ausschließlich darum, wo der Fahrer schläft". Möglicherweise fühle sich ein Fahrer "im eigenen, komfortabel ausgestatteten Fahrerhaus sehr viel wohler" als bei einem "erzwungenen Aufenthalt in einem Motel".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 133 - 6. März 2017 - 16.49 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2017

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