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BUNDESTAG/6433: Heute im Bundestag Nr. 185 - 22.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 185
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. März 2017, Redaktionsschluss: 18.13 Uhr

1. Debatte zu Haushaltseckwerten für 2018
2. Skepsis vor staatlicher Regulierung
3. Dehoga-Präsident für flexiblere Arbeitszeiten
4. Ab Ende 2020 keine lauten Güterzüge mehr


1. Debatte zu Haushaltseckwerten für 2018

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/SCR) Die Mitglieder des Haushaltsauschusses haben sich am Mittwoch mit den Eckwerten zum Bundeshaushalt 2018 und Finanzplan bis 2021 befasst. Die vergangene Woche vom Bundeskabinett beschlossenen Eckwerte sehen 2018 Ausgaben in Höhe von 335,5 Milliarden Euro vor. Das sind rund 6,4 Milliarden Euro mehr als im Haushalt 2017. Der Haushalt 2018 soll erneut ohne Neuverschuldung auskommen. Bis 2021 sieht der Finanzplan eine Steigerung der Ausgaben auf 355,6 Milliarden Euro vor. Der Kabinettsbeschluss zum Haushaltsgesetz 2018 soll nach den anstehenden Ressortverhandlungen am 28. Juni 2017 fallen.

Größere Aufwüchse sind in den Eckwerten unter anderem im Verteidigungsbereich vorgesehen. Dem Ressort sollen 2018 mit 38,45 Milliarden Euro 1,445 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen als 2017. Bis 2021 sollen die Verteidigungsausgaben auf 42,297 Milliarden Euro wachsen. Zuwächse sind zudem beim Innenministerium vorgesehen. Der Etat soll von 8,978 Milliarden Euro auf 9,16 Milliarden Euro steigen. Kürzungen sind etwa beim Auswärtigen Amt veranschlagt. Sind 2017 noch 5,232 Milliarden Euro eingeplant, sollen es 2018 5,011 Milliarden Euro sein. Der Löwenanteil des Haushalts fließt in den Bereich Arbeit und Soziales. 2018 sind dafür 140,892 Milliarden Euro als Eckwert avisiert (2017: 137,582). Bis 2021 sollen die Ausgaben auf 154,005 Milliarden Euro steigen. In den Haushaltsjahren 2018 und 2019 ist geplant, jeweils auf die Rücklage für Flüchtlingskosten zurückzugreifen. 2018 sollen daraus 8,1 Milliarden Euro fließen, 2019 weitere 3,8 Milliarden Euro. Damit wäre die Rücklage vollständig aufgebraucht.

Ein Vertreter des Bundesfinanzministeriums betonte, dass die vorgelegten Eckwerte keinen "Wahlkampfhaushalt", sondern eine "seriöse Grundlage" darstellten. Dass der Haushalt 2018 und die Finanzplanung bis 2021 erneut ohne Neuverschuldung auskommen sollen, sei "nichts Selbstverständliches". Die Koalition hätte in der laufenden Legislaturperiode "solide gewirtschaftet".

Ein Vertreter der CDU/CSU betonte ebenfalls, dass es sich nicht um einen "politischen Haushalt" handle. In Hinblick auf die Einnahmeseite warnte der Unions-Vertreter, dass der Bund in eine "Schieflage" bei den Steuereinnahmen gerate. Als Gründe führte er unter anderem die aktuell im Parlament befindliche Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen an. Er hoffe, dass es in diesem Zuge gelänge, mehr Steuerungs- und Kontrollrechte für den Bund zu verankern. Der Unions-Vertreter mahnte zudem zur Haushaltsdisziplin auch mit Blick auf die nächste Legislaturperiode: "Die Spielräume sind nicht so groß, wie manche meinen."

Ein Vertreter der SPD-Fraktion verzichtete auf eine umfänglichere Kommentierung der Eckwerte und des Finanzplans. Die nächste Regierung werde den Haushalt ohnehin umbauen, sagte der Sozialdemokrat.

Ein Vertreter der Fraktion Die Linke nannte die Eckwerte einen "Beschluss des angepassten 'Weiter so'". Er kritisierte, dass eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen von der Koalition nicht angegangen werde. Die Logik, dass "mehr Militär mehr Sicherheit" bedeute, sei zudem falsch, sagte der Linken-Vertreter zur geplanten Erhöhung der Verteidigungsausgaben.

Ein Vertreter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hob ebenfalls hervor, dass die Haushaltsplanung der kommenden Jahre von einer neuen Regierung und einem neuen Parlament überarbeitet werden würde. Die vorgelegten Eckwerte zeigten aber, dass die Regierungskoalition etwa mit der Erhöhung des Verteidigungsetats "falsche Prioritäten" setze.

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2. Skepsis vor staatlicher Regulierung

Kultur und Medien/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Medien- und Rechtsexperten bewerten die Möglichkeiten staatlicher Regulierung, um die Verbreitung von sogenannten "fake news" und von "hate speech" im Internet und den sozialen Medien einzudämmen, zurückhaltend bis skeptisch. Dies zeigte ein Fachgespräch des Kultur- und Medienausschusses am Mittwoch.

Der Journalist Markus Reuter von "netzpolitik.org" verwies darauf, dass die Phänomene "fake news" und "hate speech" wissenschaftlich bislang kaum erforscht seien. Bereits dieser Umstand mache den Versuch einer staatlichen Regulierung schwierig. Umgekehrt dürfe die Frage, welche Inhalte veröffentlicht werden dürfen, nicht allein den Betreibern von Plattformen wie Facebook überlassen werden. Dies käme einer Privatisierung von rechtlich relevanten Fragen gleich. In diesem Sinne argumentierte auch der Rechtswissenschaftler Tobias Keber von der Hochschule der Medien Stuttgart. Er warb für ein System der Selbstregulierung mit einer Mischung aus Beschwerde- und Kennzeichnungsmöglichkeiten durch externe und unabhängige Faktenchecker. Reuter und Keber warben für die verstärkte Vermittlung von Medienkompetenz an den Schulen. Dazu gehöre aber auch die Vermittlung eines Verständnisses, wie die digitale Technik arbeitet, sagte Keber. Es gehe deswegen weniger um Medienkompetenz im klassischen Sinne als vielmehr um eine "digitale Kompetenz". David Schraven vom Recherchezentrum Correctiv sprach sich ebenfalls für ein System der Selbstregulierung durch unabhängige Faktenchecker aus. Dies könne ähnlich wie das System der Freiwilligen Selbstkontrolle beim Fernsehen organisiert von den Betreibern der Internetplattformen finanziert werden. In jedem Fall müsste aber ihre Unabhängigkeit gewährleistet werden.

Der Rechts- und Medienwissenschaftler Wolfgang Schulz vom Hans-Bredow-Institut Hamburg verwies darauf, dass jede Form der staatlichen Regulierung in diesem Bereich auf eindeutigen gesetzlichen Grundlagen basieren müsse. Das Recht auf freie Meinungsäußerung dürfe nicht beschädigt werden. Der von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) vorgelegte Gesetzentwurf zur Verfolgung von Hetze und Hasskommentaren auf Internetplattformen beziehe sich deshalb auch ausschließlich auf strafrechtlich relevante Sachverhalte. Dieser Sichtweise schloss sich auch die Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, Anja Zimmer, an. Straftaten wie Volksverhetzung seien in jedem Fall Sache der Strafverfolgungsbehörden. Denen mangele es aber meist an ausreichend Personal und Fachwissen.

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3. Dehoga-Präsident für flexiblere Arbeitszeiten

Tourismus/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Eine flexiblere Regelung der Arbeitszeiten, Entgegenkommen in der Gestaltung der Mehrwertsteuer sowie die Unterstützung des Gesetzgebers im Wettbewerb mit der Internet-Bettenbörse Airbnb sind im Wahljahr 2017 wesentliche Anliegen des deutschen Hotel- und Gaststättengewerbes an die Politik. Dies machte der Präsident des Branchenverbandes Dehoga, Guido Zöllick, am Mittwoch im Gespräch mit dem Tourismusausschuss deutlich. Der heute 46-Jährige ist seit zehn Jahren Geschäftsführer des Hotels Neptun in Rostock-Warnemünde. Er wurde im November 2016 an die Spitze des Verbandes gewählt, dessen rund 60.000 Mitglieder nach seinen Worten überwiegend kleine und mittelgroße Unternehmen mit fünf bis zehn Beschäftigten sind.

Zur Geschäftsentwicklung der Gastronomie und Hotellerie präsentierte Zöllick den Abgeordneten eine überwiegend positive Einschätzung. Zum siebten Mal in Folge habe Deutschland 2016 einen neuen Jahresrekord an Übernachtungen verzeichnen können. Der Umsatz der Branche sei um 2,9 Prozent gewachsen, der Ertrag freilich nur um 0,9 Prozent: "Das stellt uns nicht zufrieden", räumte Zöllick ein. Umso erfreulicher sei der Beschäftigungsaufwuchs im vergangenen Jahr um 30.000 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im Hotel und Gaststättengewerbe. Seit 2006 habe die reguläre Beschäftigung in der Branche um 38 Prozent zugenommen und sei damit etwa doppelt so stark gewachsen wie im Durchschnitt der deutschen Wirtschaft.

Als Hauptsorge der Unternehmen, für die er spricht, nannte Zöllick die nach seiner Ansicht derzeit zu starre Arbeitszeitgesetzgebung. Eine verbandsinterne Umfrage, an der sich 6.000 Mitglieder beteiligt hatten, habe dazu kürzlich 3.000 kritische Kommentare erbracht. Derzeit gelte eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden, die in Ausnahmefällen auf zehn Stunden verlängert werden könne. Dagegen sprach sich Zöllick für eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden aus, um auf oft unvorhergesehen wechselnde Bedürfnisse der Gäste flexibel reagieren zu können. Es müsse möglich sein, das Personal an einem Tag 13 Stunden, am nächsten vielleicht nur vier Stunden lang einzusetzen. "Wir wollen nicht die Arbeitszeiten verlängern, sondern flexibilisieren", betonte Zöllick. "Wir wollen unserer Branche die Möglichkeit geben, dann Gastgeber zu sein, wenn die Leistungen nachgefragt werden."

Als weiteren Wunsch nannte Zöllick den Abgeordneten eine Korrektur im Umsatzsteuerrecht. Es sei nicht einzusehen, warum eine Mahlzeit im Restaurant mit 19 Prozent, am Imbissstand hingegen mit sieben Prozent belastet werde. Ein Gebot des "fairen Umgangs mit unserer Branche" sei es, der Gastronomie insgesamt den ermäßigten Steuersatz einzuräumen. An eine künftige Bundesregierung richte sich generell die Erwartung, von Steuererhöhungen abzusehen.

Kummer bereitet den Gastronomen auch die in manchen Bundesländern geübte Praxis, Beanstandungen bei Hygiene-Überprüfungen von Gaststätten im Internet zu veröffentlichen. Er selbst, sagte Zöllick, habe als Hotelgeschäftsführer schon am digitalen Pranger gestanden, weil die Lebensmittelaufsicht in seiner Küche einen Riss in einer Fliese entdeckt habe. Das sei völlig unverhältnismäßig, klagte der Dehoga-Präsident und sprach von einem "gefährlichen Umgang in der Öffentlichkeit mit solchen ungeschützten Dokumentationen".

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4. Ab Ende 2020 keine lauten Güterzüge mehr

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/fla) Die Halbierung des Schienenlärms in Deutschland bis 2020 durch das Aus für laute Güterzüge ist auf einem guten Weg. Das brachten alle Sachverständigen bei einer Anhörung des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur unter Vorsitz von Martin Burkert (SPD) zum Ausdruck. Sie bewerteten den Entwurf der Bundesregierung für ein Schienenlärmschutzgesetz / SchlärmschG (18/11287). Danach soll mit Beginn des Netzfahrplans 2020/2021 am 13. Dezember 2020 der Einsatz lauter Güterwagen auf dem deutschen Schienennetz verboten werden.

Zwar stieß bei allen auf wenig Gegenliebe, dass laut Entwurf laute Wagen weiter eingesetzt werden dürfen, wenn sie mit einer vorgegebenen niedrigen Geschwindigkeit unterwegs sind. Doch das sei mit Blick auf EU-Recht zumindest kurzfristig wohl nicht anders zu lösen.

Dirk Flege (Allianz pro Schiene) befand, durch die Langsam-Güterzüge komme es zu "deutlichen Kapazitätsverlusten insbesondere auf den heute schon hochbelasteten Streckenabschnitten". Schon ein einzelner lauter Wagen im Zugverband könne die Langsamfahrt des gesamten Zuges zur Folge haben, warnte Geißler. Betroffen seien damit auch Personenzüge und mithin "Millionen von Pendlern". Er propagierte "ein klares Einsatzverbot ohne Ausnahmereglungen für langsame Züge". Wobei sich die Bundesregierung für eine solche EU-weite Regelung einsetzen solle. Dadurch würden "komplizierte nationale Ausnahmeregelungen überflüssig". Bleibe es bei der Option "langsamer Güterzug", sollte sie nach Fleges Ansicht durch einen "spürbaren Aufschlag auf den Trassenpreis" wirtschaftlich unattraktiv gemacht werden.

Martin Henke vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) äußerte sich in diesem Punkt ähnlich und machte sich für eine "sehr deutliche Spreizung der Trassenpreise" stark. Um den Lärmpegel eines Zuges mit lauten Güterwagen auf angestrebte fiktive Schallleistungspegel zu senken, dürfe ein Güterzug, der bisher mit Tempo 90 unterwegs ist, nur noch mit Tempo 30 fahren. Langsam fahrende Züge könnten zu einer "erheblichen Reduzierung der tatsächlich verfügbaren Trassenkapazitäten und zu beträchtlichen Einschränkungen des Betriebs für alle Beteiligten führen".

Prof. Markus Hecht (Technische Universität Berlin) verwies auf Berechnungen, denen zufolge einzelne laute Güterwagen den Gesamtlärm erheblich beeinflussten. Mithin: "Es sollte extrem wenige Ausnahmen für laute Fahrzeuge geben, am besten gar keine."

Jürgen Tuscher begrüßte namens des Verbandes der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI), dass mit dem Gesetz "Rechtssicherheit" geschaffen werde. Dies schränke die Gefahr ein, dass "diejenigen Halter belohnt werden, die sich einer Umrüstung oder Neubeschaffung verweigern und dadurch mit Kostenvorteilen in Deutschland Verkehre betreiben". Auch Wagenhalter im benachbarten Ausland warteten auf das Gesetz, damit sie sich rechtzeitig darauf einstellen könnten: "Denen genügt nicht der Koalitionsvertrag. Die wollen etwas mit Bundesadler." Ein Verbot ohne Ausnahmen für laute Güterzüge in Deutschland "wäre sicher das noch eindeutigere Signal", meinte er. Allerdings müsse eine Regelung gefunden werden, die "EU-rechtlich nicht angreifbar" sei. Dieser Zielkonflikt werde in dem Gesetzentwurf "gut gelöst", wobei nach Meinung des VPI "ein stark gespreiztes Trassenpreissystem auch geeignet wäre".

Peter Westenberger (Netzwerk Europäischer Eisenbahnen /NEE) nannte ein auch nationales Betriebsverbot für laute Züge unter anderem dann "unschädlich", wenn "durch Ausnahmen und Befreiungen die Freizügigkeit grenzüberschreitender Verkehre mit zugelassenen Güterwagen gewährleistet ist". Er sprach ebenfalls "negative Folgen für die Netzkapazitäten" durch langsame Züge an. Das schädige auch die Unternehmen, "die bereits umgerüstet oder einen weitgehend neuen Wagenbestand im Einsatz haben". Er schlug vor, dass Langsam-Züge nicht mehr für den Jahresfahrplan angemeldet werden können. Sie dürften nur nach Gelegenheitsfahrplan eingesetzt werden und müssten sich dann "hinten anstellen".

Ziel des Gesetzes ist es laut Regierung, die Bevölkerung vor der vom Schienengüterverkehr ausgehenden schädlichen Schallemission zu schützen. "Die Lärmbelastung der Bevölkerung an Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes erreicht vielfach Werte, die deutlich über den nach der Verkehrslärmschutzverordnung bei Aus- und Neubau von Verkehrswegen einzuhaltenden Immissionswerten liegen", heißt es dazu: "Der Verzicht auf die bisher üblichen Grauguss-Bremssohlen und deren Ersatz durch lärmmindernde Technologien, zum Beispiel durch Verbundstoff-Bremssohlen in Form der LL-Bremssohle (Low Noise Low Friktion), würde zu einer deutlichen Minderung des vom Schienengüterverkehr ausgehenden Lärms führen."

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 185 - 22. März 2017 - 18.13 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. März 2017

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