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BUNDESTAG/6506: Heute im Bundestag Nr. 259 - 24.04.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 259
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 24. April 2017, Redaktionsschluss: 14.35 Uhr

1. Disput zu elektronischem Personalausweis
2. Modernisierung der Haushaltsregeln
3. Wildtierverbot in Zirkussen geprüft


1. Disput zu elektronischem Personalausweis

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/STO) Auf unterschiedliche Experten-Einschätzungen stößt der Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Förderung des elektronischen Identitätsnachweises" (18/11279). Dies wurde am Montagvormittag bei einer Sachverständigen-Anhörung des Innenausschusses deutlich.

Nach dem Willen der Bundesregierung soll die Online-Ausweisfunktion des elektronischen Personalausweises leichter anwendbar werden. Dazu sieht ihr Gesetzentwurf vor, dass die sogenannte eID-Funktion zum elektronischen Identitätsnachweis künftig bei jedem Ausweis automatisch und dauerhaft eingeschaltet wird. Dies soll die eID-Funktion schneller verbreiten und dadurch einen Anreiz für Behörden und Unternehmen schaffen, mehr Anwendungen bereit zu stellen.

Der im Jahr 2010 eingeführte Personalausweis und der elektronische Aufenthaltstitel (eAT) besitzen die eID-Funktion, die es sowohl den Ausweisinhabern als auch Behörden und Unternehmen laut Begründung erlaubt, "die jeweilige Gegenseite sicher zu identifizieren". Die Nutzung der eID-Funktion ist jedoch laut Bundesregierung bislang nicht der Normalfall und bleibt hinter den Erwartungen zurück. "Bei zwei Drittel der rund 51 Millionen ausgegebenen Ausweise/eAT ist die eID-Funktion deaktiviert", heißt es in der Vorlage. Auch Unternehmen und Behörden implementierten sie bislang nur zögerlich in ihre Geschäftsabläufe.

Daher soll dem Gesetzentwurf zufolge auch das Verfahren vereinfacht werden, mit dem Unternehmen und Behörden berechtigt werden, die eID-Daten auszulesen. Ferner sind mit der Vorlage neben einer Anpassung an eine EU-Verordnung weitere Korrekturen des Pass- und Personalausweisrechts vorgesehen, etwa zur Verhinderung von Auslandsreisen mit dem Ziel einer Verstümmelung weiblicher Genitalien.

In der Anhörung sagte Jens Fromm vom IT-Dienstleistungszentrum Berlin man habe bei dem Ausweis zwar "eine tolle Technik", aber bei seiner Einführung vergessen, "den Nutzer ein Stück weit mitzunehmen". Man habe ihm 2010 eine komplex zu bedienende Lösung angeboten. Nun dienten Elemente des Gesetzentwurfes zur Vereinfachung. Fromm plädierte in diesem Zusammenhang dafür, dass man die eID-Funktion "eingeschaltet lassen sollte". Er sehe darin "eine größere Chance, dass die eID-Funktion vorankommt".

Professor Bernd Holznagel von der Universität Münster begrüßte, dass ein "erneuter Versuch unternommen wird, diese Sicherheits-Infrastruktur zu etablieren und zu fördern". Zur Kontrolle des Dienstanbieters sagte Holznagel, man solle es bei der Zertifizierung bei der alten Regelung belassen. "Das war erprobt und ist gut so", betonte Holznagel.

Constanze Kurz vom Chaos Computer Club sagte, ein Grund für den Vertrauensmangel in die eID bestehe auch darin, "dass auf die Risiken, die mit der Benutzung einhergehen, nicht handfest und ehrlich hingewiesen wird". Dies betreffe insbesondere die Lesegeräte. Es wäre "eine Pflicht für den Staat, der diese eID ausgibt, die Bürger darüber sinnvoll zu informieren, was die Unterschiede bei der Benutzung der verschiedenen Lesegeräte sind in Bezug auf die IT-Sicherheit".

Professor Marian Margraf von der Freien Universität Berlin begrüßte, dass mit dem Gesetzentwurf Vorschläge unterbreitet würden, "um die eID-Funktion nochmal zu befördern". Er halte die automatische und dauerhafte Einschaltung der eID-Funktion "nicht für so kritisch", weil die Nutzer nach wie vor die Möglichkeit hätten, den Personalausweis zu sperren.

Jürgen Müller von der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit kritisierte, der Gesetzentwurf beeinträchtige das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unterlaufe auch "bestimmte, den Datenschutz sichernde Standards". Bei der obligatorischen Aktivierung der eID-Funktion "sind wir nur dann bereit mitzugehen, wenn es tatsächlich keine verpflichtende Nutzung gibt", sagte er. Dies sollte auch im Gesetz selbst verankert werden.

Der Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, machte deutlich, dass sein Haus "dem Gesetzentwurf voll zustimmen" könne. Der Entwurf reagiere auf die praktischen Erfahrungen seit Einführung der eID, um die Verwendungsbreite für die Bürger zu erhöhen. Dabei behielten die Änderungen deren hohes Sicherheitsniveau bei.

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2. Modernisierung der Haushaltsregeln

Haushalt/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Ein Vorstoß der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Reform der Haushaltsregeln und Vermögensaufstellung des Bundesvermögens ist bei Sachverständigen in einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses am Montag auf ein geteiltes, in der Tendenz skeptisches Echo gestoßen. In einem Antrag (18/11188) fordern die Grünen, dass das Bundesvermögen künftig in Anlehnung an die kaufmännische Bilanzierung dargestellt werden soll. Damit wollen die Grünen den "Verschleiß der öffentlichen Infrastruktur" transparent machen. Dies soll mit einer neuen Investitionsregel einhergehen. Abschreibungen auf das Vermögen sollen demnach mindestens durch Neuinvestitionen ersetzt werden. Zudem setzt sich die Fraktion dafür ein, auch Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) bei der Anwendung der Schuldenbremse zu berücksichtigen. Es entstünde dadurch eine "Schattenverschuldung", kritisieren die Grünen.

Friedrich Heinemann (Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung Mannheim) griff die Prämissen des Antrags kritisch auf. So sei die damit vorausgesetzte "Vermögenskonstanz" des Staates keineswegs zwingend, sondern abhängig von den jeweiligen Umständen. Zudem sei die Sichtweise, dass Investitionen Schlüssel zu mehr Wachstum seien, "sehr verengt". Weiterhin sei die Definition von Investition als "wachstumsorientierte Ausgabenkategorie" schwierig.

Auch Mark Hallerberg (Hertie School of Governance) betonte, dass die Definition von Investitionen grundsätzlich problematisch sei. Zudem habe die bis 2009 im Grundgesetz verankerte "Bruttoverschuldungsregel" (Art. 115 Grundgesetz alte Fassung) schon nicht funktioniert und zu regelmäßig steigenden Schulden geführt. Eine Fiskalregel, wie von den Grünen vorgeschlagen, sei daher unnötig.

Für den Bundesrechnungshof führte Dieter Hugo Bedenken gegenüber der Investitionsregel an. Neben der praktischen Handhabung - Hugo stellte ebenfalls auf das Definitionsproblem ab - kritisierte der BRH-Vertreter die vorgeschlagene Regelung in Hinblick auf die Budget-Hoheit des Parlaments und mit Verweis auf die bisheriger Praxis, nach der Ausgaben nicht priorisiert würden.

Für eine Investitionsregel im Sinne der Grünen sprach sich Michael Thöne (Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln) aus. Er argumentierte, dass Investitionen in der Politik "strukturell benachteiligt" seien. Es bestehe aber Handlungsbedarf, eine Investitionsregel sei daher zumindest zum "Nettovermögenserhalt" sinnvoll. Die aktuellen Indikatoren der Haushaltspolitik - einerseits Budgetsaldo, andererseits die Tragfähigkeitsberichterstattung - seien beide gut, aber "investitionsblind". Die Diskussionen über Investitionsbedarfe werde darin "systematisch nicht abgebildet", kritisierte Thöne.

Neben der ebenfalls kontrovers diskutierten Frage, ob und wie das Bundesvermögen kaufmännisch bilanziert und bewertet werden könne, diskutierten die Sachverständigen zudem über ÖPP-Projekte.

Grundsätzliche Kritik an ÖPP-Projekten übte Carl Friedrich Waßmuth (Gemeingut in BürgerInnenhand e.V.). ÖPP sei Teil einer Kette, die durch die Schuldenbremse ("wichtigster Privatisierungstreiber") ausgelöst werde, an deren Ende mangelnde staatliche Kontrolle und möglicherweise kaputte Infrastruktur stehe. Diese "Privatisierungsform" sollte entsprechend zurückgedrängt und langfristig gänzlich abgeschafft werden, forderte Waßmuth in seiner schriftlichen Stellungnahme.

Tanja Kessel (Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig) wiederum betonte, dass es sich bei ÖPP eben nicht um ein Finanzierungsmodell handle, sondern um ein Beschaffungsmodell. Maßgeblich sei bei ÖPP-Projekten, ob sie im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorteilhafter seien als etwa die kommunale Beschaffung - und nicht die Haushaltsgestaltung. Der möglichen Verschleierung öffentlicher Verschuldung durch ÖPP würden einerseits durch die Schuldenbremse, andererseits - sogar weitergehender - durch Vorgaben des Europäischen Fiskalpakts Grenzen gesetzt, führte Kessel in ihrer schriftlichen Stellungnahme aus.

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3. Wildtierverbot in Zirkussen geprüft

Ernährung und Landwirtschaft/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Das vom Bundesrat geforderte Verbot der Haltung bestimmter wild lebender Tierarten in Zirkussen wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geprüft. Weil aber die von der Länderkammer geforderten Regelungen in die Grundrechte von Tierlehrern und Zirkusunternehmern eingreifen würden, müsse eine umfassende Folgenabschätzung vorgenommen werden. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (18/11994) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/11836) hervor, die eine überfällige Gegenäußerung der Regierung auf eine in der 943. Sitzung des Bundesrates gefasste Entschließung einfordert. Das Verbot soll demnach für Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde gelten. Weiter heißt es dazu, dass die Bundesregierung dem Bundesrat gegenüber Stellung nehmen werde, wenn die Prüfung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass von Regelungen durch Verordnung, die Entscheidung über etwaige Maßnahmen und die Ressortabstimmung abgeschlossen ist.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 259 - 24. April 2017 - 14.35 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2017

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