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BUNDESTAG/6593: Heute im Bundestag Nr. 346 - 31.05.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 346
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 31. Mai 2017, Redaktionsschluss: 14.26 Uhr

1. Grünes Licht für Istanbul-Konvention
2. Streit um Neuregelung für Versicherungsvertrieb


1. Grünes Licht für Istanbul-Konvention

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Der Familienausschuss hat der geplanten Ratifizierung der sogenannten Istanbul-Konvention zugestimmt. Der Ausschuss verabschiedete am Mittwoch einstimmig den entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt (18/12037). Alle Fraktionen begrüßten die Ratifizierung der Konvention, die Deutschland am 11. Mai 2011 zusammen mit zwölf weiteren Mitgliedstaaten des Europarates unterzeichnet hatte, ausdrücklich. Bis heute haben insgesamt 43 Staaten das Übereinkommen unterzeichnet und 23 haben es ratifiziert. Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen bezeichneten die Ratifizierung als überfällig. Es sei "peinlich", dass Deutschland die Konvention erst als 24. Staat ratifiziere. CDU/CSU und SPD verwiesen darauf, dass die Koalition gründlich gearbeitet habe. So habe man mit der Reform des Sexualstrafrechts und der Verankerung des Grundsatzes "Nein heißt Nein" die nötige rechtliche Voraussetzung für eine Ratifizierung geschaffen.

Die Istanbul-Konvention ist der erste völkerrechtliche Vertrag, dem europäische Staaten beitreten können, mit dem umfassende und spezifische Maßnahmen zur Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen sowie zum Schutz der Opfer formuliert wurden. Sie sieht vor, dass die Gleichstellung der Geschlechter in den Verfassungen und Rechtssystem der Unterzeichnerstaaten verankert werden muss und alle diskriminierenden Vorschriften abzuschaffen sind. Unter anderem sieht sie eine Rechtsberatung, psychologische Betreuung, finanzielle Beratung und den Zugang zu Unterbringungsmöglichkeiten zum Beispiel in Frauenhäusern vor. Zudem verpflichten sich die Vertragsstaaten, gegen alle Formen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt, gegen Zwangsheirat, Genitalverstümmelung, Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation vorzugehen.

Linke und Grüne forderten die Bundesregierung auf, ihren Vorbehalt gegen Artikel 59 der Istanbul-Konvention zurückzuziehen, um geflüchteten oder migrierten Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind oder als Zeuginnen in Strafverfahren aussagen, ein sofortiges eigenständiges Aufenthaltsrecht zu ermöglichen. Die beiden Oppositionsfraktionen bemängelten zudem die nicht ausreichende Finanzierung von Frauenhäusern in Deutschland. Hier müsse sich der Bund stärker engagieren. Union und SPD hielten dagegen, dass die Finanzierung der Frauenhäuser Aufgabe der Länder und Kommen sei. Einen Antrag, in dem die Linksfraktion einen Rechtsanspruch auf sofortige umfassende Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder sowie eine dauerhafte Finanzierung der Frauenhäuser fordert (18/7540), wurde vom Familienausschuss mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen das Votum der Linken und Grünen abgelehnt.

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2. Streit um Neuregelung für Versicherungsvertrieb

Wirtschaft und Energie/Anhörung

Berlin: (hib/wid) Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Versicherungsvertriebs (18/11627) hat bei Verbandsvertretern und Verbraucherschützern unterschiedliche Bewertungen gefunden. Umstritten war am Mittwoch in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses insbesondere die vorgesehene strikte Trennung der Vergütungsformen von Versicherungsmaklern und -vermittlern auf der einen sowie Versicherungsberatern auf der anderen Seite. Dem Entwurf zufolge sollen Makler und Vermittler ihr Einkommen ausschließlich aus Provisionen der Anbieter beziehen. Die Betroffenen sehen darin eine unzulässige Einschränkung ihrer Berufsfreiheit und eine Existenzbedrohung.

Mit der Neuregelung setzt die Bundesregierung eine einschlägige EU-Richtlinie in nationales Recht um, deren Zweck eine europaweite "Minimalharmonisierung" des Versicherungsmarktes ist. Dabei bleibt dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, in bestimmten Bereichen stärker oder sogar schwächer zu regulieren. Die Bundesregierung verbindet mit den Gesetzentwurf ihre im Koalitionsvertrag vereinbarte Absicht, aus Gründen des Verbraucherschutzes den Berufsstand der Versicherungsberater zu stärken. So wird deren Befugnis, auch Verträge zu vermitteln, jetzt ausdrücklich festgeschrieben.

In Deutschland praktizieren derzeit 318 unabhängige Versicherungsberater, denen rund 230.000 Versicherungsmakler gegenüberstehen. Ein Versicherungsberater erhält sein Honorar ausschließlich von dem Kunden, dem er einen Weg durchs Dickicht der Versicherungsangebote zu bahnen hilft. Er ist also nicht unbedingt daran interessiert, dass es zum Vertragsabschluss kommt. Dagegen beziehen Versicherungsmakler in der Regel eine erfolgsabhängige Provision vom Anbieter nach Vermittlung eines Vertrages. In vielen Fällen bieten sie darüber hinaus aber auch Beratungsleistungen gegen Honorar an. Das will ihnen der Gesetzgeber zumindest im Privatkundengeschäft jetzt untersagen. Im Entwurf steht dafür der Begriff des "Provisionsgebots".

In der Anhörung warnte der Vertreter des Bundesverbandes Finanzdienstleistung, Frank Rottenbacher, vor drohenden Einkommensverlusten. Nach seinen Worten rechnet etwa die Hälfte der Versicherungsmakler mit Privatkunden gelegentlich auch Honorare ab. Von ihnen erwirtschafteten 20 Prozent auf diese Weise bis zu fünf Prozent ihres Umsatzes, weitere fünf Prozent sogar sogar zwischen einem Viertel und der Hälfte: "Für unsere Mitglieder ist es wichtig, dass sie weiterhin Honorare beziehen können."

In seiner schriftlichen Stellungnahme vor der Anhörung hatte der von Rottenbacher vertretene Verband mit harscher Kritik nicht gespart. Dem Gesetzentwurf liege offenbar die Vorstellung zugrunde, dass "Makler geld- und von Interessenskonflikten getriebene Egoisten" seien, denen eine "verbraucherorientierte Beratung nicht zugetraut werden kann, und denen somit das Geschäftsfeld massiv beschnitten werden muss". Es werde ein Bild vom "guten" Honorarberater und "bösen" Versicherungsmakler vermittelt: "Diese implizit ausgesprochene Unterstellung weisen wir hiermit in aller Form für unsere Mitglieder zurück."

Für den Verband Deutscher Versicherungsmakler beklagte Hans-Georg Jenssen, dass sein Berufsstand künftig an die Provisionen der Anbieter "gekettet" werden solle, und stellte die europarechtliche Zulässsigkeit in Frage. In der EU-Richtlinie werde dem nationalen Gesetzgeber zwar freigestellt, Provisionsgeschäfte generell zu verbieten, nicht aber, sie für bestimmte Branchen anzuordnen. Sinnvoller wäre es, meinte Jenssen, die Honorare der Versicherungsberater zu begrenzen, die gelegentlich "knapp an der Sittenwidrigkeit" lägen.

Von einem "unverhältnismäßigen Eingriff" in die Gewerbefreiheit sprach Wolfgang Eichele vom Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute. Auch er deutete an, dass die geplante Regelung europarechtswidrig sein könnte. Das "starre Honorarverbot" des deutschen Gesetzgebers für die Makler widerspreche der Vorgabe der EU-Richtlinie, dass Versicherungsvermittlern im Prinzip "alle Vergütungsformen" offenstehen sollten. Die vorgesehene Regelung sei für die Betroffenen ein Hindernis, "weitere Geschäftsfelder zu erschließen". Ihnen drohe, "immer mehr Tätigkeiten für immer weniger Provision" ausüben zu müssen.

Für den Bundesverband der Verbraucherzentralen begrüßte dessen Vertreter Lars Gatschke die "klare Trennung" von Honorar- und Provisionsgeschäften. Das bisherige "Nischendasein" der Versicherungsberater sei eine Folge der "Rosinenpickerei" der Makler, die im Wettbewerb von "Mischmodellen" profitierten. Wesentlich im Sinne des Verbraucherschutzes sei, dass die Leistung der Berater "nicht verkaufsorientiert", sondern "ergebnisoffen" sei.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 346 - 31. Mai 2017 - 14.26 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2017

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