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BUNDESTAG/6650: Heute im Bundestag Nr. 403 - 28.06.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 403
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 28. Juni 2017, Redaktionsschluss: 12.04 Uhr

1. Änderungen am Löschpflichten-Gesetz
2. Strittiges Globalabkommen mit Mexiko
3. Keine Vergrößerung der Freiwilligendienste
4. Agrarausschuss lehnt Pestizid-Anträge ab
5. Experten: Higtech-Strategie gutem Weg


1. Änderungen am Löschpflichten-Gesetz

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/PST) Der Rechtsausschuss hat wesentliche Änderungen am Entwurf eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes beschlossen. Ein von ihm gebilligter Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen greift Kritikpunkte und Änderungsvorschläge auf, die unter anderem in einer Expertenanhörung sowie vom Bundesrat vorgebracht worden waren. Der Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD (18/12356) hat das Ziel, Internet-Plattformen wie Facebook und Twitter zu einer schnelleren und wirksameren Löschung strafbarer Inhalte zu zwingen.

Die Pflicht der Plattform-Betreiber, offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden zu löschen, soll nach dem Willen des Rechtsausschusses bleiben. Dagegen sieht die geänderte Fassung bei Inhalten, deren Rechtswidrigkeit nicht offensichtlich ist, Ausnahmen von der ansonsten geltenden Sieben-Tages-Frist vor. Eine Überschreitung soll insbesondere möglich sein, wenn begründet mehr Zeit für die rechtliche Prüfung benötigt wird. So soll Overblocking, also die vorsorgliche Sperrung von möglicherweise gar nicht strafbaren Inhalten, vermieden werden.

Wesentlichste Änderung ist die Möglichkeit für Plattform-Betreiber, die Entscheidung über nicht offensichtlich rechtswidrige Inhalte an eine Art freiwilliger Selbstkontrolle zu delegieren, in der Gesetzessprache an eine "anerkannte Einrichtung der regulierten Selbstregulierung". Reguliert deshalb, weil die Einrichtung gesetzliche Kriterien erfüllen, staatlich zugelassen und vom Bundesamt für Justiz überwacht sein muss. Unter anderem müssen in ihren Entscheidungsgremien die Landesmedienanstalten vertreten sein. Die Vorschriften im Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zur regulierten Selbstregulierung orientieren sich an geltenden Bestimmungen im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag.

In der geänderten Fassung werden zudem die sogenannten Sozialen Netzwerke, für die das Gesetz gelten soll, genauer definiert. So soll sichergestellt werden, dass beispielsweise berufliche Netzwerke, Fachportale, Online-Spiele und Verkaufsplattformen nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Außerdem soll eine Schwelle von mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland verhindern, dass Start-Ups durch das Gesetz in ihrer Entwicklung behindert werden. Auch bei den Berichtspflichten sieht die geänderte Fassung Einschränkungen zugunsten von Start-Ups vor.

Der so geänderten Fassung des Gesetzentwurfs stimmten im Rechtsausschuss die Vertreter von CDU/CSU und SPD zu. Die Linke stimmte dagegen, insbesondere weil sie die Gefahr des Overblocking immer noch gegeben sieht. Die Grünen votierten mit Enthaltung und begründeten dies damit, dass durch die sehr kurzfristige Einbringung des Änderungsantrags und dessen nochmalige Abänderung am Tag der Ausschusssitzung keine geordnete parlamentarische Befassung möglich gewesen sei. Am Freitagmorgen steht der Gesetzentwurf zur abschließenden Beratung auf der Tagesordnung des Plenums.

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2. Strittiges Globalabkommen mit Mexiko

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/JOH) Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen SPD, CDU und CSU hat der Entwicklungsausschuss am Mittwochmorgen einen Antrag (18/12548) der Fraktion Die Linke abgelehnt, der die Aussetzung des Globalabkommens mit Mexiko vorsieht. Nach Ansicht der Linken droht das 1997 in Kraft getretene Freihandelsabkommen, über dessen Aktualisierung seit 2015 verhandelt wird, die Situation in dem Land weiter zu verschlechtern.

Mexiko sei ökonomisch, sozial und menschenrechtlich in einer sehr prekären Lage, betonte ein Vertreter der Fraktion. Deshalb dürfe es kein Weiter-so in der Handelspolitik geben, sondern es sei eine Neuorientierung notwendig. Es gelte, die Armut zu bekämpfen und die Lage der Menschenrechte zu verbessern.

Die Grünen warfen Bundesregierung und EU vor, mit ihren Handelsverträgen die nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs), die Klimaziele von Paris und die Beschlüsse der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba (Äthiopien) zu konterkarieren. Insbesondere kritisierten sie den in den Verträgen verankerten Investorenschutz.

Ein Vertreter der SPD forderte, verbindliche Überprüfungs-, Beschwerde- und Sanktionsmechanismen im Globalabkommen festzuschreiben, um Verstöße multinationaler Konzerne gegen die Menschenrechte ahnden zu können.

Die Ansicht der Linken, der Freihandel sei Ursache und nicht Lösung der Probleme, teilte einer Unionsvertreter ausdrücklich nicht. Mit dem wirtschaftlichen Aufbau des Landes, verbessere sich auch die Lebenssituation der Menschen, urteilte er.

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3. Keine Vergrößerung der Freiwilligendienste

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Ausschuss

Berlin: (hib/AW) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist mit ihrer Forderung nach einer Aufstockung der Freiwilligendienste um 100.000 Plätze für unter 27-Jährige und einer Zahlung einer Starthilfe für junge Menschen von 1.500 Euro nach Beendigung eines Freiwilligenjahres gescheitert. Der Familienausschuss lehnte den entsprechenden Antrag (18/12804) am Mittwoch mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen das Votum der Grünen und der Linksfraktion ab.

Die Grünen begründeten ihren Antrag mit dem hohen gesellschaftlichen Ansehen der Freiwilligendienste. Für junge Menschen biete ein freiwilliges Jahr aber auch einen hohen individuellen Nutzen während der Bildungs- und Orientierungszeit nach der Schul- und Ausbildungszeit. Die Nachfrage nach Plätzen in den Freiwilligendiensten sei aber deutlich höher als das Angebot.

Die Union lehnte das Ansinnen mit der Begründung ab, die Schaffung weiterer 100.000 Plätze sei zu hoch angesetzt. Dafür bestehe kein bedarf. Zudem stehe die Zahlung einer Starthilfe von 1.500 Euro nach Beendigung eines freiwilligen Jahres im Widerspruch zum Gedanken des freiwilligen bürgerschaftlichen Engagements. Die SPD lehnte eine solche Zahlung ebenfalls ab.

Auch die Linksfraktion bewertete die Zahlung nach einem freiwilligen Jahr zwar kritisch. Ansonsten unterstützte sie jedoch den Antrag der Grünen.

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4. Agrarausschuss lehnt Pestizid-Anträge ab

Ernährung und Landwirtschaft/Ausschuss

Berlin: (hib/EIS) Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat am Mittwochmorgen mehrere Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur Reduktion von Pestiziden (18/7240, 18/12382) und für ein Verbot von Bienengiften (18/12384) abgelehnt. Die Ausschussmitglieder stimmten mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD bei Enthaltung der Fraktion Die Linke in zwei Abstimmungen und Ablehnung in einem Fall (18/12382) gegen die Annahme der Vorlagen im Plenum. Die Grünen hatten unter anderem gefordert, dass ein Pestizidreduktionsprogramm eingeführt werden soll, das die Landwirtschaft langfristig in die Lage versetzt, weitestgehend ohne Pestizide auszukommen. Darüber hinaus sollte ein Maßnahmenpaket erstellt werden, um den Einsatz des Wirkstoffes Glyphosat in Unkrautvernichtungsmitteln in der Landwirtschaft zu beenden. Auf EU-Ebene sollte für eine grundlegende Reform des Zulassungsverfahrens von Pestizidwirkstoffen geworben werden, die dem Stand der Wissenschaft Rechnung trage und eine Risikobewertung unabhängig von Einflüssen der Hersteller ermöglicht. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung den Einsatz besonders problematischer Stoffe wie der Totalherbizide Glyphosat und Glufosinat und der bienengefährdenden Neonikotinoide beenden. Außerdem sollten klare Reduktionsziele mit Kennzahlen und Zeitfenstern sowie die Leitlinien der "guten fachlichen Praxis" verbindlich und rechtssicher definiert werden. Die Bundesregierung sollte außerdem das von der EU-Kommission geplante Verbot der Wirkstoffe Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam im Außenbereich offensiv unterstützen. Denn die Regierung habe "in den letzten vier Jahren die Landwirte allein gelassen", kritisierten die Grünen. Der Nationale Aktionsplan habe sich als wirkungslos erwiesen und es sei ein Rückgang der biologischen Vielfalt zu verzeichnen. Die Union widersprach der Auslegung der Statistiken in den Anträgen. Man könne nicht behaupten, dass die Anwendungen zunehmen. In der Landwirtschaft würden Pflanzenschutzmittel verwendet, wenn es nötig ist. Der im National en Aktionsplan gewählte Risikoansatz sie außerdem richtig und das maßgebliche EU-Pflanzenschutzrecht gründe auf einer Risikobewertung. Die Sozialdemokraten befürworteten, auf eine Reduzierung des Einsatzes solcher Mittel hinarbeiten zu müssen. Aber es sei weniger die Menge das Problem, sondern wie zielgerichtet und aus welchen Gründen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. "Glyphosat wird für alles eingesetzt", kritisierte die SPD. Anwendungsverbote für private ungeschulte Nutzer und für Kommunen sollten deshalb in Zukunft zur Reduktion beitragen. Die Linke attestierte einen deutlichen Rückgang der Insekten. Die Pestizide stünden deshalb zurecht im Zentrum der Aufmerksamkeit. "Die Landwirtschaft muss bienenfreundlicher werden", hieß es aus der Fraktion. Ertragserhalt und Ertragssteigerung sollten nicht das einzige Ziel in der Landwirtschaft sein. Die Lösung der Probleme durch Verbote sah die Fraktion jedoch nicht. Die Bundesregierung führte zu den Grünen-Anträgen aus, dass zum Schutz der Biodiversität unter anderem die Förderung der ökologischen Landbewirtschaftung beitragen soll.

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5. Experten: Higtech-Strategie gutem Weg

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) Die Hightech-Strategie setzt einen positiven, richtigen Rahmen. Das war der einhellige Tenor fast aller Sachverständigen beim Öffentlichen Fachgespräch "Bilanz und Perspektiven der Forschungs- und Innovationsförderung in Deutschland", das Mittwochvormittag auf Einladung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung in Berlin stattfand.

Professor Uwe Cantner, Mitglied der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre/Mikroökonomik der Universität Jena, betonte, die Politik der Bundesregierung im Bereich Forschung und Entwicklung F& E habe einen sehr gute Richtung eingeschlagen. Für die Zukunft forderte Cantner - wie auch andere Sachverständige - die steuerliche Förderung von Unternehmen im Bereich von F & E. Dadurch werde ein Mobilisierungsprozess zu mehr Innovationen angeregt. Er kritisierte, dass das Thema Digitalisierung noch immer nicht ganz oben auf der Agenda der Politik der Bundesregierung stehe.

Professor Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung und Vorsitzender des Hightech-Forums, begrüßte es, dass das Ziel drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für F& E auszugeben, erreicht worden sei. Zudem lobte er den Anstieg der Grundfinanzierung der Fraunhofer-Gesellschaft von 67 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Investitionen in die Fraunhofer-Gesellschaft seien gut angelegt. Im Jahr 2014 habe die Fraunhofer-Gesellschaft mit ihrer Arbeit einen Beitrag von 20 Milliarden Euro zur Steigerung des Bruttoinlandsproduktes beigetragen. "Aus einem Euro machen wir 20 Euro", sagte Neugebauer. Das entspreche der Wirtschaftskraft von Firmen wie Linde und Porsche.

Insgesamt habe die Forschungs- und Innovationsförderung zu einer erheblichen Ausweitung der Forschungsaktivitäten geführt. Anwendungsnahe Forschung und der Wissens- und Technologietransfer seien an Fachhochschulen heute keine Ausnahme mehr, betonte Professor Andreas Nevoigt, Prorektor für Forschung und Technologietransfer an der Fachhochschule Südwestfalen. Zudem seien Fachhochschulen in ihrer Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen für die Profilbildung einer Region wichtig. Um dem Innovationsbedarf noch besser Rechnung tragen zu können, setzte er sich für die deutlich Ausweitung der "hervorragenden" Programme, Zentrales Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) und KMU-Innovation, ein.

Steffi Ober, Projektleiterin Zivilgesellschaftliche Plattform Forschungswende,Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, betonte, dass hinter der Forschungs- und Innovationsprogrammen der Bundesregierung soziotechnische Zukunftsvorstellung stünden, die die Interessen, Wünsche, Hoffnungen und Machtansprüche der Gegenwartsgesellschaft abbilden würden. Deshalb sei es wichtig, gemeinsam Leitbilder zu entwickeln, die Richtungssicherheit von technologischen Innovationen bieten und auch einen transparenten Umgang mit Komplexität und Unsicherheiten ermöglichen. Diese Leitbilder müssten aus vielen Blickwinkeln entwickelt werden, Pfadabhängigkeiten aufgebrochen werden.

Ulrich Petschow, Leiter des Forschungsfeldes Umweltökonomie und Umweltpolitik, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, lobte die Aufwüchse in der Forschungs- und Innovationspolitik. Zugleich mahnte auch er, dass die Wissenschaftspolitik einen gesellschaftlichen Verständigungsprozess fördern müsse, um die Frage der Innovationsrichtung zu thematisieren. Er betonte, dass die Forschungs- und Innovationspolitik zu stark auf die technologischen Entwicklungen ausgerichtet sei. Zudem sei das deutsche Innovationssystem bislang nicht hinreichend auf die weitreichenden Transformationsprozesse eingestellt. Diese würden sich unter anderem vor dem Hintergrund des Klimawandels ergeben.

Neben dem grundsätzlichen Lob für die Hightech-Strategie, kritisierte Lothar Schröder, Bundesfachbereichsleiter, Innovations- und Technologiepolitik, Mitglied im ver.di Bundesvorstand, dass die Innovationspolitik zu wenig die Verbindung von technischen mit sozialen Innovationen fördere. In diesem Zusammenhang nannte er die Themenfelder Arbeitnehmerdaten und Gesundheitsschutz, Beteiligungsorientierung und Konzepte für qualitative Personalplanung. Aus betrieblicher Sicht könne Innovationsförderung nicht allein mit Forschungsarbeit geleistet werden. In den Betrieben gedeihe Innovation auch durch Elemente wie Sicherheit, Partizipation und dem nötigen Freiraum für Innovationsentwicklung.

Markus Steilemann, Chief Commercial Officer und Mitglied des Vorstands der Covestro AG und Mitglied im VCI-Ausschuss Forschung, Wissenschaft und Bildung, betonte, dass nicht nur die Erfindungen sondern auch die Vermarktung stärker gefördert werden müsste. Grundsätzlich forderte er, dass es in der Industrie in Zukunft stets darum gehen müsste, nachhaltige Lösungen zu finden. Responsible Care, also verantwortungsvolles Handeln, müsse das andere große Ziel sein, auf das Unternehmen hinarbeiten sollen.

Dem Fachgespräch lagen die Unterrichtungen "Gutachten zu Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2017" (18/11270), der "Bericht zur Umsetzung der Hightech-Strategie - Fortschritt durch Forschung und Innovation, Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten zu Forschung, Innovation und Technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2017" (18/11270) und (18/11810) und der "Aktionsplan Nanotechnologie 2020 der Bundesregierung" (18/9670) zugrunde.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 403 - 28. Juni 2017 - 12.04 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2017

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