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BUNDESTAG/7509: Heute im Bundestag Nr. 661 - 13.09.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 661
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 13. September 2018, Redaktionsschluss: 09.41 Uhr

1. Seehofer: Keine personelle Konsequenzen
2. Regulierung soll Finanzkrisen verhindern
3. Bedingungen für ausländische Investitionen
4. Linke fordert gerechtere GKV-Finanzierung
5. H O L D Bundesprogramm Demokratie leben!
6. Staatsangehörige Eritreas in Deutschland


1. Seehofer: Keine personelle Konsequenzen

Inneres und Heimat/Ausschuss

Berlin: (hib/STO) Die "Beurteilung der im Zusammenhang mit der Tötung von Daniel H. in Chemnitz stehenden Ereignisse durch das Bundesamt für Verfassungsschutz" (BfV) ist am Mittwochabend Thema einer Sitzung des Ausschusses für Inneres und Heimat mit Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) und BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen gewesen. Maaßen erläuterte dabei seine am vergangenen Freitag veröffentlichten Äußerungen, in dem er die Authentizität eines im Internet mit der Überschrift "Menschenjagd in Chemnitz" kursierenden Videos im Zweifel gezogen hatte. Seehofer betonte am Ende der Sitzung, keinen Grund für personelle Konsequenzen zu sehen.

Maaßen unterstrich, dass es in Chemnitz rechtsextremistische Straftaten gegeben habe, die völlig unakzeptabel seien. Es habe aber in der Stadt am 26. August nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden keine "Hetzjagden" gegeben. Er habe nicht behauptet, dass das Video ge- oder verfälscht worden sei. Das von "Antifa-Zeckenbiss" verbreitete Video belege aber nicht, dass es Hetzjagden in Chemnitz gegeben habe.

Der BfV-Präsident verwies darauf, dass Desinformationen auch mit Bildern verbreitet würden, und sah bei dem Video Gründe für die Annahme, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt. Es sei aus einem Zusammenhang genommen und in einen anderen Zusammenhang gestellt worden. In seinem Zitat habe er zum Ausdruck gebracht, dass er die Skepsis gegenüber Medienberichten über angebliche Hetzjagden teile.

Seehofer hob hervor, dass sich Maaßen deutlich gegen Rechtsextremismus positioniert habe. Auch habe sich der BfV-Präsident in Wahrnehmung seiner Aufgaben eingelassen. Der Minister würdigte zugleich Maaßens Bedauern, dass dabei manches in der Öffentlichkeit anders als beabsichtigt aufgefasst wurde.

Auch die CDU/CSU-Fraktion wertete die Selbstkritik des BfV-Präsidenten als wichtig. Sie kritisiere nicht die Aufklärungsabsicht von Maaßen, sondern dass die Art und Weise nicht gelungen gewesen sei. Zugleich äußerte sie die Einschätzung, dass man die Debatte "aufgebauscht" habe.

Die SPD-Fraktion verwies darauf, dass es keine allgemeine oder juristische Definition des Begriffs "Hetzjagd" gebe, und erkundigte sich, wie Maaßen diesen Begriff definiert. Auch wollte sie wissen, was das Bundesamt für Verfassungsschutz gegen "Fake News von rechts" unternimmt.

Die AfD-Fraktion griff auf, dass das Video in einer Hauptnachrichtensendung zu sehen war, und erkundigte sich danach, ob dergleichen öfter passiere und ob es eine Abteilung im Bundesamt gebe, die solche Vorkommnisse beobachte.

Die FDP-Fraktion konstatierte, dass Maaßens Zitat angesichts der rechtsextremen Straftaten in Chemnitz in einem gesellschaftlichen Kontext stehe. Auch fragte sie nach Erkenntnissen über russische Einflussnahme in der rechten oder linken Szene.

Die Fraktion Die Linke hielt Maaßen in Bezug auf den Begriff "Hetzjagd" Wortklauberei vor. Zugleich mahnte die Fraktion, dass es nicht seine Aufgabe sei, politischen Einfluss zu nehmen. Maaßen sei kein Politiker, sondern Behördenleiter.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf die Frage auf, ob das Kanzleramt von dem Interview nicht vorher hätte in Kenntnis gesetzt werden müssen. Sie hielt Maaßen vor, es mit dem Begriff "Hetzjagd" sehr genau zu nehmen, nicht aber mit dem in dem Zitat auch verwendeten Begriff "Mord".

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2. Regulierung soll Finanzkrisen verhindern

Finanzen/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Mit umfangreichen Regulierungsmaßnahmen soll eine erneute Finanzkrise verhindert werden. Entsprechende Forderungen legt die Fraktion Die Linke in einem Antrag (19/4241) vor. So wird gefordert, die Verhandlungen über die Einführung einer europäischen Finanztransaktionsteuer auf den Handel mit Aktien, Anleihen und Derivaten noch in diesem Jahr zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Auf EU-Ebene soll sich die Bundesregierung für die Einführung eines Finanz-TÜV für Finanzprodukte einsetzen. Weitere Forderungen betreffen die Einführung einer Millionärsteuer und die Erhöhung der öffentlichen Investitionsausgaben. Zudem soll der Mindestlohn auf mindestens zwölf Euro angehoben werden. Alle Banken sollen nach dem Vorbild von Sparkassen und Genossenschaftsbanken auf ein solides, auf die Bedürfnisse der Gesellschaft und Realwirtschaft bezogenes Geschäftsmodell ausgerichtet werden. Genannt werden die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, einfache und sichere Sparinstrumente sowie die Finanzierung öffentlicher und privater Investitionen. Das riskante Investmentbanking und Kapitalmarktgeschäft soll abgetrennt und abgewickelt beziehungsweise ganz eingestellt werden.

Die Linksfraktion erinnert daran, dass die Politik durch die seit 1990 erfolgten Liberalisierungen der Finanzmärkte "den Treibstoff für die Finanzmarktkrise selbst produziert hat". Genannt werden die Zulassung von Geldmarkt- und Hedgefonds sowie die Erleichterungen für Investmentfonds und Leerverkäufe in Deutschland. Die Finanzkrise habe dann für die öffentliche Hand zu Kosten in mittlerer dreistelliger Milliardenhöhe geführt. Außerdem seien zwei Konjunkturpakete für 60 Milliarden Euro auf den Weg gebracht worden.

Die nach Ausbruch der Krise vorgenommen Regulierungen bezeichnet die Linksfraktion als unzureichend." Trotz der Regulierungsankündigungen dürfe an Finanzinstrumenten immer noch ohne vorherige Risikoprüfung alles in Umlauf gebracht werden, was nicht ausdrücklich verboten sei. "Weil sich damit sehr viel Geld verdienen lässt, werden von der Finanzindustrie immer neue und meist komplexe Finanzinstrumente entwickelt und vertrieben", schreiben die Abgeordneten. So seien allein 2016 in Deutschland rund 3,2 Millionen neue Finanzprodukte im Bereich Schuldtitel, strukturierte Produkte und Zertifikate auf den Markt gebracht worden.

Auch im Bereich der Schattenbanken bleibe viel zu tun, macht die Linksfraktion klar. Der US-Vermögensverwalter BlackRock sei die größte Schattenbank der Welt. Seit der Krise 2007/8 habe sich das vom BlackRock verwaltete Vermögen von 1.300 Milliarden auf 6.300 Milliarden US-Dollar erhöht. BlackRock bewege sich in weiten Teilen "völlig außerhalb der Bankenregulierung".

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3. Bedingungen für ausländische Investitionen

Wirtschaft und Energie/Antrag

Berlin: (hib/PEZ) Die FDP-Fraktion sorgt sich um die Investitionschancen ausländischer Unternehmen in Deutschland. In einem Antrag (19/4216) fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, die Stellschrauben bei ausländischen Direktinvestitionen vorerst nicht wie vom Bundesrat angestrebt anzuziehen. Der Bundesrat hat sich in einem Entschließungsantrag dafür ausgesprochen, dass die Eingriffsschwelle abgesenkt wird, ab der die Bundesregierung Anteilskäufe ausländischer Investoren überprüfen und gegebenenfalls untersagen kann. "Es steht zu befürchten, dass die Absenkung der Eingriffsschwelle von internationalen Handelspartnern als protektionistische Maßnahme wahrgenommen würde", erklären die Abgeordneten.

Die FDP möchte eine Meldepflicht analog dem Wertpapierhandelsgesetz, und zwar ab einem unmittelbaren oder mittelbaren Stimmrechtsanteil von zehn Prozent. Die Zunahme ausländischer Direktinvestititonen in Deutschland sei ein Beleg für die Attraktivität des Standortes Deutschland, heißt es zur Begründung. Hintergrund sind vor allem Interessen chinesischer Investoren am Stromnetzbetreiber 50 Hertz, was die KfW durch Übernahme eines Anteils verhindert hatte. Die Vorgänge hatten eine Diskussion über die Sicherheit von versorgungsrelevanter Infrastruktur losgetreten.

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4. Linke fordert gerechtere GKV-Finanzierung

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) muss nach Ansicht der Fraktion Die Linke gerechter finanziert werden. Die Bundesregierung habe mit dem Entwurf für ein Versichertenentlastungsgesetz zwar einige richtige Vorschläge gemacht, wie etwa die paritätische Beitragszahlung oder die Absenkung der Mindestbeiträge für Selbstständige. Diese Änderungen blieben jedoch weit hinter dem zurück, was unkompliziert geregelt werden könnte, heißt es in einem Antrag (19/4244) der Abgeordneten.

Konkret fordert die Linksfraktion, die Zusatzbeiträge ganz abzuschaffen und hohe Rücklagen der Krankenkassen nicht zur Beitragssatzsenkung bei diesen Kassen zu nutzen, sondern für Leistungsverbesserungen. Zudem sollte die Mindestbemessung aller freiwillig Versicherten auf 450 Euro reduziert werden, statt sie nur für Selbstständige auf rund 1140 Euro zu verringern. Nötig sei auch ein Schuldenschnitt der bisher von Mindestbemessungsgrenzen Betroffenen.

Außerdem sollte die Regelung, die zur Beendigung von inaktiven Mitgliedschaften der nicht in Deutschland lebenden Saisonarbeiter führen solle, auf diese beschränkt werden, damit nicht erwerbstätige EU-Bürger sowie Bezieher von Sozialhilfe nicht aus der Krankenversicherung ausgeschlossen würden. Schließlich fordert die Fraktion auch ein Verbot von Aktienanlagen mit Beitragsgeldern.

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5. H O L D Bundesprogramm Demokratie leben!

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Projekte des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Bundesprogramms "Demokratie leben!" sind keine Beobachtungsobjekte des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) . Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/4202) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/3940) hervor.

Wie die Bundesregierung darin ausführt, will das Bundesprogramm "Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" nach eigenen Angaben "ziviles Engagement und demokratisches Verhalten auf der kommunalen, regionalen und überregionalen Ebene fördern". Hierzu unterstütze es unter anderem "Demokratiezentren zur landesweiten Koordinierung und Vernetzung sowie von Mobiler-, Opfer- und Ausstiegsberatung". Diese Demokratiezentren seien "ebenso wenig wie die anderen Projekte des vom BMFSFJ geförderten Bundesprogrammes ,Demokratie leben!' Beobachtungsobjekte des BfV".

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6. Staatsangehörige Eritreas in Deutschland

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Zum Stichtag 31. Juli 2018 haben sich laut Bundesregierung ausweislich des Ausländerzentralregisters (AZR) insgesamt 70.168 Staatsangehörige aus Eritrea in Deutschland aufgehalten. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (19/4201) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/3935) ferner hervorgeht, befanden sich zum genannten Stichtag ausweislich des AZR 8.117 Staatsangehörige aus Eritrea in einem noch nicht abgeschlossenen Asylverfahren. 1.354 waren den Angaben zufolge als Asylberechtigte anerkannt, 37.503 wurde die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, 11.991 waren mit subsidiärem Schutz erfasst.

Eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 25 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes (Abschiebungsverbot) hatten zu dem Stichtag laut Antwort 1.323 Staatsangehörige aus Eritrea. Ausreisepflichtig waren danach 2.266 Eritreer, darunter 1.622 mit einer Duldung. Zudem seien etwa 3.700 Personen mit "Fiktionsbescheinigung"/"Antrag auf Aufenthaltstitel gestellt" erfasst.

Zu den übrigen Personen ist im AZR der Vorlage zufolge kein besonderer Status erfasst. "Es dürfte sich im Wesentlichen um Personen mit einem befristeten oder unbefristeten Aufenthaltsrecht aus vor allem familiären Gründen handeln", schreibt die Bundesregierung weiter.

Wie sie zudem ausführt, hat der Friedensschluss mit Äthiopien "zum jetzigen Zeitpunkt zu keiner Verbesserung der Menschenrechtslage in Eritrea geführt". Es komme weiterhin zu schweren Verletzungen der bürgerlichen und politischen Rechte. Demokratie und Rechtstaatlichkeit seien nicht gewährleistet, ein für Männer und Frauen verpflichtender Nationaler Dienst sei ohne zeitliche Begrenzung. Die Menschenrechtsdefizite würden durch die Sonderberichterstatterin des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen bestätigt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 661 - 13. September 2018 - 09.41 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2018

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