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BUNDESTAG/7685: Heute im Bundestag Nr. 837 - 05.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 837
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 5. November 2018, Redaktionsschluss: 16.07 Uhr

1. Kritisches Urteil über Rentenpläne
2. Nachbesserungen am sozialen Arbeitsmarkt
3. Pflegebeitrag soll um 0,5 Punkte steigen


1. Kritisches Urteil über Rentenpläne

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Die Rentenpläne der Bundesregierung werden von Experten eher kritisch beurteilt. Das ist das Ergebnis einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, den 5. November 2018. Zum einen verwiesen die Sachverständigen auf die hohen Kosten der Haltelinien für Rentenniveau und Beitragssatz, ohne dass damit das Problem der Altersarmut gelöst werde. Kritisiert wurde auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft bei Erwerbsminderungsrentnern und die Steuerfinanzierung der sogenannten Mütterrente.

Gegenstand der Anhörung war zum einen der Gesetzentwurf (19/4668) der Bundesregierung zur Einführung von Haltelinien beim Rentenniveau und Beitragssatz bis 2025. Weiter möchte die Regierung die Zurechnungszeit bei der Erwerbsminderungsrente auf 65 Jahre und acht Monate in einem Schritt anheben, die Leistungen für Kindererziehungszeiten (Mütterrente) ausdehnen und Geringverdiener bei den Sozialabgaben entlasten. Außerdem bewerten die Sachverständigen Anträge der AfD-Fraktion (19/4843) und der Linksfraktion (19/29; 19/31) zu den Themen Mütter- und Erwerbsminderungsrente.

Die deutlichste Kritik kommt von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA): "Die Rentenpläne sind teuer, ungerecht und kurzsichtig. Die geplante doppelte Haltelinie ist einseitig an den Interessen der Rentner orientiert", schreibt die BDA in ihrer Stellungnahme. Der Wirtschaftswissenschaftler Eckart Bomsdorf betont in seiner Stellungnahme, die doppelte Haltelinie widerspreche dem Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung und die Beitragssatzfestlegung führe zu einer Abschwächung der paritätischen Finanzierung der Rentenversicherung zugunsten der Arbeitgeber. Altersarmut könne auf diese Weise jedenfalls nicht verringert werden, kritisiert Bomsdorf. Der Soziologe Gerhard Bäcker bezeichnet die Haltelinie beim Rentenniveau zwar als "überfällige Reaktion auf die Fehlentwicklungen in der Rentenversicherung". Aber die Begrenzung auf das Jahr 2025 löse das grundsätzliche Problem nicht, weil das Rentenniveau nach 2025 schnell weiter absinken werde, so Bäcker in seiner Stellungnahme. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßt die Stabilisierung des Rentenniveaus als "längst überfällig". Dies jedoch mit einer harten Deckelung des Beitragssatzes auf 20 Prozent zu verknüpfen, wälze die Belastungen von den Arbeitgebern auf die Arbeitnehmer ab, kritisiert der DGB in seiner Stellungnahme.

Zur Reform der Erwerbsminderungsrente merkt Felix Welti, Professor für Sozial- und Gesundheitsrecht, an: "Eine Verbesserung des Leistungsniveaus ist sozialpolitisch und verfassungsrechtlich geboten." Problematisch sei jedoch, dass diese ebenso wie die vorangegangenen Reformen den Bestands-Erwerbsminderungsrentnern nicht zugute komme. Damit würden jene benachteiligt, die gesundheitlich besonders beeinträchtigt sind, schreibt Welti in seiner Stellungnahme. Der Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) bezeichnet die Vorschläge der Regierung als unzureichend. Die Ausdehnung der Zurechnungszeit sei zwar eine Leistungsverbesserung, eine deutlich größere Entlastung für die Betroffenen wäre jedoch die Abschaffung der sozial ungerechten Abschläge, so der SoVD in seiner Stellungnahme. Wie der SoVD, so kritisieren auch Eckart Bomsdorf, Gerhard Bäcker und der DGB, dass Bestandsrentner nicht von der Reform profitieren sollen.

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2. Nachbesserungen am sozialen Arbeitsmarkt

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Gesetzentwurf (19/4725) der Bundesregierung zur Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes für langzeitarbeitslose Menschen stößt bei einer Mehrheit von Experten auf grundsätzlich positive Resonanz, wenngleich sie zahlreiche Nachbesserungen anmahnen. Das wurde in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montag, den 5. November 2018, deutlich. Darin ging es auch um zwei Anträge von Linken (19/2593) und Bündnis 90/Die Grünen (19/591) für eine öffentlich geförderte Beschäftigung.

Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Teilhabechancengesetz soll Langzeitarbeitslosen durch einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt der Wiedereinstieg ins Berufsleben ermöglicht werden. Dies soll unter anderem mit Lohnkostenzuschüssen und einem begleitenden Coaching für Beschäftigte und Arbeitgeber unterstützt werden. Die Lohnkostenzuschüsse sollen je nach Dauer der Arbeitslosigkeit unterschiedlich hoch sein und unterschiedlich lange gezahlt werden.

Unter anderem kritisierten einige Sachverständige die Beschränkung der Lohnkostenzuschüsse auf die Höhe des Mindestlohns. So betonte Detlef Scheele von der Bundesagentur für Arbeit: Wenn man nicht nur Beschäftigungsgesellschaften für diesen sozialen Arbeitsmarkt gewinnen wolle, sondern auch private und öffentliche Arbeitgeber, müsse auch der Tariflohn bezuschusst werden. Birgit Fix vom Deutschen Caritasverband sagte, indem man nur den Mindestlohn refinanziere, reiche man jenen Firmen die Hand, die sich aus dem Tarifverbund verabschiedet haben. Gegen dadurch entstehende "falsche Anreize" sprach sich auch Tina Hofmann vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. aus. Der Lohnkostenzuschuss sollte sich am üblichen Arbeitsentgelt orientieren, so Hofmann. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund plädierte für Lohnkostenzuschüsse, die den Tariflohn miteinbeziehen.

Vor zu langen Laufzeiten und zu hohen Lohnkostenzuschüssen warnten dagegen Arbeitgebervertreter, die auch den Gesetzentwurf insgesamt sehr kritisch bewerteten. Vor dem Hintergrund der guten Arbeitsmarktlage sei die Schaffung eines sozialen Arbeitsmarktes eindeutig der falsche Weg, schreibt der Zentralverband des Deutschen Handwerks in seiner Stellungnahme. Für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) bedeutet der Gesetzentwurf keine zielgerichtete Förderung für wirklich arbeitsmarktferne Menschen. Die Förderung müsse auf jeden Fall stärker regressiv gestaltet werden, betonte BDA-Vertreter Jürgen Wuttke.

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3. Pflegebeitrag soll um 0,5 Punkte steigen

Gesundheit/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/PK) Der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung soll ab 2019 um 0,5 Prozentpunkte steigen. Das sieht ein Gesetzentwurf (19/5464) der Bundesregierung vor, der nun im Bundestag beraten wird.

Demnach soll der Beitragssatz von derzeit 2,55 Prozent (Kinderlose 2,80 Prozent) des Bruttoeinkommens auf 3,05 Prozent (Kinderlose 3,30 Prozent) angehoben werden. Mit dem Geld sollen die bereits ausgeweiteten Leistungen in der Pflege sowie die künftigen Kosten für eine verbesserte Pflegeversorgung finanziert werden.

Die Beitragssatzanhebung wird nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums Mehreinnahmen in Höhe von 7,6 Milliarden Euro pro Jahr für die Pflegeversicherung bringen. Bis zum Jahr 2022 sollen die Beiträge dann stabil bleiben.

Die Ausgaben für Pflegeleistungen sind den Angaben zufolge zwischen 2013 und 2017 um mehr als 12 Milliarden Euro gestiegen: von 23,2 Milliarden Euro 2013 auf 35,5 Milliarden Euro 2017 und damit deutlich stärker als erwartet. Um das Defizit auszugleichen, ist eine Beitragssatzanhebung um 0,3 Punkte nötig.

In den kommenden Jahren werden außerdem Zehntausende neue Pflegekräfte benötigt. Mit dem Pflegesofortprogramm und der Konzertierten Aktion Pflege (KAP) sollen sich die Versorgungslage und die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessern. Das Pflegeschulgeld wird zudem abgeschafft. Für diese künftigen Kosten werden 0,2 Punkte einkalkuliert.

In der vergangenen Wahlperiode waren die Beitragssätze bereits um 0,5 Prozentpunkte angehoben worden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 837 - 5. November 2018 - 16.07 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2018

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