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BUNDESTAG/7905: Heute im Bundestag Nr. 039 - 14.01.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 39
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 14. Januar 2019, Redaktionsschluss: 16.42 Uhr

1. Kritik am Brexit-Übergangsgesetz
2. Spahn: Schnellere Hilfe durch Vernetzung
3. Keine Daten zur Verbreitung von Tattoos
4. Gesetzgebung möglichst transparent
5. Zulassungsverfahren für Zoloft rechtens
6. Förderdauer im Akademienprogramm


1. Kritik am Brexit-Übergangsgesetz

Europa/Unterrichtung

Berlin: (hib/JOH) Nach Ansicht verschiedener Sachverständiger wird der Brexit mit wie ohne Austrittsabkommen zu massiven Rechtsunsicherheiten bei Unternehmen und Bürgern führen. Der deutsche Gesetzgeber müsse daher rechtzeitig Regelungen treffen, um die Folgen abzufedern, mahnten sie am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung des Europaausschusses an. Das von der Bundesregierung vorgelegte Brexit-Übergangsgesetz (19/5313), das der Bundestag am Donnerstag beschließen will, werteten viele Experten jedoch als nicht weitreichend genug. Ebenfalls auf Kritik stieß das zwischen EU und der britischer Regierung ausgehandelte Austrittsabkommen, über das das britische Unterhaus morgen abstimmen will.

Mit dem Brexit-Übergangsgesetz will die Bundesregierung Rechtsklarheit bezüglich jener Bestimmungen im Bundesrecht herstellen, die auf die Mitgliedschaft in der Europäischen Union oder in der Europäischen Atomgemeinschaft Bezug nehmen. Insbesondere trifft der Entwurf Regelungen zugunsten von britischen und deutschen Staatsangehörigen, die vor Ablauf des Übergangszeitraums in Deutschland beziehungsweise im Vereinigten Königreich einen Antrag auf Einbürgerung stellen.

Martin Schmidt-Kessel (Uni Bayreuth) nannte es "sinnvoll", die geplante zweijährige Übergangsperiode nach dem Brexit in nationales Recht zu überführen, da vieles sonst von der Auslegung der Gerichte abhängen würde. So gebe es "enorme Verbraucherschutzfragen", die man adressieren müsse. Eine "überwiegend deklaratorische Bedeutung" bescheinigte jedoch Professor Christian Calliess, Rechtswissenschaftler an der Freien Universität Berlin, dem Entwurf. Um Widersprüche mit Blick auf europäische Vorgaben zu verhindern, müsse es konkretisiert werden.

Verschlechterungen für britische Arbeitnehmer in der EU befürchtete unter anderem Susanne Wixforth vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Ihrer Meinung nach reicht der vorliegende Gesetzentwurf nicht aus, um erworbene Rechte - etwa bei Kranken- und Rentenversicherungen - zu sichern und anzuerkennen.

Jane Golding vom Verein British in Germany e.V/British in Europa sprach von einem "Schlüsselmoment für die EU". Wie sie die britische Arbeitnehmer in EU-Staaten behandle, werde "eine Botschaft aussenden für jetzt und die Zukunft". Doro Zinke (ebenfalls DGB) forderte Verhandlungen über ein multilaterales Abkommen, um die bisherigen sozialen Standards der EU beizubehalten und zu dynamisieren.

Für überflüssig hielt Professor Franz Mayer von der Universität Bielefeld das Brexit-Übergangsgesetz. Das zwischen EU und der britischen Regierung ausgehandelte Austrittsabkommen sei ein "EU-only"-Abkommen, das der Mitwirkung der nationalen Parlamente nicht bedürfe und grundlegende Fragen bereits regle. Insofern habe der Entwurf lediglich einen "wiederholenden Charakter".

Das Austrittsabkommen wertete der britische Rechtsanwalt Martin Howe jedoch als "grundsätzlich schädlich". Das Vereinigte Königreich werde dadurch zum "Vasallenstaat" ohne Stimm- und Beteiligungsrechte in der EU. Die künftigen Beziehungen sollten auf einer Autonomie der Rechtssysteme gründen, eine Übergangszeit sei "überflüssig".

Vor einem erheblichen Kontrollverlust für die EU und den gemeinsamen Binnenmarkt durch das Austrittsabkommen warnte hingegen Professor Peter-Tobias Stoll von der Georg-August-Universität Göttingen. Viele Standards seien darin nicht ausreichend definiert, etwa fehlten Regelungen zum Verbraucherschutz.

Vor Brexit-bedingten Schäden für die Wirtschaft warnte Volker Treier vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag. Die wirtschaftlichen Verflechtungen als Folge eines funktionierenden Binnenmarktes gerieten dadurch in Teilen in Gefahr, betonte er. Um die Integrität des Binnenmarktes zu wahren, sei die Anwendung des Unionszollkodex nach dem Brexit "logische Konsequenz". Gunnar Beck von der SOAS University of London betonte in diesem Zusammenhang, sowohl die EU als auch Deutschland hätten ein "vitales Interesse an einem Freihandelsbkommen mit der EU".

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2. Spahn: Schnellere Hilfe durch Vernetzung

Petitionen/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Mit der im Entwurf für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) (19/6337) geplanten "gestuften und gesteuerten Versorgung" in der psychotherapeutischen Behandlung soll eine schnelle Versorgung von Bedürftigen mit einem Behandlungsangebot erreicht werden. Das machte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. Es gehe ihm einzig und allein darum, die Versorgung der Patienten zu verbessern, betonte Spahn. Das Sparen stehe dabei nicht im Vordergrund.

Gegen die geplante Neuregelung wendet sich eine von der Psychotherapeutin Ariadne Sartorius vom Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten eingebrachte Petition, die mehr als 200.000 Unterstützer gefunden hat. Ausgesuchte Ärzte und Psychotherapeuten, deren Qualifikation erst noch durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) definiert werden soll, sollen laut der Petition in Voruntersuchungen entscheiden, welchem Hilfs- oder Therapieangebot die Betroffenen zugeführt werden. Eine derartige Selektion, bevor eine Behandlung in Anspruch genommen werden kann, heble den freien Zugang zum ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten aus, kritisiert die Petentin.

Den psychisch kranken Patienten werde damit aufgebürdet, oftmals enorme, hoch schambesetzte seelische Belastungen gegenüber Behandlern darzustellen, "die sie danach in der Regel nicht wiedersehen werden und die sie nicht selbst nach Vertrauensgesichtspunkten gewählt haben". Es entstehe so ein "neues Nadelöhr vor der eigentlichen Behandlung", sagte Ariadne Sartorius während der Sitzung. Darüber hinaus würden auch die psychotherapeutisch tätigen Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten, die aufgrund ihrer Fachkunde und Zulassung alle über die Qualifikation zur Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlungsplanung verfügten, diskriminiert. Eine "Zuweisung" von Patienten führe dazu, "dass die gleichen Leistungen nochmal erbracht werden müssen", sagte die Petentin. Eine Voruntersuchung binde zudem Kapazitäten, die anders eingesetzt werden sollten.

Gesundheitsminister Spahn hält Erstanlaufstellen hingegen für nötig, um eine bessere Vernetzung zu erreichen. Ein Lotse oder auch ein Bezugstherapeut - "über Namen können wir reden", so Spahn - könne mit seinem Netzwerk helfen, dem Patienten "situations- und bedarfsangemessen" schnell zu helfen. Diese Erstanlaufstelle muss nach Auffassung des Ministers nicht unbedingt eine zusätzliche Instanz sein. Die Lösung werde auch nicht das Ministerium im Detail erarbeiten sondern der G-BA mit seinen Vertretern.

Die Erhöhung der Zahl an Psychotherapeuten allein löse das Problem der langen Wartezeiten jedoch nicht, zeigte sich der Gesundheitsminister überzeugt. Es brauche unbedingt eine Form von Steuerung im Verfahren.

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3. Keine Daten zur Verbreitung von Tattoos

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Antwort

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung hat wenig konkrete Erkenntnisse zur Verbreitung von Tattoos beziehungsweise ihrer Entfernung. So kann die Bundesregierung keine Angaben dazu machen, wie viele Personen aktuell in Deutschland tätowiert sind beziehungsweise wie viele Tattoos seit 2010 neu gestochen und wie viele Tattoos zwischen 2015 und 2018 durch Ärzte beziehungsweise in Tattoostudios entfernt wurden. Auch zur Entwicklung der Zahl der Tattoostudios liegen demnach keine Daten vor. Das geht aus einer Antwort (19/6865) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/6315) hervor. "Keine genauen Erkenntnisse" liegen der Bundesregierung zudem "zu den jährlichen volkswirtschaftlichen Kosten durch Gesundheitsschäden durch Tätowierungen" vor.

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4. Gesetzgebung möglichst transparent

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung ist nach eigenen Angaben bestrebt, die Gesetzgebung möglichst transparent zu gestalten. Das Kabinett habe im November 2018 eine "Vereinbarung zur Erhöhung der Transparenz in Gesetzgebungsverfahren" beschlossen, heißt es in der Antwort (19/6902) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/6357) der Fraktion Die Linke.

Das Ziel sei, "Gesetz- und Verordnungsentwürfe in der Form, in der sie in eine etwaige Verbändebeteiligung gegangen sind sowie den von der Bundesregierung beschlossenen Gesetzentwurf der Öffentlichkeit zugänglich zu machen".

Daneben sei vereinbart, auch die Stellungnahmen aus der Verbändeanhörung zu veröffentlichen. Bis zur Errichtung einer zentralen Plattform würden die Stellungnahmen auf den Internetseiten der jeweiligen Ressorts veröffentlicht. Der Verlauf der Rechtssetzung könne zudem auf der Internetseite des gemeinsamen Dokumentations- und Informationssystems von Bundestag und Bundesrat recherchiert werden.

In der Antwort heißt es weiter, es sei weder rechtlich geboten, noch im Sinne einer effizienten Verwaltung zu leisten, alle Informationen und Daten, etwa über Veranstaltungen, Sitzungen und Termine nebst Teilnehmern vollständig zu erfassen und zu dokumentieren. Parlamentarische Kontrolle sei politische Kontrolle, nicht administrative Überkontrolle.

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5. Zulassungsverfahren für Zoloft rechtens

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Das Zulassungsverfahren für das Antidepressivum Zoloft im Jahr 1996 ist nach Ansicht der Bundesregierung nicht zu beanstanden. Die Pharmafirma habe damals alle Wirksamkeits- und Sicherheitsdaten aus den klinischen Studien zu dem Medikament dargelegt, heißt es in der Antwort (19/6903) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/6345) der Fraktion Die Linke.

Alle eingereichten Unterlagen seien im Zulassungsverfahren geprüft worden. Das Nutzen-Risiko-Verhältnis von Zoloft werde unter Einbeziehung aller bekannt gewordenen Risiken von den zuständigen Behörden kontinuierlich überwacht beziehungsweise überprüft und als positiv erachtet. Für alle im Verkehr befindlichen Arzneimittel aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach derzeitigem Erkenntnisstand positiv.

In der EU habe es zu Sertralin-haltigen Arzneimitteln wie Zoloft mehrere Risikobewertungsverfahren gegeben. Dabei seien Aspekte wie das suizidale Risiko bei Heranwachsenden, das Risiko für Knochenerkrankungen und niedrige Blutzuckerwerte diskutiert worden.

Den identifizierten Risiken, etwa dem der Suizidalität, sei durch ergänzende Fachinformationen und Packungsbeilagen Rechnung getragen worden. Anhaltspunkte für die Rücknahme, den Widerruf oder das Ruhen der Zulassung seien dabei nicht ersichtlich.

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6. Förderdauer im Akademienprogramm

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Das Akademienprogramm zur Erschließung, Sicherung und Vergegenwärtigung des deutschen Kulturerbes fördert Forschungsprojekte im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften, die regelmäßig durch externe Dritte evaluiert werden. Es wird vom Bund mitfinanziert. Zu den Daueraufgaben gehören aufwändige Editionen wie zum Beispiel die Editierung der griechischen Übersetzung des hebräischen Alten Testaments, führt die AfD in ihrer Kleinen Anfrage (19/6910) als Beispiel an.

Die AfD kritisiert, dass die Höchstförderdauer 25 Jahre beträgt. Eine Verlängerung dieses Förderzeitraumes sei zuwendungsrechtlich ausgeschlossen. 25 Jahre hätten sich jedoch bei komplexen Daueraufgaben als unzureichend erwiesen. Im Hinblick auf die bevorstehende Evaluation des Akademienprogramms durch den Wissenschaftsrat im Jahre 2019 fordert die AfD, dass solche Daueraufgaben künftig keiner Förderungsbefristung mehr unterliegen. Die AfD möchte wissen, ob die Bundesregierung Kenntnis darüber hat, wie viele Projekte, die derzeit im Rahmen des Akademienprogramms gefördert werden, zu den Daueraufgaben gezählt werden und um welche Projekte es sich genau handelt. Auch fragt die Fraktion nach den Gründen, die Förderungshöchstdauer für Daueraufgaben auf 25 Jahre zu begrenzen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 39 - 14. Januar 2019 - 16.42 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2019

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