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BUNDESTAG/8594: Heute im Bundestag Nr. 737 - 28.06.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 737
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 28. Juni 2019, Redaktionsschluss: 10.05 Uhr

1. Ermittlungen der Bundesanwaltschaft
2. General sieht sich verleumdet
3. Hilfe für Opfer von Zwangsadoptionen
4. Ausfallkosten wegen Krankheitstagen
5. Medianverdienst in Schleswig-Holstein
6. Medianeinkommen in Bremen


1. Ermittlungen der Bundesanwaltschaft

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Die deutsche Justiz sucht nach wie vor nach möglichen Hintermännern oder Mittätern des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016. Bisher hätten sich allerdings keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Attentäter Anis Amri Helfer oder Anstifter hatte, sagte der Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof Helmut Grauer am Donnerstag dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz"). Der heute 45-jährige Zeuge war seit dem 20. Dezember 2016 Hauptsachbearbeiter in einer Ermittlergruppe der Bundesanwaltschaft, die an den Bemühungen zur Aufklärung der Hintergründe der Tat federführend beteiligt war. Er ist bis heute mit dem Fall befasst.

Er könne nur schwer verstehen, wie sich in der Öffentlichkeit von Anfang an die Ansicht habe durchsetzen können, die Behörden seien darauf festgelegt, Amri als Einzeltäter zu betrachten, sagte Grauer. Er habe in den Tagen nach dem Anschlag fünf Ermittlungsverfahren eingeleitet, von denen allerdings vier im Laufe der Zeit aus unterschiedlichen Gründen eingestellt wurden. Das erste richtete sich gegen einen am Tatabend festgenommenen Pakistaner, der einige Stunden lang irrtümlich für den Attentäter gehalten wurde. Das zweite vom 20. Dezember betraf den mittlerweile als Hauptverdächtigen ermittelten Anis Amri.

Drei Tage später eröffnete Grauer ein Verfahren gegen einen gewissen Mouadh Tounsi alias "Momo1", der den Ermittlern bei der Auswertung des vom Attentäter hinterlassenen Mobiltelefons aufgefallen war, weil er wenige Minuten vor der Tat mit Amri noch Telegram-Nachrichten ausgetauscht hatte. Die Entdeckung Tounsis ist bislang der einzige Hinweis auf einen Komplizen. Seine Identität und sein Aufenthaltsort zum Zeitpunkt des Anschlags sind freilich bis heute ungeklärt. Eine Weile hielten die Ermittler einen in Berlin lebenden Verdächtigen, gegen den Grauer am 26. Dezember ein Verfahren eröffnete, für Tounsi, allerdings, wie sich herausstellte, zu Unrecht.

Das fünfte Verfahren von 29. Dezember betraf den Amri-Vertrauten Bilel ben Ammar, der den Vorabend des Attentats mit Amri verbracht hatte. Dies sowie ein am Tatort aufgenommenes Fotos eines Mannes mit blauen Handschuhen, in dem man zunächst Ben Ammar hatte erkennen wollen, begründete den Anfangsverdacht einer Mittäterschaft. Ben Ammar, der am 1. Februar 2017 in seine Heimat Tunesien abgeschoben wurde und dort derzeit eine achtjährige Haftstrafe wegen Mitgliedschaft in einer terroristischer Vereinigung namens Ansar al Scharia verbüßt, gilt als besonders geheimnisumwitterte Figur.

Er war nach dem Anschlag zehn Tage lang abgetaucht, bis er in Haft kam. Bis heute weiß man nicht, wo er sich damals aufhielt, und was er trieb. Nicht vollständig geklärt ist auch sein Verbleib zum Zeitpunkt der Tat, ebenso, was er am Vorabend mit Amri zu besprechen hatte. Dennoch erteilte Grauer am 13. Januar 2017 für die Bundesanwaltschaft das Einverständnis, Ben Ammar abzuschieben. Er stellte das Verfahren gegen ihn allerdings erst im Oktober ein.

Dem Ausschuss sagte er, zwar seien viele Fragen offen, dennoch habe sich der Verdacht der Mittäterschaft gegen Ben Ammar nicht erhärten. Fest stehe, dass er nicht der am Tatort fotografierte Mann mit blauen Handschuhen war. Auch sein Treffen mit Amri am Vorabend hänge nicht notwendigerweise mit dem Anschlag zusammen. Amri sei damals auf er Suche nach einem für das Attentat geeigneten Lastwagen gewesen. Er haben an diesem Abend nicht wissen können, dass er am nächsten Tag fündig werde.

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2. General sieht sich verleumdet

Verteidigung/Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/FLA) Ein ohne Ausschreibung vergebener millionenschwerer Auftrag der Bundeswehr an das IT-Beratungsunternehmen Accenture sei allein mit Blick auf die große Kompetenz der Firma in die Wege geleitet worden. Dies versicherte der damalige Abteilungsleiter Planung im Verteidigungsministerium, General Erhard Bühler, als Zeuge vor dem Untersuchungsausschuss des Verteidigungsausschusses. Das Gremium war unter der Leitung von Wolfgang Hellmich (SPD) am Donnerstag zu seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause zusammengekommen.

Bühler machte geltend, dass sein persönliches Vertrauensverhältnis zu Accenture-Mann Timo Noetzel keine Rolle bei der Auftragsvergabe gespielt habe. Der General war 2016 Taufpate von Noetzels fünf Kindern. Dies mit dem Auftrag an Accenture in Verbindung zu bringen, sei "Verleumdung" und "üble Nachrede", sagte Bühler.

Der Ausschuss nimmt nach Beanstandungen des Bundesrechnungshofs die Vergabepraxis von Beraterverträgen der Bundeswehr unter die Lupe. Ferner sollen die persönlichen und politischen Verantwortlichkeiten der Leitungsebene untersucht werden. Dabei geht es nach Hellmichs Worten auch um "Kennverhältnisse".

In diesem Zusammenhang kreisten die Fragen der Abgeordneten nicht nur um Bühler, sondern auch um die damalige Rüstungs-Staatssekretärin Katrin Suder. Noetzel, selbst als Zeuge geladen, sagte, er sei mit Suder befreundet. Das gelte auch für die Familien. Die Ex-Staatssekretärin war auch zu Gast bei der Taufe. Den General wolle er nicht als Freund bezeichnen, stufte ihn eher als Mentor ein. Beide hatten sich bei mehreren Auslandseinsätzen seit 2006 getroffen, an denen Noetzel teils als Reserveoffizier teilnahm, teils mit der Erstellung von Studien befasst war. Dabei habe ihm Bühler das Du angeboten.

Der General strich heraus, er habe zu keinem Zeitpunkt zugelassen, dass persönliche Kontakte Einfluss auf die Auftragsvergabe gehabt hätten. Accenture sei einer der Weltmarktführer bei PLM-Projekten, wie sie auch in der Industrie angewendet werden: Dieses "Produkt-Lifestyle-Management" solle unter anderem zu einer Erhöhung der Einsatzbereitschaft beitragen und ein erhebliches finanzielles Einsparpotenzial bieten, wie Bühler es beschrieb. Dazu werden Unmengen an Daten ausgewertet. Ob sich PLM für die Bundeswehr eignet, sollte beispielhaft am Transportflugzeug A 400 M getestet werden. Wegen der damaligen Probleme mit diesem System sollte der Test möglichst schnell anlaufen. Er wurde ausgeweitet auf das gepanzerte Fahrzeug Boxer und das Kriegsschiff Korvette.

Die Vergabe erfolgte nach einem bereits geschlossenen Rahmenvertrag. Er ist eingestellt im sogenannten "Kaufhaus des Bundes" und von Bundesbehörden nutzbar. Der Vorteil aus Bühlers Sicht: Der Vergabe kann schnell erfolgen, da keine erneute Ausschreibung vonnöten ist. So konnte der Auftrag dann auch auf Accenture hinauslaufen. Dies sei der erklärte Wunsch aller beteiligten Abteilungsleiter und zudem der Rüstungs-Staatssekretärin gewesen, erklärte Bühler. Der Rahmenvertrag wurde mit der Firma Systemvertrieb Alexander (SVA) abgeschlossen. Accenture sollte als Subunternehmer auftreten, wie es dann auch umgesetzt wurde. Die von Accenture angesetzten Preise seien "eindeutig marktgerecht" gewesen, versicherte Noetzel.

Freilich habe dieses beabsichtigte Vorgehen unter dem Vorbehalt gestanden, dass das letztlich für die Vergabe zuständige Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) bei einer Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass eben dieser Rahmenvertrag auch anwendbar ist, so Bühler. Wie ein früherer Zeuge aus dem Bundesamt dargestellt hatte, erfolgte diese Prüfung nicht. Er habe die Nutzung des Vertrages und die Vergabe an Accenture als Weisung empfunden.

Der General meinte indes, er habe davon ausgehen müssen, dass die angeordnete Prüfung auch durchgeführt wurde. Tatsächlich stellte kurz vor Ende des PLM-Tests Mitte vergangenen Jahres der Bundesrechnungshof fest, dass der Rahmenvertrag gar nicht hätte genutzt werden dürfen. Die letzte Zahlung an Accenture erfolgte nicht mehr. Wie es mit der offenen Rechnung weitergeht, konnte Noetzel nicht beantworten.

Seiner Rolle im Ministerium galten zahlreiche Nachfragen. Er hatte nach eigenem Bekunden kein eigenes Dienstzimmer und einen Hausausweis, der den IT-Bereich umfasste, ihm aber nicht den Zutritt zur Leitungsebene erlaubte. Andererseits wurde auf die E-Mail eines Referatsleiters verwiesen - mit der Beschwerde über die besondere Art und Weise, mit der sich Noetzel des Büros von Bühler bediene. Diese Kritik sei berechtigt gewesen, sagte der General. Noetzel sei nun mal zupackend.

Die Abgeordneten hakten auch bei dem Umstand nach, dass Accenture im Herbst 2017 bereits mit dem PLM-Projekt begonnen hatte, obwohl keine Vergabe getätigt und offen war, ob der Rahmenvertrag überhaupt genutzt werden durfte. Das Risiko, dass es nicht zum Auftrag gekommen wäre, habe bei Accenture gelegen, meinte Bühler. Nach Noetzels Darstellung gab es wohl Mitbewerber beim PLM-Projekt. Der General sagte, dies sei ihm nicht bekannt.

Er legte Wert darauf, dass er mit seinem Duz-Verhältnis zum offenkundig in der Bundeswehr ohnehin gut vernetzten Noetzel stets transparent umgegangen sei. Noetzel sagte, er habe der Compliance-Abteilung seines Unternehmens das freundschaftliche Verhältnis zu Suder gemeldet. Die sei im Ministerium vergleichbar verfahren, habe sie ihm gesagt. Wobei offen blieb, wem sie das mitteilte, da es zur fraglichen Zeit dort noch keine Compliance-Stelle gab. Die Abgeordneten zeigten sich verblüfft, dass sie bisher nichts in den Unterlagen über die Meldung Suders zu ihrer freundschaftlichen Beziehung zu Noetzel gefunden hätten.

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3. Hilfe für Opfer von Zwangsadoptionen

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Nach dem Willen der Koalitionsfraktionen sollen die Betroffenen von Zwangsadoptionen in der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone und der DDR als politische Opfer anerkannt werden. In dem entsprechenden gemeinsamen Antrag von CDU/CSU und SPD (19/11089) fordern die Fraktionen die Bundesregierung auf, eine zentrale Vermittlungsstelle einzurichten, an die sich die betroffenen leiblichen Eltern und zwangsadoptierte Kinder wenden können. Zudem soll unter Einbeziehung des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit eine DNA-Datenbank eingerichtet werden. Dort sollen sich jene leiblichen Eltern, deren Kind zwischen 1945 und 1990 zwangsadoptiert worden ist oder die fürchten, dass ihnen ihr angeblich verstorbenes Kind entzogen worden ist, ebenso freiwillig registrieren lassen können wie möglicherweise adoptierte Kinder. Prüfen soll die Bundesregierung zudem, inwieweit die bestehenden rechtlichen Grundlagen für die Opfer von Zwangsadoptionen verbessert werden können.

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4. Ausfallkosten wegen Krankheitstagen

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Die Produktionsausfallkosten aufgrund von Krankheitstagen sind in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: Von 36 Milliarden Euro oder 1,6 Prozent des Bruttonationaleinkommens im Jahr 2006 auf 76,4 Milliarden Euro beziehungsweise 2,3 Prozent des Bruttonationaleinkommens im Jahr 2017. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung (19/10969) auf eine Kleine Anfrage (19/10335) der Fraktion Die Linke hervor. Der Ausfall an Bruttowertschöpfung ist laut Bundesregierung demnach von 65 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf 135,5 Milliarden Euro im Jahr 2017 gestiegen.

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5. Medianverdienst in Schleswig-Holstein

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Das Medianeinkommen aller sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende) ist in Schleswig-Holstein von 2.672 Euro im Jahr 2012 auf 2.958 Euro im Jahr 2017 gestiegen. Das geht aus der Antwort (19/10997) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/10597) der AfD-Fraktion hervor.

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6. Medianeinkommen in Bremen

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Das Medianeinkommen aller sozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten (ohne Auszubildende) ist in Bremen von 3.122 Euro im Jahr 2012 auf 3.397 Euro im Jahr 2017 gestiegen. Das geht aus der Antwort (19/11000) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/10598) der AfD-Fraktion hervor.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 737 - 28. Juni 2019 - 10.05 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2019

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