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BUNDESTAG/8907: Heute im Bundestag Nr. 1052 - 26.09.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1052
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 26. September 2019, Redaktionsschluss: 10.03 Uhr

1. Digitalwährung Libra stößt auf Skepsis
2. Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung
3. Anhörung zum Thema Straflosigkeit
4. Linke fordern schärfere Mieten-Gesetze


1. Digitalwährung Libra stößt auf Skepsis

Ausschuss Digitale Agenda/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Bei der von Facebook und einem Unternehmenskonsortium vorangetriebenen Digital-Währung Libra sehen Sachverständige noch Klärungs- sowie teils erheblichen Regulierungsbedarf. Bei einem Fachgespräch im Ausschuss Digitale Agenda am Mittwochnachmittag warnten die geladenen Experten und Institutionenvertreter vor möglichen Folgen der geplanten Krypto-Währung und mahnten rechtliche Klarstellungen und eine umfassende Regulierung an. Zudem thematisieren Abgeordnete und die Experten Potentiale der Blockchain-Technologie im Allgemeinen und die Idee eines digitalen Zentralbankgeldes.

Ein Konsortium um unter anderem Facebook, Visa, Mastercard, PayPal und Uber, die Libra Association, hatte Mitte Juni diesen Jahres angekündigt, im kommenden Jahr eine "digitale Währung" namens Libra einzuführen. Über die Integration in populäre Diensten wie Messenger oder WhatsApp soll es damit Nutzern ermöglicht werden, gängiges Geld gegen Libra-Coins ein- und untereinander auszutauschen. Die Association will damit laut eigenem Bekunden vor allem Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglichen. Libra orientiert sich an der Krypto-Währung Bitcoin und baut auf einer Blockchain-Technik auf. Neben deutlichen Unterschieden im technischen Verfahren soll Libra laut Konzept im Gegensatz zum äußerst volatilen Bitcoin im Wert stabil gehalten werden (Stablecoin). Dazu soll jeder digital geschaffene Libra-Coin mit bestimmten Fiat-Währungen beziehungsweise Staatsanleihen gedeckt werden.

Die Ankündigung hatte zu teils scharfen Reaktionen von Zentralbankern und Regierungen geführt. In dem Fachgespräch sagte Benoît Coeuré, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Libra-Pläne ein "Wake-Up-Call" für Regierungen und Zentralbanken gewesen seien. Das Vorhaben führe zu zahlreichen regulatorischen Herausforderungen, eine international kohärente Regulierung müsse angestrebt werden. Dabei müsse das Prinzip "same business, same risk, same rules" gelten, sagte Coeuré. Beim Thema digitales Zentralbankgeld seien noch viele Fragen offen, betonte der EZB-Vertreter. Das gelte für die technische Umsetzung und die Rolle, die die Blockchain-Technologie dabei einnehmen könne, ebenso wie für die Architektur des Systems, ob etwa der wie auch immer geartete digitale Euro nur über das bestehende Bankensystem ausgeben wird oder direkt an die Bürger. Im letzteren Fall müssten die Auswirkungen auf das Geschäftsbanken-System und auf die Finanzstabilität beachtet werden, sagte Coeuré.

Darauf wies auch Markus Becker-Melching vom Bundesverband deutscher Banken hin. Sollte ein digitaler Euro direkt über die Zentralbanken offeriert werden, könne das den Sinn kurzfristiger Einlagen bei den Geschäftsbanken in Frage stellen und damit die Fähigkeit dieser Banken, kurzfristige Kredite zu vergeben, warnte Becker-Melching. Der Verbandsvertreter schloss sich zudem Coeurés Forderung nach gleichartiger Regulierung an: Technologieunternehmen, die Bankdienstleistungen anbieten wollen, sollten auch so reguliert werden. Grundsätzlich werde "programmierbares Geld" künftig eine wichtige Rolle spielen, etwa beim Thema "Smart Contracts" und Industrie 4.0, sagte Becker-Melching. In seiner schriftlichen Stellungnahme führte er aus, dass noch unklar sei, wer Emittent dieser Geldform sein wird. Die deutschen Banken würden sich dazu in der Lage sehen, schrieb der Verbandsvertreter.

Ebenfalls für eine umfassende Regulierung von Libra sprach sich die Finanzmarktwissenschaftlerin Michaela Hönig von der Frankfurt University of Applied Sciences aus. Ohne eine solche Regulierung könne eine "systemische Gefahr für den Finanzsektor" entstehen, warnte Hönig. So könne die Libra Association durch die Eins-zu-eins-Deckung "in kurzer Zeit zu einer der weltweit größten Vermögensverwalter und somit zu einem 'too big to fail' Akteur werden". Sie müsste entsprechend wie "ein vergleichbares Kreditinstitut oder ein Zahlungsverkehrsdienstleister dieser Größenordnung" reguliert und aufsichtsrechtlich überwacht werden, führte Hönig in ihrer Stellungnahme aus.

Für eine Klarstellung im Bundesbankgesetz sprach sich Ralph Bärligea von der Unternehmensberatung BearingPoint aus. Die strafbewehrte Regelung im Paragraf 35 des Gesetzes ("Unbefugte Ausgabe und Verwendung von Geldzeichen") beispielsweise müsste hinsichtlich ihrer Bedeutung für Krypto-Währungen beziehungsweise Krypto-Token geklärt werden. Andernfalls sei zu befürchten, "dass dies Finanzwesen und Wirtschaft in Deutschland von einer aktiven Beschäftigung mit Krypto-Währungen abschreckt", führte Bärligea in seiner Stellungnahme aus.

Klaus Himmer (21 Consulting GmbH/CryptoTax) betonte, dass die Blockchain-Technologie im Finanzbereich zahlreiche Potentiale biete. So ließen sich Vorschriften und Regularien technisch im Sinne eines "Compliance by Design" integrieren. Himmer thematisiert zudem steuerrechtliche Probleme beim Einsatz von Krypto-Währungen. Katharina Gehra (Immutable Insight GmbH) verwies darauf, dass bei der Blockchain-Technologie noch viele Optionen offen seien. Man stehe ganz am Anfang, damit bestehe auch noch die Möglichkeit, zu gestalten, sagte Gehra.

Für ein regulatorische Verhinderung beziehungsweise ein Verbot von Libra sprach sich Oliver Leistert (Leuphana Universität Lüneburg) aus. Gerade mit Blick auf die Folgen für ärmere Länder müsse dem "Kolonisierungsprojekt aus Silicon Valley" Einhalte geboten werden, forderte Leistert. Digitalen Währungen attestierte der Wissenschaftler grundsätzlich ein positives Potential. Sie könnten ein Hilfsmittel zur Transformation in eine "Postwachstumsgesellschaft" sein.

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2. Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/mwo) Unterschiedliche Ansichten bezüglich einer wirksamen Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und unseriöser Geschäftspraktiken vertraten Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz am Mittwochabend. Während die Vertreter der Werbebranche die existierenden gesetzlichen Regelungen für ausreichend hielten und lediglich eine effizientere Anwendung forderten, befürworteten die Experten aus dem Bereich Verbraucherschutz weiterreichende Maßnahmen.

Anlass für die Anhörung war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/3332), dem zufolge der Bundestag die Bundesregierung auffordern soll, einen Gesetzentwurf zu diesem Thema vorzulegen. Unerwünschte Telefonanrufe stellten seit Jahren ein erhebliches Verbraucherproblem dar, heißt es in dem Antrag. Verbraucher würden nicht nur belästigt, ihnen würden auf diesem Wege zudem oftmals unerwünschte Verträge untergeschoben. Neben Einzelheiten des Gesetzentwurfs enthält der Antrag die Aufforderung an die Bundesregierung, für die erforderliche Personalausstattung der Bundesnetzagentur zu sorgen und sich auf EU-Ebene für eine Stärkung des derzeitigen Verbraucherschutzniveaus bei Telefonwerbung einzusetzen.

Ausführlich gingen die acht Sachverständigen auf die Fragen der Abgeordneten ein. Verbraucherschützer gaben Einblicke in die Praktiken schwarzer Schafe aus der Werbewirtschaft und warnten vor einer Übernahme der von der EU geplanten Regulierung, die die Situation von Verbrauchern nur verschlechtern würde. Die Vertreter der Werbewirtschaft schilderten die möglichen Auswirkungen einer stärkeren Regulierung auf die Branche.

Dirk Egelseer vom Call Center Verband Deutschland (CCV) betonte in seiner Stellungnahme, es bestehe keine Lücke im Rechtsschutz, denn Verbraucher seien vor ungewollten Verträgen durch ein umfassendes und ausreichendes Widerrufsrecht vollumfänglich geschützt. Die von den Grünen geforderte Einführung der Bestätigungslösung, wonach telefonisch geschlossene Verträge aufgrund von Werbeanrufen nur wirksam sein sollen, wenn der Verbraucher nach dem Telefonat seine Vertragserklärung zumindest in Textform bestätigt, diene nicht dem Verbraucherschutz, sondern erschwere den Vertragsschluss zulasten des Verbrauchers. Kriminelle und unseriöse Werbung würde dadurch nicht verhindert. Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten allerdings mit adäquater personeller und technischer Ausstattung durchgesetzt werden.

Rechtsanwalt Stefan Engels vom Deutschen Dialogmarketing Verband (DDV) lehnte eine Bestätigungslösung mit Verweis auf die Widerrufsregelung ebenfalls ab. Man dürfe die Bürger auch nicht entmündigen. Zudem kenne er aus der Praxis nur wenige Beschwerden. Die von der Bundesnetzagentur verbreiteten Zahlen zu unerlaubter Telefonwerbung seien nicht nachvollziehbar, weil Begründungen fehlten und es keine Rückmeldungen gebe.

Rechtsanwältin Katja Heintschel von Heinegg vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW erklärte, eine Bestätigungslösung schade der seriösen Wirtschaft und verwirre Verbraucher. Der Verband lehne auch die Einführung einer verpflichtenden Rufnummernkennzeichnung für werbliche Anrufe ab. Sie verwies darauf, dass unerlaubte Telefonwerbung ohnehin verboten und mit einem Bußgeld bewehrt sei. Soweit weitergehende Maßnahmen gefordert werden, könne es sich nur um eine bessere Durchsetzung des bereits bestehenden Verbots handeln.

Von der Bundesnetzagentur nahm Abteilungsleiterin Ute Herkendell an der Anhörung teil. Aus Sicht der Behörde bestehe gesetzgeberischer Handlungsbedarf, betonte sie, da unerlaubte Telefonwerbung in Deutschland nach wie vor in massivem Umfang stattfinde. Ihren Angaben zufolge ist die Zahl der Beschwerden zu unerlaubter Telefonwerbung wie auch über belästigendes Anrufverhalten seit 2015 kontinuierlich gestiegen. So seien 2018 mehr als 62.000 schriftliche Beschwerden zu unerlaubten Werbeanrufen und knapp 40.000 schriftliche Beschwerden über belästigendes Anrufverhalten eingegangen.

Gegenstand der Beschwerden über unerlaubte Telefonwerbung seien vermehrt bundesweite bundesweite Massenkampagnen, in die eine große Zahl von Callcentern in teilweise weitverzweigten Subunternehmerstrukturen eingebunden sei. Erforderlich sei aus Sicht der Bundesnetzagentur unter anderem die Einführung einer Dokumentations- und Vorlagepflicht für Werbeeinwilligungen, umsatzbezogene Bußgelder, die Einführung einer Bestätigungslösung sowie eine personelle Verstärkung der Behörde. Von großer Bedeutung ist Herkendell zufolge, dass das aktuelle Verbraucherschutzniveau bei unerlaubter Telefonwerbung auch im Zuge der europäischen Rechtsentwicklung nicht abgesenkt wird.

Otmar Lell vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) forderte die Einführung einer allgemeinen Bestätigungslösung für Dauerschuldverhältnisse im Bürgerlichen Gesetzbuch. Ausschließlich sektorspezifische Lösungen würden als Maßnahme gegen unerlaubte Telefonwerbung und untergeschobene Verträge zu kurz greifen. Die Bestätigungslösung müsse vor allem den Telekommunikationssektor umfassen. Für Energielieferungsverträge müsse zusätzlich zur Bestätigungslösung gewährleistet sein, dass die am Anbieterwechsel beteiligten Stellen das Wechselverfahren nur nach Vorlage der Bestätigung in Textform einleiten dürfen.

Auch Dariusz Kogut vom Verein Antispam aus Deidesheim plädierte für eine Bestätigungslösung für telefonisch angebahnte Verträge. Dies stelle für die betroffenen Wirtschaftszweige keine unangemessene Belastung dar. Eine Opt-out-Lösung für Werbeeinverständnisse sei aus Sicht des Verbraucherschutzes vollkommen inakzeptabel. Nach Angaben von Kogut führt die bereits heute im Bereich Telemarketing geltende Verpflichtung, eine Rufnummernkennung zu übermitteln, dazu, dass mit dem sogenannten Rufnummern-Spoofing verstärkt gefälschte Rufnummern angezeigt werden. Dies müsse wirksam unterbunden werden.

Aus Sicht der Dresdener Rechtsanwältin Sylvia Kaufhold ist es mit Rücksicht auf die zu erwartenden Änderungen auf unionsrechtlicher Ebene nicht der richtige Zeitpunkt für eine Gesetzesänderung, die nur die Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern betreffen soll. Wenn aber eine Änderung angestrebt werde, müsste sie noch mehr Punkte und insbesondere auch Zweifelsfragen der E-Mail-Werbung umfassen. Eine Bestätigungslösung für Verträge, die aufgrund unerwünschter Telefonwerbung zustande gekommen sind, sei durchaus zu erwägen, erklärte Kaufhold. Eine formgebundene Bestätigungslösung für alle telefonisch abgeschlossenen Verträge würde jedoch das Ende des fernmündlichen Vertrags bedeuten und sei abzulehnen. Auch Kaufhold wertete ein von der EU vorgeschlagenes Opt-out, also einen zwingenden Widerspruch gegen Direktwerbeanrufe, als einen deutlichen Rückschritt für den Verbraucherschutz.

Für Felix Buchmann von der Hochschule Pforzheim scheint die Bestätigungslösung insgesamt ein sinnvolles Instrument zu sein, um Verbraucher vor dem ungewollten Abschluss von Verträgen zu bewahren. In Kauf genommen werden würde damit allerdings, dass solche Verbraucher, die auf einen telefonischen Abschluss von Verträgen angewiesen sind, weil ihnen die Möglichkeit zur Bestätigung in anderer Form fehlt, künftig von dieser Möglichkeit des Vertragsschlusses ausgeschlossen wären.

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3. Anhörung zum Thema Straflosigkeit

Menschenrechte/Anhörung

Berlin: (hib/SAS) Experten aus Rechtswissenschaft und Politik äußerten sich besorgt über das weltweit wachsende Phänomen der Straflosigkeit angesichts einer steigenden Zahl von Konflikten und kriegerischen Auseinandersetzungen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwochnachmittag zum Thema Straflosigkeit standen neben der Frage nach Ursachen und Gegenmaßnahmen vor allem auch die Rolle der internationalen Strafgerichtsbarkeit im Fokus.

So betonte Christoph Flügge, ehemaliger Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das frühere Jugoslawien und am UN-Residual-Mechanismus, die Gründung von internationalen Gerichtshöfen zur Ahndung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stelle einen "zivilisatorischen und rechtspolitischen Fortschritt" dar. Trotz Schwierigkeiten und Kritik sei die internationale Strafgerichtsbarkeit heute ein "ernstzunehmender Faktor". Sich für ihren Fortbestand und ihre Weiterentwicklung einzusetzen, müsse "Verpflichtung für alle Rechtsstaaten" sein. So gelte es vor allem den Internationalen Gerichtshof (IStGH) in Den Haag zu stärken und seine Arbeit zu verbessern, "wenn man die Forderung nach einem Ende der Straflosigkeit ernst meint". Dieser sei in einer "schweren Krise", sagte Flügge. Die Weigerung der Mitwirkung von Staaten wie den USA, Russland und Indien habe das Gericht von Anfang an geschwächt. Es leide bis heute an seiner beschränkten Zuständigkeit. Um es zu stärken, müsse vor allem die Arbeit der Anklagebehörde des Gerichts verbessert werden.

Anna von Gall, Expertin für "Frauen, Frieden und Sicherheit" sowie "sexualisierte und geschlechterspezifische Gewalt in Konflikten" wies zunächst auf die Notwendigkeit einer geschlechtersensiblen Perspektive bei allen Ermittlungen zu Menschrechtsverstößen nach dem Völkerstrafgesetzbuch hin. Zudem müssten, um Straflosigkeit zu bekämpfen, insbesondere Menschenrechtsverteidiger angemessen geschützt werden. In diesem Zusammenhang habe sich Deutschland auch die Konsequenzen seiner Rüstungsexporte für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern bewusst zu machen.

Zygimantas Pavilionis, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Europäische Angelegenheiten des litauischen Parlaments, warb dafür, dass neben Litauen, Estland oder Großbritannien noch mehr europäische Staaten an dem US-amerikanischen "Magnitzky Act" orientierte Gesetze verabschieden, um Menschenrechtsverletzer wirksam zu bestrafen. Wenn solchen Tätern die Einreise verweigert werde oder ihre Konten eingefroren würde, sei das ein "echte Bedrohung", sagte Pavilionis. Mit der europaweiten Harmonisierung von "Schwarzen Listen" etwa könne man ein klares Signal für Demokratie, die Einhaltung von Menschenrechten und die Bekämpfung von Straflosigkeit setzen.

Christoph Safferling, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Universität Erlangen-Nürnberg, unterstrich die Bedeutung eines internationalen Strafjustizsystems, um Straflosigkeit zu beenden. Dieses System könne nicht allein auf einer Institution wie dem Internationalen Strafgerichtshof basieren, sondern müsse nationale Strafrechtssysteme miteinbeziehen. Der IStGH sei aber als Vorbild und Symbol besonders wichtig. In dieser Hinsicht sprach sich auch Safferling für eine Stärkung des Gerichtshofes aus. Seine aktuelle Krise beruhe unter anderem auch auf der Unvereinbarkeit zweier sehr unterschiedlicher Rechtssysteme - dem Völkerrecht und dem Strafrecht. Künftig brauche es mehr ausgewiesene Strafrechtsexperten am Gericht. Auch die Verfahrensordnung sei "rudimentär". Das Gericht müsse dabei unterstützt werden, bestehende Lücken zu schließen.

Omar Shatz, Dozent für Völkerrecht an den Hochschulen Science Po Paris und Science Po in Bordeaux, lenkte den Blick auf die Straflosigkeit und die Probleme internationaler Strafgerichtsbarkeit im Fall Libyen. Aufgrund der Zusammenarbeit von EU und libyscher Küstenwache in der Migrationspolitik fänden kaum Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes statt, obwohl die Verbrechen gegen "Migranten im Transit" gut dokumentiert seien. "Tötungen und Folter seien weitverbreitet, Libyen sei ein Marktplatz für Menschenhandel" geworden, zitierte Shatz die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda. Beweismitteln zufolge, die dem Gerichtshof vorlägen, seien "EU-Vertreter, einschließlich Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, beteiligt an den Verbrechen gegen die Menschlichkeit" aufgrund ihrer Zusammenarbeit in der Migrationspolitik.

Carsten Stahn, Professor für Internationales Strafrecht und Globale Gerechtigkeit an der Universität Leiden, betonte die "historische Verantwortung" Deutschlands für die Bekämpfung von Straflosigkeit. Das Strafrecht dürfe dabei aber in seiner Wirkung nicht überstrapaziert werden. Es sei ein "mühsames und nicht immer das beste Mittel", um Konflikte zu lösen. Stahn plädierte für eine stärkere Kooperation zwischen internationalem Menschenrechtsschutz und internationaler Strafgerichtsbarkeit. Deren Institutionen in New York, Genf und Den Haag überschnitten sich in ihrer Arbeit bislang entweder zu sehr oder arbeiteten in unterschiedliche Richtungen. Es gelte sicherzustellen, dass sie sich besser ergänzen. Stahn unterstrich zudem den engen Zusammenhang von Straflosigkeit und der Bekämpfung von Korruption.

Alfred M. de Zayas, Professor für Internationales Recht an der Geneva School of Diplomacy and Internationale Relations, gab zu bedenken, dass bei der Bekämpfung von Straflosigkeit auch die Prävention von Kriegen eine wichtige Rolle spiele. Straflosigkeit von Kriegsverbrechern und Kriegstreibern sei "inakzeptabel". Dringender als die Strafverfolgung sei aber, für Reparation und Rehabilitation der Opfer zu sorgen. Ein zentrales Problem der Ahndung von Verbrechen stelle zudem die Selektivität der Ermittlungen dar, so de Zayas. Viele Beobachter seien überzeugt, dass der IStGH erst "Glaubwürdigkeit erlangen" werde, wenn nicht nur "afrikanische, sondern auch Verbrecher in anderen Teilen der Welt" angeklagt werden. Die Glaubwürdigkeit des Gerichts leide auch, wenn Verbrechen in Jemen oder in Guantánamo nicht geahndet würden.

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4. Linke fordern schärfere Mieten-Gesetze

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Antrag

Berlin: (hib/PEZ) Die Fraktion Die Linke plädiert für eine erhebliche Verschärfung der Mietregeln. Die bisher von der Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen würden dem Ausmaß der Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht gerecht, begründen die Abgeordneten ihren Vorstoß in einem Antrag (19/13502). "Angemessener und vor allem bezahlbarer Wohnraum ist ein elementares Gut und Voraussetzung für ein würdiges Leben und gesellschaftliche Teilhabe."

Die Abgeordneten fordern konkret, die zulässige Höchstmiete bei Neu- und Wiedervermietungen bundesweit auf die örtsübliche Vergleichsmiete beziehungsweise die niedrigere Vormiete abzusenken. Die Kappungsgrenzen für Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete sollten nach der Maßgabe abgesenkt werden, dass Mieterhöhungen nur im Rahmen des Inflationsausgleichs, höchstens jedoch um zwei Prozent im Jahr, erfolgen dürfen. Eine Neuregelung der Mietspiegel müsse beinhalten, dass alle Entgelte für Mietwohnungen in einer Kommune in deren Berechnung einbezogen und qualifizierte Mietspiegel als rechtsverbindliches Instrument zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete ausgestaltet werden, heißt es weiter.

Darüber hinaus sollten Bundesländer ermutigt werden, in besonders angespannten Wohnungsmärkten Mietendeckel einzuführen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1052 - 26. September 2019 - 10.03 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2019

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