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BUNDESTAG/9540: Heute im Bundestag Nr. 231 - 02.03.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 231
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 2. März 2020, Redaktionsschluss: 13.24 Uhr

1. Pro und Contra Schuldenbremse
2. Format für Jahresfinanzberichte
3. Ausgleichszahlungen für Bahnübergänge
4. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
5. Kompensation von Eingriffen in Natur
6. Frauenanteil im Gesundheitswesen
7. FDP macht Gewaltenteilung zum Thema


1. Pro und Contra Schuldenbremse

Haushalt/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) So unterschiedlich wie fünf Oppositionsanträge zur Schuldenbremse sind am Montag während einer Anhörung im Haushaltsausschuss auch die Stellungnahmen der Sachverständigen zur Neuverschuldung für Investitionen ausgefallen. Die Fraktion Die Linke drängt in ihren Anträgen auf eine Investitionspflicht (19/14375), will die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz streichen (19/14424) und eine Investitionswende herbeiführen (19/15919). Die FDP-Fraktion setzt sich hingegen für das Festhalten an der Schuldenbremse ein (19/16831). Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen macht sich für Neuverschuldung insbesondere zwecks Investitionen in den Klimaschutz stark (19/16841).

Professor Peter Bofinger (Universität Würzburg) schlug als pragmatische Lösung ein zunächst auf zehn Jahre festgelegtes, kreditfinanziertes Zukunftsprogramm vor. Dies könne durch eine Änderung des Grundgesetzes erreicht werden, bei der für die Mittel zur Durchführung des Programms eine Ausnahme von der Schuldenbremse festgelegt wird. Damit werde ein großes Potenzial für Zukunftsinvestitionen eröffnet, ohne dass es zu negativen Effekten auf die im internationalen Vergleich äußerst niedrige Schuldenstandsquote käme. Ausdrücklich verwies Bofinger auf die epochale Herausforderung des Klimawandels.

Professor Thiess Büttner (Universität Erlangen-Nürnberg) machte geltend, die Nachhaltigkeit öffentlicher Ausgaben könne keineswegs durch eine Investitionspflicht oder eine formale Investitionsregel gesichert werden. Laut Bundesrechnungshof hätten viele Investitionsprojekte keinen nennenswerten Nutzen gestiftet und nicht zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit beigetragen. Würde der Bundestag für Investitionsausgaben eine bestimmte Höhe oder einen bestimmten Anteil am Haushalt festlegen, würde er sich - anders als bei der Begrenzung der Verschuldung - ohne Not in der Wahl geeigneter Instrumente bei der Erfüllung seiner Aufgaben beschränken. Die Bedarfe-Daten seien unzureichend.

Professor Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung befand, ein Festhalten an den aktuellen Regeln der Schuldenbremse sei zum Schutz künftiger Generationen nicht notwendig und möglicherweise schädlich. Ein Unterlassen der kreditfinanzierten Investitionen schränke die Spielräume künftiger Generationen sogar ein, legte er dar. Die Politik müsse langfristig wirksame Maßnahmen ergreifen, beispielsweise die Ausbildung von mehr Fachkräften fördern.

Namens des Bundesrechnungshofs sprach sich Dieter Hugo gegen eine Aufweichung oder gar Streichung der geltenden grundgesetzlichen Schuldenregel zugunsten öffentlicher Investitionen aus. So sei die durchschnittliche Investitionsquote im Bundeshaushalt zwischen 2011 und 2020 gegenüber der Dekade davor sogar um fast ein Viertel gestiegen. Überdies zeige ein Blick auf den Haushaltsvollzug des Bundes, dass es nicht an unzureichend veranschlagten Mitteln für investive Vorhaben mangele, sondern an deren zeitnaher Verwendung.

Nach Ansicht der Deutschen Bundesbank hat sich die Schuldenbremse bewährt. Sie für zu geringe Investitionen verantwortlich zu machen, scheine nicht gerechtfertigt, meinte Stephan Kohns. Vielmehr hätten im relevanten Zeitraum umfangreiche Finanzmittel zur Verfügung gestanden. Bund, Länder und Gemeinden hätten seit einigen Jahren Überschüsse zu verzeichnen, die teilweise sogar sehr hoch seien.

Professor Tom Krebs (Universität Mannheim) verwies auf Investitionsstau und zukünftige wirtschaftliche Herausforderungen, die einen erheblichen Bedarf an zusätzlichen öffentlichen Investitionen geschaffen hätten. Allerdings sehe er starre Investitionsregeln kritisch. Kommunen und Länder seien bei Investitionen besonders gefordert. Wegen der strikten Schuldenbremsen der Länder müssten voraussichtlich zusätzliche Steuereinnahmen für die Länder generiert werden - zum Beispiel durch eine Reaktivierung der Vermögensteuer oder eine Reform der Erbschaftsteuer.

Professor Dirk Meyer (Universität der Bundeswehr in Hamburg) sprach sich gegen eine Abschaffung der Schuldenbremse und einen Bundesinvestitionsfonds aus. Es gebe keinen Zusammenhang zwischen Investitionsstau und Schuldenbremse. Ihre Aufhebung würde gegen das Prinzip der Generationengerechtigkeit verstoßen. Der Fonds als Sondervermögen neben dem Kernhaushalt wäre mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung, mit einem föderalen Bundesstaat und mit demokratisch-haushaltsrechtlichen Grundsätzen nicht vereinbar.

Professor Christoph M. Schmidt (RWI - Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung) legte in seiner schriftlichen Stellungnahme ein Augenmerk auf das Instrument des Investitionsfonds: Die Umgehung der Schuldenbremse durch ein Sondervermögen wäre ein verheerendes Signal für die Fiskaldisziplin in Europa. Speziell die Klimapolitik könne kein Argument für die Einrichtung eines Sondervermögens sein. Der Löwenanteil der klimafreundlichen Investitionen werde von privaten Akteuren getätigt.

Professor Achim Truger von der Universität Duisburg-Essen vertrat die Ansicht, dass grundsätzlich eine etwas höhere Verschuldung zum Zweck öffentlicher Investitionen sinnvoll sein könne, ebenso wie zur Konjunkturstabilisierung. Eine niedrigere Verschuldung sei einer höheren Verschuldung nicht eindeutig vorzuziehen. Stattdessen solle das angestrebte Verschuldungsniveau das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Entscheidung sein. Truger verwies beispielsweise auf einen erhöhten Bedarf an Schulen.

Professor Volker Wieland (Universität Frankfurt) hob hervor, dass eine Trendumkehr bei der Staatsverschuldung erst im Zusammenspiel von schwarzer Null und Schuldenbremse gelungen sei. Die entscheidende und angemessene Haltelinie sei für die Zukunft die konjunkturbereinigte Schuldenbremse, die zusätzlich Ausnahmen für tiefe Rezessionen erlaube. Sie motiviere eine politische Prioritätensetzung, da sie nicht zwischen unterschiedlichen Ausgaben unterscheide. Eine Änderung der Investitionspolitik halte er nicht für nötig, sagte Wieland.

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2. Format für Jahresfinanzberichte

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Bestimmte Kapitalmarktunternehmen sollen ihre Jahresfinanzberichte in Zukunft elektronisch in einem bestimmten Format offenlegen. Dies sieht der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Umsetzung der Transparenzrichtlinie-Änderungsrichtlinie im Hinblick auf ein einheitliches elektronisches Format für Jahresfinanzberichte (19/17343) vor. Der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft wird für die betroffenen Emittenten mit einmaligen Bürokratiekosten von rund fünf Millionen Euro sowie jährlichen Bürokratiekosten von knapp zwei Millionen Euro angegeben.

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3. Ausgleichszahlungen für Bahnübergänge

Verkehr und digitale Infrastruktur/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HAU) Um auch künftig den bundeseigenen öffentlichen Eisenbahnen - in der Regel Unternehmen der Deutschen Bahn AG (DB AG) - Ausgleichsleistungen für die Erhaltung und den Betrieb höhengleicher Kreuzungen (Bahnübergänge) gewähren zu können, hat die Bundesregierung den "Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG)" (19/17289) vorgelegt. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag ohne weitere Aussprache durch den Bundestag an die Ausschüsse überwiesen werden.

Wie die Bundesregierung schreibt, bestand nach der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Rechtslage unter bestimmten Voraussetzungen für alle öffentlichen Eisenbahnen ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen für betriebsfremde Leistungen, wozu auch Aufwendungen für die Erhaltung und den Betrieb von Bahnübergängen gehören, "wenn die Eisenbahn für mehr als die Hälfte der Aufwendungen aufkommt". Dieser Anspruch sei bisher durch zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen geregelt, heißt es weiter. So hätten den bundeseigenen öffentlichen Eisenbahnen Ausgleichszahlungen nach den Regelungen der Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über gemeinsame Regeln für die Normalisierung der Konten der Eisenbahnunternehmen zugestanden. Für nichtbundeseigene öffentliche Eisenbahnen hingegen regle Paragraf 16 AEG den Ausgleich. Die bundeseigenen öffentlichen Eisenbahnen seien über diese Norm nicht anspruchsberechtigt.

Im Zusammenhang mit dem Vierten Eisenbahnpaket der Europäischen Kommission sei nun im Rahmen eine Rechtsbereinigung die Verordnung (EU) 2016/2337 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 1192/69 des Rates über gemeinsame Regeln für die Normalisierung der Konten der Eisenbahnunternehmen verabschiedet worden, heißt es in dem Entwurf. "Dadurch ist die Rechtsgrundlage für den Ausgleich betriebsfremder Aufwendungen für bundeseigene Eisenbahnen entfallen", schreibt die Regierung.

Die Novelle sieht nun vor, dass Paragraf 16 AEG zukünftig die Gewährung von Ausgleichszahlungen sowohl für bundeseigene als auch für nichtbundeseigene öffentliche Eisenbahnen regeln soll. "Um entsprechende Zahlungen für die Erhaltung und den Betrieb von höhengleichen Kreuzungen auch weiterhin an den Betreiber der bundeseigenen Schieneninfrastruktur leisten zu können, schafft das vorliegende Gesetz die erforderlichen rechtlichen Grundlagen für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs von Paragraf 16 AEG auf alle öffentlichen Eisenbahnen", heißt es in dem Gesetzentwurf.

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4. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Verkehr und digitale Infrastruktur/Antwort

Berlin: (hib/HAU) Bei der Frage nach Anzahl der Ein- und Aussteiger sowie die Anzahl der im Zug befindlichen Reisenden an Bahnhöfen und Haltepunkten im Saarland sind aus Sicht der Bundesregierung "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der DB Fernverkehr AG und der DB Regio AG betroffen". Die Offenlegung der Auslastungszahlen könne "das wirtschaftliche Handeln der Deutschen Bahn AG deutlich beeinträchtigen und könnte erhebliche Wettbewerbsnachteile auch für den grenzüberschreitenden Verkehr nach sich ziehen", heißt es in der ergänzenden Antwort der Regierung (19/17041) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/15041). Die Kenntnis der Auslastungszahlen und deren Entwicklung würde es konkurrierenden Mobilitätsanbietern ermöglichen, ihr Verhalten im Wettbewerb entsprechend auszurichten. Daten über Strecke/Relation, Auslastung und Verlagerung der Verkehrsströme seien wertvoll, um die eigene Angebots- und Preisgestaltung zu konzipieren.

Unter Abwägung zwischen dem parlamentarischen Auskunftsanspruch einerseits und dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter Berücksichtigung möglicher nachteiliger Wirkungen für die betroffenen privaten Unternehmen andererseits habe die Bundesregierung die erbetenen Informationen als Verschlusssache "VS - Vertraulich" eingestuft und der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages übermittelt, heißt es in der Antwort. Sie könnten dort nach Maßgabe der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages eingesehen werden.

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5. Kompensation von Eingriffen in Natur

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Verordnung

Berlin: (hib/LBR) Die Bundesregierung hat eine Verordnung (19/17344) über die Vermeidung und Kompensation von Eingriffen in Natur und Landschaft im Zuständigkeitsbereich der Bundesverwaltung (BKompV) vorgelegt. Mit dieser soll die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung für Bundesvorhaben, bei gleichzeitiger Wahrung hoher naturschutzfachlicher Standards vereinheitlicht, beschleunigt und transparent gemacht werden. Der Bundestag muss der Verordnung gemäß Paragraph 15 Bundesnaturschutzgesetz zustimmen.

Die Anwendung soll auf Vorhaben, die von Bundesbehörden zugelassen wurden, beschränkt sein. Die Verordnung setze einen Fokus auf land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen und soll zur "Verringerung der Flächeninanspruchnahme dienen." Erfasst werden mit der Verordnung unter anderem das Vermeidungsgebot, die Bewertung des vorhandenen Zustands, die zu erwartenden Beeinträchtigungen von Schutzgütern sowie die Ermittlung des Kompensationsbedarfs und die Grundbewertung des Schutzgutes Biotope. Nach der BKompV liege die Ersatzzahlungsberechtigung bei der niedrigsten Landschaftsbildwertstufe im Vergleich zu den Länderverfahren unter dem Durchschnitt. Bei der höchsten Landschaftsbildwertstufe werde das Ersatzgeld über dem Durchschnitt liegen, schreibt die Bundesregierung.

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6. Frauenanteil im Gesundheitswesen

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Die Grünen-Fraktion erkundigt sich in einer Kleinen Anfrage (19/17347) nach dem Frauenanteil in der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens. Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie hoch der Frauenanteil unter Ärzten, Zahnärzten und Psychotherapeuten ist.

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7. FDP macht Gewaltenteilung zum Thema

Gesundheit/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/PK) Die Gewaltenteilung ist Thema einer Kleinen Anfrage (19/17356) der FDP-Fraktion. Im Gesundheitsausschuss sei zu beobachten, dass Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen zwar von den Regierungsfraktionen eingebracht würden, diese aber auf Formulierungshilfen aus dem Bundesgesundheitsministerium beruhten.

Dies sei vor allem bei sachfremden Änderungsanträgen bedenklich, weil an bestehende Gesetzentwürfe neue Themen angedockt würden, um ein einzelnes Gesetzgebungsverfahren für dieses Thema zu vermeiden.

Die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, wie viele fachfremde Änderungsanträge die Bundesregierung 2019 als Formulierungshilfe im Bereich des Bundesministeriums für Gesundheit erstellt und an die Regierungsfraktionen weitergeleitet hat.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 231 - 2. März 2020 - 13.24 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2020

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