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PRESSEKONFERENZ/352: Bundeskanzlerin Merkel und der französische Staatspräsident Sarkozy, 9.1.12 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Montag, 9. Januar 2012
Pressestatements von BK'in Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Sarkozy

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ein frohes und gesundes neues Jahr wünschen! Wir sehen uns ja zum ersten Mal in diesem Jahr, und Sie sind auch gleich recht zahlreich erschienen - das freut uns.

Ich habe heute die Freude, dass der französische Präsident in Berlin zu Gast ist. Wie Sie wissen, haben wir in den Zeiten, in denen es um die Zukunft des Euro geht, eine ganz enge Abstimmung zwischen Deutschland und Frankreich, und zwar seit geraumer Zeit. Unser heutiges Treffen dient auch genau dieser (engen Abstimmung). Wir haben analysiert, was die Situation zu Beginn des Jahres 2012 ist. Deutschland und Frankreich hatten auch vorgeschlagen, dass es nicht erst im März wieder einen Rat gibt, sondern dass schon am Ende dieses Monats - voraussichtlich am 30. Januar - der nächste Europäische Rat stattfindet. Auch der Vorbereitung dieser Veranstaltung diente unser heutiges Treffen.

Was gibt es zu sagen? - Erstens. Es ist erfreulich, dass die Verhandlungen zu dem Fiskalpakt gut vorankommen. Es gibt eine gute Chance, dass wir die Schuldenbremsen und alles, was damit zusammenhängt, bereits im Januar unterzeichnen können, spätestens aber im März, und dass wir mit den Verhandlungen wirklich gut vorankommen. Ich glaube, Deutschland und Frankreich haben dazu einen wesentlichen Beitrag geleistet.

Zweitens. Wir haben besprochen, wie wir die Rettungsinstrumente für den Euro effizienter machen können. Hier gibt es zwei Stichworte. Das erste Stichwort ist die EFSF. Die EFSF muss neben der Unterstützung der Programmländer - Portugal und Irland, in Zukunft dann auch Griechenland - auch in der Lage sein, durch die flexibleren Instrumente, die wir der EFSF gegeben haben, in Notsituationen zum Beispiel auf dem Primärmarkt zu intervenieren. Wir haben deshalb die EZB gebeten, uns mit ihrer Fachkunde zu helfen, die Operationsfähigkeit der EFSF zu erhöhen. Wir freuen uns, dass die EZB an dieser Aufgabe ganz intensiv arbeitet. Wir haben außerdem darüber gesprochen - das ist das zweite Stichwort -, was es bedeutet, den ESM, also den permanenten Rettungsmechanismus, schneller in Kraft zu setzen. Hier sind Deutschland und Frankreich bereit - natürlich in Absprache mit den anderen Ländern -, zu überprüfen, inwieweit wir die Kapitaleinzahlungen in bestimmter Weise beschleunigen können und damit unser Vertrauen und unsere Unterstützung für den Euroraum noch einmal deutlich sichtbar machen können.

Wir haben drittens über Griechenland gesprochen. Wir müssen die Beschlüsse vom Oktober umsetzen, das heißt, die freiwillige Umschuldung Griechenlands muss vorangetrieben werden. Aus unserer Sicht muss das zweite Griechenland-Programm inklusive der Umschuldung jetzt schnell realisiert werden; denn ansonsten wird es nicht möglich sein, die nächste Tranche für Griechenland auszuzahlen. Wir wollen das aber; wir wollen, dass Griechenland im Euroraum bleibt. Wir haben immer wieder gesagt: Die Umschuldung Griechenlands ist ein Angebot, die Schuldentragfähigkeit Griechenlands zu verbessern, allerdings muss Griechenland seine Verpflichtungen gegenüber der Troika auch wirklich umsetzen. Auch hierzu hatte ich in der vergangenen Woche schon ein Telefonat mit dem griechischen Ministerpräsidenten, der mir das noch einmal zugesagt hat. Das wird insbesondere auch Beratungsgegenstand in dem morgigen Gespräch mit der IWF-Direktorin Christine Lagarde sein.

Wir haben dann darüber gesprochen, dass Haushaltskonsolidierung und solide Finanzen das eine Bein sind, auf dem die Zukunft Europas aufgebaut werden muss, dass wir aber natürlich ein zweites Bein brauchen. Dieses zweite Bein ist das wirtschaftliche Wachstum und ist die Frage von Jobs und Beschäftigung. Hierzu haben Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, eine Übersicht über die verschiedenen Arbeitsmarktregelungen in Europa zu machen und zu schauen, womit welches Land welches Land welche Erfolge hat erreichen können, um dann auch von den Besten lernen können. Deutschland und Frankreich fühlen sich dem Thema Wettbewerbsfähigkeit - ich erinnere an den Euro-Plus-Pakt - und dem Thema Wachstum und Jobs verpflichtet.

Wir glauben auch - und werden die Kommission bitten, dass die Mittel, die wir in Europa noch zur Verfügung haben, mit Blick auf das Wachstum jetzt schnell eingesetzt werden. Das betrifft vor allen Dingen auch die Unterstützung kleinerer und mittlerer Unternehmen und das betrifft die Innovationskraft Europas, zum Beispiel auch den Ausbau von Breitbandnetzen und Ähnliches mehr. Deutschland und Frankreich werden der Kommission und auch dem Ratspräsidenten hierzu noch einmal Vorschläge von unseren Beratungen übersenden.

Mit dieser Kombination aus soliden Finanzen und Wachstumsimpulsen wollen wir deutlich machen, dass wir nicht nur der Erhaltung und der Stabilisierung des Euro verpflichtet sind, sondern dass wir auch ein starkes, ein modernes, ein wettbewerbsfähiges Europa wollen. Jeder von uns ist bereit, dazu die Hausaufgaben zu machen.

In diesem Sinne haben wir heute sehr erfolgreiche Beratungen gehabt. Ich möchte mich bedanken, dass der französische Präsident heute hier in Deutschland, in Berlin, zu Gast ist.

P Sarkozy: Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ebenfalls meine besten Wünsche für das neue Jahr aussprechen. Ich bin nach Berlin gekommen, weil ich, wie Sie alle wissen, dem Bündnis der Allianz, der gemeinsamen Arbeit zwischen Deutschland und Frankreich, große Bedeutung beimesse. Dieses Bündnis, dieses Verständnis, diese Meinungsgleichheit zwischen der größten und der zweitgrößten Volkswirtschaft in Europa ist wirklich der Eckpunkt für Europa. Es gibt keine Zukunft für Europa, wenn Deutschland und Frankreich sich nicht einig sind. Ich setze großes Vertrauen in Frau Merkel. Wir arbeiten häufig zusammen und wir tauschen uns zu allen Themen aus. Die wirklich sehr starke Krise und die besorgniserregende Situation fordern auch, dass wir uns wirklich von Anfang des Jahres 2012 an austauschen. Unsere Analyse ist dabei die gleiche.

Erstens. Wir müssen zu unserer Verpflichtung stehen, das Defizit zu reduzieren. Deshalb bin ich froh, Ihnen bestätigen zu können, wie ich Frau Merkel auch gesagt habe, dass Frankreich für 2011, was den französischen Haushalt anbelangt, ein Defizit aufweist, das vier Milliarden Euro geringer ist, als es vorgesehen war. Frankreich steht damit nicht nur zu seinen Verpflichtungen, sondern es hat noch bessere Leistungen erbracht.

Zweitens sind die Bundeskanzlerin und ich uns der Tatsache bewusst, dass Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit auf unserem Kontinent absolute Priorität haben. Wir werden im europäischen Rahmen daher Initiativen zur Beschäftigung, zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen und zum Einsatz der europäischen Fonds ergreifen, damit diese im Dienste des Wachstums und der Wettbewerbsfähigkeit eingesetzt werden - auch über die staatliche Harmonisierung.

Was die Eurokrise anbelangt, so ist es erstens unser Wunsch, dass die Verhandlungen in den nächsten Tagen abgeschlossen werden und dass der Vertrag dann am 1. März unterzeichnet werden kann. Die Bundeskanzlerin und ich haben den gemeinsamen Willen, dass Europa es lernt, schneller Entscheidungen zu treffen und diese Entscheidungen auch umzusetzen.

Zweitens. Wir haben uns darauf geeinigt, den Einsatz des ESM auf Juli 2012 vorzuziehen, und wir sind bereit, seine Kapitalisierung zu beschleunigen. Wir möchten den Euro retten und den Euro stützen.

Drittens. Wir möchten gemeinsam die EZB auffordern, alles Mögliche zu tun, damit der EFSF funktioniert und effizienter arbeiten kann.

Was Griechenland anbelangt, sehen wir es beide genauso. Wir haben damals die Beteiligung des Privatsektors verhandelt und haben gesagt: Das trifft nur auf Griechenland zu, unsere griechischen Freunde müssen jetzt zu ihren Verpflichtungen stehen, und mit dem IWF müssen wir das umsetzen, was vorgesehen war und worauf wir uns in Brüssel geeinigt haben.

Ich möchte der Bundeskanzlerin danken für die gemeinsame Arbeit, die wir leisten, und für das große Vertrauen, das zwischen Deutschland und Frankreich herrscht. Unsere Vorstellung ist, dass unsere beiden Länder gemeinsam daran herangehen, den Euro aus dieser Krise, in der wir uns im Augenblick befinden, herauszubringen.

Frage: Herr Präsident, warum möchten Sie bei der Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer so schnell alleine vorgehen, warum ist das so eilig für Sie?

Frau Merkel, welche Mindestzahl von Staaten, die sich daran beteiligen, ist Ihrer Ansicht notwendig, um diese Steuer in Europa einzuführen?

An beide die Frage: Wem würde diese Finanztransaktionssteuer dienen?

P Sarkozy: Das ist eine interessante Frage, denn seitdem wir von dieser Finanztransaktionssteuer (reden), sagt man uns, dass wir zu schnell seien. Das ganze Jahr 2011 haben Sie jedoch Ihre Zeit damit verbracht, uns die Frage zu stellen, warum es so langsam vorangeht. Jetzt fängt das Jahr 2012 an, und Sie fragen: Warum soll es jetzt plötzlich so schnell gehen?

Meine Antwort darauf ist: Erstens, weil Frau Merkel und ich immer gesagt haben, dass wir an die Prinzipien dieser Finanztransaktionssteuer glauben. Wir haben am Tisch der G20- und der G8-Länder sowie auch bei den Europäischen Räten einen Kampf geführt, und alles, was geschehen ist, ist Folgendes: Die Kommission hat unseren Gedanken aufgegriffen und einen Vorschlag zu einer Richtlinie auf den Tisch des Europäischen Parlaments und der Staats- und Regierungschefs gebracht, die die Finanztransaktionssteuer definiert. Hier ist meiner Ansicht nach also nichts überstürzt worden; denn am Anfang des Monats Januar werden sich das Europäische Parlament und auch der Europäische Rat damit befassen.

Zweitens möchte ich hier auch die Gelegenheit ergreifen, zu sagen, wie sehr ich mich zum Prinzip einer solchen Steuer bekenne. Wir sind in der Lage, in der wir sind, weil es in der Vergangenheit unannehmbare und skandalöse Finanzregulierung gegeben hat. Insofern ist es normal, dass diejenigen, die dazu beigetragen haben, uns - wenn ich "uns" sage, meine ich hier die gesamte Welt - in diese Situation zu bringen, in der wir uns seit drei Jahren befinden, jetzt auch dazu beitragen müssen, dass die Lage umgekehrt wird.

Drittens bin ich fest davon überzeugt, dass nichts passieren wird, wenn wir nicht (mit) gutem Beispiel (vorangehen). Deshalb schwebt Frankreich vor, den Richtlinienentwurf über die Schaffung einer Finanztransaktionssteuer so umzusetzen, wie es von der Kommission vorgesehen ist. (Insofern können) überhaupt keine Zweifel daran (entstehen), dass wir im Euroraum eine Bewegung in Gang bringen, die (dazu führt), dass die Finanztransaktionssteuer wirklich eingeführt wird. Wenn das (gelingen) sollte, wird die gesamte Welt, wird die Öffentlichkeit in allen Ländern fragen: Warum sind die Finanzen (bei uns) von einer solchen Steuer ausgenommen, wenn die Eurozone klug genug waren, eine solche Steuer zu schaffen?

Zur Frage, wohin das Geld, das mit dieser Steuer eingenommen wird, fließen soll, möchte ich sagen, was auch die Kommission sagt. Des Weiteren werden wir, was die Zuweisung des Geldes anbelangt, auch Ende Januar noch Gelegenheit haben, darüber zu sprechen, wenn ich den Franzosen die Schlussfolgerungen des Krisengipfels vorstellen werde, den ich (für den) 18. Januar einberufen (habe), und wenn ich, nachdem ich mir einmal angehört habe, was die Sozialpartner dazu zu sagen haben, entsprechende Entscheidungen treffen werde.

BK'in Merkel: Wir kämpfen in der Tat seit Jahren um die Realisierung einer Finanztransaktionssteuer. Wir haben das bei G20 unter der französischen Präsidentschaft und den früheren Präsidentschaften getan. Die Kommission hat dankenswerterweise einen Vorschlag vorgelegt. Ich halte es für eine gute Initiative, dass Frankreich sagt: Es werden jetzt Nägel mit Köpfen benötigt, wir müssen jetzt handeln.

Von deutscher Seite haben wir gesagt, wir wollen, dass spätestens bis März die Finanzminister eine abschließende Stellungnahme abgeben, wie es mit der Finanztransaktionssteuer weitergeht. Ich persönlich meine auch, dass wir uns in der Eurozone eine solche Steuer vorstellen könnten. Wir haben dafür noch keine Einigung innerhalb der Regierung - das muss ich dazu sagen -, aber persönlich werde ich dafür werben. Wenn es nicht gelingt, die 27 Mitgliedsstaaten davon zu überzeugen - es wäre natürlich besser, wenn es uns gelänge; der Kommissionsvorschlag gilt auch für die 27 Mitgliedstaaten -, müssen wir überlegen, wie wir weitergehen. Beide, Deutschland und Frankreich, Nicolas Sarkozy und ich, halten gleichermaßen eine Finanztransaktionssteuer für eine richtige Antwort. Wir werden auch weiterhin dafür kämpfen.

Was die Verwendung anbelangt, schließe ich mich voll dem an, was der französische Präsident soeben gesagt hat.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, fürchten Sie in nächster Zeit eine Herabstufung weiterer Euro-Länder wie Frankreich oder Deutschland durch die Rating-Agenturen, die angekündigt haben, im Laufe des Monats Januar darüber nachzudenken?

BK'in Merkel: Ehrlich gesagt, Furcht ist nicht das Motiv meiner politischen Tätigkeit. Wir als Politiker haben unsere Arbeit zu tun. Wir tun das, was wir für wichtig und für die Zukunft Europas für notwendig halten. Deshalb sind wir heute hier zusammen. Deshalb sprechen wir über Haushaltskonsolidierung und über den Fiskalpakt. Deshalb sprechen wir über die Funktionsfähigkeit der EFSF. Deshalb sprechen wir über ein Vorziehen des ESM. Deshalb sprechen wir über Wachstum, über die Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und darüber, dass wir voneinander lernen. Deshalb haben Deutschland und Frankreich für den Euro-Plus-Pakt geworben, und werben jetzt für den Fiskalpakt.

Wir, unsere beiden Volkswirtschaften, sind in ganz besonderer Weise zutiefst entschlossen, deutlich zu machen: Wir haben die Zeichen der Zeit verstanden. Wir wissen, welche Lehren wir aus Fehlern der Vergangenheit zu ziehen haben, und wir sind politisch fest entschlossen, genau das umzusetzen. Das ist unsere Aufgabe, und dafür werben wir, und zwar überall auf der Welt und bei jedem.

Frage: Ist es zu einem Zeitpunkt, zu dem die Europäische Union Probleme mit Beschäftigung und Arbeit hat, opportun, eine soziale Mehrwertsteuer einzuführen? Welche Erfahrungen haben Sie in Deutschland mit einer solchen sozialen Mehrwertsteuer gemacht? Wie betrachten Sie das von französischer Seite aus?

Herr Präsident, was sagen Sie zum Einsatz von SeaFrance?

P Sarkozy: Wenn Angela Merkel gestattet, möchte ich antworten. Keine Entscheidung ist durch den französischen Premierminister François Fillon oder durch mich getroffen worden. Diese Entscheidung wird so lange nicht getroffen werden, wie es kein Treffen mit den Sozialpartnern gegeben hat; daran möchte ich hier noch einmal erinnern.

Zweitens. Unsere deutschen Freunde haben selbst vor einigen Jahren diese Waffe eingesetzt, um die Arbeitskosten zu senken und das Defizit zu senken.

Drittens. Die Frage, die sich für Frankreich ergibt, ist eine äußerst wichtige Frage, nämlich eine der Verlagerung. Frankreich muss aufhören, industriell blutleer zu werden. Deshalb müssen wir die Mittel finden, um Arbeitskosten zu senken und Frankreich damit in die Lage zu versetzen, weiterhin ein großes Land der Produktivität und Produktion zu sein. Deshalb möchte ich sagen: Das, was unsere deutschen Freunde mit ihrer Industrie gemacht haben, ist unbestreitbar ein Beispiel für uns.

Die weitere Frage betraf SeaFrance. Ich habe von der Entscheidung zur Liquidation dieses Unternehmens Kenntnis genommen. Gestern haben (die Minister) und ich uns getroffen. Ich glaube sagen zu können, dass Nathalie Kosciusko-Morizet und Thierry Mariani die Personalvertreter (und) den Insolvenzverwalter empfangen werden, um sich die Vorschläge anzuhören. Der erste Vorschlag besteht darin, dass die Arbeitnehmer von SeaFrance ihr Geld reinvestieren, um die Aktivität des Unternehmens zu verlängern. Der andere Vorschlag besteht darin, dass irgendein Partner Vorschläge zur Übernahme des Personals von SeaFrance macht. Es gibt also zwei Vorschläge, die auf dem Tisch liegen. Wir arbeiten begleitend an diesen Vorschlägen. Auf jeden Fall ist es so, dass hierbei außerdem auch die SNCF mit im Spiel ist. Ich glaube sagen zu können, dass es eine glaubwürdige Lösung für alle Beschäftigten von SeaFrance geben wird. Daran arbeiten wir.

Ich werde die Hände nicht in den Schoß legen, und ich werde hier keinen Fatalismus akzeptieren. Ich glaube, dass es eine mögliche Lösung gibt. Die Regierung ist entschlossen, alles umzusetzen, damit diese auch so eintreten wird.

BK'in Merkel: Ich möchte an dieser Stelle nur ganz allgemein sagen, dass wir doch alle mit den gleichen Herausforderungen der Globalisierung befasst sind. Diese Herausforderungen bedeuten, dass der Staat auf der einen Seite Einnahmen braucht, um die notwendigen Leistungen zu erbringen, die die Bürgerinnen und Bürger erwarten, und auf der anderen Seite müssen wir unsere Arbeitskosten wettbewerbsfähig halten, damit Arbeitsplätze nicht in andere Länder abwandern. Mit diesen Herausforderungen müssen wir uns alle beschäftigen, und deshalb wollen wir auch auf dem Europäischen Rat genau über diese Fragen diskutieren und sagen, was wir daraus lernen, um Europa wettbewerbsfähiger und attraktiver für Arbeitsplätze zu machen; denn wir alle haben zu viele Arbeitslose. Deshalb warte ich mit Spannung und Interesse natürlich die Entscheidungen ab, die in Frankreich getroffen werden, und deshalb sind wir auch in Deutschland immer wieder daran interessiert, die Lohnzusatzkosten - also die Kosten, die zu den Arbeitskosten addiert werden - so erträglich wie möglich zu halten, damit wir nicht eine Abwanderung von Arbeitsplätzen zu verzeichnen haben.

Frage: Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, sind die Brandschutzmauern, die Sie jetzt in Europa hochgezogen haben, stark genug beziehungsweise hoch genug, um eine Insolvenz Griechenlands auszuhalten, ohne dass es dann zu Verwerfungen auf dem Finanzmarkt kommt oder weitere Länder aus dem Euroraum ausscheiden müssten?

BK'in Merkel: Unsere Absicht ist, dass kein Land aus dem Euroraum ausscheiden muss, um das erst einmal vorweg zu sagen. Zweitens haben wir immer wieder gesagt: Griechenland ist ein Sonderfall. Ich glaube, wenn man sich mit den Daten Griechenlands befasst, dann sieht man auch, dass die Beteiligung der privaten Gläubiger hierbei eine notwendige, aber natürlich noch keine hinreichende Voraussetzung dafür ist, dass Griechenland wieder auf einen vernünftigen Pfad kommt. Hinzu kommen auch die Maßnahmen, die seitens der Troika mit Griechenland vereinbart wurden. Die müssen umgesetzt werden, die müssen implementiert werden, die müssen Realität werden.

Wir haben eine freiwillige Umschuldung mit den Banken vereinbart, und wir glauben, dass wir diese freiwillige Umschuldung so vorbereitet und auch die dafür notwendigen Beschlüsse gefasst haben, dass das Signal klar sein wird. Griechenland soll eine Chance bekommen, aber Griechenland bleibt ein Ausnahmefall.

P Sarkozy: Wenn wir absolut beruhigt wären, würden wir uns nicht so intensiv und häufig treffen. Die Lage ist sehr komplex. Ich übernehme gern den Satz der Bundeskanzlerin, die sagte: Die Lage ist angespannt, wie es vielleicht nie zuvor im Euroraum der Fall war.

Deshalb müssen wir sehr viel Phantasie an den Tag legen. Wir haben daher auch verschiedene Mechanismen eingesetzt und umgesetzt.

Noch etwas Wichtiges hat die Bundeskanzlerin - wenn Sie gestatten: mit mir - gesagt, und zwar hat sie die Bitte an die EZB gerichtet, Vorschläge zu unterbreiten, damit der EFSF effizienter arbeiten kann.

Wir sind uns voll und ganz der Tatsache bewusst, dass auf einer gewissen Anzahl von Ländern des Euroraums aufgrund der gegenwärtigen Zinssätze eine Spannung liegt. Unsere Arbeit besteht darin, das Vertrauen zurückzugewinnen, diese Zinsen zu senken, damit wir uns wirklich auf das Wachstum konzentrieren können.

Ich glaube, nie zuvor in der Geschichte Europas haben Staats- und Regierungschefs mit einer derartigen Situation zu tun gehabt. Deshalb wird diese Wirtschaftsregierung eingeführt. Alle Anstrengungen, die wir mit Frau Merkel unternehmen, dienen dem Erzielen von Konvergenz. Unser ständiger Appell lautet, eine bessere Wettbewerbsfähigkeit zu gestalten, die wir versuchen müssen umzusetzen, auch - um eine einfache Antwort zu geben - damit die Märkte manchen Staaten der Eurozone Geld leihen. Um diese Frage geht es.

Ich möchte Ihnen nicht sagen, dass wir die Probleme gelöst haben, denn wir müssen im Geist klar sein. Unsere Aufgabe ist es, das Ganze nicht zu überdramatisieren. Es geht nicht darum, hier noch mehr Angst zu streuen. Wir müssen geistesgegenwärtig sein. Die Bundeskanzlerin und ich sind geistesgegenwärtig. Die Lage ist angespannt, sehr angespannt.

Wir glauben an den Euro, wir glauben an Europa. Wir wissen um unsere Verantwortung, und wir versuchen, so weit wie möglich die effizienteste Antwort im Rahmen der Verträge und auch im Rahmen der demokratischen Prinzipien zu finden, was dazu führt, dass Frau Merkel ein Mandat für Deutschland ausübt und ich eines für Frankreich ausübe. Wir haben kein Mandat für die anderen 15 im Euroraum.

Deshalb müssen neue Konzepte gefunden werden, müssen Entscheidungen getroffen werden, müssen unsere demokratischen Überzeugungen geachtet werden. Wenn wir am Ende alle Lösungen gefunden haben, dann werden wir das Vertrauen wieder hergestellt haben. Ich glaube, Frau Bundeskanzlerin und ich wissen genau, dass man das nicht mit 100-prozentiger Sicherheit beantworten kann. Aber darum kämpfen wir.

Trotzdem sind wir sicher, dass es auf unserem Kontinent keine Alternative zur europäischen Einheit gibt und dass wir den Euro retten müssen. Jeder muss sich sicher sein. Es geht um die Arbeitsplätze, und wir müssen unsere Ziele einhalten. Wie ich bereits gesagt habe, weist Frankreich ein um 4 Milliarden Euro geringeres Defizit als vorgesehen auf. Wenn das unser bescheidener Beitrag zur Glaubwürdigkeit unserer Verpflichtung ist, ist es doch gut. Ich glaube, wir müssen uns noch mehr anstrengen. Das hätte schon früher geschehen müssen. Wir haben eine Verspätung, aber wir versuchen, das Ganze zu korrigieren.

BK'in Merkel: Ich glaube, dass wir immer wieder in Erinnerung rufen müssen: Es ist ein ambitioniertes, aber erreichbares Ziel, den Euro als unsere gemeinsame Währung zu festigen. Er ist eine richtige Entscheidung in Zeiten der Globalisierung gewesen. Wir haben soeben über Arbeitsplätze und über den Wettbewerb auf der Welt gesprochen.

Es wird Schritt für Schritt gehen. Ich habe das immer wieder gesagt. Deswegen werden wir uns auch noch häufiger treffen, und zwar genau in diesem Geist, wie wir es heute getan haben. Es gibt nicht den einen Gipfel, bei dem alle Probleme gelöst werden, sondern es geht Schritt für Schritt. Es gibt auch nicht die eindimensionale Lösung, sondern es ist die Haushaltskonsolidierung, es ist die Innovationsfähigkeit, es ist die Wettbewerbsfähigkeit, es ist der Fokus auf Beschäftigung, es ist die Vielfalt unserer industriellen Basis. Daran müssen wir arbeiten. Ich bin froh, dass Deutschland und Frankreich das sehr gut und zusammen tun. - Herzlichen Dank.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 9. Januar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/01/2012-
01-09-merkel-sarkozy.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2012