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PRESSEKONFERENZ/373: Kanzlerin Merkel und der Präsident der Republik Kasachstan Nasarbajew, 8.2.2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Mittwoch, 8. Februar 2012
Pressestatements von Bundeskanzlerin Merkel und dem Präsidenten der Republik Kasachstan Nasarbajew

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass heute der kasachische Präsident, Herr Nasarbajew, bei uns zu Besuch ist. Wir haben schon eine gute Arbeitsbeziehung entwickelt. Ich war 2010 in Astana - einmal zu einem bilateralen Besuch und dann auch zum OSZE-Gipfel -, und wir können hier heute eine ganze Reihe von Früchten unserer Zusammenarbeit präsentieren.

Ein Beispiel haben Sie gesehen: Das Abkommen über die Zusammenarbeit in Rohstofffragen und die Partnerschaft im Rohstoff-, Industrie und Technologiebereich, die eben von Wirtschaftsminister Philipp Rösler und dem kasachischen Kollegen - in Anwesenheit des Vorsitzenden des Ost-Ausschusses, Herrn Cordes - unterschrieben worden. Das weist darauf hin, dass dies einerseits eine sehr enge Kooperation auf Regierungsebene ist, aber andererseits auch eine Kooperation im Zusammenhang mit der Wirtschaft ist. Es gibt ja auch ein großes Interesse daran, dass die deutsche Wirtschaft mehr in Kasachstan investiert.

Unsere Wirtschaftsbeziehungen können durchaus noch verbessert werden, und wir haben heute auch über die Voraussetzungen dafür gesprochen. Wir haben des Weiteren feststellen können, dass es eine ganze Reihe von weiteren Abkommen gibt, die zwischen Deutschland und Kasachstan verabschiedet werden, zum Beispiel Abkommen zur Zusammenarbeit im Hochschulbereich oder auch im Bereich der dualen Ausbildung, wo Kasachstan und Deutschland noch mehr miteinander machen wollen.

Wir haben des Weiteren über die Notwendigkeit der Restrukturierung der kasachischen Banken gesprochen.

Wir haben natürlich auch über die innere Entwicklung Kasachstans geredet. Dabei haben die Themen der Menschenrechte und der Innenpolitik eine Rolle gespielt. Kasachstan hat Wahlen durchgeführt, und im kasachischen Parlament sitzen jetzt mehrere Parteien.

Wir haben noch einmal über die Situation und die Ausschreitungen in Schanaosen gesprochen, wo Arbeiter ums Leben gekommen sind. Ich habe den Präsidenten darin unterstützt, dass unbedingt ein Aufklärungsausschuss, ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden muss, der versucht, wirklich klar an den Tag zu bringen, was dort vor sich gegangen ist.

Wir werden über diese Fragen im Gespräch bleiben. Wir werden Kasachstan unterstützen, damit es ein Partnerschaftsabkommen mit der Europäischen Union unterzeichnen kann; denn wir wollen sowohl die deutsch-kasachischen Beziehungen als auch die Beziehungen zwischen Europa und Kasachstan weiterentwickeln.

Am heutigen Tag ist fast auf den Tag genau das 20-jährige Jubiläum unserer diplomatischen Beziehungen. Wenn man schaut, welchen Weg Kasachstan seitdem zurückgelegt hat, kann man sagen: Es ist viel erreicht worden. Auf der anderen Seite ist es allerdings auch notwendig, dass weitergearbeitet wird. In diesem Sinne werden wir auch weiter einen sehr resultatebezogenen Dialog miteinander führen, und dort, wo es unterschiedliche Meinungen gibt, diese natürlich auch ansprechen.

Ich bedanke mich für den Besuch. Ich wünsche Ihnen weiter viel Erfolg; denn der Besuch umfasst nicht nur politische Kontakte, sondern auch sehr viele Gespräche mit der deutschen Wirtschaft.

P Nasarbajew: Frau Bundeskanzlerin, sehr verehrte Damen und Herren! In erster Linie möchte ich mich ganz herzlich bei der Bundesrepublik für die Einladung und die Gastfreundschaft bedanken.

Es ist in der Tat so, dass wir nun schon seit zwanzig Jahren diplomatische Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern haben. Deutschland war unter den ersten Staaten in Europa, die unsere Unabhängigkeit nach dem Zerfall anerkannt haben. Wir haben in den letzten 20 Jahren eine gute Rechtsgrundlage geschaffen. Wir haben über 30 Regierungspapiere unterzeichnet, die auch unsere Wirtschaft befördern. Ich schätze die Ergebnisse des diesjährigen Besuches in Ihrem Land sehr hoch ein. Wir haben in vertrauensvoller Form alle Fragen der bilateralen Zusammenarbeit und aktuelle Themen der internationalen Politik besprochen.

Wenn wir über die deutsch-kasachischen Beziehungen sprechen, sollte man damit beginnen, dass es in Deutschland 800.000 Kasachstandeutsche gibt und dass wir 400.000 Deutsche im Land haben - wie Sie wissen, wurden die Wolgadeutschen ja nach Kasachstan deportiert. Sie können jeden, der hier lebt, fragen: Man hat Kasachstan in guter Erinnerung behalten. Wenn wir über unsere Beziehungen sprechen, dann dürfen wir das nicht vergessen.

Wir haben natürlich auch viel über wirtschaftliche Zusammenarbeit gesprochen. Im vergangenen Jahr hat der Warenumsatz zwischen unseren beiden Ländern 5 Milliarden Euro betragen. In unserem Land sind 1.200 deutsche Unternehmen beziehungsweise Joint Ventures mit deutscher Kapitalbeteiligung registriert.

Wir sind heute übereingekommen - Sie haben ja gesehen, wie wir das Abkommen unterzeichnet haben -, unsere Zusammenarbeit im Bereich der Rohstoffe - das betrifft Seltene Erden und Metalle -, aber auch in den Bereichen Landwirtschaft, Telekommunikation, Bildung und Medizin auszubauen. Dieses Abkommen ist von der kasachischen und deutschen Wirtschaft seit Langem erwartet worden und ist eine gute Grundlage für die weitere Zusammenarbeit.

Ich möchte eine Sache besonders hervorheben, Frau Merkel: In den letzten Jahren haben die direkten Investitionen aus Deutschland in Kasachstan eine Milliarde betragen, aber Kasachstan hat in Deutschland über 6 Milliarden Dollar investiert, und die Franzosen haben sogar 8 Milliarden in Kasachstan investiert. Ich glaube, nach dem diesjährigen Besuch können wir daran etwas ändern.

Sie sind 2010 in Kasachstan gewesen, und wir sind dabei, alles, worüber wir damals gesprochen haben, umzusetzen. Das wird alles der Festigung unserer Beziehungen förderlich sein. Feste Beziehungen zwischen unseren Ländern sind notwendig.

Wir interessieren uns auch für die Zusammenarbeit im Bereich der Bildung und der Qualifizierung.

Kasachstan verfügt über sehr große Vorkommen an Rohstoffen. Wir wollen diese Rohstoffe verarbeiten und wollen mit Hilfe dieser Einnahmen eine andere, eine industrielle Wirtschaft aufbauen. Ein entsprechendes Programm ist bereits aufgelegt, und wir laden die deutsche Wirtschaft ein, bei uns aktiv zu werden.

Wir haben auch Fragen diskutiert, die die internationale Politik betreffen, zum Beispiel die Fragen Afghanistan und Iran.

Wir haben des Weiteren unsere Meinungen und Informationen über die innenpolitische Situation ausgetauscht.

Wir haben auch Fragen diskutiert, die die EU und die Eurokrise betreffen. Wir beobachten, wie aktiv Deutschland und wie aktiv insbesondere die Bundeskanzlerin in diesem Bereich ist. Wir wünschen Ihnen dabei große Erfolge.

Ich bin ein Mensch, der integrationsfreundlich ist. (Was den) prosowjetischen Raum (betrifft), habe ich eben versucht, meine Kollegen davon zu überzeugen, (dass wir uns) an der Europäischen Union orientieren (sollten). Ich hoffe, dass Sie mich diesbezüglich unterstützen werden.

Wir schätzen Ihre Tätigkeit sehr hoch ein. Kasachstan ist bereit, die Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern auszubauen, damit sie für beide Seiten - für Deutschland und für Kasachstan - nützlich ist.

Heute werden außer diesem Abkommen noch fünfzig Wirtschaftsverträge mit einem Gesamtvolumen von 4 Milliarden Euro unterzeichnet. Das ist ein wirklicher Durchbruch in den Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern. Kommen Sie und arbeiten Sie bei uns an den Bodenschätzen, in der Chemie, an den Seltenen Erden, in der Pharmazeutik, in der Metallurgie oder im Bereich Erdöl und Gas! Wir bitten die deutsche Seite, deutsche Technologien und deutsche Maschinen nach Kasachstan zu bringen.

Noch einmal ganz herzlichen Dank für Ihre Gastfreundschaft, und vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Präsident, Deutschland ist ein großer Warenexporteur - fast so groß wie China, kann man sagen -, und Kasachstan versucht, seine Wirtschaft zu diversifizieren, und forciert den Ausbau der Industrie, um exportfähiger zu werden. In diesem Zusammenhang folgende Frage: Wie können unsere beiden Wirtschaften zusammenarbeiten?

Gestern wurde ja ein neuer Club geschaffen, der Eurasische Club Berlin. Kann dieser Club zu einer Art Thinktank und zu einem effektiven Motor der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan werden?

BK'in Merkel: Ich glaube, dass dieser Club jedenfalls ein Instrument der engeren Zusammenarbeit und auch des besseren Kennenlernens werden kann. Insofern ist es sicherlich sehr gut, wenn wir neben den Regierungskonsultationen oder neben den Regierungskontakten auch solche Institutionen haben, in denen Fragen beiderseitigen Interesses diskutiert werden können. Es ist auch sehr gut, dass der Präsident daran teilgenommen hat.

Was die Entwicklung unserer Wirtschaftsbeziehungen anbelangt, so messe ich dem Rohstoffabkommen eine breite Bedeutung bei; denn wir werden nicht nur im Rohstoffbereich, also in der Ausbeutung der Rohstoffe, von diesem Abkommen profitieren, sondern Deutschland wird seinerseits Kasachstan auch Technologiekenntnisse und industrielle Fähigkeiten zur Verfügung stellen. So soll das also ein beiderseitiges Nehmen und Geben sein.

Ich glaube, das ist eine Partnerschaft, die wir auch auf weitere Bereiche ausdehnen sollten. Unsere Wirtschaft wird sich auch bereiterklären, so denke ich, im Bereich der Ausbildung hilfreich zu sein. Wir haben heute über das Thema der dualen Ausbildung gesprochen. Das heißt, gerade auch junge Leute in Kasachstan sollen eine gute Ausbildung bekommen, um in den verschiedenen Bereichen der Industrie tätig zu sein.

Wir können uns vorstellen, auch beim Ausbau der Infrastruktur noch besser mit dabei zu sein. Hier haben andere Länder schon einen Vorlauf, aber auch Deutschland hat im Bereich der Infrastruktur sehr gute Möglichkeiten. Vom Eisenbahnsystem bis zu anderen Dingen können wir sicherlich auch hier gute Partner sein.

Ich glaube insofern, dass wir noch viele Möglichkeiten der engeren Zusammenarbeit haben.

P Nasarbajew: Ich war gestern bei der Eröffnung dieses Clubs dabei. Das ist ein historisches Ereignis. Der Eurasische Club Berlins - so heißt dieser Club - kann eine Art Thinktank werden, ein Wissenschaftszentrum, in dem Experten an der Festigung der Beziehungen zwischen Europa und Asien arbeiten werden. Die Zollunion, die wir mit Belarus und Russland geschaffen haben, und der einheitliche Wirtschaftsraum können mit der Europäischen Union zukünftig zusammenarbeiten. Der Eurasische Club Berlin und das Institut für Politik bei der Stiftung des Ersten Präsidenten werden auch miteinander zusammenarbeiten. Das wird uns bereichern, das wird neue Ideen im Bereich der politischen, der gesellschaftlichen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit generieren. Wir sind bereit, diese Aktivitäten allseitig zu unterstützen.

Frage: Herr Präsident, man beobachtet immer wieder - und hörte es auch wieder von russischer Seite auf der Sicherheitskonferenz -, dass die Hand ausgestreckt wird und man im Sinne der Wertegemeinschaft vielleicht frühere Sowjetrepubliken außen-, sicherheits- und auch wirtschaftspolitisch wieder enger an Moskau zu binden versucht. Spüren Sie diese Umarmung? Mögen Sie sie? Oder gefährdet so etwas möglicherweise sogar Ihre Unabhängigkeit, die Sie nun zwei Jahrzehnte bewiesen haben?

Eine Zusatzfrage - vielleicht verraten Sie es an dieser Stelle -: Ich habe zweimal in Astana Ihre Hand in Marmor gesehen. Die Bevölkerung huldigt das. Was für ein Symbol steckt dahinter, dass in diesem Gebäude Ihre Hand zu besichtigen ist?

Frau Bundeskanzlerin, sind heute Gestaltungskonzepte von Ihrem Außenminister vorgestellt worden? Einerseits soll alles bilateral angesprochen werden, andererseits soll Respekt gegenüber jedem Land bezeugt werden. Was lässt dieser Respekt trotzdem noch in Sachen Menschenrechtsthematisierung, Rechtsstaatlichkeit etc. zu? Ist der Grat nicht ziemlich schmal?

BK'in Merkel: Ich darf noch einmal darauf hinweisen, dass drei Fragen in einer relativ umfänglich sind.

P Nasarbajew: Wir alle, Kasachstan und die anderen Republiken in Zentralasien, leben seit 200 Jahren mit Russland - mit dem zaristischen Russland und dann mit der Sowjetunion - zusammen. Wir wollen diese Periode vergessen, und Sie erinnern uns immer wieder daran. Wir wollen diese Periode vergessen. Wenn wir zum Vorteil unserer Wirtschaft Integration betreiben, dann sehen Sie darin die Gefahr, dass die Sowjetunion wieder hergestellt werden soll. Aber keiner sieht eine Gefahr in der Europäischen Union, dass Deutschland Griechenland zu stark umarmen könnte.

Es geht um eine rein ökonomische Zusammenarbeit, um eine vorteilhafte Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Wir haben die Zollbarrieren beseitigt, damit die Waren zirkulieren können und es eine freie Bewegung für Kapital, Waren und Dienstleistungen gibt. Wir haben uns geöffnet. Wenn ein deutsches Unternehmen ein Werk in Kasachstan baut, umfasst das einen Markt mit 165 Millionen Menschen. Im ersten Jahr der Arbeit der Zollunion ist unser Warenumsatz mit Russland und Belarus um 40 Prozent gewachsen. Das ist das Problem. Es geht hier um eine ganz normale wirtschaftliche Integration. Das ist keine politische Union. Davon kann nicht die Rede sein. Wenn man fragt "Wie kann man die Sowjetunion wieder herstellen?", müsste man die Kommunistische Partei, die kommunistische Ideologie, den Staatsplan wieder herstellen. Das ist Vergangenheit.

Was die Hand anbetrifft: Wer hat Ihnen gesagt, dass das meine Hand ist? Vielleicht ist das ja Ihre Hand. Es gibt bei den Kasachen im Orient eine Tradition. Wir waren Sonnenanbeter, Mondanbeter, Feueranbeter. Man betet eben etwas an, und da hat man diese Hand gemacht. Belassen Sie die Hand dort. Oder stört sie Sie?

BK'in Merkel: Ich glaube, der Herr wollte nur eine Erklärung, was es mit der Hand auf sich hat und was das für ein Symbol ist.

P Nasarbajew: Ein privates Unternehmen baut ein Objekt. Um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, errichtet man diese Hand und sagt: Das ist die Hand des Präsidenten. Sie wissen ja, wie das ist. Man kann sie berühren und sich etwas wünschen. Dann geht der Wunsch vielleicht in Erfüllung.

BK'in Merkel: Was meine Frage anbelangt, so ist die deutsche Außenpolitik immer wertegebunden. Deshalb sprechen wir bei allen wirtschaftlichen Interessen natürlich genauso über Menschenrechte und die Einhaltung demokratischer Prinzipien. Wir haben das heute zum Beispiel wieder mit Kasachstan gemacht. Ich habe immer darauf geachtet, dass wir Antworten bekommen. Ich glaube, das war heute, was zum Beispiel die Frage der Wahlbeobachtung und Ähnliches angeht, eine sinnvolle und gute Diskussion. Das wird in der deutschen Außenpolitik auch weiter so gang und gäbe und Usus sein.

P Nasarbajew: Gestatten Sie, dass ich auch auf diese Frage antworte, denn man wird sie mir sowieso stellen.

Was die Demokratie in Kasachstan anbetrifft, möchte ich einige Worte dazu sagen. 200 Jahre - weder im zaristischen Russland noch in der Sowjetunion - gab es keinerlei liberale Politik und keine liberale Wirtschaft, niemals. Sie in Europa haben das bereits seit einigen Jahrhunderten. Und Sie erwarten von uns, dass wir innerhalb von zehn Jahren so werden wie Sie. Wir haben Traditionen. Wir müssen die Psychologie der Menschen verändern. Wir brauchen eine neue Generation. Es hat niemals Wahlen gegeben. Jetzt haben wir offene Wahlen in unserem Parlament mit zwei Kammern. Wir haben ein Mehrparteiensystem. Drei Parteien sind im Parlament vertreten. Wir haben keine politischen Gefangenen, keine Zensur. 95 Prozent der Medien befinden sich in Privatbesitz. Sie arbeiten frei. Politische Parteien können gegründet und Versammlungen können durchgeführt werden.

Schreiben Sie uns einmal einfach auf, was Sie von uns allen - von Kasachstan - wollen. Was wollen Sie von uns? Ich bin der Ansicht: Das, was wir erreicht haben, ist schon sehr viel. Für uns ist die Demokratie nicht der Anfang des Weges, sondern sein Ende. Unser Glas ist im Augenblick nur halb voll. Man sollte nicht nur unser Land, sondern vergleichbare Länder in dem Gedanken unterstützen, Demokratie aufzubauen. Wir hatten Parlamentswahlen. Man hat die Transparenz, die Fairness, die Korrektheit dieser Wahlen (bestätigt). Auch Bundestagsabgeordnete sowie Vertreter aus den USA, aus Frankreich und Großbritannien haben das unterstrichen. Das war eine korrekte, eine faire Wahl.

Es gibt eine Menschenrechtsorganisation (in Kasachstan). Wir hatten 2010 die OSZE-Präsidentschaft inne. Ich wusste nicht, wer diese Organisation eigentlich eingesetzt hat. Wir sind ja beide OSZE-Mitglieder. Wir hatten damit nichts zu tun. Die Meinung einer Organisation, die gewisse Aufträge erfüllt, ignorieren wir ganz einfach.

Vielleicht interessiert Sie, was in ....(akustisch unverständlich) geschehen ist. Stellen Sie sich vergleichsweise eine kleine Stadt in Deutschland mit 100.000 Einwohnern vor, in der die Menschen einfach friedlich auf die Straße gehen, um ihren ökonomischen Forderungen gegenüber ihren Arbeitgebern Ausdruck zu verleihen. Gleichzeitig wird der Tag der Unabhängigkeit begangen. Es gibt eine Festveranstaltung. Dann kommen mehrere Dutzend junge Menschen, die auch noch angetrunken sind, und fangen an, Menschen zusammenzuschlagen - darunter auch Kinder -, Mikrofone zu zertrampeln und unsere Polizisten niederzuschlagen, von denen nur ganz wenige anwesend gewesen sind. Was würde denn die deutsche Regierung in einem solchen Fall unternehmen? Die deutsche Regierung würde sicherlich für die Sicherheit ihrer Bürger sorgen. Genauso haben wir es getan.

Ich war vor Ort. Es ist bedauerlich, dass Menschen ums Leben gekommen sind. Ich bin dahin gefahren, um mein Mitgefühl auszudrücken. Die Staatsanwaltschaft hat eine Kommission eingerichtet. Wir haben auch ausländische Experten eingeladen, um die ganze Sache ehrlich zu untersuchen. Ich verspreche Ihnen, dass diese Untersuchung stattfinden wird. Innerhalb unserer 20-jährigen Unabhängigkeit hatten wir solche Vorfälle nicht. Aber jetzt ist es passiert.

Frage: In einzelnen Regionen der Welt kommt es zu verschiedenen sozialen und interethnischen Konflikten. Von hohen Tribünen spricht man einschüchternd. Es werden Ultimaten gestellt. Deutschland will die moderne Welt reformieren und versucht, ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat zu werden. Stimmt es mit der außenpolitischen Doktrin überein, dass Kasachstan eine Anti-Atompolitik durchführt? Ist es, was den interethnischen, den interreligiösen Frieden in Kasachstan anbetrifft, möglich, dass die Bundesrepublik Deutschland und Kasachstan in diesen Bereichen ebenfalls zusammenarbeiten?

BK'in Merkel: Was die nukleare Abrüstung anbelangt, haben wir auf dem Gipfel, den Präsident Obama in den Vereinigten Staaten von Amerika abgehalten hat, sehr eng zusammengearbeitet und gemeinsame Erklärungen verabschiedet. Wir haben auch immer wieder gesagt, dass wir es vorbildlich finden, wie Kasachstan mit dem Erbe der Sowjetzeit im Blick auf die nukleare Bewaffnung umgeht. Ich glaube, dass wir in diesem Bereich in Zukunft durchaus weiter sehr eng zusammenarbeiten werden. Ich glaube, dass die Konversion in Kasachstan, wenn man das so nennen kann, sehr, sehr gut und sehr transparent abgelaufen ist und dass das ein gutes Beispiel für andere Länder sein könnte.

Frage: Herr Nasarbajew, es gibt zurzeit Sorgen, was Ihren gesundheitlichen Zustand angeht. Können Sie etwas dazu sagen? Können Sie uns beruhigen? Sie sehen sehr vital aus.

P Nasarbajew: Ich musste mich medizinisch untersuchen lassen; das wurde in den Zeitungen veröffentlicht. Der Arzt hat gesagt, dass man seinerzeit mit einer solchen Gesundheit noch zum Militär einberufen wurde. Um einen Präsidenten oder um einen Staats- und Regierungschef ranken sich immer solche Fragen. Die einen denken so, die anderen denken anders. In meinem Fall kann ich sagen: Gott sei Dank ist mit meiner Gesundheit alles in bester Ordnung.

Ich bin schon sehr lange auf dem Posten. Ich habe gestern im Eurasischen Club Berlin einen Scherz gemacht. 1992 kam Herr Genscher zum ersten Mal in unser Land und hat uns zur Unabhängigkeit beglückwünscht. Wir haben die ersten Verhandlungen geführt. Er hat mir damals gesagt, dass er seit 18 Jahren Bundesminister des Auswärtigen sei und dies die längste Dienstzeit in Europa sei. Er wünschte mir, noch länger im Amt zu sein. Seitdem bin ich seit 20 Jahren im Amt.

BK'in Merkel: Danke schön!


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 8. Februar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/02/2012-02-07-pk-bkin-nasarbajew.html;jsessionid=72C65728D7A93DFF7CF962A7977EC7AF.s3t2?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2012