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PRESSEKONFERENZ/383: Regierungspressekonferenz vom 29. Februar 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. Februar 2012
Regierungspressekonferenz vom 29. Februar 2012

Themen: Kabinettssitzung (Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren, Änderung der Solarstromförderung und andere Änderungen im EEG, Deutsches Ressourceneffizienzprogramm, 29. Jahresabrüstungsbericht, deutsches Aktionsprogramm 2012 im Rahmen des Pakts für den Euro)
weitere Themen: EU-Beitrittskandidatenstatus für Serbien, neues Konzept des Auswärtigen Amtes für die Europa-Kommunikation 2012, Finanzhilfen für Griechenland, Tarifeinheit, Vorratsdatenspeicherung, Berichterstattung über Finanzminister Schäuble im Bundestag, Beziehungen Deutschlands zu Weißrussland, Ausweitung des Mandats der Mission Atalanta

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Schlienkamp (BMWi), Kotthaus (BMF), Westhoff (BMAS), Dienst (BMVg)


Vorsitzender Fichtner eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Das Kabinett hat sich zunächst mit dem wichtigen Thema "Planung von Großprojekten und Bürgerbeteiligung" beschäftigt. Vor allem bei Großvorhaben, deren Bedeutung über die Region, in der sie stattfinden, oft hinaus reicht, werden ja die bestehenden Formen der Öffentlichkeitsbeteiligung von vielen Bürgerinnen und Bürgern als nicht mehr ausreichend empfunden. "Stuttgart 21" war, denke ich, für alle ein lehrreiches Beispiel. Es ist ein zunehmendes Interesse der Bürgerinnen und Bürger an frühzeitiger Beteiligung, frühzeitiger Mitsprache festzustellen, und die Bundesregierung will nun durch die Einführung einer früheren Öffentlichkeitsbeteiligung die Planung solcher Großvorhaben verbessern. Sie wird Transparenz schaffen und letztlich auch dazu beitragen, dass solche Genehmigungs- und Planfeststellungsentscheidungen dann auch besser akzeptiert werden.

Dazu hat das Kabinett heute das Gesetz zur Verbesserung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Vereinheitlichung von Planfeststellungsverfahren beschlossen. Neu ist daran die Einführung einer frühen Öffentlichkeitsbeteiligung durch den Vorhabenträger noch vor dem Beginn des eigentlichen Genehmigungsverfahrens, also vor der förmlichen Antragstellung. Damit soll frühzeitig die Entstehung von Konflikten vermieden werden oder es sollen bestehende Konflikte gemildert, gar beseitigt werden. Damit wird also das eigentliche Genehmigungs- und Planfeststellungsverfahren entlastet und die gerichtliche Anfechtung von Behördenentscheidungen reduziert. Nach unserer Überzeugung liegt das im Interesse all derjenigen, die solche Großprojekte vorhaben, der Genehmigungsbehörden, aber vor allem auch der betroffenen Bürger. Mit den Regelungen sollen insbesondere Großvorhaben zum Beispiel im Bereich der Infrastruktur und der Energieversorgung künftig sowohl zügiger als auch mit stärkerer, verbesserter Bürgerbeteiligung verwirklicht werden.

Das nächste Thema im Bundeskabinett war eine vom Bundesumweltministerium vorgelegte Formulierungshilfe für die Fraktionen zur Änderung der Solarstromförderung und zu anderen Änderungen im EEG. Wie Sie wissen, kam es bei Fotovoltaikanlagen 2010 und 2011 aufgrund stark fallender Preise zu einem erheblichen Zubau von Neuanlagen. Das Erfreuliche daran ist: Deutschland ist Technologieführer. Trotzdem hat diese Situation eine Reaktion der Politik notwendig gemacht. Durch die Änderungen, die diese Formulierungshilfe nun vorsieht, soll es möglich sein, den weiteren Zubau von Fotovoltaikanlagen sozusagen auf den ursprünglich avisierten Ausbaupfad zurückzuführen und eine weitere Überförderung zu vermeiden. Das begrenzt die Kosten des weiteren Zubaus, entlastet die Stromverbraucher und - ein wichtiger Punkt, der vielleicht zu selten erwähnt wird - vermeidet vor allem auch Risiken für die lokale Netzstabilität. Von einem sehr starken Zubau von Anlagen in der Fotovoltaik geht nämlich für diese lokale Netzstabilität oft ein erhebliches Risiko aus.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Vertrauensschutz im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens - diese Formulierungshilfe wird ja nun dem Parlament zugeleitet - vom Bundestag selbst ausgestaltet werden wird. Bundeswirtschaftsminister Rösler hat in der Kabinettssitzung zusätzlich noch hervorgehoben, dass es durch die nun nur noch anteilige Förderung endlich gelänge, auch die Marktintegration der Fotovoltaik voranzutreiben.

Wir sind damit schon ein bisschen beim Thema der Ressourcen, was gut dazu passt, dass das Kabinett heute das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm beschlossen hat. Erstmals gibt dieses Programm einen Überblick über vorhandene Aktivitäten. Es identifiziert Handlungsbedarf und beschreibt Handlungsansätze und Maßnahmen zur Steigerung der Ressourceneffizienz. Dabei betrachtet es die gesamte Wertschöpfungskette. Natürliche Ressourcen - wir sprechen hierbei von nicht fossilen Rohstoffen - sind wesentliche Produktionsfaktoren und wesentliche Grundlagen unseres Wohlstands.

Um Ihnen eine Vorstellung von den Dimensionen zu geben, über die wir sprechen: Weltweit wurden im Jahr 2009 68 Milliarden Tonnen solcher Rohstoffe eingesetzt. Weltweit hat sich der Rohstoffeinsatz seit Ende der 1970er-Jahre verdoppelt. In Deutschland gibt es eine interessante Entwicklung. In Deutschland ist es nämlich in den letzten zehn Jahren gelungen, bei beträchtlichem Wirtschaftswachstum trotzdem weniger solcher Rohstoffe einzusetzen, dies also zu entkoppeln. Nachhaltiger Umgang mit Ressourcen ist eine Stärke des deutschen Wirtschaftssystems und soll noch stärker eine Stärke werden. Dazu dient dieses Deutsche Ressourceneffizienzprogramm, das zahlreiche Maßnahmen beschreibt, wie die Nachhaltigkeit und die Effizienz im Umgang mit Ressourcen noch gesteigert werden können. Beispiele dafür sind der Ausbau der Effizienzberatung für kleine und mittlere Unternehmen, die Unterstützung von Umweltmanagementsystemen, die vermehrte Berücksichtigung von Rohstoffaspekten in Normungsprozessen, die Stärkung freiwilliger Produktkennzeichen und Zertifizierungssysteme sowie die Verstärkung von Technologie und Wissenstransfer in Entwicklungs- und Schwellenländer.

Das nächste Thema im Kabinett war der 29. Jahresabrüstungsbericht, den der Außenminister seinen Kollegen vorgelegt hat und der dann beschlossen wurde, also ein Bericht, der den Stand der deutschen Bemühungen um Rüstungskontrolle, um Abrüstung und Nichtverbreitung sowie um die Entwicklung der Streitkräftepotenziale auflistet. Das ist eine umfassende Darstellung zentraler Entwicklungen auf diesen Gebieten sowie der Politik der Bundesregierung in diesen Bereichen. Er wird in Kürze auch auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes eingestellt werden, wird dann auch als Broschüre veröffentlicht werden und kann von Ihnen allen gelesen werden. Außerdem wird er natürlich dem Bundestag zugeleitet.

Anschließend hat Bundeswirtschaftsminister Rösler dem Kabinett das deutsche Aktionsprogramm 2012 im Rahmen des Pakts für den Euro, auch bekannt als Euro-Plus-Pakt, vorgestellt. Sie wissen: Dieser Pakt, beschlossen im März 2011, hat zum Ziel, Maßnahmen anzustoßen, die in nationaler Kompetenz liegen, die der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit dienen, der Förderung der Beschäftigung, der langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen oder auch der Stärkung der Finanzstabilität. Das deutsche Programm für 2012 enthält - ich will es Ihnen nur ganz kurz sagen - folgende sieben Maßnahmen: Erstens wird Deutschland das mittelfristige Haushaltsziel bereits im Jahr 2012 erreichen. Deutschland ist außerdem beim Abbaupfad der Schuldenbremse sozusagen vor der Kurve: Es wird diesen Abbaupfad auch im Jahr 2013 unterschreiten. Zweitens geht es um die Korrektur des Einkommensteuertarifs in zwei Schritten, nämlich zum 1. Januar 2013 und dann zum 1. Januar 2014. Drittens geht es um das Gesetz zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht, das 2013 Kraft treten soll. Viertens geht es um die Wiederaktivierung des Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin mit dem Ziel, die Finanzmarktstabilität auch im Falle einer systemischen Krise zu sichern. Fünftens geht es um die Absicht der Bundesregierung, die Finanzierung von Wagniskapital in Deutschland bis Mitte 2013 zu stärken. Insbesondere wird der Grundstein für eine verbesserte Investitionsförderung für Business Angels schon in diesem Jahr gelegt. Sechstens wird nach Einschätzung der Bundesregierung auf der Basis der aktuellen gesamtwirtschaftlichen Projektion 2012 der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung Anfang 2013 erneut sinken können. Siebtens geht es um eine Vielzahl oder eine Reihe von Maßnahmen, die die Bundesregierung ergreift, um die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte aus Drittstaaten noch in diesem Jahr deutlich zu erleichtern und unbürokratischer zu gestalten. - So weit die substanziellen und relevanten Maßnahmen, die Deutschland den europäischen Partnern als seinen Beitrag zum Pakt für den Euro 2012 meldet.

Außenminister Westerwelle hat anschließend noch über den Allgemeinen Rat der Außenminister am 28. Februar berichtet, der ja empfohlen hat, Serbien den Kandidatenstatus für die EU zu geben. Die Bundesregierung hat sich für diesen Kandidatenstatus eingesetzt. Es gibt Entwicklungen zwischen Serbien und dem Kosovo, eine Einigung zwischen beiden Ländern, die wir als sehr positiv betrachten. Die betrifft wesentliche Problemgebiete wie die gemeinsame Verwaltung der Grenze, eine Einigung über den Namen, unter dem Kosovo gemeinsam mit Serbien an regionalen Foren teilnehmen kann, sowie auch ganz physisch die Entfernung von Barrikaden. Das sind Maßnahmen von praktischer und von symbolischer Bedeutung. Dies kann aus Sicht der Bundesregierung nur der Beginn der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo sein, aber dieser Beginn ist jetzt immerhin zu sehen, was wir ausdrücklich begrüßen. Damit kann die Bundesregierung angesichts des Ergebnisses der Direktgespräche dem Kandidatenstatus für Serbien zustimmen. - So weit der Vortrag des Außenministers in der Kabinettssitzung und auch meiner.

Schäfer: Außenminister Westerwelle hat heute das Kabinett auch darüber unterrichtet, dass er im Auswärtigen Amt ein neues Konzept für die Europa-Kommunikation 2012 umsetzen wird. Es geht darum - es wird Sie nicht überraschen, dass ich das sage -, dass Europa zurzeit in jeder Hinsicht in einer Phase der Bewährung ist, die aus unserer Sicht prägend für die Zukunft Europas ist. Wie wir heute über Europa reden, handeln und denken, wird auf Jahre hinaus entscheiden, wie unsere Nachbarn in der Welt und auch wir in Deutschland auf Europa schauen. Einfach die Krise zu lösen, reicht deshalb aus Sicht des Außenministers nicht aus. Wir müssen über die Krise hinaus denken und dürfen zugleich in der Hitze der sachlichen Auseinandersetzung nicht durch unbedachte Debattenbeiträge infrage stellen, was in jahrzehntelanger europäischer Verständigungspolitik geleistet wurde. Deshalb zielt dieses Konzept darauf ab, das Bild Deutschlands in Europa zu schärfen und zu verbessern, gleichzeitig das Europabild in Deutschland zu verbessern und schließlich auch den Blick, den die Welt auf Europa richtet, zu verbessern.

Der Ansatz, den wir dabei verfolgen werden, ist ein breiter. Wir wollen zuhören. Wir wollen das offene Gespräch führen. Wir wollen neue Medien einführen. Auf Reisen des Außenministers und von Staatsminister Link wird es in Zukunft regelmäßig Reden geben, in denen die deutsche Position zur Eurokrise dargestellt wird; das ist ja in den letzten Monaten auch schon vermehrt geschehen. Insgesamt geht es darum, neue Impulse für eine zukunftsgerichtete Europadebatte in Deutschland und in Europa in Gang zu setzen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Schäfer zum Jahresabrüstungsbericht. In Kürze wird der ins Internet gestellt werden. Können Sie das präzisieren? Vielleicht können Sie schon vorab sagen, inwieweit der Bericht auf die neue weltweite Aufrüstung mit einer Zunahme der Rüstungsausgaben um 60 Prozent im vergangenen Jahrzehnt eingeht und inwieweit deutsche Rüstungsfirmen an diesen Geschäften beteiligt sind.

Schäfer: Ich kann Ihnen nicht genau sagen, wann er ins Internet gestellt werden wird. Sie können sicher davon ausgehen, dass das unverzüglich geschehen wird. Das ist ja ein Dokument, bei dem es gar nichts zu verbergen gibt. Ich gehe eigentlich davon aus - das muss ich checken; das werden mir die Kollegen sicherlich auch gleich per SMS mitteilen können -, dass er schon im Internet ist. Ja, der Bericht ist bereits online, schreiben die Kollegen. Sie können ihn also auf der Webseite www.diplo.de sofort abfragen.

Sein Inhalt ist selbstverständlich Ausfluss der Koalitionsvereinbarung der Regierung vom Herbst 2009. Die Bundesregierung hat sich in dieser Koalitionsvereinbarung dazu bekannt, sich aktiv und konstruktiv um Schritte für mehr Abrüstung zu bemühen. Es gibt eine Reihe von Bereichen, in denen wir das auch ganz konkret tun; ich will nur einige erwähnen. Dabei geht es natürlich um das Thema Abrüstung im Rahmen der Nato. Sie wissen vielleicht, dass es zurzeit in Vorbereitung des Nato-Gipfels in Chicago im Mai schon seit einiger Zeit, nämlich seit dem Treffen der Außenminister der Nato im April des letzten Jahres, eine intensive Diskussion in den Gremien der Nato über ein neues Nato-Abschreckungs- und Verteidigungsdispositiv gibt. In diesem Rahmen geht es für die Bundesregierung ganz besonders darum, dass wir dort das Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt verankern und Diskussionen darüber führen, wie sich das auch institutionell in den Strukturen der Nato wiederfindet.

Im Bereich der nuklearen Abrüstung und der Nichtverbreitung bleibt es dabei, dass sich die Bundesregierung weiterhin dafür einsetzt, dass es möglichst bald möglichst weitgehende Abrüstungs- und Transparenzvorschläge gibt. Dabei beziehen wir ausdrücklich auch die substrategischen Nuklearwaffen mit ein, die sich unter anderem in Europa befinden. Es bleibt dabei, dass das klare Ziel der Bundesregierung in ihrer Abrüstungspolitik, aber natürlich auch in ihrer Rüstungsexportpolitik ist, dass wir uns am Ziel einer Welt mit weniger Waffen orientieren. Das finden Sie dann im Detail ausbuchstabiert auch in dem Bericht, den Sie, wie gesagt, online finden können.

Zusatzfrage: Offenkundig kommt man diesem Ziel nicht wirklich näher. Darum der Verweis auf die aktuellen Berichte über die Zunahme der weltweiten Aufrüstung. Welche Schlussfolgerungen zieht der Bericht daraus?

Schäfer: Niemand, auch nicht die Regierungskoalition im Herbst 2009, als die Vereinbarungen zum Thema Abrüstung getroffen worden sind, hatte eine Illusion darüber, dass dies ein einfaches Unterfangen würde. Das Thema Abrüstung ist und bleibt ein Thema des Bohrens dicker Bretter. Die Bundesregierung ist bereit, diese dicken Bretter zu bohren. Das Bohren dicker Bretter im Bereich der Abrüstung geht nur im multilateralen Rahmen. In diesem Rahmen wird sich die Bundesregierung mit allem Nachdruck dafür einsetzen, dass ihre Vorstellungen von einer Welt mit immer weniger Waffen tatsächlich umgesetzt werden können.

Frage: Herr Seibert, ich wüsste gerne, ob Herr Rösler und Frau Merkel heute ihren traditionellen Tee vor der Kabinettssitzung zu zweit genommen haben, oder ob die Bundeskanzlerin den Termin gestrichen hat, weil sie sauer auf Herrn Rösler ist.

StS Seibert: Natürlich hat das viertelstündige Gespräch der Kanzlerin mit dem Vizekanzler, wie immer mittwochs vor dem Kabinett, stattgefunden. Es gibt so viele Sachthemen zu besprechen. Die Kabinettsarbeit zeigt ja, dass das Kabinett heute sehr produktiv war. Das Treffen hat stattgefunden.

Zusatzfrage: Haben Sie den Eindruck, dass sich die beiden dabei ausgesprochen haben?

StS Seibert: Ich habe überhaupt keinen Eindruck, weil ich bei dem Treffen nicht dabei war. Ich habe aus der Kabinettssitzung, bei der ich dabei war, den Eindruck, dass diese Bundesregierung sehr emsig bei der Arbeit ist und gute Ergebnisse vorlegt.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Schäfer zum Konzept für Kommunikation in Europa. In dem Dokument, das Sie vorgelegt haben, ist die Rede davon, dass in einigen europäischen Nachbarländern Ängste vor einer deutschen Hegemonie wach geworden seien und dass man aktiv etwas dagegen tun müsse. Meine erste Frage: Wo ist das nach der Analyse des Auswärtigen Amtes so der Fall? Die zweite Frage: Es soll auch in Deutschland Town Hall Meetings geben. Können Sie mir sagen, ab wann sie stattfinden sollen und wie man sich das vorstellt?

Schäfer: Man muss nur die Presselage in dem einen oder anderen unserer Partnerstaaten in der Europäischen Union in den letzten Monaten verfolgen oder den einen oder anderen Presseartikel nachlesen, den es in den letzten Monaten in den deutschen Medien gegeben hat, um auf dieser Grundlage feststellen zu können, dass aus unserer Sicht in Europa der faire Umgang miteinander - bei all dem Ringen um eine Lösung der aktuellen Probleme - bedauerlicherweise nicht mehr den Stellenwert genießt, wie er ihn einmal genossen hat.

In den verschiedenen Partnerstaaten von uns gibt es hier und da Vertreter bestimmter gesellschaftlicher Gruppen - zum Teil aus der Politik, auch aus der Wirtschaft und den Medien -, die sich in einer Weise zu wichtigen Fragen der europäischen Zukunft einlassen, die wir für bedauerlich halten. Dieses Konzept soll dem Ziel dienen, denjenigen, die sich in dieser Weise eingelassen haben und die womöglich auch meinungsbildend über die Grenzen der einzelnen Mitgliedstaaten hinaus wirken, sozusagen eine Gegenidee der europäischen Zukunft entgegenzuhalten, nämlich die Idee der Bundesregierung, dass Europa nicht nur unsere Zukunft, sondern die Zukunft aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union und darüber hinaus ist.

Des Weiteren ist es uns wirklich wichtig, deutlich zu machen, dass Deutschland in keiner Weise die Absicht hat - anders als dies in der einen oder anderen Presseinformation immer wieder verlautbart wird -, eine Art Herrenrolle in Europa einzunehmen. Das wollen wir nicht, und das werden wir nicht tun. Wir möchten in unserer konkreten Politik, aber auch in der Kommunikation über unsere Politik genau das deutlich machen.

Deutschland ist ein konstruktiver Partner der anderen Mitgliedstaaten in der Europäischen Union. Deutschland spielt ohne jeden Zweifel eine ganz wichtige Rolle bei allen Fragen, die zurzeit anstehen. Aber Deutschland nimmt für sich nicht in Anspruch, eine Führungsrolle wahrzunehmen, die unangemessen ist.

Zu der zweiten Frage will und kann ich Ihnen gar keine Details nennen, weil das alles selbstverständlich noch in Planung begriffen ist. Der Begriff "Town Hall Meeting" ist ein Beispiel dafür, in welcher Weise wir versuchen wollen, neue und moderne Kommunikationskonzepte, nämlich die Konzepte einer Interaktion und nicht sozusagen einer einseitigen Kommunikation, ins Werk zu setzen mit dem Ziel, einen wirklichen Dialog in Gang zu bringen, der vielleicht auch neue Ideen produziert, die wir dann gemeinsam vertreten können.

Zusatzfrage: Wenn jetzt ein solches Konzept auf 13 Seiten dargelegt wird: Ist das die Erkenntnis, dass die Bundesregierung da bisher zu wenig gemacht hat oder dass da Sachen falsch gelaufen sind?

Schäfer: Gar nicht. Es ist die Erkenntnis, dass es - ich habe versucht, das eingangs der Beantwortung Ihrer ersten Frage zu beschreiben - in den letzten Monaten angesichts der Entwicklungen und der Krisen, mit denen wir uns nun tagtäglich beschäftigen - Sie als Vertreter der Medien, wir als Vertreter der Regierung -, Klischees und neue Stereotypen gibt. Wir wollen uns mit allem Nachdruck darum bemühen, diesen Klischees und Stereotypen entgegenzuwirken. Das ist eine Herausforderung, der wir uns ganz besonders im Jahr 2012 stellen wollen, gerade weil die von mir angesprochenen Herausforderungen in der letzten Zeit entstanden sind und wir ihnen aktiv begegnen möchten.

Frage: Herr Schäfer, noch eine kurze Frage: Sie haben gerade gesagt, Deutschland nehme für sich nicht in Anspruch, eine Führungsrolle wahrzunehmen, die unangemessen sei. Geht es grundsätzlich darum, dass Deutschland keine Führungsrolle in Europa übernehmen will?

Im Zusammenhang damit noch eine Frage an das Verteidigungsministerium: Der Verteidigungsminister spricht von einer neuen Führungsrolle, die Deutschland übernehmen soll, kann und muss. Gibt es jetzt eine neue Differenzierung zwischen den beiden Häusern?

Schäfer: Ich glaube, dass Sie das, was ich gerade gesagt habe, in keiner Weise überinterpretieren sollten. Selbstverständlich hat Deutschland in der Geschichte des europäischen Einigungsprozesses eine wichtige Führungsrolle gespielt. Immerhin ist Deutschland ein Gründungsmitglied der Europäischen Gemeinschaft. Selbstverständlich spielt Deutschland in der Gegenwart eine wichtige Führungsrolle bei den Entscheidungen, die derzeit in allen Fragen der Europapolitik getroffen werden müssen und getroffen werden. Selbstverständlich wird Deutschland auch in Zukunft eine wichtige Rolle bei allen europapolitischen Fragen der Zukunft spielen. Worum es uns geht, ist - ich bin sicher, dass darüber Einigkeit besteht -, dass diese wichtige Führungsrolle in anderen europäischen Ländern nicht missverstanden wird als etwas, was wir nicht beabsichtigen. Ich habe versucht, das mit dem Adjektiv "unangemessen" zu beschreiben.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Wir lesen in den Agenturen, dass Herr Minister Rösler die Initiativen für mehr Wachstum in Griechenland für vorerst gescheitert erklärt hat. Stimmt das?

Schlienkamp: Ich habe in der vergangenen Woche zu genau dem Thema schon einmal Stellung genommen. Es ist wohl unbestreitbar so, dass neben dem Abbau der Schulden auch Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind, damit Griechenland wieder auf die Beine kommt. Sie wissen auch, dass das Bundeswirtschaftsministerium bereits im vergangenen Jahr der griechischen Seite ein sehr umfassendes Unterstützungsangebot gemacht hat. Ein Beispiel ist etwa der Aufbau einer Förderbank. Sie wissen, der Minister ist persönlich mit einer Wirtschaftsdelegation in Griechenland gewesen.

Unser Ressort hat mittlerweile eine Zwischenbilanz dieses Unterstützungsangebotes gezogen. Diese Bilanz, dieses Zwischenergebnis fällt ernüchternd aus. Das deutsche Unterstützungsangebot wird von der griechischen Seite offenbar nur sehr schleppend angenommen. Es genießt offenbar wenig Priorität. Mit Blick auf Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in Griechenland ist es jetzt umso bedeutender, dass die griechische Seite zu einer besseren Zusammenarbeit bereit ist. Sie wissen, dass Deutschland grundsätzlich immer zur Hilfe bereit ist. Aber die Bilanz ist eher ernüchternd.

Zusatzfrage: Ich stelle die Frage noch einmal: Ist diese Initiative für den Minister gescheitert? Das mit dem Papier aus dem Ministerium haben wir letzte Woche schon gehabt. Aber jetzt sind wir einen Schritt weiter. Wenn diese Initiative gescheitert ist, dann muss man jetzt einen Stopp machen.

Schlienkamp: Nein, sie ist ausdrücklich nicht gescheitert. Ich habe gerade gesagt: Dieses Zwischenergebnis ist aus unserer Sicht ernüchternd. Ich habe aber auch betont, dass die deutsche Seite grundsätzlich zu einem weiteren Unterstützungsangebot für Griechenland bereit ist, was Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit betrifft.

Zusatzfrage: Erstens. Gab es eine Frist, innerhalb derer man geprüft hat, was geschehen ist? Ist diese Frist abgelaufen, und kommt man nun zu diesem Ergebnis?

Zweitens. Welche konkreten Maßnahmen - abgesehen von der Förderbank - sind vorgeschlagen und nicht in Anspruch genommen worden?

Schlienkamp: Es gibt ausdrücklich keine Frist; die hat es auch nie gegeben. Vielleicht um einmal ein paar weitere Beispiele zu nennen: Sie wissen, dass wir in Gesprächen mit den griechischen Ministerien schon sehr weit fortgeschrittene Projekte angesprochen haben. Dabei ging es um Hemmnisse bei neuen Projekten.

Trotz einzelner Erfolge ist die Investitionsbereitschaft ausländischer Unternehmen in Griechenland nach wie vor leider nicht in dem notwendigen Maß gegeben. Das hängt auch mit wechselnden Zuständigkeiten auf der griechischen Seite zusammen.

Es hat dann die besagten Beratungsgespräche zum Aufbau einer Förderbank gegeben, und es hat Koordinierungsangebote gegeben. Auch sind konkrete Unterstützungsleistungen bei den Feldern Haushalt, Steuern, Verwaltung und Exportförderung angeboten worden. Aber leider ist die Nachfrage Griechenlands nach diesen konkreten Unterstützungsleistungen unverändert zurückhaltend.

Dennoch: Deutschland ist grundsätzlich bereit, Griechenland bei Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen. Umso wichtiger ist es jetzt, dass die griechische Seite zu dieser Zusammenarbeit bereit ist.

Fristen gibt es nicht.

Frage: Herr Schlienkamp, Herr Brüderle hat heute die Idee ins Spiel gebracht, dass so etwas Ähnliches wie das Modell der deutschen Treuhand auch in Griechenland eingeführt werden könnte. Gibt es in Ihrem Haus konkrete Vorstellungen darüber, wie so etwas umgesetzt werden könnte?

Schlienkamp: Ich kenne dieses Modell nicht. Von daher möchte ich es an dieser Stelle auch nicht bewerten.

Zusatzfrage: Ich habe gefragt, ob es in Ihrem Haus ein Modell gibt.

Schlienkamp: Das ist mir nicht bekannt.

Frage: Meine Frage richtet sich an das Finanzministerium. Die Derivateorganisation ISDA will morgen darüber entscheiden, ob es sich bei dem vereinbarten Schuldenschnitt für Griechenland um ein Kreditereignis handelt mit der Folge, dass Kreditausfallversicherungen in Milliardenhöhe fällig werden könnten. Die Frage ist: Löst das im Finanzministerium Besorgnis aus? Hat man sich auf die Entscheidung vorbereitet, die morgen getroffen wird?

Kotthaus: Wir haben in diesem Zusammenhang verschiedene Events. Wir reden von Ratingevents, Kreditevents und Ähnlichem mehr. Bei den CDS gibt es einen besonderen Ausschuss, der darüber entscheidet, wie zu verfahren ist. Das müssen wir einfach abwarten. Das ist ein unabhängiger Ausschuss, in dem verschiedene Mitglieder repräsentiert sind, die von den Operationen betroffen sind. Er entscheidet auf einer anderen Basis, aufgrund anderer Kriterien als zum Beispiel die Ratingagenturen. Wir warten ab.

Zusatzfrage: Können Sie die Dimensionen des Geschehens in irgendeiner Weise beschreiben? Um welche Summen geht es da? Wie viele CDS sind im Umlauf?

Kotthaus: Sie wissen selbst, dass gerade das Thema CDS ein eher schwieriges Thema ist, auch wegen der Dimensionen und der Frage, wie viele CDS wo und wie verfügbar sind. Auch darüber, wer sich gegenseitig CDS eingeräumt hat, kann ich im Moment keine valide Aussage machen.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert: Vor ungefähr einem Dreivierteljahr hat die Kanzlerin eine Initiative zur Tarifeinheit angekündigt und den Arbeitgebern sowie der Gewerkschaftsspitze in Deutschland versprochen, da täte sich demnächst etwas. Meine Frage: Wie weit hat die Kanzlerin dafür Sorge getragen, dass es seitens der Regierung einen Vorschlag zu einer Regelung gibt?

Das können Sie vielleicht gleich mit beantworten: Auf Wiedervorlage liegt noch das Thema Vorratsdatenspeicherung. Können Sie aus gegebenem Anlass mit Blick auf den Sonntagsgipfel, ohne dass ich Sie zum Koalitionsausschuss frage - zu dem sagen Sie ja nichts -, generell sagen: Ist man da - so wie in den letzten Monaten - weiter auf unbekannt gutem Wege, oder gibt es bei der Verständigung auf eine gemeinsame Linie zum Stichwort "Vorratsdatenspeicherung" inzwischen einen Fortschritt?

StS Seibert: Ich fange mit dem Letzten an. Beim Stichwort "Vorratsdatenspeicherung", die im Übrigen am Sonntag - so viel kann ich dann doch sagen - kein Thema sein wird, ist man weiter auf dem Wege der Verständigung. Die Sache ist aber noch nicht entscheidungsreif.

Zu Ihrer Frage nach der Tarifeinheit: Sie erinnern sich an eine Aussage der Kanzlerin vor einem Dreivierteljahr. Es ist eigentlich noch ein bisschen länger her. Die Kanzlerin hat sich im Herbst 2010 dazu geäußert. Sie hat damals nicht versprochen, dass sich etwas tun werde, sondern sie hat von ihrer persönlichen Überzeugung gesprochen, dass es da eine gewisse Regelungsnotwendigkeit gäbe. Das ist etwas anderes als ein Versprechen.

Ich glaube, zu dem Thema hat sich heute die Arbeitsministerin geäußert. Deswegen würde ich sagen: Die Haltung der Bundesregierung dazu sollte am besten das BMAS vortragen.

Westhoff: Ich kann gerne versuchen, in kurzen Worten zu wiederholen, was die Arbeitsministerin heute Morgen sehr öffentlich - zum einen im Fernsehen und zum anderen für alle hörbar am Rande der Arbeitsmarkt-Pressekonferenz - dazu hat verlautbaren lassen. Sie hat im Grunde genommen nur noch einmal dargelegt, dass eine Regelung - durchaus auch mit Blick auf die Ereignisse jetzt in Frankfurt - wieder in den Fokus kommt. Sie hat darauf verwiesen, wie komplex die Thematik insgesamt ist, dass es dort ganz gewichtige Güter, Interessen, Grundprinzipien und Funktionsprinzipien abzuwägen gilt. Es geht hier um verfassungsrelevante Güter, um schutzwürdige Interessen auf der Arbeitnehmerseite, aber auch der Gesamtgesellschaft, um funktionierende Infrastrukturen und Dienstleistungsstrukturen. Das ist nicht etwas, was man eben mal so aus dem Ärmel schüttelt.

Die Diskussion über dieses Thema war innerhalb der Bundesregierung und auch zwischen den Parteien, die die Koalition bilden, nie wirklich zu Ende. Es hat immer wieder Gespräche gegeben, die jetzt auf allen Ebenen noch einmal forciert werden. Dann wird man sehen, dass man recht schnell zu einer Einigung darüber kommt, ob man etwas verändern will und was man verändern will.

Frage: Herr Seibert, da Sie netterweise zur Tagesordnung des Koalitionsausschusses durch Ausgrenzung Stellung genommen haben, die Frage: Ist es die Kanzlerin oder ist es eine der Koalitionsparteien, die darauf drängen, das Thema Tarifeinheit für den Sonntag in die zu besprechende Liste der Themen aufzunehmen?

StS Seibert: Ich befürchte, ich kann tatsächlich nur per Ausgrenzung dieses einen Themas zur Klärung Ihrer Frage beitragen. An der Tagesordnung des Koalitionsausschusses wird noch gearbeitet. Wir werden Sie, so denke ich, gegen Ende der Woche informieren.

Frage: Herr Kotthaus, jetzt möchte ich Sie doch einmal zu der Bundestagsdebatte am Montag fragen. Spielt Ihr Minister häufiger Sudoku im Parlament, oder war das eine Ausnahme? Hat er trotzdem die Debatte verfolgt, oder fand er sie so langweilig, dass er etwas anderes gemacht hat?

Kotthaus: Ich muss gestehen: Ich finde die Frage ein bisschen kurios. Wenn ich auf meine eigenen zehn Tage zurückblicke, dann muss ich sagen, dass wir uns seit Montag der letzten Woche mehr oder weniger ununterbrochen um Griechenland, um das zweite Griechenland-Hilfspaket, ESM, EFSF und andere Themen mehr gekümmert haben. Wir haben wegen des Griechenland-II-Programms die Nacht von Montag auf Dienstag letzter Woche durchgemacht. Wir waren von Freitag bis Sonntag in Mexiko, um dort darzulegen, wie sich Europa aufstellt und die nachhaltige Stabilität und Sicherheit unserer gemeinsamen Währung sicherstellt. Wir sind dann zurückgeflogen, um wieder rechtzeitig im Bundestag zu sein. Wenn man sich einmal anguckt, wie viel Zeit wir allein in den letzten neun Tagen mit diesem Thema verbracht haben, dann habe ich große Mühe, über irgendeine Momentaufnahme, Momentsekunde zu reden. Verzeihen Sie mir, ich werde es auch nicht tun.

Frage: Herr Kotthaus, betrachtet Ihr Minister die filmische Dokumentation des Sudokus als eine Art von unangemessenem Lauschangriff? Das muss ich Ihrer Antwort entnehmen, weil Sie schon die Frage sozusagen durch körperliches Unwohlsein mit beantwortet haben. Ist das für den Minister eine zulässige oder eine unzulässige Form der öffentlichen Begutachtung?

Kotthaus: Wenn ich es richtig verstanden habe, auch anhand der Entschuldigung der ARD, dann ist es nach den Regeln, die der Bundestag für die öffentliche Berichterstattung vorgegeben hat, nicht zulässig, dass man einzelne Dokumente oder Ähnliches filmt. Deswegen kann man es dahingestellt sein lassen, wie der Minister das sieht. Es gibt eine allgemeine Regel, die einzuhalten ist.

Zusatzfrage: Ich muss nachfragen: Es hat eine förmliche Entschuldigung der ARD dafür gegeben?

Kotthaus: Nein, es hat einen Anruf bei mir gegeben, in dem gesagt worden ist, es täte einem leid.

Zusatzfrage: Von wem?

Kotthaus: Von dem Sender, der das gesendet hat.

Zusatzfrage: Ich habe gehört, man habe darauf hingewirkt, dass das nicht weiter gesendet wird und dass die Verbreitung gestoppt wird. Ist das richtig?

Kotthaus: Das alles haben wir nicht gemacht. Noch einmal: Das ist im Bundestag geschehen. Die Bundestagsverwaltung hat klargemacht, wie die Regeln im Bundestag sind, was die filmische Dokumentation betrifft. Ich glaube, damit kann man es bewenden lassen.

Frage: Es gibt neue Spannungen in den Beziehungen zu Weißrussland. Wie bewertet die Bundesregierung die heutige Situation? Was wären die Voraussetzungen dafür, damit diese Beziehungen auf ein erträgliches Niveau zurückfinden? Was müsste die Regierung in Minsk dafür tun?

Schäfer: Zur Beantwortung der Frage ergibt es Sinn, aus der Sicht der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes ganz kurz den Sachstand darzustellen, weil er gewissermaßen die Voraussetzung dafür ist, dass ich Ihre Frage angemessen beantworten kann.

Sie wissen, dass wir in Weißrussland zurzeit eine Situation haben, die uns bereits seit Jahren extrem besorgt macht. Minister Westerwelle hat gestern in Brüssel am Rande des EU-Rates für Allgemeine Angelegenheiten aus gegebenem Anlass gesagt, dass Lukaschenko der letzte Diktator Europas sei und dass es an der Zeit sei, mit allem Nachdruck dafür zu sorgen, dass sich die Verhältnisse in Weißrussland verbesserten.

Sie wissen auch, dass die Europäische Union gestern mit aller Entschlossenheit darauf reagiert hat, dass die weißrussische Regierung die Leiterin der EU-Delegation in Minsk und den polnische Botschafter in Minsk des Landes verwiesen hat. Die Reaktion war in jeder Hinsicht schnell und klar: Als Ausdruck der Solidarität gegenüber unseren polnischen Partnern, aber auch aus europäischer Solidarität haben sich nämlich alle Außenminister noch auf dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten in Brüssel dazu entschlossen, als Reaktion auf diese Maßnahme des weißrussischen Regimes ihre eigenen Botschafter für Konsultationen aus Minsk abzuziehen. - So weit der Sachstand.

Dass es zu dieser Eskalation von gesandtschaftsrechtlichen, diplomatischen Handlungen gekommen ist, hat offensichtlich zum Hintergrund, dass die weißrussische Regierung nicht goutiert hat, dass die Europäische Union mit Wirkung von gestern - auf Beschluss von vorgestern auf dem Außenministerrat - den Beschluss gefasst hat, eine weitere Zahl von Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen in Weißrussland auf eine europäische Sanktionsliste zu setzen. In dieser Lage ist es völlig selbstverständlich, dass die Bundesregierung gemeinsam mit ihren europäischen Partnern in der Europäischen Union darauf drängt, dass die Menschenrechtsverletzungen in Weißrussland ein Ende finden, dass dort endlich demokratische und rechtsstaatliche Verhältnisse einkehren und dass die zahlreichen politischen Gefangenen, die es in Weißrussland noch heute gibt, endlich freikommen.

Ich erinnere daran, dass Minsk nur wenige Hundert Kilometer von Berlin entfernt ist. Wir reden hier nicht über ein weit entlegenes Land am Ende der Welt, sondern über ein Land, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft Europas und auch Deutschlands befindet. Die Bundesregierung kann gar nicht genug klare Worte dafür finden, den Präsidenten Weißrusslands, Lukaschenko, und sein Regime aufzufordern, endlich den Weg der Kooperation, der konstruktiven Zusammenarbeit und der Einhaltung der völker- und europarechtlichen Regeln zu gehen, für den wir eintreten.

Zusatzfrage: Sind weitere Sanktionen angedacht?

Schäfer: Die Bundesregierung behält sich ebenso wie die Europäische Union vor, jederzeit auf eine weitere Veränderung oder Verschärfung der Lage in Minsk zeitnah zu reagieren. Heute Nachmittag wird sich der deutsche Außenminister Westerwelle im sogenannten Weimarer Dreieck, nämlich mit seinem französischen Amtskollegen Alain Juppé und mit seinem polnischen Amtskollegen Radek Sikorski, in Berlin treffen. Da gibt es eine breite Agenda zu besprechen. Aber ganz sicher wird die Lage in Weißrussland, wie ich sie Ihnen gerade dargestellt habe, ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Dem, was die drei Außenminister dann besprechen und entscheiden werden, kann ich selbstverständlich nicht vorgreifen. Aber heute Nachmittag gibt es in der Villa Borsig eine Pressekonferenz, auf der die drei auch zu diesem Thema Rede und Antwort stehen werden.

Frage: Ich habe noch eine kurze Frage an das Verteidigungsministerium zum Thema Atalanta. Wie ist der Sachstand hinsichtlich der Ausweitung des Mandats auf Einsätze auf dem Sand, also auf dem Küstenstreifen? Es gab, wenn mich nicht alles täuscht, heute eine Information des Verteidigungsausschusses, dass es in diese Richtung gehen wird. Die Frage konkret: Gibt es Pläne der Bundesregierung, dieses Mandat auszuweiten? Wenn ja, wie und wann?

Dienst: Es gibt einen Planungsprozess beziehungsweise einen Beschlussfassungsprozess in der Europäischen Union. Da hier aber das Außenministerium das federführende Ministerium ist, würde ich gerne dahin übergeben.

Schäfer: Ich kann das, was Kapitän Dienst gerade gesagt hat, nur bestätigen. Es gibt einen Entscheidungsfindungsprozess auf europäischer Ebene, der natürlich seine Parallele innerhalb der Bundesregierung findet. Aber es ist jetzt einfach zu früh in dem laufenden Entscheidungsprozess, Ihnen Ergebnisse mitzuteilen.

Zusatzfrage: Also Klartext: Es gibt derzeit keine Pläne der Bundesregierung, das Mandat zu erweitern?

Schäfer: Diese Frage beantworte ich mit Nein. Selbstverständlich gibt es Pläne im Rahmen dieses Entscheidungsfindungsprozesses. Es ist aber hier und heute nicht der Moment, Ihnen die Frage zu beantworten - dies wiederhole ich -, wohin die Reise geht.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. Februar 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/02/2012-02-29-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012