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PRESSEKONFERENZ/412: Regierungspressekonferenz vom 7. Mai 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 7. Mai 2012
Regierungspressekonferenz vom 7. Mai 2012

Themen: Betreuungsgeld, Entwicklung im Fall Julia Timoschenko, Hungerstreik palästinensischer Gefangener in Israel, Parlamentswahlen in Griechenland, Präsidentschaftswahlen in Frankreich, Plagiatsvorwürfe gegen Bundesbildungsministerin Schavan, Meldestelle für Benzinpreise

Sprecher: StS Seibert, Steegmans (BMFSFJ), Wendt (BMAS), Mertzlufft (BMJ), Peschke (AA), Lörges (BMI), Kotthaus (BMF), Mishra (BMBF), Wiegemann (BMWi)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich wollte ein Randthema mit Herrn Steegmans besprechen: Wann kommt denn der Gesetzentwurf zum Betreuungsgeld von Ihrer Ministerin in den definitiven Abstimmungsprozess? Würden Sie sagen, je länger das dauert, desto leichter wird es, oder wird es immer schwerer?

Steegmans: Herr Wonka, als Erstes weise ich die Ihrer Frage zugrunde liegende Behauptung zurück, dass es sich um ein Randthema handelt. Wir haben seit Monaten gesagt, dass bis zur Sommerpause ein Gesetzentwurf vorliegen wird. Es gibt auch überhaupt keinen Grund für irgendwelche Aufgeregtheiten. Wir haben ebenfalls nie einen Zweifel daran gelassen, dass wir seit Ostern Gespräche mit anderen Beteiligten führen, und zu diesen anderen Beteiligten zählen natürlich ausdrücklich auch Angehörige der Koalitionsfraktionen. Auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat ja gerade erst in einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" gesagt, dass jetzt noch zu klären ist, inwieweit die Regierungsfraktionen schon im Vorfeld beteiligt werden, dass also derzeit auch Verfahrensfragen geklärt werden. Wir sind da gelassen. Wir sind da zuversichtlich. Der Gesetzentwurf wird rechtzeitig bis zur Sommerpause vorliegen.

Zusatzfrage: Können Sie noch sagen, wer und zu welchem Zweck das Parallelthema "Rentenleistungen" im Zusammenhang mit dem Betreuungsgeld verhandelt?

Steegmans: Soweit mir bekannt ist, ist der Antrag des CDU-Bundesparteitags C 3 an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur Behandlung überwiesen worden. Alle Fragen dazu, wie dann dort damit verfahren wird, müssten Sie bitte an den dortigen Fraktionssprecher richten. Dafür sind wir als Familienministerium insoweit, als das Rentenfragen, Parteifragen und Fraktionsfragen angeht, nicht zuständig.

Zusatzfrage: Sie wissen, was ich meine. Es gibt ja diese Kombination, die diskutiert wird, dass man die Anerkennung von Erziehungszeiten, von Familienarbeit und von was auch immer, über das dabei als Vorschlag diskutiert wird, zusammen mit dem Betreuungsgeld in ein Gesamtpaket packt, damit der eine oder andere politisch gesehen leichter zustimmen kann. Verhandelt Ihre Ministerin oder eine andere Ministerin dieser Bundesregierung zu diesem Zwecke mit niemandem?

Steegmans: Wir verhandeln in dieser Frage mit niemandem. Was andere angeht, müssten Sie mit anderen sprechen.

Zusatzfrage: Dann frage ich nur noch das Arbeitsministerium, und dann wäre ich bedient. Vielen Dank, Herr Steegmans!

Wendt: Wir haben, wie bekannt ist, bisher lediglich der Unionsfraktion Zahlen zur Verfügung gestellt. Ansonsten ist es für uns nach wie vor erst einmal interessant, den Gesetzentwurf zu sehen, wenn es ihn dann geben wird. Ansonsten ist von unserer Stelle dazu nichts zu sagen.

Frage: Wie zu hören war, hat sich die Tochter von Frau Timoschenko heute Morgen mit der Bundesjustizministerin getroffen. Kann man denn erfahren, was dabei herausgekommen ist?

Merzlufft: Ich kann Ihnen lediglich bestätigen, dass heute ein vertrauliches Gespräch mit der Tochter von Frau Timoschenko geplant ist. Da es ein vertrauliches Gespräch ist, muss ich um Verständnis dafür bitten, dass ich weder über Ort noch Uhrzeit noch Ergebnisse des Gesprächs berichten kann.

Zusatzfrage: Herr Seibert, ist denn geplant, dass sich die Tochter auch mit der Bundeskanzlerin trifft?

StS Seibert: Nein.

Zusatzfrage: Mit anderen Regierungsmitgliedern?

StS Seibert: Ich kann hinzufügen, dass die Bundeskanzlerin der Tochter von Frau Timoschenko, also Jewgenia Timoschenko, schon einmal begegnet ist. Im vergangenen Herbst gab es ein kurzes Gespräch, eine kurze Begegnung. Die Bundeskanzlerin ist über alle Entwicklungen im Fall der Mutter, Julia Timoschenko, auf dem Laufenden und hält sich informiert. Ein solches heutiges Treffen mit der Tochter in Berlin war nie geplant und wird auch nicht zustande kommen.

Peschke: Ich kann vielleicht der Vollständigkeit halber ergänzen, dass kein Treffen geplant ist, aber dass Vertreter des Auswärtigen Amtes natürlich die ganze Zeit über auch mit Jewgenia Timoschenko in Kontakt stehen.

Frage: Das ist ein guter Einstieg für meine Frage. Ich wollte nach den palästinensischen Gefangenen und ihrem Hungerstreik fragen. Hat die Bundesregierung etwas dazu zu sagen? Ich könnte hier auch den Vergleich anstellen, dass die Bundesregierung im Prinzip einzelnen Personen so viel Aufmerksamkeit schenkt, die in Haft sind, aber in Bezug auf mehr als ein paar Tausend Leuten, die sich im Hungerstreik befinden, gibt es keine Reaktion der Bundesregierung, der Politiker der Parteien oder der Medien. Im Gegenteil herrscht eine Stille, die nicht zu verstehen ist. Gibt es eine Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Hungerstreik der 2.000 Palästinenser, die gegen Isolationshaft und sogenannte Administrativhaft streiken?

Peschke: Das kann ich gerne übernehme. Man muss aufpassen, dass man verschiedene Dinge nicht so ohne Weiteres miteinander vergleicht. Die Lage und die Defizite in der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine sind eine Angelegenheit, über die wir hier in der Regierungspressekonferenz und an anderer Stelle schon ausführlich diskutiert haben und - davon gehe ich aus - auch weiterdiskutieren werden. Die Lage im Nahen Osten und der Nahost-Friedensprozess sind ein anderes Thema.

Sie wissen, dass die Bundesregierung im Nahost-Friedensprozess eine klare und eindeutige Haltung einnimmt und dass wir für eine Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses mit dem Ziel eintreten, zu einer fairen und verhandelten Zwei-Staaten-Lösung zu kommen. Auf dieser Linie befinden wir uns mit beiden Seiten - sowohl Israelis als auch Palästinensern - in einem intensiven Gespräch und versuchen gemeinsam mit unseren internationalen Partnern, hierbei Fortschritte zu erzielen. Das ist unsere Linie, und die vertreten wir in allen einzelnen Aspekten des Konflikts im Nahen Osten.

Peschke: Ich wollte Ihnen zusätzlich zu dem, was ich Ihnen gesagt habe, zu unserem Engagement im Nahost-Friedensprozess nur noch sagen: Die Frage palästinensischer Gefangener, die Sie angesprochen haben, ist auch ein Thema in den Gesprächen zwischen Deutschland und Israel. Das wurde vonseiten der Bundesregierung mit der israelischen Seite aufgenommen und war zum Beispiel auch Thema des EU-Israel-Dialogs Anfang Mai.

Frage: Aber das erklärt mir auch nicht dieses offizielle Schweigen, zumal auch Präsident Abbas und Ministerpräsident Fayyad in der letzten Zeit die internationale Gemeinschaft aufgefordert haben, sich einzuschalten. Darauf gab es keine Reaktion. Ich sage: Wenn man nur einen Vergleich mit Frau Timoschenko anstellt, die sich in Haft befindet, dann bemerkt man den großen und krassen Unterschied zwischen zwei Fällen, wobei es in einem Fall nur um eine Person und in dem anderen um ein paar Tausend Personen geht, obwohl Sie auch wissen, dass sich ein paar Hundert gefangene Palästinenser ohne Prozesse, also administrativ, seit Jahren in Haft befinden. Einer wurde vor Kurzem aufgrund seines 66-tägigen Hungerstreiks am Ende von der israelischen Behörde freigelassen. Das zeigt auch die Tiefe dieses Falles.

Peschke: Was ist Ihre Frage?

Zusatzfrage: Das ist die Frage: Warum gibt es dieses Schweigen?

Peschke: Auf die Frage "Warum gibt es dieses Schweigen" möchte ich - - -

Zusatz: Die Regierung spricht mit der israelischen Regierung, aber es gibt keine öffentliche Meinung dazu, wie das im Fall Timoschenko der Fall ist.

Peschke: Die Frage war, warum es dieses Schweigen gibt, und wir hatten ja gerade gesagt, dass wir uns hinter den Kulissen und öffentlich nachweislich für die Lage und für den Nahost-Friedensprozess engagieren. Das wissen Sie auch.

Was die Frage der Gefangenen betrifft, habe ich Ihnen gesagt, dass wir das Gespräch mit der israelischen Seite aufgenommen haben und dass dies ein Thema des EU-Israel-Dialogs am 2. Mai war. Das ist kein Schweigen. Das ist ein Ansprechen. Jetzt, da Sie diese Frage zum ersten Mal stellen, sage ich es Ihnen auch öffentlich, und insofern ist das auch eine öffentliche Aussage.

Ich kann Sie nur noch einmal darauf hinweisen: Man darf nicht verschiedene Dinge einfach so miteinander vergleichen. In der Ukraine geht es uns ja nicht nur um das Schicksal von Frau Timoschenko. In der Ukraine geht es uns auch um die gesamte Situation der Rechtsstaatlichkeit und der Defizite der Rechtsstaatlichkeit, die in diesem besorgniserregenden Fall einen besonders drastischen Ausdruck finden. Das ist ein Thema, das wir schon seit längerer Zeit immer wieder thematisieren und ansprechen und das uns natürlich auch bewegen muss. Insofern kann man Dinge nicht einfach so miteinander vergleichen. Unser Engagement für Frau Timoschenko ist einerseits ein humanitäres Engagement und andererseits auch ein Engagement, das das Ziel hat, die Situation der Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine zu verbessern.

Zusatzfrage: Es geht mir nicht nur um den Vergleich, sondern es geht um die Menschenrechte und die Verteidigung der Menschenrechte. Entweder ist das für alle Länder und andere Regime allgemeingültig oder nicht. Ich meine, wenn sich die Bundeskanzlerin, mehrere Minister, Abgeordnete und Parteien jetzt so massiv einsetzen - ich will die Sache von Frau Timoschenko oder anderen Oppositionellen in der Ukraine nicht unter den Tisch kehren -, dann geht es darum, ob diese universellen Menschenrechte überall gelten oder nicht. Dann ist man hier unglaubwürdig. In meinen Augen ist die Bundesregierung in dieser Sache unglaubwürdig, was die palästinensischen Gefangenen angeht - wenigstens, wenn es um die paar Hundert Leute geht, die seit Jahren ohne Prozess in israelischen Gefängnissen sitzen und nicht wissen, wann sie nach Hause zurückkehren können. Keiner sagt dazu etwas. Sind das keine Menschenrechtsverletzungen? Das ist meine Frage.

Peschke: Ich kann diesen Fall hier jetzt nicht qualitativ bewerten. Ich habe Ihnen gesagt: Wir haben den Fall bilateral und auf europäischer Ebene angesprochen. Insofern ist der Vorhalt, das keiner etwas dazu sage, meines Erachtens nicht korrekt, wie ich es Ihnen ausgeführt habe.

Zum Zweiten: Die Unterstellung, wir würden uns nicht weltweit für Menschenrechte engagieren, die Ihren Ausführungen anfangs zugrunde lag, möchte ich an dieser Stelle doch zurückweisen. Wir engagieren uns weltweit für die Menschenrechte, und für uns sind die Menschenrechte auch weltweit ein unveräußerliches Gut.

Frage: Herr Peschke, Sie haben gerade den Aspekt der Rechtsstaatlichkeit angesprochen, der ein Defizit der Ukraine sei. Ist die Rechtsstaatlichkeit in Israel aus Ihrer Sicht gewährleistet, wenn Tausende von Palästinensern ohne Anklage und in Einzelhaft seit Jahren in israelischen Gefängnissen dahinvegetieren?

Peschke: Zur näheren Qualifizierung dieses Falls möchte ich, wie gesagt, jetzt nichts weiter ausführen. Ich habe Ihnen gesagt, dass wir das gegenüber der israelischen Seite angesprochen haben und dies auch weiterhin mit dem Ziel der Verbesserung der Situation tun werden. Aber unabhängig davon: Ja, aus unserer Sicht ist Israel selbstverständlich ein Rechtsstaat.

Frage: Ich habe eine Frage an Regierungssprecher Seibert zu dem Wahlausgang in Griechenland. Herr Seibert, ein zentrales Thema dieser Wahlen war das Sparprogramm. Die Parteien, die für dieses Programm gestanden haben, haben eine enorme Niederlage erlitten. Wahlsieger war eigentlich die linksradikale Bewegung Syriza, und ihr Chef hat gesagt, das sei auch ein Signal für Bundeskanzlerin Merkel gewesen. Hat die Bundeskanzlerin dieses Signal bekommen? Wenn ja, wie?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin und die gesamte Bundesregierung haben die Ergebnisse der griechischen Parlamentswahlen zur Kenntnis genommen. Noch ist ja unklar, welche Regierungsbildung daraus erfolgen wird. Sie werden von mir als Sprecher der Bundesregierung auch keinen Kommentar zu dieser ganz und gar innenpolitischen griechischen Angelegenheit erhalten. Wir warten diese Regierungsbildung natürlich ab. Die Bundesregierung ist bereit, mit allen demokratischen Regierungen zusammenzuarbeiten und wie bisher ihre Unterstützung auf Griechenlands schwierigem Kurs anzubieten. Deutschland steht zu allen mit Griechenland geschlossenen Vereinbarungen und auch zu dem Kurs, der von aufeinanderfolgenden Regierungen zwischen Athen und der Troika, der Taskforce, beschlossen wurde. Dieser Kurs, der ja aus großer europäischer Solidarität auf der einen Seite und erheblichen Kraftanstrengungen auf der griechischen Seite besteht, ist nach unserer Überzeugung geeignet, eine Situation herbeizuführen, die Griechenland auf lange Sicht zurück zu Wettbewerbsfähigkeit und auch zu finanzieller Stabilität führt. Zu diesem Kurs stehen wir, und auf diesem Kurs werden wir Griechenland unabhängig davon, wie die Regierungsbildung ausgehen wird, unterstützen.

Zusatzfrage: Der Wahlausgang zeigt ja, dass dieser Kurs vom Volk nicht unterstützt wird. Eine zentrale Forderung der Wahlsieger ist die Nachverhandlung dieses Programms. Besteht so eine Möglichkeit?

StS Seibert: Wen Sie als Wahlsieger bezeichnen, muss ich jetzt Ihnen überlassen. Es wird sich zeigen, welche Regierung in Athen gebildet werden wird. Ich habe gesagt: Wir stehen zu den mit Griechenland auf europäischer Ebene geschlossenen Vereinbarungen. Das tun die anderen europäischen Partner auch. Aus unserer Sicht muss es bei diesen Vereinbarungen bleiben. Sie sind für Griechenland der beste Weg.

Zusatzfrage: Im Rahmen dieses Programms - diese Frage richtet sich vielleicht auch an Herrn Kotthaus - sind bestimmte Schritte in Bezug darauf vereinbart worden, was Griechenland demnächst tun und machen soll. Jetzt stehen wir vor der Situation, dass man gut damit rechnen könnte, dass sich die Regierungsbildung verzögern wird. Welche Auswirkungen hätte so eine Verzögerung auf die Schritte, die gemacht werden sollen, zum Beispiel auf die Rekapitalisierung der Banken? Wie lange kann man darauf warten, dass Griechenland eine neue Regierung hat, bevor der Bankensektor zusammenbricht?

Kotthaus: Ich finde es schwierig, einen Tag nach den Wahlen dunkle Gemälde über ein Zusammenbrechen und Ähnliches mehr an die Wand zu werfen, wie Sie es tun. Lassen Sie uns erst einmal abwarten, wie sich die Regierungsbildung in Griechenland darstellen wird.

Richtig ist: In dem Programm sind weitere Schritte vorgesehen. Sie kennen auch die Frage, wie man die mittelfristige Finanzlücke ausgleicht, und Ähnliches mehr. Aber eine Zuspitzung, wie Sie sie gerade skizziert haben, kann ich momentan nicht erkennen. Das Programm ist bekannt. Das Programm hat bestimmte Schritte. Das Programm beinhaltet sowohl die Frage der Haushaltskonsolidierung als auch die Frage, wie man über Reformansätze und Strukturreformen Wachstum schafft. Sie wissen, dass in dem Programm auch verabredet worden ist, dass die EU-Mittel, die für Griechenland bereitstehen, beschleunigt gezahlt werden sollen. Deswegen ist die Gruppe um Herrn Reichenbach vor Ort in Griechenland. Sie wissen auch, dass, glaube ich, über 70 Prozent der Griechen sich bei den letzten Umfragen ausdrücklich zum Euro in Griechenland bekannt haben. Das muss man so interpretieren, dass ich Ihre Interpretation nicht so ganz teilen kann.

Lassen Sie uns also abwarten, wie sich die Regierungsbildung in Griechenland ergeben wird. Wenn ich es richtig verstanden habe, geht das aufgrund der bei Ihnen in Griechenland vorherrschenden Gesetze relativ schnell. Dann sehen wir einmal weiter.

Frage: Herr Kotthaus, glauben Sie, dass das griechische Programm in Gefahr ist? Wahrscheinlich gibt es Neuwahlen und nicht eine neue Regierung.

Kotthaus: Ich habe die Frage nicht verstanden.

Zusatzfrage: Ist das griechische Programm in Gefahr? Was glauben Sie? Wahrscheinlich gibt es keine neue Regierung. Vielleicht gibt es in zwei Wochen Neuwahlen.

Kotthaus: Ich kann mich beim allerbesten Willen nicht darüber unterhalten, was in Griechenland wo und wie mit Wahlen passiert oder nicht passiert. Das ist sicherlich eine Frage der Griechen. Jetzt hat eine Wahl stattgefunden. Jetzt muss sich die neue griechische Regierung bilden. Es gibt, wie gesagt, auch die Vorschriften, die in Griechenland und nicht hier gemacht werden. Das gilt grundsätzlich für alle Verträge in der EU. Das gilt auch für Verträge internationaler Art. Das gilt auch für das Programm. Die Verträge sind geschlossen worden. Sie sind auch, wie Sie wissen, mit der langfristigen Perspektive geschlossen worden. Wir sind alle überzeugt, dass das Programm geeignet ist, in Griechenland sowohl wieder eine wirtschaftliche Prosperität herzustellen als auch für Wachstum und dafür zu sorgen, dass sich Griechenland langfristig stabilisiert. Deswegen ist das der richtige Weg, voranzugehen. Alles andere, zum Beispiel Ihre Spekulation, kann ich beim besten Willen weder kommentieren, begleiten noch etwas dazu sagen.

Frage: Wenn ich eine vielleicht andere Metapher benutzen darf: Der Arzt hat Medizin verschrieben, und der Patient will diese Medizin anscheinend nicht einnehmen. Das ist aber wegen der Ansteckungsgefahr nicht nur das Problem des Patienten. Wie lange wären die Bundesregierung und eventuell die Troika bereit zu warten? Ich glaube, die nächste Finanzspritze soll noch vor einer Klärung der politischen Verhältnisse in Griechenland zustande kommen. Ich glaube, das soll im Juni passieren. Es kann gut sein, dass wieder neu gewählt werden muss und dass dann keine neue Regierung im Amt ist. Wäre die Bundesregierung bereit, auch ohne eine neue Regierung, die diese Vereinbarung, die vorher geschlossen worden ist, bestätigt hätte, dieser Finanzspritze zuzustimmen?

StS Seibert: Diese Was-wäre-wenn-Fragen möchte ich, ehrlich gesagt, hier nicht beantworten. Erstens kann keiner von uns für die Troika, bestehend aus IWF, EZB und EU-Kommission, sprechen. Zum anderen wäre es sicherlich nicht besonders sinnvoll oder hilfreich, wenn wir uns hier als Sprecher der Bundesregierung mit irgendwelchen Fristen und zeitlichen Vorstellungen befassen müssten. Die Entscheidungen müssen in Griechenland gefällt werden. Gestern erst ist gewählt worden. Es wird dort jetzt der Weg der Regierungsbildung beschritten. Wir werden sehen, wohin er geht. Unsere Haltung, dass die gemeinsam beschlossenen Programme die richtigen sind, steht.

Frage: Herr Staatssekretär, ich wollte Sie nach den Auswirkungen des Machtwechsels in Frankreich befragen. Herr Seehofer hat heute Morgen schon gesagt, dass er nach diesem Wahlergebnis doch größere Probleme, Schwierigkeiten oder Komplikationen im Zusammenhang mit dem Fiskalpakt erwartet. Sieht die Bundeskanzlerin das auch so?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat gestern gegen 22 Uhr den französischen Wahlsieger François Hollande angerufen. Sie hat ihm zu seinem Wahlsieg gratuliert. Es war ein kurzes erstes Gespräch der beiden, dem nun sehr bald einige, sicherlich ausführlichere Gespräche folgen werden. Sie hat ihn für einen frühestmöglichen Zeitpunkt nach seiner Amtseinführung auch nach Berlin eingeladen. Er hat diese Einladung angenommen. Nun werden sich beide anschließend auch noch mehrere Male im internationalen Rahmen - G8, Nato-Treffen, Europäische Räte usw. - treffen.

Das heißt: Es ist völlig klar, dass, wie wir es auch immer gesagt haben, die gute und enge deutsch-französische Zusammenarbeit auch zwischen der Bundeskanzlerin und Staatspräsident Hollande fortgesetzt werden wird. Die beiden haben sich gestern auch im Telefonat sehr einig darüber gezeigt, dass diese deutsch-französische Zusammenarbeit eine besonders enge ist und die deutsch-französischen Beziehungen nicht nur für unsere beiden Länder, sondern für ganz Europa von großer Bedeutung sind. Sie sind beide gewillt, mit ganzer Kraft an diesen guten deutsch-französischen Beziehungen zu arbeiten. Die Bundeskanzlerin ist überzeugt, dass sie in François Hollande auch einen verlässlichen Partner hat.

Ich will gerne eines an diesem Tag noch sagen: Es ist der Bundeskanzlerin ein Anliegen, an diesem Tag auch Nicolas Sarkozy zu danken. In einer Phase der schwersten Bewährungsprobe für Europa haben Deutschland und Frankreich zum Wohle aller in Europa sehr gut und sehr eng zusammengearbeitet. Der scheidende französische Präsident hat erheblichen Anteil daran, dass Europa in dieser Bewährungsprobe Antworten gefunden hat. Die Stichworte dafür sind natürlich: ESM, Euro-Plus-Pakt, der verschärfte Stabilitäts- und Wachstumspakt und der Fiskalpakt. Das sind Antworten auf die Krise, die auch die Handschrift Nicolas Sarkozys tragen. Dafür bleibt die Bundeskanzlerin ihm dankbar.

Zusatzfrage: Kann man davon ausgehen, Herr Seibert, dass das bilaterale Treffen zwischen Herrn Hollande und Frau Merkel noch vor den multilateralen Treffen, also G8 und Nato, stattfinden wird?

StS Seibert: Das war der Gedanke der Einladung. Er hat die Einladung angenommen. Er hatte auch vor seiner Wahl bereits seinen Willen bekundet, möglichst rasch nach Berlin zu kommen. Nun bin ich nur nicht in der Lage, Ihnen schon ein konkretes Datum zu sagen.

Frage: Herr Seibert, hat die Bundeskanzlerin nicht den Neuanfang mit Herrn Hollande einfach unnötig erschwert, indem sie sich einerseits so ungewöhnlich klar auf die Seite von Sarkozy geschlagen hat und dann auch nicht einmal bereit war, ihn hier in Berlin zu empfangen, obwohl eigentlich absehbar war, dass er eine gute Chance hatte?

StS Seibert: Nein. Sie hat den Neuanfang mit Herrn Hollande nicht erschwert. Sie werden sehen, dass dieser Neuanfang gelingen wird. Im Übrigen ist es personell ein Neuanfang, wenn man so will. Es gibt eine enorme Kontinuität der Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich. Diese wird man gerade in den nächsten Wochen sicherlich auch spüren.

Zusatzfrage: Herr Hollande hat in der letzten Zeit nicht mehr ganz so stark, aber früher eine Neuverhandlung des Fiskalpakts gefordert. Schließen Sie das weiter kategorisch aus?

StS Seibert: Dazu hat die Bundeskanzlerin in den vergangenen Tagen und Wochen immer wieder, von Ihnen und Ihren Kollegen befragt, auch das Notwendige dargelegt. Der Fiskalpakt ist von 25 von 27 europäischen Staats- und Regierungschefs unterzeichnet worden. Zwei Länder - Portugal und Griechenland - haben ihn bereits ratifiziert. Ende dieses Monats wird in Irland über diesen Fiskalpakt ein Referendum abgehalten. In den übrigen Ländern befindet er sich im parlamentarischen Verfahren. Aus unserer Sicht ist eine Neuverhandlung des Fiskalpakts nicht möglich.

Frage: Herr Seibert, ich möchte gerne wissen, ob die gestrigen Aussagen von Außenminister Westerwelle auch der Meinung der Bundesregierung entsprechen. Er hat gesagt, man müsse jetzt aufeinander zugehen und Kompromisse suchen, was den Fiskalpakt und die Wachstumsprogramme betreffe. Geben diese Aussagen des Bundesaußenministers seine persönliche Meinung wieder? Oder hat er dies mit der Bundeskanzlerin abgestimmt?

StS Seibert: Der Außenminister hat natürlich als Außenminister und für die Bundesregierung gesprochen. Das ist ja auch eine Selbstverständlichkeit. Außenpolitik ist das Aufeinanderzugehen und das Finden von gemeinsamen Wegen. Im Zusammenhang mit der europäischen Frage kann man sagen, dass Außenpolitik immer auch das Gemeinsame-Wege-Finden auf den gemeinsamen Grundüberzeugungen ist. Diese haben die europäischen Staaten in dieser Krise sehr deutlich herausgearbeitet. Sie alle haben sich dazu bekannt, dass sie den Weg in eine Stabilitätsunion gehen wollen. Ein entscheidendes Instrument, um diese Stabilitätsunion zu erreichen, ist der Fiskalpakt. Zu dem steht die Bundesregierung.

Zusatzfrage: Wie kann ich dann die Aussage des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder verstehen, der vor zwei, drei Tagen kategorisch ausgeschlossen hat, dass Wachstumsprogramme geschlossen werden könnten?

StS Seibert: Für Aussagen aus dem parlamentarischen Raum und ihre Kommentierung bin ich hier nicht zuständig. Ich habe aber hier schon häufiger, auch zusammen mit dem Kollegen Kotthaus, dargelegt, dass Wachstumsorientierung für die Bundesregierung nicht erst seit jetzt, sondern mindestens seit dem letzten Jahr ein ganz wichtiger Teil ihrer europäischen Krisenbewältigungspolitik ist. Die Frage ist: Was für ein Wachstum meinen Sie?

Wachstumspolitik in Europa ist nach unserer Überzeugung Strukturreformpolitik. Wir müssen die Strukturen ändern. Wir müssen die Grundlagen dafür schaffen, dass Unternehmen in der Lage sind, produktiv und innovativ zu sein, dass sie in der Lage sind, Menschen Arbeit zu geben, und zwar nachhaltig und dauerhaft. Wir müssen die Hemmnisse beseitigen, die sie daran hindern. Wir müssen Bürokratie abbauen, kombiniert mit der Tatsache, dass nur ein Staat, der sich ernsthaft daran macht, seine Schulden abzubauen, auch ein Staat ist, der Wirtschaft und Menschen Vertrauen einflößt. Das ist der europäische Weg. Diesen Weg geht die Bundesregierung mit ihren europäischen Partnern.

Kotthaus: Ich glaube, die Analyse ist relativ klar. Für die sogenannte Staatsschuldenkrise gibt es zwei Gründe: Überhöhte Staatsschulden und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. Beide gehen wir an. Die überhöhten Staatsschulden durch die klaren Konsolidierungsmaßnahmen und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit durch die klaren Reformstrukturen. Das ist der richtige Weg, voranzugehen.

StS Seibert: Ich verweise noch einmal auf die Arbeit des Europäischen Rates im Januar. Das war ein Sonderrat, der auch erheblich auf deutsche und französische Vorarbeiten hin zustande gekommen ist. Ich verweise auf die Wachstums- und Beschäftigungsbeschlüsse des Europäischen Rates im März. Diese Arbeit wird sich im Juni mit konkreten Maßnahmen fortsetzen.

Frage: Zwei Fragen an Herrn Seibert: Ist nach gestern aus Sicht der Bundesregierung die Eurokrise positiv zu bewerten? Ist sie als Katalysator geeignet, um die übliche Phase des Zueinanderfindens in den deutsch-französischen Beziehungen zu verkürzen? Meistens dauert es immer ein Jahr, bis man in Schwung kommt. Ist die Eurokrise so ernst, dass das vielleicht kürzer ausfallen wird?

Zweite Frage: Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit oder die Notwendigkeit, die von Herrn Hollande angesprochenen zusätzlichen Wachstumsmaßnahmen zu vereinbaren, bevor Ende des Monats in Irland abgestimmt wird?

StS Seibert: So weit wie Sie möchte ich nicht gehen und die Eurokrise irgendwie positiv belegen; man hätte sie sich ja gerne erspart. Aber in jeder Krise liegt natürlich eine Chance, wenn man die richtigen Antworten auf diese Krise findet. Das ist das, was wir versucht haben zu beschreiben. Der Weg in die Stabilitätsunion, die notwendigen institutionellen Veränderungen in Europa, die sich andeuten, und der Fiskalpakt stehen auch für diese stärkere Verbindlichkeit, zu der sich Europa durchgerungen hat. Das alles ist sicherlich positiv, aber der Anlass wird dadurch kein schönerer.

Zu Ihrer zweiten Frage: Ich finde es nicht richtig, am Tag nach der französischen Wahl und vor der ersten Begegnung der Bundeskanzlerin mit dem neu gewählten Staatspräsidenten Zeitpläne zu verkünden. Die Bundeskanzlerin freut sich auf diese Begegnung. Sie wird relativ bald stattfinden, das haben wir ja gesagt. Dann gibt es eine Reihe internationaler Treffen und dann werden sich Zeitpläne ergeben.

Zusatzfrage: Werden erst auf dem Gipfel im Juni Wachstumspläne angekündigt werden oder könnte noch im Mai etwas präsentiert werden?

StS Seibert: Ich gehe davon aus, dass, wenn Europa sich auf konkrete Wachstumsmaßnahmen verständigen will, das dann im Kreise der 27 geschieht. Dazu braucht man einen Europäischen Rat. Dass einzelne Mitgliedstaaten schon vorher Vorschläge machen, ist in der Vergangenheit auch immer wieder vorgekommen und hat solche Europäischen Räte manchmal ja auch befruchtet. Entscheidungen fallen aber im Kreis der 27.

Kotthaus: Ich glaube, man muss noch einmal etwas festhalten. Sie tun so, als ob im Juni zum ersten Mal das Thema Wachstum käme. Das ist einfach nicht zutreffend. Herr Seibert hat Ihnen die gesamten Europäischen Räte und den Euro-Plus-Pakt aufgelistet: Die haben alle das Thema Wachstum gehabt. Im Juni wird ein weiteres Element hinzugefügt werden.

Zusatzfrage: Es bleibt immer noch ein bisschen missverständlich: Wenn man von Wachstum spricht, meint man dann Wachstum mit neuem Geld, vielleicht auch geliehenem Geld, oder Wachstum mit bereits versprochenem Geld, das für neue Programme verwendet wird? Es ist ja ein fundamentaler Unterschied, ob man Geld einsetzt, das noch nicht verwendet wurde, oder ob man neues Geld in die Hand nimmt, um Wachstum voranzutreiben.

StS Seibert: Ich glaube, die entscheidende Überschrift muss heißen: Kein Wachstum durch neue Verschuldung, sondern Wachstum durch Strukturreformen - die im Übrigen ja auch nichts so neues sind und in einer ganzen Reihe von europäischen Ländern längst begonnen haben. Deutschland hat seine Strukturreformen im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends sehr gründlich angegangen, andere Länder sind in den letzten Jahren auch auf diesen Kurs eingeschwenkt, und es gibt große Bemühungen in Spanien, in Portugal, in Italien, in Griechenland. Auch das ist also keine neue Erfindung. Das ist aber der Weg, der nach unserer Meinung zu einer nachhaltigen Verbesserung der Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften führen wird.

Frage: In Ihren Antworten behaupten Sie ja, Änderungen am Fiskalpakt seien nicht möglich und Wachstumsmaßnahmen habe man bei den letzten Europäischen Räten längst beschlossen - wenn ich das so vereinfacht zusammenfassen darf. Heißt das, Hollande braucht mit seinen Forderungen und Vorstellungen gar nicht anzukommen, weil es gar nicht lohnt, darüber zu reden? Oder gibt es eine grundsätzliche Bereitschaft der Bundesregierung, darüber mit Hollande zu reden?

StS Seibert: Ihre Interpretation ist falsch. "Es lohnt gar nicht" - was wäre das für eine Aussage in Europa, besonders zwischen Deutschland und Frankreich? Das haben wir hier doch auch nie gesagt. Wir haben lediglich darauf hingewiesen, dass Wachstum kein neues Thema ist, sondern die zweite Säule unserer europäischen Krisenbewältigungspolitik, und das nicht erst seit gestern. Aber natürlich hat man es mit einem Prozess zu tun. Ein Rat folgt dem nächsten. Der eine Rat im Januar hat sich vor allem mit Beschäftigungsmaßnahmen für junge Leute beschäftigt, der März-Rat hat zum Beispiel die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Blick genommen, der Juni-Rat wird neue Schwerpunkte setzen. Natürlich wird Frankreich - und jetzt eben eine neue französische Regierung - seine Stimme dazu vernehmen lassen. Das ist der Weg, wie diese Dinge in Europa vorangetrieben werden.

Frage: Mir geht es auch darum, wie die Handschrift des neuen französischen Präsidenten in der europäischen Politik zu erkennen sein wird. Da gibt es ja verschiedene Anstöße und Anregungen. Die Frage ist, ob die Bundesregierung Möglichkeiten sieht, ihm Spielraum dafür zu geben. Ein Akzent, den der französische Präsident gesetzt hat, ist der der sozialen Gerechtigkeit und der höheren Besteuerung im Lande, ein weiterer Akzent ist der der Finanztransaktionssteuer. Stellt sich vor dem Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahlen die Frage der Finanztransaktionssteuer in Europa neu?

StS Seibert: Die Frage der Finanztransaktionssteuer stellt sich in Europa sowieso. Es ist ja auch deutsche Politik, eine solche Steuer - eingeführt von möglichst vielen Ländern in einem möglichst großen Wirtschaftsraum - durchzusetzen. Das heißt, diese Frage wird natürlich weiter besprochen werden. Sie haben des Weiteren einige innenpolitische Maßnahmen des französischen Präsidenten oder jedenfalls innenpolitische Ankündigungen des Kandidaten Hollande erwähnt, die ich hier jetzt nicht kommentieren werde. Wir haben den Tag nach der Wahl. Ich glaube, wir sollten jetzt die erste Begegnung des neu gewählten Präsidenten mit der Bundeskanzlerin abwarten. Es wird dann eine Pressekonferenz geben, die wird uns alle schlauer machen. Heute, jetzt schon zu sagen, was geht und was nicht geht, das fände ich für einen Regierungssprecher ganz unpassend.

Zusatzfrage: An den Sprecher des Finanzministeriums: Ich hatte die letzten Äußerungen von Herrn Schäuble so verstanden, dass das Projekt der Finanztransaktionssteuer in Europa quasi an ein Ende gelangt sei und man einen neuen Weg einer Bankensteuer, die eben nicht so weit greift, finden müsse?

Kotthaus: Nein, das ist sicherlich überhaupt nicht zutreffend. Wir haben weiterhin den Vorschlag der Kommission auf dem Tisch, der die Finanztransaktionssteuer in allen 27 Mitgliedstaaten vorsieht. Dazu gab es intensive Diskussionen, zuletzt beim informellen Ecofin-Rat in Kopenhagen, in dem sich sehr viele sehr positiv zu diesem Vorschlag geäußert haben und in dem sich einzelne Mitgliedstaaten auch relativ klar skeptisch geäußert haben. Der Staat, der da am skeptischsten ist, ist Ihnen wohl bekannt - eine sympathische Insel etwas im Norden des Kontinentes. Deswegen hat man gesagt: Wir werden diesen Ansatz trotzdem weiterhin verfolgen und wir werden daran in europäischen Gremien intensiv arbeiten, aber wir wollen einen schnellen Erfolg und wollen jetzt nicht jahrelang mit einem unklaren Ausgang diskutieren. Deswegen haben wir gesagt: Parallel zu dem europäischen Prozess lassen wir noch eine Arbeitsgruppe nach Möglichkeiten suchen, wie es in einem möglichst großen geografischen Raum mit möglichst vielen Partnern erste Schritte geben könnte, die dann zum Finanztransaktionssteuermodell hinführen würden, das der Kommission vorschwebt.

Ich muss gestehen: Mir fällt es jetzt schwer, mir vorzustellen, wie man intensiver an dem Thema arbeiten könnte, als wir es bereits tun. Es ist nicht nur so, dass wir uns weiterhin um den europäischen Vorschlag per se kümmern; wir versuchen vielmehr auch noch, ihn zu beschleunigen, sodass man einen ersten Schritt gehen kann. Es ist nun einmal eine Tatsache, dass wir in Europa alle Steuern immer nur einstimmig beschließen können. Wenn es dann einen Staat vielleicht auch zwei Staaten gibt, die da größere Probleme haben, muss man eben schauen, wie man anders damit umgehen kann und ob es Möglichkeiten gibt, das in einer ersten Stufe zu beschleunigen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gerade gesagt, Wachstumsprogramme sollen nicht neue Verschuldung heißen. Wachstumsprogramme brauchen doch aber Investitionen. Wenn kein Geld da ist, wie sollen die dann finanziert werden?

StS Seibert: Es ist eine der Grundüberzeugungen dieser Bundesregierung, dass nicht nur Geld Wachstum schaffen kann, sondern dass auch Strukturreformen Wachstum schaffen. Was braucht man nach unserer Überzeugung für Wachstum und Beschäftigung? Man braucht eine kluge Reformpolitik, man braucht die vernünftige und zielgerichtete Verwendung von bestehenden Fondsmitteln - davon sind im europäischen Rahmen einige vorhanden -, man braucht Arbeitsmarktreformen. Man muss dafür sorgen, dass es für Unternehmen möglich und rentabel ist, junge Menschen einzustellen, und dass sie beispielsweise nicht schon wegen der hohen Kosten von der Einstellung junger Menschen Abstand nehmen. Man muss kleine und mittlere Unternehmen fördern; das kann man zum Beispiel auch durch den Abbau von bürokratischen Belastungen machen, die oft ein Haupthindernis für die Entfaltung von kleinen und mittleren Unternehmen sind. Das ist unsere Überzeugung: Wachstum ist in Europa jetzt nicht mit neuen Schulden und neuen Konjunkturprogrammen zu gestalten - die wir uns in Europa vermutlich auch gar nicht leisten können und die mit Sicherheit keine nachhaltige Wirkung entfalten werden.

Zusatz: Aber diese Reformen brauchen Geld. Reformen brauchen auch Geld.

StS Seibert: Diese Reformen brauchen zunächst einmal poltischen Mut und politische Kreativität.

Zusatz: Und Geld.

StS Seibert: Wir erleben in einigen europäischen Ländern, dass sich Regierungen zusammen mit ihren Bevölkerungen auf diesen Weg der Reformen gemacht haben. Das sollten wir mit großer Anerkennung und großem Respekt begleiten.

Frage: Herr Seibert, zu Ihren Bemerkungen: Man könnte aber trotzdem meinen, dass sich mit dem Abgang von Sarkozy und der Ankunft von Hollande doch etwas ändern wird. Sagen wir es so: Das Zeitfenster, in dem allein durch Strukturreformen Wachstum herbeigeführt werden konnte, schließt sich mit dem Abgang von Sarkozy langsam, und es bricht eine neue Ära an, in der Wachstum durch Strukturreformen, aber auch durch frisches Geld gefordert wird. Wie heißt es auf Deutsch: Fordern und fördern. Irgendetwas hat sich gestern doch geändert, oder wollen Sie einfach sagen: Nein, wir machen weiter wie immer?

StS Seibert: Eine Wahl ändert immer etwas, vor allem in dem Land, in dem gewählt wird. Natürlich gibt es große Veränderungen in Frankreich. Wir werden sehen, mit welcher Stimme und mit welchen Ideen und Projekten der französische Präsident die europäische Bühne betritt. Ich werde dem hier nicht vorgreifen. Dass sich Fenster geschlossen oder geöffnet hätten, ist Ihre Interpretation. Ich glaube, dass Strukturreformen weiterhin richtig sind und dass einigen Staaten noch einiges an Strukturreformen bevorsteht. Andere haben sich auf den Weg gemacht.

Frage: Mit Blick auf Frau Schavan möchte ich noch nachfragen, wann die Bundesbildungsministerin gedenkt, öffentlich die in ihrer wissenschaftlichen Promotionsarbeit dokumentierten Unzulänglichkeiten zu erläutern, sodass nicht durch Dritte über sie und ihre Arbeit gesprochen werden muss, sondern sie ihre Meinung klar und deutlich zum Ausdruck bringt, weshalb sie in ihrer Promotionsarbeit unzulässig zitiert hat. Gibt es da einen Zeithorizont oder gedenkt die Ministerin, das einfach aussitzen zu können?

Mishra: Zunächst einmal weise ich die in ihrer Frage enthaltenen Unterstellungen zurück. Die Ministerin hat sich gleich am Anfang geäußert, auch an diesem Ort, als die anonymen Vorwürfe erstmals im Internet aufgetaucht sind. Sie hat daraufhin versprochen, zur Klärung beizutragen. Es gab daraufhin einen Kontakt zwischen ihr und der Universität Düsseldorf. Daraufhin hat die Universität Düsseldorf zugesagt, diese Dissertation in ihrer Promotionskommission zu prüfen und eine Bewertung vorzunehmen. Die Ministerin hat sich bislang nicht erneut geäußert, weil sie nicht den Eindruck erwecken möchte, in irgendeiner Weise Einfluss auf diese Prüfungen nehmen zu wollen.

Zusatzfrage: Herr Mishra, können Sie noch einmal für die Öffentlichkeit nachvollziehbar erläutern, in welcher Form Frau Schavan geholfen hat, die Aufklärung voranzutreiben?

Mishra: Es gibt für diese Aufklärung eine entscheidende Stelle: Das ist die Universität Düsseldorf. Sie hat mit der Universität Düsseldorf vereinbart und auch versprochen, alles zur Klärung beizutragen. Das ist die Stelle, die hier entscheidet.

Zusatzfrage: Habe ich das so zu verstehen, dass Frau Schavan der Promotionskommission der Düsseldorfer Universität gegenüber erklärt, weshalb anerkannte Plagiatsexperten zu dem Ergebnis gekommen sind, dass Frau Schavan unzulässig und unwissenschaftlich zitiert hat, beziehungsweise weshalb ihr das unterlaufen konnte? Habe ich die Mithilfe von Frau Schavan so zu verstehen oder liege ich da falsch?

Mishra: Da sind wieder jede Menge Unterstellungen drin, deswegen - -

Zusatzfrage: Entschuldigung, nicht alles, was andere sagen, sind Unterstellungen. Meine Frage ist einfach, in welcher Form Frau Schavan in diesen Tagen und Stunden dazu beiträgt, dass die Berichte über die von Plagiatsexperten erhobenen Vorwürfe der unzulässigen Zitierarbeit aus der Welt geräumt werden.

Mishra: Sie wird gegenüber dieser Promotionskommission der Universität Düsseldorf, die sich ja noch nicht konstituiert hat, zu diesen Fragen Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Das heißt, sie versucht, das zu beschleunigen? In welcher Form ist das besondere Aufklärungsengagement zu erkennen?

Mishra: Diese Promotionskommission hat sich ja noch nicht konstituiert. Wenn sie sich konstituiert hat, wird es auf jeden Fall von unserer Seite jegliche Unterstützung geben, wenn da Fragen auftauchen.

Frage: Der Normenkontrollrat hat sich am Wochenende sehr kritisch zur geplanten Benzinpreispolizei geäußert. Was sagt denn das Wirtschaftsministerium zu dieser Kritik?

Wiegemann: Das ist eine alte Geschichte. Es ist ganz normal, dass der Normenkontrollrat im Rahmen der Ressortabstimmung Stellung bezieht; das hat er im Rahmen der Ressortabstimmung auch getan. Sie müssen auch sehen: Wir haben die Anregungen aufgenommen und streben eine möglichst unbürokratische Regelung an. Deshalb sieht das Gesetz ja auch vor, dass die Meldepflicht nur wöchentlich besteht. Zudem wurde auch eine Bagatellgrenze eingezogen, sodass kleine Tankstellen von der Meldepflicht ganz ausgenommen werden können.

Zusatzfrage: Wenn Sie diese Meldepflicht so umsetzen wollen, dass die Preise nur noch einmal pro Woche gemeldet werden, hilft das dann überhaupt, kann das dann die Benzinpreisbewegungen eindämmen?

Wiegemann: Ja, durchaus. Es geht ja darum, dass das Bundeskartellamt das Handwerkszeug bekommt, um mögliche Kartellrechtsverstöße erkennen zu können und dagegen vorgehen zu können. Dazu trägt diese Regelung ganz maßgeblich bei. Sie soll für Transparenz und Preisstabilität sorgen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 7. Mai 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/05/2012-05-07-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012