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PRESSEKONFERENZ/443: Regierungspressekonferenz vom 25. Juni 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 25. Juni 2012
Regierungspressekonferenz vom 25. Juni 2012

Themen: Wahl von Mursi zum Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten, Regierungserklärung zum Europäischen Rat, Treffen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsidenten, ESM und Fiskalpakt, zusätzliche Förderung des Kita-Ausbaus, Fußball-Europameisterschaft, Formaldehyd-Austritt auf Korvetten der Marine, Regierungswechsel in Paraguay, Umzug des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin, Demonstration vor der Deutschen Botschaft in Venezuela, mögliche Intrigen gegen den Chef des Bundesnachrichtendienstes, EnBW-Verkauf an das Land Baden-Württemberg, Luftverkehrsabgabe, öffentliche Gesamtverschuldung

Sprecher: StS Seibert, Steegmans (BMFSFJ), Kotthaus (BMF), Kutt (BMI), Paris (BMVg), Peschke (AA), Mänz (BMZ), Rouenhoff (BMWi)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Wir beginnen mit der Mitteilung, dass die Bundeskanzlerin heute Morgen dem gewählten Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten, Herrn Mohammed Mursi, ein Glückwunschtelegramm folgenden Wortlauts geschickt hat.

"Sehr geehrter Herr Mursi,

zur Wahl zum Präsidenten der Arabischen Republik Ägypten gratuliere ich Ihnen herzlich. Ägypten steht vor großen Herausforderungen. Dazu zählen insbesondere die Fortführung des demokratischen Wandels und die Förderung der nationalen Einheit. Außerdem gilt es, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzubringen und den inneren und äußeren Frieden zu garantieren. Deutschland wird die Arabische Republik Ägypten bei der Bewältigung dieser Aufgaben begleiten und weiterhin tatkräftig unterstützen.

Für Ihr neues Amt wünsche ich Ihnen viel Erfolg und eine glückliche Hand.

Mit freundlichen Grüßen

Angela Merkel, Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland"

Dann möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Bundeskanzlerin am Mittwoch um 12.30 Uhr im Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zum Europäischen Rat, der am Donnerstag und Freitag stattfindet, abgeben wird.

Ferner möchte ich Ihnen ankündigen, dass die Bundeskanzlerin am Mittwoch - ich kann noch nicht genau sagen, ob spätnachmittags oder abends - zu einem Meinungsaustausch mit Staatspräsident Hollande nach Paris reist. Auch diese Begegnung dient der Vorbereitung des Europäischen Rats am Donnerstag und Freitag. Die Details befinden sich noch in der Abstimmung. Wir lassen sie Sie rechtzeitig wissen.

Nun möchte ich für die Bundesregierung noch ein paar Worte zu der gestrigen Einigung zwischen Bund und Ländern sagen. Diese Einigung ist ein wichtiger Schritt. Wir sind nun zuversichtlich, dass Bundestag und Bundesrat vor Ablauf dieser Woche über ESM und Fiskalpakt abstimmen und dass Deutschland damit das Seine tut, damit diese beiden wichtigen Elemente der europäischen Krisenbewältigungspolitik ihre Wirkung entfalten können, Solidarität, wie sie der ESM ausdrückt, und Stabilität, wie sie Sinn und Zweck des Fiskalpakts ist. Die Einigung ist getragen von der Zusicherung des Bundes, dass den Ländern aus dem Fiskalpakt keine Anforderungen erwachsen, die über die grundgesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Der Bund haftet im Fiskalpakt im Außenverhältnis, das heißt das Risiko etwaiger Sanktionszahlungen wird er übernehmen. Deutschland setzt damit - das ist unsere Hoffnung für die Abstimmungen - ein starkes europäisches Zeichen: Die größte europäische Volkswirtschaft bekennt sich in Voten, die von breiten Mehrheiten getragen sein werden, zu ihrer europäischen Verantwortung. Insgesamt ist dies ein vernünftiger Interessenausgleich zwischen Bund und Ländern.

Nicht im sachlichen Zusammenhang, aber weil ohnehin darüber geredet werden musste, haben Bund und Länder auch einige andere Verabredungen getroffen. Ich möchte die Einigung auf eine zusätzliche Förderung des Kita-Ausbaus durch den Bund besonders hervorheben. Der Bund gibt 2013 580 Millionen Euro, um damit 30.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren möglich zu machen. Er wird sich über diese einmalige Zahlung hinaus jährlich mit 75 Millionen Euro am laufenden Betrieb dieser Einrichtungen beteiligen. Damit wird das Ausbauziel auf 780.000 Plätze für unter Dreijährige erhöht. Wir schließen also die Lücke zwischen dem einst ermittelten und dem jetzt bestehenden Bedarf.

Dieser Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige ist ein zentrales Anliegen dieser Bundesregierung. Nur so können wir Wahlfreiheit für Familien herstellen. Mit der gestrigen Einigung sind wir dieser Wahlfreiheit tatsächlich ein gutes Stück näher gekommen.

An der Einigung freut die Bundesregierung besonders, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam die Familien mit zusätzlichen Mitteln für die Kinderbetreuungseinrichtungen unterstützen werden. Das gibt dem Ausbau zusätzlichen Schwung. Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Länder insbesondere in Westdeutschland mit diesen zusätzlichen Bundesmitteln die Dynamik des Ausbaus an Betreuungsplätzen bei sich noch einmal steigern.

Steegmans: Die Bundesfamilienministerin ist sehr zufrieden mit den Gesprächen des gestrigen Nachmittags. Sie hat nicht ohne Grund seit Monaten gefordert, dass das vor uns liegende Jahr zum Jahr des Kita- Ausbaus werden muss. Ihr Drängen hat sich offenkundig gelohnt. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die Familienministerin vor ungefähr einem Monat, am 30. Mai, erstmals bekannt gegeben hat, dass über die 2007 veranschlagten 750.000 Kita-Plätze hinaus weitere 30.000 Plätze nötig seien, um den Rechtsanspruch ab August 2013 sicherzustellen. Sie hat damals schon erklärt, dass Bund, Länder und Gemeinden eine Schippe drauflegen müssten, damit diese Lücke geschlossen werden kann.

Insgesamt nimmt der Bund jetzt 4,6 Milliarden Euro für den Bau der Kita-Plätze bis zum Rechtsanspruch 2013 und 845 Millionen Euro jährlich für den Betrieb von Kitas in die Hand. Das sind enorme Summen. Wir erwarten allerdings jetzt auch, dass die Länder noch einmal beim Tempo zulegen; denn das Geld für den bedarfsgerechten Kita-Ausbau ist jetzt da. Insgesamt sind wir zuversichtlich, dass alle ihr Engagement noch einmal verstärken, damit die Eltern im August 2013 nicht enttäuscht werden.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundeskanzlerin die Auffassung des Bundestagspräsidenten Lammert, dass es mindestens zweckmäßig wäre, den ESM mit einer Zweidrittelmehrheit zu beschließen?

StS Seibert: Die Bundesregierung ist zu dem Schluss gekommen, dass sie, um verfassungsrechtliche Risiken zu vermeiden, auch für die Abstimmung zum ESM eine Zweidrittelmehrheit suchen wird.

Zusatzfrage: Ist sie zu dieser Auffassung durch den Hinweis des Bundestagspräsidenten gelangt?

StS Seibert: Sie ist durch intensives Nachdenken innerhalb der Bundesregierung und die öffentliche Diskussion, die stattgefunden hat, aber vor allem durch intensives eigenes Nachdenken zu dieser Auffassung gekommen.

Frage: Herr Kotthaus, es geht um die Verhandlungen gestern. Die zusätzlichen Milliarden, die der Bund bei der Behindertenhilfe und auch beim Kita-Ausbau übernimmt, werden in die Finanzplanungen für die Zeit ab 2014 eingearbeitet werden müssen. Machen Sie das noch schnell vor dem Kabinett am Mittwoch, und wie wollen Sie das perspektivisch finanzieren?

Kotthaus: Bei der Frage des Kita-Ausbaus und der jetzt schon für den nächsten Haushalt anfallenden Kosten werden wir - sicherlich auch mit der Zielsetzung, dass sich bei der Nettokreditaufnahme möglichst nichts tut - im parlamentarischen Verfahren schauen, wie wir das in den Gesamtkontext einfügen.

Was die anderen Fragen angeht, so kennen Sie die Formulierungen und wissen auch, dass man für die mittelfristigen und auch für die längerfristigen Finanzplanungen möglichst konkrete Zahlen haben muss. Das würde also erst zum Jahr 2014 konkretisiert werden.

Frage: Was die Abstimmung angeht: Welcher Artikel des Grundgesetzes ist denn für die Veränderung Ihrer Rechtsauffassung einschlägig, Herr Seibert?

StS Seibert: Ich habe gesagt: Zur Vermeidung etwaiger verfassungsrechtlicher Risiken ist dieser Schritt gegangen worden.

Zusatzfrage: Aber das bezieht sich sicherlich nicht auf Art. 1. In Bezug auf welchen Artikel könnte denn eine Kollisionsgefahr bestehen?

StS Seibert: Die verfassungsrechtliche Antwort muss ich Ihnen, wenn sie nicht einer der Kollegen aus den Ressorts gegeben kann, nachreichen.

Zusatzfrage: Das ist früher schon einmal geprüft worden, und es gab auch hier die Aussage, dass man der Meinung sei, beim ESM handele es sich um einen zwischenstaatlichen Vertrag, wie es viele gibt, für den man die einfache Mehrheit braucht. Hat man, wenn man jetzt der Meinung ist, es könnten verfassungsrechtliche Risiken bestehen, dabei einen bestimmten Artikel des Grundgesetzes im Auge? Ist das Art. 23? Was begründet das? Man hat ja eine neue Analyse und eine neue Wertung vorgenommen.

StS Seibert: Diese verfassungsrechtliche Antwort werde ich Ihnen nachreichen. Sehen Sie es aber trotzdem auch einmal anders herum. Für die Bundesregierung ist der ESM ein Vertrag von so großer Bedeutung, dass sie jedem etwaigen Risiko aus dem Weg gehen möchte, damit der ESM seine europäische Wirkung dann auch wirklich entfalten kann. Das ist die vorherrschende Überlegung, und das heißt nicht, dass die bisherige Rechtsauffassung, dass es eine einfache Mehrheit auch tut, hinfällig geworden ist. Es ist lediglich, wie ich gesagt habe, eine besondere Vorsichtsmaßnahme, um jedes Risiko auszuschließen.

Frage: Ich möchte zu der Frage von Frau Marschall nachfragen. Sie sagten zwar, wann sie das einplanen, aber wie Sie die zusätzlichen Mittel, die der Bund jetzt ausgibt, finanzieren wollen, ist offen geblieben.

Was ist jetzt die Zahl, die der Bund in welchem Jahr verarbeiten muss? Das ist mir nicht ganz klar.

Kotthaus: Ich denke, wir können momentan nur von dem Haushalt sprechen, der zurzeit diskutiert wird. Da werden es wohl mehr als die 500.000 Euro sein, wahrscheinlich rund eine Milliarde. Das wird jetzt im parlamentarischen Verfahren, in dem wir uns ja beim Haushalt momentan befinden, noch zu diskutieren und zu klären sein.

Zusatz: Sie sind doch noch gar nicht im parlamentarischen Verfahren. Es muss doch diese Woche erst durchs Kabinett.

Kotthaus: Das ist alles richtig. Noch einmal: Wir befinden uns noch in der Abstimmung, aber wir gehen davon aus, dass wir das dann im Zusammenhang mit dem parlamentarischen Verfahren im Parlament klären.

Zusatzfrage: Wenn ich noch zur Mittelfristigen Finanzplanung nachfragen darf: Als es darum ging, die Schuldenbremse in Gang zu setzen, war sie eine heilige Kuh, sodass nichts mehr daran geändert werden konnte, außer über das Kabinett und ganz aufwendig. Soll das deshalb jetzt alles auf nächstes Jahr vertagt werden?

Kotthaus: Ich kann nicht erkennen, dass die Schuldenbremse durch eine Einigung vom Wochenende in irgendeiner Weise tangiert werden könnte. Noch einmal: Sie kennen die Erklärung, Sie kennen die Inhalte. Da müssen jetzt eben verschiedene Sachen diskutiert und im Detail geklärt werden. Für die Mittelfristige Finanzplanung - das wissen Sie selber - müssen konkrete Zahlen vorliegen, muss es konkrete Gesetzesvorhaben geben. Das müsste dann dementsprechend konkretisiert werden, um einfließen zu können. Das wird sicherlich die Aufgabe für 2014 sein.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie überlassen es dem Parlament, ob diese Milliarde jetzt innerhalb des Haushalts gegenfinanziert wird oder ob die Nettokreditaufnahme erhöht wird?

Kotthaus: Soweit ich weiß, werden wir hier am Mittwoch auch eine kleine Pressekonferenz haben, in der wir dieses Thema noch einmal im Detail diskutieren werden. Wir gehen davon aus, dass wir die am Sonntag angefallenen Mehrbelastungen im Rahmen des jetzigen Plans, den wir vorher durch das Bundeskabinett bringen und dann mit dem Parlament diskutieren werden, so abdecken können, dass bei der Nettokreditaufnahme keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Frage: Erstens. Herr Kotthaus, ist, was die Eingliederungshilfe anbelangt, die Summe von 4 Milliarden ab 2014 unstrittig?

Zweitens. Wie muss ich mir eigentlich diese Deutschland-Fonds vorstellen?

Kotthaus: Erstens. Ich kann Ihnen für die Eingliederungshilfe zurzeit keine Summe nennen. Vielmehr gibt es eine klare Verabredung, dass wir im Zusammenhang mit den gesamten Finanzbeziehungen von Bund und Ländern diese Fragen klären werden.

Zweitens. Die gemeinsamen Anleihen im Huckepack-Verfahren müssen Sie sich wie folgt vorstellen: Das wären Anleihen, bei denen Bund und Länder gemeinsam eine Anleihe emittieren, bei der aber sozusagen jeder für seinen Anteil an der Anleihe selbst haftet. Der Vorteil ist, dass Sie in diesem Zusammenhang von einem abgestimmten Emissionsplan profitieren, dass Sie von einer höheren Summe profitieren. Einfach durch die höhere Summe müssten Sie eigentlich auch bei den Konditionen profitieren können. Das ist die Idee dahinter.

StS Seibert: Wenn ich dazu auch noch etwas sagen darf, weil das Thema ja manchen zu weiteren europäischen Fantasien beflügelt: Es sind tatsächlich Anleihen, bei denen die Länder die entsprechenden Bundesemissionen aufstocken. Es geht nicht um eine gesamtschuldnerische Haftung. Das zeigt, dass selbst in einem bundesstaatlich so eng verknüpften System wie der Bundesrepublik Deutschland der Bund nicht genügend Kontrolle oder Zugriff auf das Finanzgebaren der Länder hat, um eine solche gesamtschuldnerische Haftung begründen zu können. Deswegen gibt es das Huckepackverfahren, das durchaus mehr Kohärenz mit sich bringt, als wir sie jetzt haben, aber etwas ganz anderes als eine gesamtschuldnerische Haftung ist.

Kotthaus: Sie wissen ja auch, dass nach dem Grundgesetz die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern getrennt sind. Art. 109 sieht auch vor, dass die unabhängig voneinander agieren. Deswegen ist diese Form einer gemeinsamen Emission, bei der aber jeder für seinen Teil haftet, die einzig mögliche.

Frage: Gibt es also sozusagen keinen Bonitätstransfer der guten Bonität des Bundes auf das etwas notleidendere Berlin, Bremen oder Saarland? Ist definitiv ausgeschlossen, dass die sich billiger refinanzieren?

Kotthaus: Noch einmal: Es gibt keine gesamtschuldnerische Haftung. Es gibt ein größeres Volumen. Der Bund ist mit dabei. Wenn das dann in der Gesamtschau sozusagen positiv von den Märkten bewertet wird, dann ist das sicherlich zu begrüßen. Aber es gibt keine gesamtschuldnerische Haftung, sondern jeder haftet anteilig für seinen Teil.

Zusatzfrage: Gibt es eine Schätzung darüber, was aufgrund des Volumens dann auf der Refinanzierungsseite und bei den Zinskosten eingespart wird?

Kotthaus: Wir haben uns am Sonntag, glaube ich, darauf geeinigt, dass wir jetzt so eine erste Anleihe auflegen wollen. Heute ist Montag, 11.50 Uhr. Es ist etwas früh dafür.

Frage: Welche Länder würden denn potenziell dabei mitmachen? Gibt es dazu Äußerungen? Bis jetzt sind ja nicht alle Bundesländer mit Emissionen am Markt vertreten. Kleinere Länder können das - das haben Sie ja erwähnt - wegen des Volumens quasi nicht stemmen. Andere Länder haben sich zusammengeschlossen und auch schon solche Jumboanleihen aufgelegt, also sozusagen eine Gruppenanleihe aufgelegt.

Wie würde das vom Verfahren her ablaufen? Müssen die sich dann beim Bundesfinanzministerium melden, oder gehen die zur Finanzagentur nach Frankfurt und melden sich dort? Gibt es ein organisiertes Verfahren, wie das ablaufen soll?

Kotthaus: Es gibt jetzt die klare Verabredung, dass wir 2013 eine erste Anleihe auflegen wollen. Die Verfahren wird man dann sehen müssen. Wie Sie gerade erwähnt haben: Ja, es gibt schon diese Länder-Jumboanleihen, die gemeinsam aufgelegt werden. Man könnte sich also vielleicht vorstellen, dass der Bund dann bei so etwas mitmacht. Aber, Frau Wefers, es ist wirklich schlicht und ergreifend zu früh, um jetzt - weniger als 24 Stunden nach einer entsprechenden Einigung - über die Details und Unterdetails zu sprechen. 2013 ist noch ein paar Tage hin. Es gibt ein klares Commitment. Wir werden das machen. Die Details müssen wir dann festlegen.

Zusatz: Ich finde das, mit Verlaub gesagt, nicht so detailliert. Wenn ich dort am Verhandlungstisch gesessen hätte, dann hätte ich doch vielleicht gerne gewusst, wie ich als Land teilnehmen kann oder nicht!

Kotthaus: Ja, aber, das wird genau die Frage sein: Welche Länder wollen wie mitmachen? Was ist mit den Jumboanleihen? Können wir auf diesem Weg weiterarbeiten? Gibt es andere Methoden? - Ich kann es Ihnen momentan schlicht und ergreifend noch nicht sagen. Gestern hieß es in der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern: Ja, wir werden das 2013 zusammen machen. Jetzt wird es sicherlich darum gehen, wie das dann konkret aussehen wird. Der Weg über die Jumboanleihen, den Sie erwähnt haben, also dass der Bund dabei als Mitemittent mitmachen würde, ist sicherlich eine Möglichkeit. Ob das im Endeffekt der Weg sein wird, den wir alle gemeinsam wählen werden, kann ich Ihnen momentan noch nicht sagen.

Zusatzfrage: Gibt es denn eine Vorstellung davon, wie lange es dauern wird, bis Sie das konkretisiert haben?

Kotthaus: Nein. Aber noch einmal: In der Vergangenheit waren sowohl die Länder als auch der Bund sehr fähig, wenn es darum ging, langfristig Anleihen so klar zu kommunizieren und einzuplanen, dass sich auch die Märkte darauf einrichten konnten. Ich bin also voller Optimismus, dass diese Zuverlässigkeit und Klarheit auch in Zukunft bewahrt werden wird. Ich kann Ihnen heute noch kein konkretes Datum nennen. Das ist für 2013 geplant, also haben wir noch ein paar Tage Zeit.

Frage: Herr Kotthaus, ich mag ein bisschen begriffsstutzig sein, aber wenn unterschiedliche Emittenten für Teile dieser Anleihe bürgen, dann heißt das doch auch, dass unterschiedliche Konditionen für die jeweiligen Teile dabei herauskommen müssen. Ist denn daran gedacht, dass man irgendwelche Grenzen setzt, innerhalb der diese gemeinsamen Anleihen vergeben werden können? Ist die Tür dafür offen, dass man, wenn sich das bewähren sollte, künftig vielleicht ausschließlich diesen Weg gehen wird, dass man nur noch gemeinsame Bund-Länder-Anleihen aufgelegt?

Kotthaus: Zuerst einmal kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie jemals begriffsstutzig werden könnten. Den Tag möchte ich noch erleben.

Zweitens haben wir momentan die Situation, dass wir uns gestern darauf geeinigt haben, diesen Weg gehen zu wollen. Das würde bedeuten, wie Sie es auch von den Länder-Jumboanleihen kennen, dass man gemeinsam emittiert, um damit mehrere Effekte zu nutzen, und zwar erst einmal ein größeres Volumen. Ein größeres Volumen bedeutet normalerweise bessere Konditionen. Der Bund würde dann sozusagen als Teilnehmer an einer solchen Jumboanleihe teilnehmen. Auch das dürfte durchaus für eine noch bessere Akzeptanz am Markt sorgen.

Alles andere müssen wir jetzt festlegen. Das ist ein neues Instrument, das wir bis jetzt nicht kennen. Deswegen muss man jetzt schauen, wie das genau und am besten eingestielt und gestaltet werden kann. Es wird sicherlich kein Problem sein, den besten Weg dafür zu finden. Aber noch einmal: Jetzt ist es 24 Stunden nach der grundsätzlichen Einigung, diesen Weg gehen zu wollen, und wir werden die Details in den Tagen und Wochen festlegen müssen, die jetzt kommen.

Frage: Herr Kotthaus, ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die Länder und der Bund etwas nach dem Motto "Von hier an blind; wir haben noch keine Ahnung, wie wir es machen wollen, aber wir machen es einfach" vereinbaren. Haben Sie denn dem Haus keine Vorarbeiten oder kein Modell unterbreitet, beispielsweise als Entscheidungshilfe für die Länder?

Kotthaus: Die Diskussion darüber, dass Bund und Ländern gemeinsame Anleihen auflegen könnten, ist seit Längerem immer wieder einmal aufgekommen. Sie wissen, dass es diese Diskussion mehrfach gab. Es gibt verschiedene Modelle, die in der Vergangenheit zum Teil von verschiedenen Ländern vorgestellt respektive auch in der Wissenschaft diskutiert wurden. Man hat sich jetzt gestern grundsätzlich darauf geeinigt, dass man diesen Weg gehen wird. Welches Modell am Erfolg versprechendsten ist und welches Modell von allen konsentiert werden wird, kann ich Ihnen hier und jetzt noch nicht sagen. Da können Sie auch dreimal fragen, aber ich kann es Ihnen nicht klarer machen. Ich kann es nicht detaillierter ausdrücken.

Ich erkenne jetzt auch nicht die Notwendigkeit dafür, denn die Überschrift ist "intelligentes Schuldenmanagement". Es geht darum, dass man, wie gesagt, durch das größere Volumen bessere Konditionen bekommt, und dass eine Anleihe, bei der der Bund dabei ist, auf dem Markt sicherlich eine noch bessere Akzeptanz finden wird. Wie man das konkret gestaltet, wird man dann sicherlich unproblematisch mit den Ländern klären können.

Frage: Herr Kotthaus, ist selbst eine solche Grundsatzfrage, wie sie der Kollege Heller gerade angesprochen hat - wenn man mit einem größeren Volumen daran geht, muss doch trotzdem für die Finanzmärkte erkennbar sein, dass der Bund dabei echt mit im Boot ist, also auch in irgendeiner Form von Haftung, damit günstigere Konditionen gewährt werden; denn ansonsten wären das ja eigentlich zwei voneinander getrennte Dinge -, vorher nicht geklärt worden?

Kotthaus: Wie ich gerade schon gesagt habe und wie auch Herr Seibert gesagt hat, gibt es keine gemeinsame Haftung. Das hat Herr Seibert ganz klar formuliert, und das habe ich ganz klar formuliert. Jeder haftet anteilig. Man wird sich die Kosten teilen können.

Zusatzfrage: Wer kauft das denn dann?

Kotthaus: Das ist die gleiche Frage, die es heute schon hinsichtlich der Länder-Jumboanleihen gibt. Auch dabei macht das Volumen etwas aus. Auch dabei macht die gemeinsame Emission etwas aus. Eine abgestimmte Emission, die sozusagen gemeinsam an den Markt geht und bei der man sich dadurch auch nicht gegenseitig Konkurrenz macht, hilft dabei. Das wird sicherlich ein erfolgreiches Modell werden, aber - noch einmal - nicht in einer gemeinsamen Haftung, sondern in einer Pro-Rate-Haftung, aber - Stichwort "intelligentes Schuldenmanagement" - miteinander koordiniert und abgestimmt. Aber es gibt keine gemeinsame Haftung.

Zusatzfrage: Aber ist das etwas anderes als die Jumboanleihen?

Kotthaus: Ein Modell, das es heutzutage gibt, sind die Jumboanleihen. Dafür könnte man sich als zusätzlichen Teilnehmer den Bund vorstellen. Ob das der Weg sein wird, den wir gehen werden, wird man dann sehen.

Frage: Gibt es denn eine grundsätzliche Verständigung darüber, ob alle Bundesländer mitmachen können, oder ist das vielleicht an irgendwelche Auflagen geknüpft, etwa daran, dass sich die Haushaltsnotlagenländer auf diesem Wege nicht weiter zu günstigeren Renditen locker verschulden können, oder daran, dass Länder, die ihre Schuldenabbaupfade in der Schuldenbremse noch nicht festgelegt haben, möglicherweise nicht dabei mitmachen können, damit wir nicht so ein Problem wie andere europäische Länder bekommen, die sozusagen auf günstigen Zinsen über ihre Verhältnisse leben?

Kotthaus: Da es keine gemeinsame Haftung gibt, ist die Formulierung in der Einigung auch sehr offen gehalten. Da es keine gemeinsame Haftung gibt, gibt es auch nicht diese Fehlanreize, die Sie ansprechen, sondern es geht darum, wie man durch intelligentes Schuldenmanagement die Kosten für alle Beteiligten möglichst niedrig halten kann. Es geht nicht um eine gemeinsame Haftung.

Zusatz: Aber einen ökonomischen Fehlanreiz kann es auch ohne juristische Haftung geben. Wenn sich ein Bundesland zu günstigeren Zinsen verschuldet, dann ist der Anreiz, sich in einem höheren Ausmaß zu verschulden, natürlich ökonomisch größer.

Kotthaus: Aber es gibt hier die ganzen anderen Regelungen aus unserer internen Schuldenbremse sowie andere Regelungen. Die fallen ja nicht alle weg. Die ganzen anderen Regelungen unserer bundesstaatlichen und länderstaatlichen Finanzordnung bleiben ja weiterhin bestehen. Es ist ja nicht so, als wenn jetzt auf einmal alles irgendwie verschwinden würde. Nein, es geht darum, wie man durch intelligentes Schuldenmanagement die Kosten für alle Beteiligten senken kann, ohne zu einer Gesamthaftung zu kommen.

Frage: Herr Kotthaus, das ist heute für Sie wahrscheinlich eine Marathonsitzung. Spanien hat jetzt einen Antrag abgeschickt, sagt es. Ich wollte einmal fragen: Wie ist das weitere Prozedere? Wird das nun womöglich auch schon ein Fall für den Bundestag? Der Bundestag muss ja auch noch einmal zustimmen. Oder muss er das nicht tun? Wird das vielleicht am Freitag auch mit auf dem Programm stehen?

Rechnen Sie eigentlich auch mit einem Antrag von Zypern? Wann könnte der kommen?

Kotthaus: Bei Spanien gilt das, was wir hier schon seit zwei Wochen friedlich sagen und immer wieder gerne ausführen. Es geht darum, dass die Spanier schon vor geraumer Zeit angekündigt haben, dass sie einen Antrag nach einer Hilfe zum Thema Bankenrekapitalisierung stellen würden. Sie wissen, dass die Mitgliedstaaten der Eurozone den Spaniern in Aussicht gestellt haben, dass sie bis zu 100 Milliarden Euro dafür zur Verfügung stellen würden. Sie wissen, dass die letzten Zahlen, die die Spanier letzte Woche beim Ecofin-Treffen ventiliert haben, einen Bedarf von maximal 62 Milliarden Euro vorsehen.

Es war klar - das hatte auch der Chef der Eurogruppe am Donnerstagabend bei seiner Pressekonferenz gesagt -, dass die Spanier am heutigen Montag ihren Antrag stellen werden. Das ist jetzt wohl so erfolgt, wenn ich den Tickern glauben kann. Der Antrag wird an den Präsidenten der Eurogruppe gestellt, also an Herrn Juncker. Ich habe nichts davon gelesen, dass das nicht so passiert wäre. Also glaube ich erst einmal, dass das so passiert ist, ohne dass ich das jetzt schon bestätigen kann.

Der nächste Schritt wird dann sein, dass die Troika - Kommission und EZB, technisch vom IWF unterstützt - nach Spanien reisen würde, um konkret den Bedarf und die Details zu ermitteln, die im spanischen Bankensektor bestehen. Dann wiederum wird die Troika einen Bericht an die Eurogruppe und die Eurogruppenminister erstatten. Dann müsste ein dementsprechender Beschluss gefasst werden. Dazu wiederum ist auch ein Beschluss des Bundestages erforderlich, wie es nach den innerdeutschen Gesetzen vorgesehen ist.

Das Instrument, um das es sich handelt, sind die sogenannten Hilfen bei der Bankenrekapitalisierung. Die Details zu dem Instrument finden Sie alle auf der EFSF-Website inklusive aller Unterschritte und Unterunterschritte vom Prozedere her. Da gibt es einen Button, der "legal documents" heißt, und dann gibt es ein Programm, das "Guideline on Recapitalisation" heißt. Dort finden Sie die Details.

Ich sehe mich nicht in der Lage, über irgendwelche Programmanträge oder Nicht-Anträge von irgendwelchen Regierungen zu spekulieren. Die Einzigen, die entscheiden könnten, ob sie einen Antrag stellen oder nicht, wäre die zypriotische Regierung. Deswegen kann ich Sie nur an diese verweisen.

Frage: Herr Kotthaus, es gibt Überlegungen in Nikosia, dass man sich das Geld, das man für die zypriotischen Banken braucht, nicht von der EFSF, sondern aus anderen Quellen besorgen könnte, zum Beispiel von Russland oder von anderen Länder. Wie stehen Sie zu solchen Überlegungen?

Kotthaus: Ich kann weder einschätzen, wie der Geldbedarf von Nikosia oder der zypriotischen Regierung ist noch wie sie ihn decken wird. Das ist jeder Regierung innerhalb der EU selbst überlassen. Das kann ich weder kommentieren noch darüber spekulieren.

Zusatzfrage: Dann habe ich noch eine Frage zu Griechenland. In den letzten Tagen haben wir den Koalitionsvertrag der neuen Regierung von Athen gelesen. Darin stehen Forderungen bezüglich Änderungen des Sparprogramms, zum Beispiel eine Verlängerung der Fristen bis 2016. Wie kompatibel sind solche Forderungen mit dem Vertrag, der mit Griechenland abgeschlossen worden ist?

Kotthaus: Ich glaube, dazu hat sich sowohl der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, als auch mein Minister an diesem Wochenende ausgiebig und klar eingelassen. Mir fällt es schwer, das noch weiter herunterzubrechen.

Der nächste Schritt wird jetzt sein, dass die Troika endlich nach Athen reisen muss. Sie muss dann mit der neuen Regierung sprechen. Sie muss sehen, wo wir bei der Umsetzung des Programms stehen. Man kann immer nur sagen: Ein Programm ist verabredet. Ein Programm gilt für jede Regierung, auch für jede neue Regierung. Das Programm - und zwar so, wie es vereinbart worden ist - ist der beste Weg für Griechenland, um wieder wirtschaftlich zu gesunden.

Zusatzfrage: Eine Grundsatzfrage: Bei Spanien haben wir ja gesehen, dass es Erleichterungen gegeben hat. Das Stichwort ist Flexibilität. Was ist der entscheidende Unterschied zwischen Spanien und Griechenland? Bei Spanien gibt es zeitliche Flexibilität. Man sagt: Okay, ihr dürft noch ein Jahr versuchen, die Ziele zu erreichen. Aber bei Griechenland sagt man: Nein, es gibt keine Flexibilität. Sie müssen das Programm so durchziehen, wie es beschlossen ist. Wo ist der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Fällen?

Kotthaus: Mir wäre neu, dass Spanien zurzeit ein Programm-Land ist.

Zusatz: Aber Flexibilität hat die Troika oder hat die Eurozone gegenüber Spanien schon gezeigt.

Kotthaus: Mir wäre unbekannt, dass sich die Troika bis jetzt in irgendeiner Form über Spanien ausgelassen hat.

Zusatz: Die Troika nicht, aber schon die Eurozone.

Kotthaus: Es gibt ein Verfahren im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakets, wie man die Defizite reduzieren soll. Wenn Sie das meinen, dann gab es darüber eine Diskussion. Dann hat die Kommission angeboten, dass sie gegebenenfalls darüber nachdenken könnte, das Defizitziel von Spanien etwas später korrigiert zu sehen. Die Spanier selber haben dazu gesagt, dass sie entschlossen seien, ihr Defizitziel einzuhalten. Ich kann nicht erkennen, was das mit der Umsetzung des griechischen Programms zu tun hat.

StS Seibert: Ich glaube, der Präsident des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, hat das sehr klar auf den Punkt gebracht, indem er gesagt hat: Eine zeitliche Streckung des griechischen Programms muss ehrlicherweise dann auch mit einem erneuten Finanzbedarf einhergehen. Das ist der große Unterschied. Es handelte sich dann um zusätzliche Milliarden, die aufgebracht werden müssten. Ich sage das, weil Sie nach dem Unterschied fragen.

Kotthaus: Genau. Die Spanier machen ihre Sachen selber.

StS Seibert: Ich würde gerne zum Thema Griechenland, wenn auch nicht so ganz politisch, für die Bundeskanzlerin herzliche Genesungswünsche an den griechischen Ministerpräsidenten und den designierten Finanzminister - beide sind derzeit krank - mit der Hoffnung übermitteln, dass sie bald wieder gesund sind und ihren anspruchsvollen Aufgaben nachgehen können.

Frage: Ursprünglich hat es geheißen, dass die Troika noch diese Woche nach Athen reisen würde. Jetzt heißt es, dass die Troika erst nächste Woche nach Athen reisen wird. Wie wird es während des Gipfeltreffens sein? Wird die Frage Griechenland besprochen beziehungsweise entschieden? Oder wird man das Problem gar nicht angehen? Wie wird es angesichts dessen weitergehen, dass die griechische Regierung erstens die Lockerung der Sparauflagen gefordert hat und dass das Land zweitens vor dem finanziellen Kollaps steht?

StS Seibert: Ich glaube, alle europäischen Partner halten sich an den Ablauf, den Herr Kotthaus gerade skizziert hat. Die Troika muss nach Athen reisen. Sie muss sehen, wo das Programm steht. Sie muss dann Eurogruppe und IWF-Direktorium berichten. Auf der Basis dieser Bestandsaufnahme wird man über notwendige Aktualisierungen des Programms sprechen. Das ist der Fahrplan, an den sich alle in Europa halten. Deswegen erwarten Sie keine Beschlüsse beim Europäischen Rat zum Thema Griechenland.

Zusatzfrage: Das heißt, dass aufgrund des Fahrplans der Troika am Wochenende keine Beschlüsse zu erwarten sind?

Kotthaus: Die Troika hatte ja angekündigt, dass sie am Montag nach Griechenland fliegen würde. Aufgrund der Tatsache, dass aber zwei wichtige Ansprechpartner, sowohl der Ministerpräsident als auch der Finanzminister - auch vonseiten des BMF die herzlichsten Genesungswünsche -, zurzeit gesundheitlich nicht in der Lage sind, die Troika zu empfangen, hat die Troika sich jetzt entschieden, mangels Gesprächspartner nicht hinzufliegen. Das ist ein Problem, das sicherlich für alle Beteiligten sehr bedauerlich ist, weil wir wirklich darauf gehofft haben, dass die Troika möglichst schnell nach Athen reisen kann, um vor Ort zu schauen, wie die Lage bei dem Programm ist und was gemacht werden muss. Das ist momentan so, wie es ist. Ohne Troika-Report, ohne Bericht, wo das Programm steht, ohne zu schauen, was man gegebenenfalls machen muss, um das Programm nachzusteuern, um wieder "on track" zu kommen, wie man so schön sagt, kann es keinerlei Beschlüsse geben. Wir müssen erst einmal schauen, wo wir stehen und was wir tun müssen, damit das Programm wieder dahin kommt, wo es hingehört.

Frage: Mich interessiert die Zeitschiene zu den Erläuterungen zu Spanien von Ihnen, Herr Kotthaus. Es ist, wenn ich das richtig verstanden habe, in der Autorität der Troika, zu entscheiden, in was für einem Maße letztendlich Spaniens Banken via Staat von Europa Hilfen erhalten. Es ist nicht eine Aufgabe Spaniens, letztendlich zu sagen: So viel wollen wir. Was für einen Zeitaufwand veranschlagen Sie denn für diese Troika-Prüfung mit den Entscheidungen? Das ist mir deshalb wichtig, weil sich dahinter die Frage verbirgt, unter welchem Schirm letztendlich die spanischen Hilfen abgerufen werden, ob sie noch unter der EFSF abgerufen werden können, was eine schnelle Entscheidung voraussetzen würde, oder ob sie dann unter dem ESM laufen würden, was ein bisschen mehr Zeit einräumen würde.

Kotthaus: Im Endeffekt entscheidet immer die Eurogruppe. Die Troika fährt nach Spanien und wird mit der spanischen Regierung die Sachaufklärung betreiben. Sie wird schauen: Welche Probleme haben wir bei welchen Banken? Wie könnte man auf diese Probleme reagieren? Was für Ansätze gibt es für den gesamten Finanzsektor? Was für Fragen gibt es vielleicht bei einzelnen Instituten, mit denen man umgehen muss? Sie wissen: Die einzige Institution, die die Banken reformieren und beaufsichtigen kann, ist die spanische Regierung. Man wird also gemeinsam mit den Spaniern ein Programm diskutieren müssen, das den spanischen Finanzsektor betrifft, respektive einzelne Institute. Dann wird man mit diesem Programm zurückkehren und wiederum der Eurogruppe Bericht erstatten. Entscheiden müsste dann die Eurogruppe, nachdem in den verschiedenen Mitgliedstaaten die jeweiligen nationalen Verfahren absolviert worden sind, also in Deutschland auch der Bundestag beteiligt worden ist.

Wie schnell das geht, wie lange das dauert, kann ich, momentan nicht vorhersagen. Der Antrag ist gestellt. Jetzt muss die Troika erst einmal hinfahren und muss dann schauen, wie es im Detail aussieht, bevor sie dann Bericht erstatten kann. Dann wird man sehen müssen, welcher Schirm dann zur Auszahlung kommt.

Sie wissen auch: Wenn ein Antrag nach der EFSF gestellt würde - weil es den ESM noch nicht gibt -, das also ein sehr zügiges Verfahren wäre, könnte dann auch auf den ESM übergeleitet werden. Auch diese Möglichkeit sehen die Verträge vor. Aber es ist momentan für mich unmöglich, Ihnen eine ganz klare Perspektive zu nennen, wie schnell die Troika arbeiten wird, wie schnell Entscheidungen sowohl in der Eurogruppe als auch in den jeweiligen nationalen Institutionen gefällt werden können. Wir müssen erst einmal abwarten, bis die Troika heruntergefahren ist und dann berichtet. Dann werden wir das sehen können. Ich gehe davon aus, dass das nicht unendlich lange dauern wird. Sie wissen, dass die Spanier schon relativ viele Arbeiten mit verschiedenen Evaluierungen und Bewertungen ihres Finanzsektors vorgenommen haben. Aber um die Frage zu beantworten, was das konkret heißt, Herr Heller, müsste ich jetzt etwas erfinden. Das macht für uns alle keinen Sinn.

Zusatzfrage: Herr Seibert, mich würde die Position der Bundesregierung in der Debatte über die Notwendigkeit eines Referendums, einer Volksabstimmung ab irgendeinem Punkt - einem möglicherweise sogar näher bevorstehenden Punkt -, über eine Vertiefung Europas interessieren. Wie ist da die Position der Bundesregierung? Halten Sie diesen Punkt jetzt grundsätzlich für anstehend, dass man darüber befinden muss, ob man Volksabstimmungen in solchen Fragen vornimmt?

Zum Zweiten sind am Wochenende ja die ersten Eckpunkte des Berichts der vier Präsidenten über die Vertiefung Europas durchgesickert beziehungsweise in Brüssel auch mitgeteilt worden. Haben Sie auf der Grundlage dessen, was Sie bisher wahrnehmen konnten, schon eine grobe Einschätzung, ob sich die Bundesregierung in dieser Richtung, wie sie die vier Präsidenten umschreiben, bewegen will, bewegen kann?

StS Seibert: Sie spielen auf die Äußerungen von Finanzminister Schäuble vom Wochenende an. Man muss dazu sagen: Wolfgang Schäuble ist weit und breit in Europa einer der erfahrensten Politiker. Die Europäische Einigung ist seit den 80er-Jahren sein Thema. Er war immer einer, der über der Politik, die heute gemacht werden muss, nicht vergessen hat, welche Politik morgen und übermorgen zu machen ist; er ist also sozusagen ein europäischer Vordenker. Solche Vordenker brauchen wir - gerade jetzt in der Krise. Wenn Sie seine Karlspreis-Rede - ebenfalls in diesem Jahr gehalten - lesen, dann finden Sie darin zahlreiche Punkte, die jetzt auch in dem "Spiegel"-Interview wieder kurz angerissen wurden.

Ich kann Ihnen sagen, dass die Bundeskanzlerin diese Grundausrichtung hin auf eine stärkere Integration in Europa absolut teilt. Aber - und das hat der Finanzminister auch klar gemacht - derzeit stehen diese Schritte von morgen und übermorgen - wahrscheinlich eher übermorgen - nicht an. Alle in der Bundesregierung arbeiten jetzt daran, auf der rechtlichen Basis von heute - europarechtlich wie auch unsere eigene Verfassung betreffen - Lösungen für die Probleme in Europa zu finden. Die nächste Etappe dafür wird der Europäische Rat Ende dieser Woche sein. Wir haben ein Grundgesetz, das europafreundlich ist und das integrationsfreundlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass das keine unbegrenzte Integration erlaubt, aber an dem Punkt sind wir derzeit eindeutig noch nicht.

Zusatzfrage: Und was sagen Sie zu den Vorschlägen der vier Präsidenten?

StS Seibert: Präsident Van Rompuy und seine Kollegen werden dem Europäischen Rat Vorschläge beziehungsweise einen Bericht über ihre Vorarbeiten vorlegen, und darüber wird der Europäische Rat diskutieren. Diese Diskussion nehme ich hier jetzt nicht vorweg.

Frage: Eine Frage zu dem Treffen in Paris: Die Welt schaut zu und hat große Hoffnungen auf eine Einigung zwischen Frankreich und Deutschland. Was sollen wir von diesem Treffen erwarten: eine Einigung oder noch Streitigkeiten und verschiedene Meinungen?

StS Seibert: So wie Sie die Frage stellen, legt sie ja den Gedanken nahe, es habe bisher nur Streit gegeben. Das ist überhaupt nicht der Fall.

Zusatzfrage: Überhaupt nicht, aber die Welt schaut zu und erwartet eine Lösung.

StS Seibert: Gut. - Also, die Kanzlerin reist zu einem Meinungsaustausch, zu einem abendlichen Gespräch nach Paris. Es ist kein Beschlussgremium, das dort tagt, sondern es sind die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident, die dort tagen. Für Beschlüsse ist der Europäische Rat zuständig. Insofern ist das Treffen ein Stück Meinungsbildung - wie sie zwischen Deutschland und Frankreich immer besonders wichtig ist - auf dem Weg zu diesem Europäischen Rat.

Zusatzfrage: Man sollte also keine konkreten Erwartungen haben?

StS Seibert: Sie sollten nicht die Erwartung haben, dass an dem Abend Beschlüsse geäußert oder veröffentlicht werden. Sie sollten die Erwartung haben, dass die Vertreter dieser beiden für Europa besonders wichtigen Länder ein gutes Gespräch führen, das dann insgesamt auch Europa weiterhelfen kann.

Zusatzfrage: Es gibt also keine Pressekonferenz nach dem Treffen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt, dass die Details noch nicht feststehen, weil wir noch keinen festen Zeitplan haben. Es wird wahrscheinlich eine Pressebegegnung mit kurzen Statements vorher geben, aber keine Pressekonferenz.

Frage: Herr Seibert, Sie haben eben gesagt, der Punkt sei noch nicht da, über eine Verfassungsänderung nachzudenken. Das hat Herr Schäuble nun ja auch nicht gesagt; er hat in dem Interview nur gesagt, dieser Punkt könnte viel schneller kommen, als bisher gedacht. Deswegen meine Nachfrage: Teilt die Bundeskanzlerin diese Einschätzung?

StS Seibert: Ob die Bundeskanzlerin diese Einschätzung teilt?

Zusatzfrage: Die Einschätzung, dass es alles viel schneller kommen könnte, als bisher gedacht. Das ist ja die Botschaft von Herrn Schäuble gewesen, so wie ich sie verstanden habe.

StS Seibert: Ich möchte mich da jetzt nicht auf bestimmte Zeitrahmen einlassen. Das Wichtige ist, dass die Bundesregierung - und zwar alle Mitglieder der Bundesregierung - im Hier und Jetzt auf der Basis dessen, was das Grundgesetz und die europäischen Verträge jetzt gestatten, arbeiten. Wir sind überzeugt, dass auf dieser rechtlichen Basis eine ganze Menge wichtiger Arbeit für Europa erledigt werden kann und erledigt werden muss. Das geschieht jetzt zum Beispiel beim Europäischen Rat.

Frage: Eine Frage technischer Natur, was die Troika anbetrifft, die nach Spanien gesendet wird: Wird sie zusammengesetzt aus Fachleuten im Bankbereich oder werden das Allerwelts-Ökonomen sein, so wie im Fall der griechischen Troika?

Kotthaus: Da ich weder EZB noch Kommission noch IWF bin, kann ich Ihnen das nicht beantworten. Ich gehe davon aus, dass die richtigen Fachleute hinfahren werden, um die richtigen Fragen zu stellen und mit vernünftigen Antworten zurückzukommen.

Frage: Herr Kotthaus, der "Spiegel" hat am Wochenende ein Szenario beschrieben, das sich für den Fall eines Auseinanderbrechens der Eurozone für Deutschland durch relativ üble Folgerungen - unter anderem einen 10-prozentigen Rückgang der Wirtschaftsleistung im ersten Jahr danach - auszeichnet. Ist das ein Szenario, das Ihnen im Ministerium schon einmal untergekommen ist oder das nach Ihrer Kenntnis vielleicht von Fachleuten erwogen beziehungsweise bearbeitet worden ist?

Kotthaus: Ich habe in den letzten Wochen und Monaten in allen möglichen Publikationen, die auch Ihnen zugänglich sind, zahlreiche und vielseitige Szenarien lesen dürfen, die den Grundtenor hatten, dass das eher unerfreulich werden würde. Über irgendwelche angeblichen Papiere aus irgendwelchen Häusern spekuliere ich hier nicht.

Zusatzfrage: Herr Kotthaus, haben Sie beziehungsweise hat Ihr Ministerium anlässlich der Meldungen aus Italien über die Schwierigkeiten der großen italienischen Bank Monte dei Paschi die Sorge, dass sich die Probleme, mit denen sich Europa beschäftigt, nun auch im Falle Italiens materialisieren?

Kotthaus: Für Italien gilt weiterhin, was wir seit geraumer Zeit hier sagen - auch, weil wir der festen Überzeugung sind, dass es so ist -: Italien ist dabei, seine Hausaufgaben gut zu machen, und mit Herrn Monti als Regierungschef ist auch ein Ministerpräsident am Ruder, der in der Lage ist, die Probleme in Italien - welcher Art auch immer - durch Reformen und anderes mehr als gut zu lösen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, offenbar hat die Bundeskanzlerin angekündigt, sie würde nach Kiew reisen, sollte Deutschland in das Finale der Europa-Fußballmeisterschaft kommen - so sagen es zumindest die Spieler. Ist das als eine Art von Aufmunterung seitens der Bundeskanzlerin zu verstehen, oder ist das tatsächlich die Ankündigung einer Reise, sollten die Deutschen im Finale stehen? Bisher hieß es auch hier im Haus, der Besuch von Ministern, von Kabinettsmitgliedern und der Kanzlerin selbst in der Ukraine hinge davon ab, wie die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine aussehe und wie sich die politische Entwicklung vor Ort gestalten würde. Hat sich die Rechtsstaatlichkeit beziehungsweise die politische Entwicklung Ihrer Ansicht nach geändert? Gibt es außer der Bundeskanzlerin noch weitere Kabinettsmitglieder, die sich jetzt schon für das Finale angemeldet haben oder es gerne besuchen möchten?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin berichtet grundsätzlich nicht über die Gespräche, die sie in der Kabine der deutschen Fußball-Nationalmannschaft mit Spielern oder Betreuern führt. Jetzt sollte doch wirklich erst einmal volle Konzentration auf das Halbfinale herrschen, und zwar bei den Fußballern wie bei den Journalisten. Wenn das so ausgeht, wie wir alle hoffen, dass es ausgeht, können wir über den nächsten Schritt reden - das wäre dann Freitagfrüh.

Zusatzfrage: Ist es für die Bundeskanzlerin inzwischen denkbar, für das Finale nach Kiew zu reisen, sollte die deutsche Fußballmannschaft im Finale stehen?

StS Seibert: Ich erinnere einmal an das, was ich bereits seit gefühlten drei Monaten sage, nämlich dass der Besuch oder Nichtbesuch von Spielen der Europameisterschaft kurzfristig entschieden wird.

Zusatzfrage: Was ist mit den anderen Kabinettsmitgliedern? Es hieß ja immer, das Bundesinnenminister Friedrich da eine Ausnahme mache und überall hinreisen können müsse, weil er für den Sport zuständig ist?

StS Seibert: Ich sehe nicht, dass sich die Haltung von Bundesinnenminister Friedrich verändert hat, aber vielleicht spricht am besten das Innenministerium darüber.

Kutt: Ich schließe mich den Worten von Herrn Seibert natürlich an. Herr Friedrich wird jetzt vorerst zu dem Halbfinal-Spiel reisen, und was danach ist, sehen wir dann Freitagfrüh.

Frage: Wird auch die Bundeskanzlerin zum Halbfinale reisen?

StS Seibert: Dann müsste sie den Europäischen Rat in Brüssel schwänzen. Das wäre eine größere Geschichte und wird nicht stattfinden. Sie wird am Donnerstagabend natürlich in Brüssel sein.

Frage: Herr Paris, Seien Sie bitte so nett und geben Sie uns noch einmal Auskunft, was die Korvetten und den Stand des Formaldehyd-Austritts im Maschinenraum anbelangt, und zwar besonders mit dem Schwerpunkt darauf, ob das tatsächlich erst vorvergangenen Sonntag bei dem in den Medien geschilderten Besuch bekannt geworden ist oder ob das schon vorher bekannt war.

Paris: Ich denke, dass der Sachverhalt durch die Marine selbst am Wochenende entsprechend kommuniziert worden ist. Nach meinen Erkenntnissen ist seit ungefähr vier Wochen bekannt gewesen, dass es dieses Problem gibt. Seitdem arbeitet die Industrie auch daran, dieses Problem zu beseitigen.

Um es noch einmal klarzumachen: Es handelt sich um einen Bereich auf dieser Korvette, der im Bereich des Maschinenraums zu finden ist. Innerhalb des Maschinenraums ist es ein abgekapselter Bereich, in dem solche Formaldehyd-Austritte vorkommen können. Sie müssen sich vorstellen: Es ist wie ein Raum in einem Raum. Es ist nicht der gesamte Maschinenraum. Die Besatzung reagiert darauf, indem sie in diesem Bereich eine persönliche Schutzausstattung trägt. Das ist ein Atemschutz. Dieser Bereich wird auch ausschließlich durch die sogenannten Rondengänger aufgesucht, die die Funktionsfähigkeit des Schiffes überprüfen. Dabei ist das - nach meiner Kenntnis vor vier Wochen - aufgefallen, und seitdem wird versucht, dieses Problem industrieseitig zu beheben.

Zusatzfrage: Übers Wochenende hieß es, durch den Austausch von Dichtungen lasse sich das relativ leicht beheben. Jetzt sagen Sie: Man ist im Prinzip schon seit vier Wochen dabei. Dann kann es nicht so einfach sein.

Paris: Das kann ich nicht abschließend beurteilen, aber ich denke, eine solche Korvette ist ein relativ kompliziertes Gebilde. Das ist nicht so, als ob man ein Moped auf dem Gehsteig repariert. Dementsprechend kann das einen Moment dauern. - Entschuldigung. Ich sage das einmal so deutlich. - Das ist eine komplexere Betriebsangelegenheit. Die Industrie kümmert sich, und ich hoffe, dass sie es bald abgestellt haben wird.

Frage: Herr Peschke, Herr Niebel wird mit den Worten zitiert, es gebe in Paraguay keine Anzeichen dafür, dass der Regierungswechsel dort verfassungswidrig gewesen sei oder dass es dabei verfassungswidrig zugegangen sei. Ist es auch die Auffassung des Bundesaußenministers, dass die Amtsenthebung von Präsident Lugo verfassungsgemäß ist?

Peschke: Bevor ich in der Sache antworte, ein kurzer Blick in die Tatsachen, in die Äußerungen des Entwicklungsministers Niebel. Er hat gesagt - nur, damit Sie das auch richtig zitieren -: "Mein erster Eindruck ist, dass der Amtswechsel nach den Regeln der Verfassung abgelaufen ist." Das hat auch das BMZ noch einmal mitgeteilt. Das ist die Basis. Diese Einschränkung "erster Eindruck" ist natürlich eine äußerst zutreffende Einschränkung; denn der Gang der weiteren Entwicklung in Paraguay muss natürlich jetzt erst einmal abgewartet werden.

Ganz offensichtlich blickt derzeit nicht nur die Bundesregierung, sondern die gesamte Europäische Union mit einer gewissen Sorge auf die innenpolitische Entwicklung in Paraguay. Es hat in der Region, aber auch darüber hinaus erhebliche Kritik an dem Machtwechsel in dem Land gegeben. Aus unserer Sicht wie auch aus Sicht unserer Partner ist es in dieser Situation, die zurzeit noch fragil und im Fluss ist, wichtig, dass es zu einer dauerhaft tragfähigen Lösung des innenpolitischen Streits in Paraguay kommt und dass es gelingt, die notwendigen innenpolitischen und wirtschaftlichen Reformen in Paraguay durchzuführen.

Das ist logischerweise - die Ereignisse liegen ja noch nicht lange zurück - eine allererste Einschätzung. Der nächste Schritt ist jetzt, dass wir uns im Kreis der europäischen Partner verständigen und unseren Informationsstand abgleichen, um dann zu einer gefestigten Bewertung der Dinge zu kommen und auch darüber zu beraten, ob und wenn ja welche möglichen Konsequenzen daraus zu ziehen sind.

Zusatzfrage: Dazu möchte ich gern noch nachfragen und die Frage ans BMZ geben, weil mir eine dpa-Meldung vorliegt, die den Minister wörtlich wie folgt zitiert: "Es gibt keine Anzeichen dafür, dass es bei dem Regierungswechsel verfassungswidrig zugegangen ist." Das ist das wörtliche Zitat. Sagt das BMZ also, dass das nicht zutrifft?

MÄNZ: Ich war persönlich nicht dabei. Nach meinem Kenntnisstand ist das Zitat so, wie es Herr Peschke vorgetragen hat, zutreffend und korrekt.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie sagen: Es war nicht so? Oder wollen Sie noch klären, ob Herr Niebel das so gesagt hat? Denn das ist ja ohne jede Einschränkung. Da ist nichts von einem allerersten Eindruck zu lesen.

MÄNZ: Ich kann das gerne noch einmal für Sie überprüfen und das dann nachtragen. Aber soweit ich weiß, war es so, wie es Herr Peschke eben vorgetragen hat.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert. Ist es zutreffend, wie die "Berliner Morgenpost" berichtet, dass sich der Umzug des Bundesnachrichtendienstes von Pullach nach Berlin um ein Jahr verzögern, also erst Ende 2016 abgeschlossen sein wird?

StS Seibert: Der Bericht in der "Berliner Morgenpost" von heute gibt die Sachlage zutreffend wieder. Diese voraussichtliche Verzögerung hat im Wesentlichen eine Firma zu verantworten, die unzureichende Lüftungsleitungen zur Verfügung gestellt hat.

Dem Bundestag ist diese Sachlage bekannt, weil die Bundesregierung darüber Bericht erstattet hat. Man muss hervorheben, dass der Bund schon Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Es ist geplant, ab 2013 bereits 170 Mitarbeiter vorzeitig in der dann fertigen Nordbebauung unterzubringen. Das ist ein sogenanntes Umzugsvorauskommando. Diese Mitarbeiter hätten sonst wöchentlich pendeln müssen. Damit wird zumindest ab Ende 2013 das Gebäude schon belebt sein.

Frage: Da wir gerade schon bei Paraguay waren, möchte ich noch auf Venezuela zu sprechen kommen. Dort hat es in der vergangenen Woche vor der Deutschen Botschaft eine Demonstration indigener Personen gegeben. Hintergrund ist ein schon lange schwelender Streit um ein Kunstwerk, das sich im Berliner Tiergarten befindet. Die Indios erheben - ich sage einmal: - religiöse Ansprüche. Der Streit - ich sage es in Anführungszeichen - "eskaliert" jetzt, weil auch das Parlament in Caracas dazu einen Beschluss gefasst hat. Wie beurteilt die Bundesregierung den diplomatischen Druck, der von der Regierung Chaves ganz offensichtlich erhöht wird?

Peschke: Ich kann Ihnen zu diesem Fall gerne die gegenwärtige Sachlage, so wie sie sich uns darstellt, schildern und auch schildern, wie wir damit umgehen.

Es handelt sich um den venezolanischen Stein Kueca, der derzeit im Tiergarten aufgestellt ist. Dieser Stein ist nach unseren Kenntnissen im Jahr 1998 aus Venezuela verschifft und 1999 im Tiergarten aufgestellt worden. Nach Angaben des Künstlers, der den Stein bearbeitet hat, lagen und liegen alle Genehmigungen und die Schenkungsurkunde vor. Auf der anderen Seite wird - offiziell zuletzt im Jahr 2011 - von venezolanischer Seite die Rückgabe des Steins gefordert. Sie sprechen völlig zu Recht an, dass sich auch aus Teilen der venezolanischen Zivilgesellschaft, aus indigenen Gruppen, eine Bewegung formiert hat, die auf eine Rückgabe dieses Steins drängt.

Das Auswärtige Amt ist sich des Problems sehr wohl bewusst und versucht, im Gespräch mit allen Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu vermitteln, die nach Möglichkeit alle Parteien, den Staat Venezuela, den Künstler und auch die Stadt Berlin, einbezieht und zufriedenstellt. Um eine eventuelle Rückgabe des Steins zu ermöglichen und gleichzeitig die Interessen des Künstlers zu schützen, hat das Auswärtige Amt Vorschläge für eine gütliche Einigung gemacht. Über diese Vorschläge ist bereits in extenso gesprochen worden. In wichtigen Sachfragen konnten Fortschritte erzielt werden. Allerdings gibt es noch Punkte, in denen Klärungs- und Gesprächsbedarf besteht.

Zusatzfrage: Ich halte also fest: Sie sind für eine Rückgabe, wenn man sich einigen kann. Hat denn der jetzt von Regierungsseite erhöhte Druck Ihrer Meinung nach rein sachliche Gründe, oder geht es dem venezolanischen Präsidenten vielleicht auch um Propagandagesichtspunkte?

Peschke: Um erstens unsere Positionierung in der Auseinandersetzung noch einmal zu beschreiben: In der Diplomatie gilt der alte Grundsatz: Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist. Insofern haben wir Vorschläge mit Blick darauf gemacht, eine gütliche Einigung zu erreichen. In einzelnen Sachfragen gibt es durchaus schon eine gemeinsame Basis, in anderen nicht. Insofern müssen wir abwarten, wie der Gesamtgesprächsverlauf sein wird.

Zweitens will ich hier zu möglichen politischen Weiterungen oder politischen Interessen keine Stellung nehmen. Aus unserer Sicht ist das eine wichtige Sachfrage, die viele Menschen hier in Berlin, aber vor allem auch in Venezuela bewegt. Diese Sachfrage wollen wir sachlich angehen und sachlich lösen.

Zusatzfrage : Eine weitere Frage: Gibt es nach Ihrer Analyse - Sie haben das ja wahrscheinlich auch von der Rechtsabteilung prüfen lassen - einen venezolanischen Rechtsanspruch auf diesen Stein?

Peschke: Wir haben die Sache selbstverständlich umfassend prüfen lassen und uns ihr von jeder Seite angenähert. Zur Frage eines klaren Rechtsanspruchs kann ich Ihnen keine eindeutige Auskunft geben. Das ist ein durchaus vielschichtiges Problem. Unser Ziel ist es, in dieser Frage eine Lösung zu finden, die jenseits von Maximalforderungen einzelner Seiten einen Weg vorzeichnet, mit dem alle Seiten, das heißt Venezuela, die indigenen Gruppen, der Künstler und die Stadt Berlin, gut leben können.

Frage: Herr Seibert, ich komme noch einmal auf den Bundesnachrichtendienst, aber auf ein anderes Thema zu sprechen. Gestern wurde berichtet, dass es bei dem Bekanntwerden des Transports eines Teppichs von Herrn Niebel gar nicht um Herrn Niebel ging, sondern dass es um Intrigen gegen den Chef des Bundesnachrichtendienstes, Schindler, gehen soll. Ist Ihnen das bekannt? Können Sie dazu etwas sagen?

StS Seibert: Alles rund um die Überschrift "Teppich" ist derzeit im Parlamentarischen Kontrollgremium zu verhandeln. Dazu werde ich mich von hier aus jetzt nicht äußern.

Frage: Herr Seibert, hat die Bundeskanzlerin zu irgendeinem Zeitpunkt in Sachen EnBW-Verkauf an das Land Baden-Württemberg interveniert? Hat sie sich dafür ausgesprochen? Hat es irgendwelche Kontakte in dieser Sache gegeben?

StS Seibert: Die Verhandlungen zum Rückkauf der EnBW-Anteile durch die Landesregierung von Baden-Württemberg sind von der Landesregierung mit EDF geführt worden. Über Details aus diesen Verhandlungen hat die Bundesregierung keine Kenntnis. Im Übrigen nimmt sie zu allerlei Meldungen aus Unternehmenskreisen und auch zu Aussagen, die jetzt im Zusammenhang mit laufenden Untersuchungsverfahren gemacht werden, keine Stellung.

Frage: Ebenfalls zu diesem Thema: Hat die Kanzlerin einen eigenständigen Kontakt in dieser Sache mit Herrn Notheis, dem Banker von GP Morgan?

StS Seibert: Ich habe Ihnen dazu alles gesagt. Die Verhandlungen sind von der Landesregierung geführt worden, und über Details hat die Bundesregierung keine Kenntnisse. Das gilt natürlich auch für die Bundeskanzlerin.

Frage: Ich möchte das Wirtschaftsministerium, vielleicht auch das Finanzministerium fragen, wie denn der Stand in Sachen Luftverkehrsabgabe/Ticketsteuer ist. Ist da im Moment etwas in Vorbereitung, was möglicherweise heißen könnte: Diese wunderbare Abgabe wird wegen belastender Effekte für die Airlines ganz gestrichen? Ist das eine Möglichkeit?

Rouenhoff: Derzeit laufen die Gespräche zwischen den Bundesressorts. Das sind interne Gespräche. Deshalb können wir dazu keine Stellung nehmen. Grundsätzlich gilt aber, dass das BMWi ein Interesse daran hat, dass alle Vorhaben wettbewerbskonform ausgestaltet werden. Das gilt auch für den Luftfahrtbereich.

Kotthaus: Sie wissen, dass wir diese Angelegenheit schon ein paar Mal hier diskutiert haben. Es wird diesen Bericht geben. Es ist im Gesetz angelegt gewesen, dass es einen ersten Bericht geben wird. Dieser befindet sich gerade in der Abstimmung der Ressorts und wird dann an den Bundestag übergeben werden. Aus unserer Perspektive ist die Luftverkehrssteuer bis jetzt ein durchaus erfolgreiches Instrument. Aber noch einmal: Der Bericht befindet sich in der Abstimmung und wird dann an den Bundestag übergeben werden. Daran können sich dann weitere Diskussionen anschließen.

Zusatzfrage: Ich möchte beim Wirtschaftsministerium nachfragen: Was heißt das, was Sie eben gesagt haben? Heißt das, dass Ihr Minister Sympathie für Vorschläge hat, wie sie von seinem Parteifreund Brüderle kommen, der diese Abgabe im Zweifelsfall streichen will, oder wie habe ich das zu verstehen?

Rouenhoff: Grundsätzlich gilt, wie gesagt, dass alle Vorhaben wettbewerbskonform ausgestaltet werden müssen. Das gilt auch für den Luftverkehr. Das Gutachten des BMF kennen wir nicht. Deswegen kann ich dazu jetzt auch keine Stellung nehmen. Aber wie vorhin schon angemerkt: Die Gespräche laufen derzeit, und es sind interne Gespräche. Deshalb bitte ich doch, diese abzuwarten.

Zusatzfrage: Ich verstehe einfach nicht, was Sie mir sagen wollen, wenn Sie sagen, alles müsse wettbewerbskonform ausgestaltet werden. Vielleicht können Sie mir in Worten für einen normalen Menschen auseinandersetzen, was das heißt.

Rouenhoff: Ich kann nur noch einmal das wiederholen, was ich gerade gesagt habe. Die Gespräche laufen derzeit, und ich kann diesen Gesprächen nicht vorgreifen.

Frage: Herr Kotthaus, die öffentliche Gesamtverschuldung ist über die Marke von zwei Billionen Euro gesprungen. Nur die deutsche Wirtschaft läuft gut. Die Steuereinnahmen boomen. Trotzdem stiegen die Schulden des Bundes um 12,5 Milliarden Euro innerhalb eines Jahres. Welche Erklärung hat Ihr Ministerium für diese Entwicklung? Hat das nur mit den europäischen Verpflichtungen zu tun, oder mangelt es vielleicht auch an Haushaltsdisziplin, wie die Bundesbank und der Rechnungshof vor einigen Tagen kritisiert haben?

Kotthaus: Natürlich mangelt es nicht an Disziplin. Ich habe den Ticker auch gesehen, aber ich kann das, ehrlich gesagt, noch nicht genau beurteilen. Ich glaube, es geht auch nicht darum, dass die Verschuldung des Bundes, sondern darum dass die Gesamtverschuldung gestiegen ist. Es kann sein, dass einzelne Körperschaften irgendwelche Anleihen begeben haben. Ich kann es im Moment nicht differenzieren. Im Endeffekt wird man wie immer am Jahresende schauen müssen, wo man steht. Es ist wenig sinnvoll, alle paar Wochen Zwischenstände zu bewerten. Vielmehr geht es darum, dass der Kurs dieser Bundesregierung, was die Konsolidierung betrifft, eindeutig und klar ist. Das werden wir sicherlich wieder sehen, wenn wir in dieser Woche im Kabinett den Haushalt für das nächste Jahr beschließen.

Der Kurs ist also völlig klar und eindeutig davon geprägt, dass man die notwendige Disziplin aufbringt und auch anwendet.

Frage: Meine Frage richtet sich an Herrn Seibert. Wir haben von Herrn Kotthaus gehört, dass Monti die Probleme in Italien lösen könne. Aber Monti hat deutlich gemacht, dass die italienische Regierung ohne eine Wende - Stichwort Spread und Hilfe zu diesem Thema - bald ernste Probleme bekommen wird; denn Monti verliert gerade die Zustimmung der Parteien und anderer. Natürlich sind das innenpolitische Probleme Italiens. Aber sie haben eine starke Wirkung auch auf europäischem Niveau.

Meine Fragen lauten:

Erstens. Ist die deutsche Regierung besorgt über diese Entwicklung in Italien?

Zweitens. Kann sich vielleicht an diesem Szenario, das Monti zurzeit so pessimistisch beurteilt, mit dem nächsten Treffen in Brüssel etwas ändern?

StS Seibert: Europa ist in einer schwierigen Phase. Unsere Währungsunion, die sehr viel mehr ist als eine Währungsunion, befindet sich erkennbar in einer schwierigen Phase. Das hohe Zinsniveau, das einige Länder derzeit zu ertragen haben, ist ein Teil dieser Schwierigkeiten. Das ist der Bundesregierung wohl bewusst, und sie setzt alles daran, zu vernünftigen und erfolgreichen Wegen aus dieser Krise beizutragen.

Die Bundeskanzlerin ist allerdings besorgt, dass gerade auch in diesen Tagen vor dem Europäischen Rat immer wieder der Wunsch nach den vermeintlich einfachen Wegen geäußert wird, der ja meist gleichbedeutend ist mit dem Wunsch nach vergemeinschafteter Haftung. Wenn sich die Bundesregierung dem widersetzt, dann tut sie das natürlich aus rechtlichen Gründen, aus europarechtlichen Gründen wie auch aus Gründen, die in der deutschen Verfassung zu finden sind, aber sie tut es auch, weil es unseren tiefsten wirtschaftlichen und politischen Überzeugungen entspricht, dass Haftung und Kontrolle immer Hand in Hand gehen müssen, dass da immer eine Balance anzustreben ist. Von dieser Balance sind wir in Europa derzeit sehr weit entfernt.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 25. Juni 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/06/2012-06-25-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Juni 2012