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PRESSEKONFERENZ/465: Regierungspressekonferenz vom 20. August 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 20. August 2012
Regierungspressekonferenz vom 20. August

Themen: Europäische Schuldenkrise, Einsatz des deutschen Flottendienstbootes "Oker", Monatsbericht des BMF, Bundeswehreinsätze im Inland, geplante Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung, Reise der Bundeskanzlerin in die Republik Moldau, Anti-Dumping-Klage der Firma SolarWorld gegen chinesische Unternehmen, TLG IMMOBILIEN, Windenergie, Biokraftstoff

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Schäfer (AA), Paris (BMVg), Mehwald (BMVBS), Strube (BMU), zu Erbach-Fürstenau (BMELV)



Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage (zur Eurokrise): Nachdem in dieser Woche die Besuche von Herrn Hollande und Herrn Samaras anstehen: Herr Seibert, was erwartet sich die Kanzlerin von diesen Besuchen?

StS Seibert: Ich sage einmal, was nicht zu erwarten ist und was viele Journalisten zu erwarten scheinen, nämlich dass da die großen Weichen gestellt und die wesentlichen Entscheidungen gefällt werden. So wird es nicht sein. Ich werde mich für die Bundesregierung auch weiterhin an keinen Gedankenspielen, an keinen Vorfestlegungen beteiligen. Wir wissen, dass auch das Thema Griechenland im Mittelpunkt des Gesprächs mit Präsident Hollande stehen wird, erst recht natürlich, wenn Herr Samaras kommt.

Die Basis für alle Entscheidungen im Fall Griechenland liefert der Bericht der Troika, wenn er denn vorliegt, und zwar der ganze Bericht, keine Teilaspekte, keine Vorveröffentlichungen, die irgendwo herausdringen. Diese Entscheidungen sind mit unseren europäischen Partnern und natürlich mit Griechenland zu besprechen. Wichtige Gespräche sind es dennoch mit Herrn Hollande und mit Herrn Samaras. Sie werden ja im Anschluss an das Gespräch mit Herrn Samaras in der Pressekonferenz informiert.

Leitgedanke für die Bundesregierung ist: Wir tun jeweils das, was das Beste für den Euro ist.

Zusatzfrage: Die "Bild"-Zeitung berichtet heute ohne Angabe von Quellen, es sei durchaus denkbar, dass es Umschichtungen innerhalb des bestehenden Zeitrahmens geben könnte. Was man auch immer wieder lesen kann, ist vielleicht ein Entgegenkommen bei den Zinsen, die die Griechen für die bestehenden Kredite zahlen müssen. Vielleicht kann sich das Finanzministerium dazu äußern.

Kotthaus: Bereits vor Monaten, nämlich nach dem Zusammenkommen der neuen Regierung, wurde diese Frage aufgeworfen. Schon damals haben Sie die Frage nach irgendwelchen Veränderungen in dem Programm gestellt, und schon damals lautete die Antwort wie folgt: Der Rahmen des Programms, die Geldsumme, der Zeitrahmen - das alles ist gesetzt.

Wenn man jetzt innerhalb des Programms - so, wie es beschlossen und vereinbart worden ist - sagt: "Wir geben mehr für die Rente aus, dafür weniger für Beamtenlöhne oder Ähnliches mehr", dann sind das Sachen, die man diskutieren müsste. Nur: Der Rahmen, wie er gesteckt ist - sowohl inhaltlich als auch zeitlich und finanziell -, ist klar gesteckt. Er wird zurzeit von der Troika in Athen mit den griechischen Kollegen besprochen. Dann werden wir einen Bericht haben. Aber über das hinaus, was wir schon vor Monaten dazu gesagt haben, gibt es gar nichts Neues.

Zusatzfrage: Was die Auszahlung der nächsten Tranche des zweiten Hilfspakets angeht, geht es um die Frage, inwieweit man Griechenland bei möglichen weiteren auseinanderklaffenden und fehlenden Milliardensummen entgegenkommen könnte. Ist in diesem Zusammenhang aus Ihrer Sicht eine Regelung innerhalb des gesetzten Rahmens denkbar?

Kotthaus: Ich glaube, da hat Herr Seibert gerade das Richtige gesagt: Es macht keinen Sinn, jetzt alle drei Tage zu spekulieren: Was kommt wohl bei dem Troika-Bericht heraus? Was kommt nicht heraus? Was kommt vielleicht heraus? Was könnte wo wie vorgeschlagen werden?

Wir warten den Bericht ab. Dann schauen wir, wie sich die Sachlage darstellt, und danach wird man zu entscheiden haben. Es macht jetzt keinen Sinn, in den Tagen und Wochen bis zu dem Vorliegen des Berichts alle drei Tage neue Spekulationen zu befächern, zu belüften oder zu ventilieren.

Frage: Herr Seibert, sehe ich das richtig, es gibt weder mehr Zeit noch mehr Geld für Griechenland?

StS Seibert: Die Basis unserer Zusammenarbeit mit Griechenland ist das Memorandum of Understanding. Das ist die Basis des zweiten Griechenland-Programms, und so ist die Lage heute.

Zusatzfrage: Ich habe gedacht, ich habe eine einfache Frage ohne Zusatz gestellt. Ich versuche es noch einmal: Gibt es mehr Zeit und/oder mehr Geld für Griechenland? Darauf kann man doch theoretisch mit Ja oder mit Nein antworten. Täten Sie mir diesen Gefallen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt, was die Basis unserer Zusammenarbeit mit Griechenland ist, worin alles steht, was Zeit und Geld betrifft. An dieser Basis hat sich nichts geändert. An weiteren Gedankenspielen - auch das habe ich gesagt - möchte ich mich jetzt hier nicht beteiligen.

Zusatzfrage: Es gibt also weder mehr Zeit noch mehr Geld?

StS Seibert: Es gilt das Memorandum.

Frage: Jetzt muss ich beim Auswärtigen Amt nachfragen. Der Minister hat immer wieder erklärt - auch nach der Wahl -, man müsse den Griechen zumindest die Zeit einräumen, die in den Wahlkämpfen verloren wurde. Heute trifft er ja seinen griechischen Amtskollegen. Besteht jetzt nicht die Gefahr, dass falsche Hoffnungen geweckt werden, wenn nun verschiedene Botschaften ausgehen?

Schäfer: Ich kann nicht erkennen, dass es in dieser Frage unterschiedliche Botschaften gegeben hätte oder heute geben würde. Minister Westerwelle hat unter anderem gestern im "Tagesspiegel", aber auch zuvor gesagt, dass eine Abweichung von den getroffenen Vereinbarungen in der Substanz nicht infrage komme. Er hat darauf verwiesen, dass durch die beiden Wahlkämpfe für die Parlamentswahlen in Griechenland objektiv Zeit verloren gegangen sei. Das ist alles, was er gesagt hat. Alles andere ist journalistische Interpretation, aber nichts, was der Außenminister gesagt hätte. Insofern kann ich mich für den Außenminister nur dem anschließen, was hier Herr Seibert für die Regierung und Herr Kotthaus für das Finanzministerium gesagt haben.

Zusatzfrage: Ich meine, dass Zeit verloren wurde, ist erst einmal eine Tatsachenfeststellung. Das müssen die Griechen jetzt sozusagen wieder hereinholen. Da gibt es also keine Zugeständnisse?

Schäfer: Die Gespräche, die unter anderem in dieser Woche geführt werden, beginnen mit dem Gespräch des Außenministers mit dem griechischen Außenminister in zwei Stunden. Später gibt es noch ein Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem griechischen Ministerpräsidenten. Diese Gespräche dienen unter anderem dem Zweck, dass die griechische Seite auch uns einmal erläutert, wie die Pläne jetzt konkret aussehen. Das wird sich der Außenminister heute Nachmittag ganz sicher anhören. Dies ist im Übrigen die allererste Begegnung mit dem neuen griechischen Außenminister. Es gibt eine ganze Reihe von anderen Themen, die die Außenminister miteinander zu besprechen haben.

Klar ist: Die Frage der Krise in Griechenland und des weiteren Umgangs damit wird im Kern dieser Gespräche stehen. Was das Gespräch bringen wird, das weiß ich nicht, das können auch Sie noch nicht wissen, sondern das werden Sie erfahren, wenn Sie um 14.45 Uhr in das Auswärtige Amt kommen. Dort gibt es nämlich eine gemeinsame Pressekonferenz der beiden Außenminister.

Frage: Herr Schäfer, der Außenminister hat im Juni/Juli mehrfach gesagt, der Zeitplan solle verändert werden. Erhebt er diese Forderung jetzt nicht mehr?

Schäfer: Ich kann nur wiederholen, was ich gerade gesagt habe: Der Minister hat gestern bekräftigt, was er bereits vorher gesagt hat, nämlich dass eine Abweichung von den mit Griechenland getroffenen Vereinbarungen in dem Memorandum of Understanding in der Substanz nicht infrage komme und dass durch die Geschehnisse in Griechenland - durch die beiden Parlamentswahlen, in denen die politische Klasse in Griechenland sozusagen im Wahlkampf gefangen war - objektiv Zeit verloren gegangen sei - nicht mehr und nicht weniger.

Wenn Sie heute Nachmittag nach dem Gespräch mit dem griechischen Außenminister diese Frage an den Außenminister richten wollen, dann rege ich an, dass Sie zu uns kommen.

Frage: Sie haben gesagt, Abweichungen seien nicht möglich. Sind denn Umschichtungen möglich nach dem Motto: "Wenn die Griechen irgendetwas nicht erfüllt haben sollten, vielleicht können sie dann an anderer Stelle nachbessern"? Ginge so etwas?

Schäfer: Auch da kann ich wieder nur das wiederholen, was bereits Herr Seibert gesagt hat: Es macht doch Sinn, das, was wir gemeinsam mit unseren Partnern in Auftrag gegeben haben, nämlich den Bericht der Troika, abzuwarten. Damit haben wir eine vernünftige Tatsachengrundlage, auf deren Basis wir uns den Entscheidungen zuwenden können, die dann getroffen werden müssen. Es bringt doch überhaupt nichts, dass wir uns jetzt anhand von stückweise verfügbaren oder der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen über Dinge unterhalten, die noch nicht spruchreif sind.

Lassen Sie uns den Bericht der Troika abwarten. Er ist für die Bundesregierung, für unsere Partner in der Europäischen Union ein wichtiges Dokument, auf dessen Grundlage sich dann Entscheidungen treffen lassen. Alles andere ist pure Spekulation und gehört jetzt aus meiner Sicht gar nicht hierher.

Frage: Herr Kotthaus, gibt es mehr Zeit oder mehr Geld für Griechenland?

Kotthaus: Ich verweise da auf die klaren Aussagen von Herrn Seibert.

Zusatzfrage: Wäre es eine Abkehr von der Substanz der Vereinbarungen, wenn Griechenland wegen des objektiv verlorenen Zeitbudgets durch die Parlamentswahl einen größeren zeitlichen Spielraum zur Erbringung seiner Verabredungen erhielte?

Kotthaus: Das Programm hat einen klaren Zeitrahmen und einen klaren Finanzrahmen. Wir warten jetzt darauf, was die Troika herausfindet, auch hinsichtlich der Frage, wenn es Verzögerungen gegeben hat, wovon auszugehen ist, wie diese kompensiert werden müssen. Dann schauen wir weiter.

Zusatzfrage: Das heißt, es gibt keine Änderungen an dem klaren Finanzrahmen und an dem klaren Zeitrahmen, wie er vorliegt?

Kotthaus: Herr Seibert hat es gesagt: Das Memorandum of Understanding ist die Basis, auf deren Grundlage wir operieren.

Frage: Herr Seibert, gibt es Signale aus Frankreich, dass Herr Hollande im Zusammenhang mit Griechenland den Kurs der Kanzlerin mittragen würde?

StS Seibert: Es gibt die Ankündigung aus Frankreich, dass Herr Hollande am Donnerstagabend nach Berlin kommt, um mit der Kanzlerin ein Arbeitsabendessen zu absolvieren. Dabei wird es stundenlang Zeit geben, um über alle diese Dinge zu sprechen.

Zusatzfrage: Im Vorfeld haben Sie in diesem Zusammenhang also noch keine Äußerungen erhalten?

StS Seibert: Ich sehe es ganz generell nicht als meine Aufgabe an, drei Tage bevor sich der französische Staatspräsident mit der Kanzlerin trifft, französische Positionen hier auszubreiten. Das verstehen Sie sicherlich.

Frage: Im "Spiegel" gab es einen Bericht über das Zinsziel der EZB, die angeblich bei einem bestimmten Zinsniveau für die angeschlagenen Länder intervenieren will. Hält man das mit der Satzung der EZB für vereinbar?

Kotthaus: Sie wissen, dass wir die EZB als unabhängige Institution grundsätzlich nicht kommentieren. Ich kann trotzdem dazu sagen: Ich kenne solche Pläne nicht. Sie sind mir nicht bekannt. Ich habe nichts davon gehört. Rein theoretisch, rein abstrakt gesprochen ist ein solches Instrument sicherlich sehr problembelastet. Aber ich kenne keine Vorschläge, die in diese Richtung gehen würden.

Frage: Herr Paris, die "Oker" ist heute Vormittag aus dem Hafen von Cagliari ausgelaufen. Bei dem Schiff handelt es sich offensichtlich um das Schiff, worüber am Wochenende geschrieben und diskutiert wurde. Können Sie uns sagen, welches Einsatzziel das Schiff jetzt hat und in welche Richtung es gerade läuft?

Paris: Eine ähnliche Frage haben Sie mir bereits am 16. Januar dieses Jahres gestellt. Diese habe ich wie folgt beantwortet - ich erlaube mir einmal, mich selbst zu zitieren -:

"Ich möchte zunächst einmal feststellen, dass die deutsche Marine keine Spionageboote betreibt (...), sondern wir haben drei sogenannte Flottendienstboote im Dienst. Sie haben den Auftrag aufzuklären. Sie unterstehen dem Kommando Strategische Aufklärung hier in Deutschland und werden durch die Marine betrieben.

Diese Flottendienstboote sind als Frühwarn-, Fernmelde- und Aufklärungseinheiten mit großem Aktionsradius konzipiert. Diese Flottendienstboote sind auch unbewaffnet. Sie operieren seit Jahren auch routinemäßig im Bereich des Mittelmeeres, entweder auf sich ganz allein gestellt oder im Verbund mit anderen Einheiten."

Ich ergänze: Das Boot heißt nicht mehr "Alster" wie im Januar. Das Boot heißt jetzt "Oker", hat aber die gleichen Fähigkeiten. Es ist ein Flottendienstboot. Die Marine betreibt es. Es ist im Bereich des östlichen Mittelmeers im Einsatz. Zu den Einsatzdetails, Einsatzzielen und Einsatzergebnissen kann ich hier, wie immer, keine Auskunft geben.

Frage: Wie reagiert denn die Bundesregierung auf den Vorwurf, der jetzt laut wird, dass sich Deutschland durch die indirekte Weitergabe von BND-Erkenntnissen an eine der Konfliktparteien in Syrien an einem Bürgerkrieg beteiligt, obwohl die Aussage von der Bundesregierung eine andere ist, nämlich dass man dort nicht eingreifen würde?

Paris: Wen fragen Sie jetzt?

Zusatz: Sie und Herrn Seibert.

Paris: Ich kann gerne beginnen, was den Bundeswehr-Teil anbelangt. Das habe ich Ihnen gerade erklärt. Das, was Sie aufgrund der Berichterstattung der "Bild am Sonntag" unterstellen, mache ich mir nicht zu eigen. Ich habe Ihnen erklärt, was die Fähigkeiten dieses Flottendienstbootes sind. Ich bestreite nicht, dass diese Fähigkeiten genutzt werden. Mir ist nur wichtig zu sagen, dass wir dort keine Spionage, sondern Aufklärung betreiben. Das ist bei den Fähigkeiten, die wir haben, auch unsere vornehmste Pflicht; deshalb unterhalten wir diese Boote. Wir gehen natürlich verantwortlich mit den Ergebnissen um. Wenn man etwas aufklärt und dementsprechend eine Information gewinnt, dann verarbeitet man diese Information auch.

StS Seibert: Für die Bundesregierung kann ich sagen, dass wir - wie üblich und grundsätzlich - zu nachrichtendienstlichen Vorgängen, auch zur Methodik unserer Nachrichtendienste keine Auskunft geben, natürlich mit der großen Ausnahme des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Deutschen Bundestages. Wenn es dort zu Fragen der Abgeordneten käme, würde die Bundesregierung natürlich entsprechende Informationen geben.

Frage: Herr Seibert, aus den Reihen der Abgeordneten gibt es schon entsprechende Fragen. Gibt es schon einen Termin für die nächste Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, bei der solche Fragen beantwortet werden können?

StS Seibert: Das wäre in erster Linie eine Frage an die Abgeordneten des Bundestages. Ich kenne einen solchen Termin nicht.

Frage: Herr Paris, ist es richtig, dass der Verteidigungsausschuss über die Fahrt usw. der "Oker" erst kürzlich durch Ihr Ministerium unterrichtet worden ist?

Paris: Das kann ich abschließend gar nicht sagen, das ist durchaus möglich. Ich müsste gegebenenfalls nachreichen, ob es eine Unterrichtung des Parlaments, die dann später auch Unterrichtungen der Öffentlichkeit werden, gegeben hat oder nicht. Nichtsdestotrotz: Das ist eine Einsatzfahrt im nationalen Auftrag. Ich gehe davon aus - ich reiche es gerne nach -, dass wir das regelmäßig an das für uns zuständige Gremium, nämlich den Verteidigungsausschuss, berichten. Ich muss nachreichen, ob oder wann das passiert ist.

Frage: Ich frage einmal, wo im östlichen Mittelmeer der nationale Auftrag liegt und wie er definiert ist. Bundeswehreinsätze im Ausland müssen vom Bundestag genehmigt werden. Ist das Verteidigungsministerium der Auffassung, dass dieser Fall nicht vom Bundestag beschlossen werden muss? Ist es der Auffassung, dass man das noch prüfen muss, oder ist es der Auffassung, dass dies doch vom Bundestag beschlossen werden muss?

Paris: Wir sind dezidiert der Auffassung, dass wir, wie ich es gerade dargestellt habe - es ist eine regelmäßige Übung, die wir dort fahren - , solche nationalen Aufklärungsaufträge, wie sie diesem Flottendienstboot mit auf den Weg gegeben worden sind, erteilen können. Das ist kein Fall der Parlamentsbeteiligung, also kein Fall des Parlamentsbeteiligungsgesetzes. Es gibt hier keine Mandatierungspflicht. Das ist ein unbewaffneter Routine- und Aufklärungseinsatz, wie wir ihn regelmäßig machen. Zuletzt habe ich Ihnen dies im Verlauf des Januars dargestellt. Das Boot hat eine längere Einsatzzeit bis ungefähr Ende des Jahres. Den Auftrag können Sie daraus ablesen, was das Boot kann: Es kann aufklären und Informationen gewinnen. Das ist der Auftrag.

Frage: Herr Seibert, Herr Paris, die Informationen, die die "Oker" sammelt, sollen der Unterrichtung der Bundesregierung dienen. Ist es zulässig, dass so erworbene Informationen ohne ausdrückliche Genehmigung nicht nur die Bundesregierung erreichen, sondern auch syrische Rebellen oder via BND amerikanische oder andere Nachrichtendienste und dass dann die deutsche Kontrolle über die Weitergabe dieser Informationen nicht mehr vorhanden ist, wenn dies an einen zweiten oder dritten Dienst gelangt ist?

Vorsitzender Freitag: Wer möchte die Frage beantworten?

Zusatz: Ich sage einmal, Herr Seibert wegen der Geheimdienstkoordination, ansonsten Innenministerium, Entwicklungsministerium oder Bildungsministerium. Das ist mir eigentlich egal.

StS Seibert: Zu den Grenzen meiner Auskunftsfähigkeit habe ich hier jetzt schon etwas gesagt. Ganz generell halte ich es für normal, dass Erkenntnisse auch mit Nato-Partnern geteilt werden.

Frage: Die die Koalition tragenden Parteien haben seinerzeit relativ scharf kritisiert, dass der BND den Amerikanern über Agenten in Bagdad beim Bombenabwurf ein wenig geholfen hat. Unterscheidet sich die Vermittlung und Übergabe von Daten, die jetzt die "Oker" an die Rebellen in Syrien übermittelt, aus der Sicht der Bundesregierung von dem damaligen Sachverhalt, und inwiefern?

StS Seibert: Ich glaube, nach allem, was Herr Paris gerade für das Verteidigungsministerium dargelegt hat, ist es einigermaßen verwegen, da eine Parallele zu ziehen.

Paris: Das sehe auch ich so, ja.

Frage: Wenn den Geheimdiensten von Nato-Partnern solche Kenntnisse zur Verfügung gestellt werden: Ist geregelt, was die dann damit machen, oder ist ihnen freigestellt, ob sie das an wen auch immer weiterleiten?

StS Seibert: Ich werde mich jetzt hier nicht weiter zu nachrichtendienstlichen Einzelheiten und auch nicht zur Methodik der Nachrichtendienste äußern. Ich bitte um Ihr Verständnis.

Frage: Herr Kotthaus, der Monatsbericht des BMF sagt aus, dass die Steuereinnahmen im Vergleich zum letzten Jahr kräftig gestiegen sind, nämlich um 8,6 Prozent. Das klingt nach einer sehr guten Nachricht. Diese Berichte sind aber manchmal ein bisschen trügerisch, weil das Steuerjahr nicht gleichmäßig verläuft. Wie geht es denn weiter? Was sehen Sie für das kommende zweite Halbjahr? Geht es mit den steigenden Steuereinnahmen so weiter?

Kotthaus: Der Bericht schaut rückwärts auf die Entwicklung der Steuereinnahmen. Ich habe keine prophetischen Gaben. In dem Monatsbericht wird die Gesamtlage geschildert, wie sie ist. Wir liegen etwas oberhalb der Zahlen der Steuerschätzung, aber nur etwas. Es war zu erwarten, dass die Steuereinnahmen gegenüber dem Vorjahr aufgrund der konjunkturellen Effekte, die wir hatten und haben, zunehmen würden. Das geht massiv auch darauf zurück, dass wir im Bereich der Lohnsteuer Zuwächse haben, und kann auch mit der Beschäftigungssituation und den Lohnabschlüssen begründet werden.

Sie sehen in dem Bericht auch, dass es im Bereich der Grunderwerbsteuer einen deutlichen Zuwachs gegeben hat, was zum Teil an veränderten Steuersätzen und zum Teil an einem vermehrten Kauf von Immobilien liegt; dies hängt sicherlich auch mit den Zinssätzen zusammen. Es gibt also viele Gründe dafür. Aber ich habe keine prophetischen Gaben, um das vorherzusagen. Bis jetzt bewegen wir uns, wie gesagt, grob oberhalb dessen, was die Steuerschätzung vorausgesagt hat.

Zusatzfrage: Welche Erfahrungen gibt es mit der Schuldenbremse, die aus diesem Bericht absehbar sind? Was lässt sich dazu sagen?

Kotthaus: Ich verstehe jetzt nicht ganz, wie Sie den Steuerbericht mit der Schuldenbremse in Zusammenhang bringen.

Zusatz: Vielleicht fällt es leichter, die Schuldenbremse einzuhalten. Man hat mehr Flexibilität, was die Schuldenbremse angeht, wenn man bessere Steuereinnahmen hat. Oder sehen Sie da keinen Zusammenhang?

Kotthaus: Sie kennen unsere Planung für das Jahr 2013. Sie kennen die Langfristplanung. Sie wissen, dass wir davon ausgehen, dass wir das Endziel der Schuldenbremse deutlich früher erreichen werden als gesetzlich vorgegeben. Die bisherige Entwicklung lässt nicht daran zweifeln, dass es davon eine Abweichung gibt.

Frage: Die FDP hat vor einiger Zeit vorgeschlagen, das Ziel der Schuldenbremse schon deutlich früher als vorgesehen zu erreichen, nämlich 2014. Rückt die Chance, das zu erreichen, jetzt etwas näher?

Kotthaus: Das sind jetzt die ersten Monate des Jahres 2012 gewesen. Relevante und vernünftigere Aussagen wird man sicherlich erst dann machen können, wenn das Jahr weiter vorangeschritten ist. Gerade die Monate August und September sind da immer sehr relevant.

Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass diese Regierung, dieses Kabinett mit allen Parteien eine klare lang- und mittelfristige Finanzplanung verabschiedet haben - auch mit der Zustimmung der FDP -, die die Ziele so gesetzt hat, wie sie gesetzt worden sind.

Frage: Da das Vizekanzler Rösler vorgeschlagen hat, frage ich noch einmal nach: Natürlich muss man abwarten. Aber bedeutet Ihre Äußerung, dass man grundsätzlich schon bereit wäre, darüber nachzudenken, ob man das nicht beschleunigt, wenn es weiterhin so gut läuft?

Kotthaus: Wir wiederholen jetzt eins zu eins eine Diskussion, die wir schon im Juni geführt haben; das können wir gerne tun. Die Sachlage ist, dass wir eine sehr ambitionierte Planung haben, dass wir uns im Bereich der Neuverschuldung gegenüber dem laufenden Jahr deutlich nach unten entwickeln und dass wir die Schuldenbremse deutlich vor den gesetzlichen Vorgaben erreichen werden. Gleichzeitig müssen wir schauen, dass wir unsere Rolle als Wachstumslokomotive in Europa beibehalten. Wir haben ja auch internationale Verpflichtungen dahin gehend, dass erwartet wird, dass Deutschland in diesem Bereich weiterhin die Funktion nicht nur als Stabilitätsanker, sondern auch als Wachstumslokomotive übernimmt. Daher ist die Finanzplanung so gemacht worden, wie sie gemacht worden ist. Sie ist im Kabinett einstimmig verabschiedet worden. Dass man nichtsdestotrotz immer ambitioniert sein soll, ist völlig unstreitig. Aber erst einmal haben wir die Planung so, wie sie ist.

Frage: Herr Seibert, nachdem das Verfassungsgericht entschieden hat, Bundeswehreinsätze im Inland müssten grundsätzlich vom gesamten Kabinett beschlossen werden: Haben Sie eine Vorstellung davon, wie so etwas funktionieren könnte? Schildern Sie uns einfach einmal: Wie würde das Kabinett in einem solchen Fall zusammengerufen? Würde es eine Telefonkonferenz geben? Wie schnell könnte so etwas gehen? Hält die Kanzlerin - vielleicht auch noch hilfsweise das Verteidigungsministerium, Herr Paris - in diesem Zusammenhang eine Grundgesetzänderung für nötig?

StS Seibert: Da ich mir einen solchen Fall katastrophischen Ausmaßes, wie es in dem Urteil wörtlich heißt, jetzt nicht vorstellen kann, kann und möchte ich nicht in die hypothetischen Überlegungen einsteigen, wie dann eine Entscheidung des Bundeskabinetts herbeigeführt würde.

Ich möchte zu diesem Urteil Folgendes sagen: Die Bundesregierung begrüßt dieses Urteil. Es gibt ihr eine wichtige Orientierung. Es bestätigt im Kern durchaus die Rechtsauffassung der Bundesregierung, dass es eine der wichtigsten Aufgaben des Staates ist, die Sicherheit unserer Bürger gerade auch in Extremfällen zu gewährleisten. Jetzt muss man sehr gründlich prüfen, welche Folgerungen aus diesem Urteil zu ziehen sind.

Zusatzfrage: So hypothetisch ist der Fall eigentlich nicht; den gab es schon, Gott sei Dank nur einmal. Was würde heute passieren, wenn ein Flugzeug nicht identifiziert werden könnte und man Hinweise hätte, dass Terroristen an Bord wären? Wie würde da der Entscheidungsprozess aussehen? Das ist ja nicht nur rein hypothetisch.

Herr Seibert, Sie haben von einer sehr gründlichen Prüfung gesprochen. Aus dem Justizministerium gibt es schon die Äußerung, dass eine Grundgesetzänderung nicht nötig sei. Schließt sich dem die Kanzlerin an?

StS Seibert: Ich habe gesagt: Es wird jetzt sehr gründlich geprüft, wie damit umzugehen ist und welche Schlüsse aus diesem Urteil zu ziehen sind. Eine baldige Grundgesetzänderung steht für die Bundesregierung nicht an.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium: Kann man, nachdem über die Kfz-Kennzeichen und die Pläne des Ministers schon recht breit unterrichtet worden ist, sagen, wann diese Neuregelung in Kraft treten könnte?

Mehwald: Ich würde da vielleicht gerne ein ganz kleines Stück in die Genese gehen, weil Sie damit ein ausgesprochen bürgernahes Thema ansprechen: Die Länder und Regionen sind im vergangenen Jahr auf den Minister zugekommen, und er erfüllt diesen Wunsch - er hat ihn schon erfüllt -, eine Änderung der Verordnung zur Zulassungsverordnung vorzunehmen. Diese Verordnung, dass Altkennzeichen wieder genutzt werden können, also dass jede Region beziehungsweise jeder Landkreis - es geht im Wesentlichen um ländliche Regionen; denn für große Städte gibt es fixe Kennzeichen, und wir vermuten nicht, dass daran irgendetwas geändert werden soll - wieder die alten Kennzeichen, die aufgrund der Zusammenlegung von Verwaltungsbezirken oder Reformen außer Kraft getreten sind, vergeben können, ist von uns erarbeitet worden und liegt jetzt dem Bundesrat vor. Sie ist dem Bundesrat Ende Juni zugeleitet worden. Wenn der Bundesrat sie verabschieden wird, dann wird es diese Möglichkeit geben. Wie das dann nachher realisiert werden wird, ist eine andere Sache. Aber zumindest war es dem Bundesverkehrsminister wichtig, diese regionale Identifikation der Autofahrer mit ihrer Regionen beziehungsweise mir ihrer Heimat in ganz Deutschland zu ermöglichen.

Das liegt also, wie gesagt, in den Händen des Bundesrates, und dann kann es durch die Zulassungsbehörden - also durch die Kommunen und Gemeinden - umgesetzt werden. Aber es gibt natürlich keinen Anspruch darauf. Das kann also gemacht werden, und wir müssen einfach schauen, wie das von den Ländern und Gemeinden genutzt werden wird.

Zusatzfrage: Trifft denn der Teil des Berichts zu, dass auch völlig neue Kennzeichen geplant sind?

Mehwald: Es kann so etwas vorgeschlagen werden. Das wird von uns, vom Bundesverkehrsministerium, genehmigt. Selbstverständlich darf das nicht sittenwidrig sein. Man kann sich also nicht alles Mögliche ausdenken und glauben, dass das dann zur Registrierung führt. Die Kennzeichen werden dann anschließend im Bundesanzeiger veröffentlicht, und das macht eine flexible Handhabung der unterschiedlichen regionalen Wünsche möglich.

Zusatzfrage: Ist das, was die Verbraucher angeht, eine Kann-Vorschrift? Wird also niemand gezwungen, sich ein neues Kennzeichen zuzulegen? Das würde ja wiederum etwas kosten.

Mehwald: Nein, niemand wird gezwungen. Es gibt offensichtlich wirklich landauf und landab - wer in großen Städten wohnt, der kann sich das vielleicht nicht so ganz vorstellen - den Wunsch, dieses und jenes zu behalten, nach dem Motto: Das ist meine Scholle, und damit würde ich mich doch gerne identifizieren. Diesen Wunsch gab es in Deutschland in großer Breite, und deshalb sind die Länder ja auch auf den Bundesverkehrsminister zugekommen. Er steht nah am Bürger, wie wir wissen, und deswegen hat er sich das zu eigen gemacht und diese Verordnung erarbeitet, über die dann jetzt nach der Sommerpause vom Bundesrat entschieden werden wird.

Frage: Frau Mehwald, habe ich Sie richtig verstanden, dass alte Kennzeichen wieder aufleben können? Es gab früher für Leonberg in Baden-Württemberg das Kennzeichen LEO, und gab es immer die Schilder "LEO muss bleiben". Es blieb aber nicht. Kommt LEO wieder?

Die andere Frage wäre: Wenn wir jetzt Berlin betrachten, zum Beispiel den Bezirk Reinickendorf - der ist ungefähr so groß wie Bonn und Godesberg zusammen, die ja ein eigenes Kennzeichen haben -, könnten dann der Bezirk oder der Senat sagen, dass Reinickendorf - ein Bezirk innerhalb Berlins, der quasi die Ausmaße einer mittelgroßen Stadt hat - ein eigenes Kennzeichen bekommt? Wäre das theoretisch möglich?

Mehwald: Zur ersten Frage: LEO kann wiederkommen. Es muss nur die entsprechenden Initiativen geben.

Zur zweiten Frage: Soweit ich weiß, ist Reinickendorf in Berlin eingemeindet, und ich bin davon überzeugt, dass die großen Städte nicht zur Debatte stehen. Insofern geht es wirklich um ländliche Kreise wie Ihr schönes Leonberg, die das betreffen wird.

Frage: Was ist denn die Mindestvoraussetzung? Muss man also in irgendeiner Form eine Kommune sein? Ich meine, Reinickendorf ist ja immerhin ein Bezirk mit eigenem Bezirksbürgermeister usw. Man könnte ja schon sagen, dass man die Voraussetzung mit einem Bürgermeister erfüllt.

Mehwald: Machen wir doch Folgendes: Fragen Sie die Reinickendorfer, ob sie REINI - das ist jetzt einmal aus der Luft gegriffen - als Kennzeichen haben möchten. Ich vermute, sie wollen das B schon behalten.

Wir gehen davon aus, dass es sich im Wesentlichen um ländliche Kreise handelt, denen wirklich etwas weggenommen wurde. Ich glaube also nicht, dass jetzt die große Revolution losbrechen wird und dass sich aus dem B jetzt ein REI oder was auch immer entwickeln wird, sondern dass es wirklich um die durch Verwaltungsreformen bedingte Abschaffung von Kennzeichen in Regionen handelt, in denen es, wie Herr Kürschner ja eben sagte, auch Initiativen nach dem Motto "Wir wollen das wiederhaben" gab. Das ist doch völlig legitim. Aber dass sich jetzt jemand vom B verabschiedet, kann ich mir nicht wirklich vorstellen. Ich glaube, das wird auch nicht so sein.

Frage: Bei der Vorstellung dieser Initiative wurde immer gesagt, dadurch entstünden der Verwaltung keine weiteren Kosten. Ist das auch Ihre Erkenntnis? Gibt es denn außer regionalen Wünschen noch einen weiteren Zweck dieser Maßnahme?

Mehwald: Es ist eine Initiative, die der Minister unternommen hat, um der Bevölkerung (diesen Wunsch) - ich sagte ja: das ist landauf, landab der Fall - (zu erfüllen). Ich weiß zum Beispiel, dass das in Güstrow so gewesen ist. Die Stadt Güstrow spielte plötzlich keine Rolle mehr. Es wurde die Abkürzung GÜ abgeschafft, und es wurde dann (das Kennzeichen der) Region genommen.

Es geht ja um Neuzulassungen. Wenn also jemand zum Beispiel sagt "Ich will das unbedingt wieder zurückhaben", dann muss er ja für ein neues Schild auch bezahlen. Insofern entstehen keine weiteren Kosten, weil ich, wenn ich ein neues Schild für mein Auto haben will, bezahlen muss; das wissen wir alle.

Frage: Frau Mehwald, Sie sagten jetzt, die Reinickendorfer wollten das gar nicht, aber vielleicht wollen sie es ja doch. Kann es so etwas also geben, oder ist das ausgeschlossen, wenn irgendwelche Bezirke oder kleine Dörfer plötzlich entscheiden, dass sie jetzt ein eigenes Kennzeichen haben möchten?

Mehwald: Es geht, wie ich eben schon zu dem Kollegen sagte, darum, dass Kennzeichen, die durch Verwaltungsreformen weggefallen sind, wiederbelebt werden können. Es geht darum, dass Menschen, die ihr Kennzeichen beziehungsweise ihr Regionalkennzeichen verloren haben, es zurückhaben können. Dann wird man auch weiter sehen. Lassen wir erst einmal den Bundesrat darüber entscheiden, wie das angenommen wird. Der Wunsch kam aus vielen Regionen, aber jetzt liegt das in den Händen des Bundesrats.

Frage: Frau Mehwald, ich bin jetzt etwas verwirrt. Sie haben vorhin gesagt, es könnten auch völlig neue Kennzeichen vorgeschlagen werden. Jetzt sagen Sie, es gehe nur um die, die weggefallen seien. Mich würde einmal interessieren: Wer kann denn ein völlig neues Kennzeichen vorschlagen? Kann das jeder tun?

Mehwald: Das kann aus den Regionen kommen. Die Regionen sind am dichtesten an ihren Autofahrern dran. Es können Vorschläge dazu kommen, was gemacht werden soll. Dann wird entschieden werden. Wie ich sagte, kann, wenn Sittenwidrigkeit dem nicht im Weg steht, was wahrscheinlich nicht der Fall sein wird, darüber entschieden werden, ob ein solches Kennzeichen vergeben wird.

Zusatzfrage: Was heißt "kann aus den Regionen kommen"? Von wem? Ich meine: Wenn ich in der Region wohne, da kommt mein Vorschlag aus der Region.

Mehwald: Ich hatte das Beispiel Güstrow genannt. Es wird so sein - das war der Wunsch der Leute; sie wollen ihre alten Kennzeichen wiederhaben -, dass GÜ dann wieder im Gespräch sein wird. Das hat sich ja bei den Kraftfahrtzulassungsämtern auch angehäuft, und dort, in der Region, wird am besten entschieden werden, was möglich ist, was nötig ist und was machbar ist.

Zusatzfrage: Meinen Sie im Klartext also den Kreistag?

Mehwald: Genau. Die Möglichkeit besteht, es so zu machen. Es gibt also sozusagen die Vorlage des Ministers dazu, so etwas umzusetzen.

Frage: Frau Mehwald, weil Sie gerade das hypothetische Beispiel REINI brachten, würde mich einmal interessieren: Bleibt es aber bei maximal drei Buchstaben? Für Sittenwidriges bräuchte man ja vielleicht ein paar mehr Buchstaben.

Mehwald: Ja, klar. Darum geht es auch nicht; das war jetzt nur ein Beispiel. Es wird bei B bleiben.

Zusatzfrage: Aber maximal drei Buchstaben?

Mehwald: Ja, genau, zum Beispiel für Berlin. Es können ja mehr werden. Bei einer kleineren Kommune sind zum Beispiel schon drei Buchstaben vorne. Je kleiner die Kommune, desto mehr Buchstaben sind vor dem Strich.

Zuruf: Erzählen Sie das einmal den Rostockern!

Mehwald: Gut, Hansestädte nehmen wir davon immer aus. Auch Hamburg ist ja nicht so klein.

Frage: Frau Mehwald, wenn Absicht Ihres auf den Bürgern, bei den Bürgern oder neben den Bürgern stehenden Ministers ist, dass die alten Kennzeichen wieder eingeführt werden können, dann habe ich die Frage: Wieso schreibt er das dann nicht so klar und präzise dort hinein, sondern lässt offenbar, wie Sie sagen, theoretisch einen absoluten Wildwuchs zu? So habe ich Sie jetzt verstanden. Wieso schreibt er dort nicht einfach hinein "Die Kennzeichen, die es einmal gab - nach denen gibt es nämlich offenbar eine erkennbare Sehnsucht -, sind auf Antrag durch die zuständigen Gemeinde- oder Stadträte wieder beim Bundesminister des Verkehrs als zulässig abzurufen"?

Mehwald: Sie haben es zusammengefasst. So ist es schlussendlich.

Zusatzfrage: Aber wieso sagen Sie dann etwas anderes, Frau Mehwald? Sie haben nämlich gesagt, es könnten auch ganz neue Kennzeichen entstehen.

Mehwald: Es geht im Wesentlichen darum - , Sie haben völlig recht -, die Möglichkeit zu eröffnen, alte Kennzeichen wieder zuzuordnen. Es wird nur neue Kombinationen geben, und die müssen bei uns zur Genehmigung vorgelegt werden.

Zusatzfrage: Gibt es also außer der Sittenwidrigkeit keinerlei Einschränkung für alle möglichen Kennzeichen?

Mehwald: Vorschläge können gemacht werden, richtig.

Zusatzfrage: Eigentlich wollten Sie nur die alten Kennzeichen und haben das aber so nicht hineingeschrieben?

Mehwald: Es gibt die Möglichkeit, die alten Kennzeichen wieder zuzuordnen.

Frage: Nur zur Klarstellung: Ich kann das alte Kennzeichen also wiederbekommen, wenn ich ein Auto neu anmelde. Kann ich es auch wiederbekommen, wenn ich ein altes Auto habe, mit dem alten Kennzeichen nicht zufrieden bin und sage "Ich hatte das alte gerne wieder"? Geht das auch?

Mehwald: Das betrifft jetzt Durchführungsbestimmungen der Kfz-Zulassungsverordnung. Ich möchte mich beim besten Willen nicht darauf einlassen, wie das in den Kommunen gehandhabt wird.

Frage: Frau Mehwald, kann es denn dann für Bewohner einer Region unterschiedliche Kennzeichen geben, wenn man nicht gezwungen wird, das neue zu nehmen?

Mehwald: Nein, sie werden nicht gezwungen. Mein Beispiel war ja der Landkreis Güstrow, der ein anderes Kennzeichen hat. Wenn Sie jetzt ein Auto mit dem Kennzeichen GÜ fahren, dann können Sie bis an Ihr Lebensende mit dem Auto weiterfahren, wenn es denn so lange hält. Sie können aber auch sagen: Ich möchte ein Kennzeichen, wie es früher war oder wie es jetzt ist. Das ist möglich - auf Vorschlag und nachdem, wie gesagt, diese Verordnung durch den Bundesrat angenommen worden ist.

Zusatzfrage: Aber gibt es dann für diese Region zwei Kennzeichen?

Mehwald: Ja, das könnte es geben.

Frage: Frau Mehwald, haben Sie den Eindruck, Ihrem Minister ist bewusst gewesen, was er mit diesem Thema für ein Fass aufmacht? Erlebt man das jetzt so? Dabei ist ja jetzt alles möglich, bis hin zu der positiven Anregung REINI. Haben Sie das vorher durchdacht, bevor Sie mit der Verordnung angekommen sind, oder überrollt Sie das jetzt?

Mehwald: Nein, überhaupt nicht. Das war ein Beispiel. Das war im Prinzip der Frage von Herrn Kürschner geschuldet. Die großen Kommunen stehen nicht zur Debatte, sondern nur Kennzeichen, die durch Verwaltungsreformen weggefallen sind.

Zuruf: Aber so steht es ja nicht drin!

Mehwald: So habe ich es gesagt, und so wird es sein.

Zuruf: Aber so steht es nicht in der Verordnung!

Mehwald: Doch, so steht es in der Verordnung.

Zusatzfrage: Sind also keine neuen Kennzeichen denkbar?

Mehwald: Es sind sicherlich neue Kombinationen denkbar, aber das obliegt, wie ich Herrn Kürschner eben schon gesagt habe - bitte keine Missverständnisse -, der Kfz-Zulassungsverordnung. Lassen Sie diese Verordnung erst einmal durch den Bundesrat gehen und in Kraft treten. Dann werden wir sehen.

Ich möchte nur noch einmal ganz kurz das Wort an die Kolleginnen richten: Es gab hier jetzt, glaube ich, eine so große Runde der Fragen, und die kommen alle von Männern!

Frage: Wie weit darf diese Liebe zum alten Kennzeichen denn zurückgehen?

StS Seibert: Die Bundesrepublik sollte schon bestanden haben.

Zusatzfrage: Es hat mehrere Reformen gegeben. Gibt es da ein zeitliches Limit, oder kann ich sagen "Ich hätte gerne das Nachkriegskennzeichen wieder"?

Mehwald: Nein, das können Sie nicht.

Zusatzfrage: Ich frage durchaus ernsthaft. Es hat im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Verwaltungsreformen gegeben. Zum Beispiel hatte Schleswig-Holstein am Anfang doppelt so viele wie jetzt. Wie weit kann das also zurückgehen?

Mehwald: Die letzte Reform ist meines Erachtens etwa vor vier, fünf Jahren durchgeführt worden. Ich nehme die Frage gerne mit, aber Sie können sich sicher sein, dass das, glaube ich, nicht weiter als bis in die Neunzigerjahre zurückgeht. Aber ich werde das gerne noch einmal prüfen.

Zusatzfrage: Dann würde mich noch interessieren: Was ist sittenwidrig? Sind also auch Juxkennzeichen erlaubt? Das ist ja nicht unbedingt sittenwidrig, aber es kann drollig sein. Ist Drolliges also auch untersagt, oder ist das zulässig?

Mehwald: Dabei gibt es diesen Grat, auf dem wir uns bewegen. Ich werde Ihnen jetzt keine Beispiele für Sittenwidrigkeit nennen, aber auch, uns das vorzuschlagen, obliegt den Kfz-Behörden. Ich denke, dass einige Vorschläge sicherlich gleich in den Kommunen verbleiben werden. Aber ich nehme das mit.

Frage: Wenn jetzt ostdeutsche Mitbürger die Idee haben, sie hätten gerne ihr altes DDR-Kennzeichen wieder zurück, ist dann Streit ausgeschlossen? Machen Sie das nicht?

Mehwald: Das ist es, richtig. Es geht um Verwaltungsreformen, die sich um die letzten Jahre drehen. Die genaue Anzahl der Jahre und die Frage, wie weit das zurückreicht, werde ich noch recherchieren. Das werde ich dann auch über Ihren Verteiler jagen. Aber Sie können sicher sein, dass das nicht der Fall sein wird, weil es dabei ja nicht um das bundesdeutsche System von Kraftfahrzeugen geht.

Frage: Heißt das - das war im Prinzip auch meine Frage, aber ich versuche sie noch einmal zu ergänzen -, alle Kennzeichen, die vor der deutschen Wiedervereinigung existent waren, sind ausgeschlossen? Ansonsten könnte ich ja auch mit 1A für Berlin kommen, wenn mir denn danach wäre. Heißt das, alle westdeutschen Kennzeichen, die bis 1989 - bis zum Fall der Mauer oder zum 3. Oktober, dem Einheitsfeiertag; ich weiß ja nicht, was der Stichtag ist - auf dem Markt waren, sind weg? Geht es nur um Kennzeichen nach der Wiedervereinigung, damit auch kein Ostdeutscher auf eine Idee kommt? Steht das so explizit in der Verordnung des Verkehrsministers?

Mehwald: Davon können Sie ausgehen. Wie lange diese Verwaltungsreformen genau zurückzuliegen haben, werde ich noch recherchieren.

Zusatzfrage: Aber fällt alles, was bis zur Wiedervereinigung vorhanden war, nicht unter diesen Ramsauer-Erlass?

Mehwald: Davon ist auszugehen.

Frage: Wäre das nicht eine Diskriminierung bestimmter Landkreise auch in Westdeutschland? Meine Heimatstadt Witzenhausen hat zum Beispiel 1974 das Kennzeichen WIZ verloren, und ich weiß, dass das viele Leute bis heute schmerzt. Die müssten dann also gegenüber den Güstrowern zurückstecken.

Mehwald: Ich werde recherchieren, wie weit diese Verwaltungsreformen zurückzuliegen haben, und damit wird sich dann auch Ihre Frage beantworten.

Frage: Herr Seibert, ich habe eine Frage zur bevorstehenden Reise der Kanzlerin nach Moldau. Warum ist denn für Deutschland die Lösung des Transnistrien-Konflikts so wichtig? Welche Rolle würde Deutschland dabei gerne übernehmen?

StS Seibert: Für eine ausführliche Antwort würde ich Sie gerne auf unser morgiges Briefing zu dieser Moldau-Reise durch Christoph Heusgen, den außenpolitischen Berater der Bundeskanzlerin, verweisen.

Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin im Jahr 2010 die sogenannte Meseberg-Initiative begonnen hat. Dahinter steht die Grundüberzeugung, dass wir in Europa dafür zuständig sind, und zwar zunächst einmal wir Europäer, noch schwelende Konflikte aufzulösen, die immer noch ein Potenzial haben, Destabilisierung und Unruhe zu schaffen. Das ist der gleiche Grund, aus dem sich die Bundesregierung und auch andere europäische Länder im westlichen Balkan engagieren. In der Republik Moldau ist mit dem Transnistrien-Konflikt eben immer noch ein Problem ungelöst, das Hunderttausende von Menschen betrifft und dazu führt, dass dieser Staat seine Stabilität noch nicht gefunden hat. Was wir dazu beitragen können, das tragen wir bei. Für die Details wird es morgen, wie gesagt, ein ausführliches Briefing geben.

Frage: Ich habe eine Frage, zuerst an den Vertreter des Umweltministers. Das deutsche Unternehmen SolarWorld hat eine Anti-Dumping-Klage gegen China eingereicht. Deutsche Medien berichten, dass dieses Unternehmen auch Unterstützung oder Rückendeckung von Minister Altmaier erhielt. Meine Frage ist: Inwieweit möchte die deutsche Regierung diese Klage unterstützen?

Eine Frage an Herrn Seibert: Wird dieses Thema auch beim Besuch der Bundeskanzlerin in China angesprochen werden? Wie ist die persönliche Meinung von Kanzlerin Merkel zu diesen Fragen? Ist dieser Konflikt auch auf diplomatischem Weg lösbar?

Strube: Die letzte Äußerung von Minister Altmaier stammt aus der Zeit, bevor diese Klage eingereicht wurde. Damals hat er sich offen dafür gezeigt, dass Unternehmen diesen Weg gehen. Jetzt liegt der Ball bei der EU-Kommission, wo diese Klage offenbar eingegangen ist. Es gibt meines Erachtens eine Frist von 45 Tagen, in der sich die EU-Kommission äußern muss. Diese Frist läuft noch. Wir warten zunächst ab, wie die EU-Kommission diese Klage bewertet. Herr Altmaier hatte aber bereits angekündigt, dass er bei seinem Besuch in China - er reist gemeinsam mit der Bundeskanzlerin - das Thema ansprechen wird.

StS Seibert: Ich glaube, damit ist die Antwort eigentlich schon gegeben. So wird also durch den Umweltminister das Thema auch am Rande der deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen angesprochen. Für die Bundeskanzlerin kann ich sagen, dass sie in China sicherlich nicht über einzelne Unternehmensentscheidungen sprechen wird, aber in der Vergangenheit sehr wohl über faire Wettbewerbsbedingungen sowohl für chinesische Unternehmen hier in Deutschland als auch für deutsche Unternehmen in China gesprochen hat und auch wieder sprechen wird. Das ist immer wieder ein Thema, über das sich die Bundesregierung mit der chinesischen Regierung auseinandersetzt.

Frage: Eine Frage an Herrn Kotthaus, und zwar zur Treuhand-Nachfolgerin TLG. Die TLG verkauft 11.500 Wohnungen. Die SPD-Bundestagsfraktion befürchtet, dass die Bedingungen nicht mieterfreundlich ausgestaltet würden und verweist auf den Ausschluss einer an der Links-Partei orientierten Genossenschaft. Meine Frage: Wie stehen Sie zu der Forderung der SPD, dieses Bieterverfahren zu beenden, damit die Wohnungen in öffentlicher Hand bleiben können?

Kotthaus: Der Verkauf ist initiiert. Er läuft und kommt auch planmäßig voran. Bis Ende Juni gab es zahlreiche Bieter, die Angebote abgegeben haben. In einer ersten Runde wurde dieser Bieterkreis weiter reduziert. Die ausgewählten Bieter haben jetzt die Gelegenheit, tiefer in die Firma hineinzuschauen und eine ausführliche Prüfung des Unternehmens - die sogenannte "Due Diligance" - vorzunehmen. Danach entscheidet man weiter.

In dem Verfahren ist auch klar, dass es eine Sozialcharta geben wird, die Mindeststandards im Bereich des Kündigungsschutzes für ältere und schwerbehinderte Mieter setzen und den Ausschluss von Luxusmodernisierungen für einen angemessenen Zeitraum beinhalten wird. Das ganze Verfahren läuft relativ klar und streng nach den Ausschreiberegeln, die durch die EU-Standards vorgegeben sind. Daher bin ich auch hier nicht in der Lage, über die Auskünfte, die ich jetzt erteilt habe, weitere Auskünfte zu geben, auch nicht zu einzelnen Bietern oder Teilnehmern.

Zurzeit kann man festhalten: Das Verfahren läuft planmäßig voran. Wir glauben, die erforderlichen Rahmen gesetzt zu haben, was den Mieterschutz betrifft. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Strube, Ihr Minister wird heute in den Agenturen mit dem Satz zitiert, es mache keinen Sinn, Windräder zu installieren, die sich wegen des fehlenden Netzausbaus nicht drehen könnten. Meine Frage an Sie: Haben Sie einen Überblick, wie oft es dazu kommt, dass sich Räder nicht drehen können, weil der Strom nicht abgeleitet werden kann?

Ihr Minister wird mit dem Satz zitiert, den (akustisch unverständlich) uns schon am Donnerstag hier gesagt hat, nämlich dass es momentan zu viel Wind in der Planung gebe. Wie kann man denn den Wind aus dem Wind herausnehmen?

Strube: Der Bundesumweltminister hat bisher zehn Bundesländer im Rahmen seiner Antrittsbesuche bereist. Die anderen sechs werden folgen. Er hat bei allen diesen Gesprächen deutlich gemacht, dass es ihm um eine bessere Koordinierung des Zubaus erneuerbarer Energien mit dem Netzausbau geht. In der Tat ist es so, dass die Planungen der einzelnen Länder, was insbesondere den Ausbau der Windenergie angeht, die Bedarfsplanung des Bundes übersteigt. Hier muss man zu einem Konsens kommen. Den hat er auch für dieses Jahr angekündigt. Er will also mit allen Ländern über dieses Thema reden. Er hat auch bereits angekündigt, dass es der Fall sein kann, dass einzelne Länder von bestimmten Ausbauzielen in einem bestimmten Umfang Abstand nehmen müssen.

Zu Ihrer ersten Frage: Das bewegt sich noch in einem sehr geringen Umfang. Die Information, die ich Ihnen dazu aus dem Stegreif geben kann, ist, dass ungefähr 0,1 bis 0,2 Prozent der eingespeisten Windenergiemenge abgeriegelt werden müssen.

Zusatzfrage: Welche Länder sind das denn? Sie sagten, es kann dazu kommen, dass einzelne Länder von ihren Ausbauzielen Abstand nehmen müssen. Das scheinen ja dann die zu sein, die besonders ehrgeizige Ziele haben.

Strube: Ich kann Ihnen momentan keine konkreten Namen nennen. Grundsätzlich geht es dabei aber um einen möglichen Konflikt des Ausbaus der Offshore-Windenergie im Norden und den Zubau von Onshore-Windenergie im Süden.

Frage: Das Thema Offshore müsste dann doch auch eine Rolle spielen. Sie haben jetzt von den eventuell anzupassenden Onshore-Zielen gesprochen. Es gibt ja auch gerade für die Bundesregierung die andere Möglichkeit, entsprechend bei den Offshore-Zielen nachzusteuern.

Strube: Mir sind derzeit keine Pläne bekannt, bei Offshore nachzusteuern beziehungsweise bei Offshore von Zielen abzurücken. Sie wissen, dass Offshore den Vorteil hat, nahezu grundlastfähig zu sein. Ich erinnere mich daran, was man in der Schule in Bezug auf ablandigen und auflandigen Wind gelernt hat. Offshore-Anlagen haben also den Vorteil, dass sie eine deutliche höhere Stundenlastzahl pro Jahr bringen. Deshalb sind mir solche Planungen für Offshore-Windkraftanlagen nicht bekannt.

Zusatzfrage: Zum Thema Biosprit. Ein Landesminister hat mit der Forderung der Aussetzung von E10 nachgelegt. Mich würde interessieren, ob es in der Bundesregierung Überlegungen gibt, diese Biokraftstoffstrategie vor dem Hintergrund der steigenden Lebensmittelpreise zu überdenken. Besonders würde mich interessieren, wie das Agrarministerium zu diesen Äußerungen von Herrn Niebel und anderen FDP-Politikern steht.

Zu Erbauch-Fürstenau: Vielen Dank für die Frage. - Um das einzuordnen, kann ich sagen, wie es mit der Anbaufläche Deutschland aussieht, damit sich einmal jeder eine Vorstellung machen kann. In Deutschland werden derzeit auf rund 250.000 Hektar Getreide und Zuckerrüben für Bioethanol angebaut, das zur Herstellung von E10 dient. Hinzu kommen 910.000 Hektar für Rapsöl und Biodiesel. Zum Vergleich: Die gesamte Agrarfläche in Deutschland beträgt 12 Millionen Hektar. Also werden auf der überwiegenden Fläche in Deutschland Futter- und Lebensmittel angebaut.

Zu den Auswirkungen auf die Agrarrohstoffpreise kann ich Ihnen Folgendes sagen: Wir beobachten derzeit diesen Preisanstieg bei den Agrarprodukten, bei dem zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen. Wesentlichen Anteil an diesem Anstieg haben insbesondere die Ernteausfälle in den USA und in anderen Staaten. Hinzu kommt offensichtlich die stetig wachsende Weltbevölkerung, die auch ein geändertes Essverhalten an den Tag legt - es wird mehr tierisches Eiweiß gegessen -, was dazu führt, dass es einen höheren Futtergetreideverbrauch und damit einen steigenden Verbrauch von Lebensmitteln gibt. Das betrifft also die Angebot- und Nachfrageseite. Aus unserer Sicht beeinflussen Biokraftstoffe die Agrarpreise in einem eher geringerem Umfang. Das ist das, was ich Ihnen zu den Agrarpreisen sagen kann.

Zusatzfrage: Von daher sehen Sie keinen Nachsteuerungsbedarf? Die Frage richtet sich auch an das Umweltministerium, das für die Biokraftstoffstrategie zuständig ist, denn da geht es um importierte Mengen von Biokraftstoff.

Strube: Sie wissen, dass der Minister gerade auf Sommerreise ist und zahlreiche Ihrer Kolleginnen und Kollegen ihn begleiten. Er wurde bereits vielfach zu diesem Thema befragt, hat sich an der Debatte jedoch nicht beteiligt. Es bleibt dabei: Das Bundesumweltministerium beteiligt sich nicht an der Debatte über einen Stopp von E10 und kommentiert diesen auch nicht.

Zusatzfrage: Die Frage bezog sich nicht auf den Stopp von E10, sondern auf die Biokraftstoffstrategie der Bundesregierung, die im Umweltministerium ausgearbeitet worden ist. Gibt es Anlass, diese noch einmal zu überdenken?

Strube: Dazu ist mir nichts bekannt.

Paris: Ich möchte, auch wenn er nicht mehr da ist, die Frage, ob wir über die Einsatzfahrt der "Oker" den Verteidigungsausschuss gesondert unterrichtet haben, nachreichen: Nein, haben wir nicht, da es eine schlichte Routinefahrt im nationalen Auftrag ist. Über Routine berichten wir nicht gesondert. - Danke!

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 20. August 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/08/2012-08-20-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2012