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PRESSEKONFERENZ/511: Regierungspressekonferenz vom 14. November 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 14. November 2012
Regierungspressekonferenz vom 14. November 2012

Themen: Kabinettssitzung (Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, Rüstungsexportbericht 2011, Verlängerung des Mandates für die Mission Active Endeavour, Stand der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2012 der EU-Kommission, Wahl der Bundesrepublik in den UN-Menschenrechtsrat), Gesetzentwurf der EU-Kommission zur Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte
Weitere Themen: Umsetzung des griechischen Reformprogramms, Justizministerkonferenz/Facebook-Fahndung, möglicher Antrag auf NPD-Verbot, Rücktritt der Berliner Verfassungsschutzchefin, EU-Haushalt 2013/mittelfristiger Finanzrahmen, technische Mängel bei Reise- und Linienbussen, Video über die Sparpolitik Portugals, Antrittsbesuch des französischen Ministerpräsidenten Jean-Marc Ayrault, Pläne zur Austragung der Fußball-EM in mehreren europäischen Ländern

Sprecher: StS Seibert, Wiegemann (BMWi), Peschke (AA), Wendt (BMAS), Kothé (BMF), Zimmermann (BMJ), Lörges (BMI), Rudolph (BMVBS)



Vorsitzender Fichtner eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen Tagesordnungspunkt des Kabinetts lenken, der ohne Aussprache beschlossen wurde, nämlich die Verordnung zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung 2011 ein Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, kurz PID, beschlossen. Dieses Gesetz bedarf noch einer Verordnung, um es umzusetzen. Diese Verordnung, die im Wesentlichen verfahrensmäßige und organisatorische Vorgaben bestimmt, ist heute vom Kabinett beschlossen worden. Mit dieser Verordnung wird sowohl dem Recht von Frauen, die eine PID wünschen, als auch dem Schutz des Embryos in angemessener Weise Rechnung getragen. Es bleibt der gesetzlich normierte Ausnahmecharakter der PID gewahrt. Diese Verordnung bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Ebenso hat das Bundeskabinett heute den Rüstungsexportbericht für das Jahr 2011 beschlossen. Grundsätzliche Vorbemerkung: Die Bundesregierung hält an den strengen Regeln der Exportkontrolle für Rüstungsgüter fest. Die Genehmigungsentscheidungen richten sich wie bisher nach den politischen Grundsätzen der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 und nach dem gemeinsamen Standpunkt der EU zu diesem Thema, was Waffenausfuhren angeht, aus dem Dezember 2008. Genehmigungen werden also erst nach eingehender Prüfung im Einzelfall erteilt, vor allem, nachdem sichergestellt worden ist, dass deutsche Rüstungsgüter nicht für Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden oder zur Verschärfung von Krisen beitragen.

Ich will drei Anmerkungen zu dem heute verabschiedeten Bericht machen, der im Übrigen auch im Internet eingestellt worden ist. Im Berichtszeitraum 2011 wurden Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von 5,4 Milliarden Euro erteilt. Ein Anteil von 58 Prozent dieses Wertes entfiel auf EU-, Nato- und Nato-gleichgestellte Länder, ein Anteil von 42 Prozent auf Länder, die nicht in diese Kategorie fallen. Damit ist der Gesamtwert der Einzelausfuhrgenehmigungen gegenüber dem Vorjahr um etwa 660 Millionen Euro gestiegen.

Zurückgegangen ist 2011 allerdings der Gesamtwert der tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen. Im Jahr 2011 betrug er 1,285 Milliarden Euro. Das sind 834 Millionen Euro weniger als im Vorjahr, also ein erheblicher Rückgang. Auch der Gesamtwert der Genehmigungen für Kleinwaffen - das sind insbesondere automatische Handfeuerwaffen - liegt mit 38 Millionen Euro unter dem Wert des Vorjahres. Die Bundesregierung wird auch in Zukunft die Genehmigungen gerade für Kleinwaffenexporte besonders restriktiv handhaben.

Ich will auch noch darauf hinweisen, dass die Genehmigungen für Exporte in die Gruppe der Länder, die man "least developed" nennt, also die am wenigsten entwickelten und ärmsten Länder, ebenfalls stark zurückgegangen sind, und zwar auf 3 Millionen Euro im Jahr 2011. Diese Zahl lag im Jahr 2010 noch bei 104 Millionen Euro.

Der dritte Punkt aus dem Kabinett, über den ich gerne berichten möchte, ist die Verlängerung des Mandates Active Endeavour. Die Bundeswehr soll sich weiterhin an der Anti-Terror-Operation Active Endeavour der Nato im Mittelmeer beteiligen. Dieses Mandat wird inhaltlich unverändert um ein weiteres Jahr bis zum 31. Dezember 2013 fortgeschrieben. Unverändert ist auch die personelle Obergrenze für die Beteiligung der Bundeswehr. Sie liegt weiterhin bei 700 Soldatinnen und Soldaten.

Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist weiterhin eine der zentralen Herausforderungen der internationalen Gemeinschaft. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat das gerade erst wieder in seiner Sitzung am 9. Oktober dieses Jahres bekräftigt. Die Bereitstellung entsprechender militärischer Fähigkeiten bleibt ein Bestandteil dieser Anstrengung. Durch den fortgesetzten Einsatz von See- und Seeluftstreitkräften bei dieser Operation Active Endeavour im Mittelmeer leisten die Nato-Mitgliedstaaten einen wichtigen vorbeugenden Beitrag zur Begegnung möglicher terroristischer Aktivitäten.

Dieser Beschluss steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestages

Zuletzt hat Bundeswirtschaftsminister Rösler im Kabinett einen kurzen mündlichen Zwischenbericht zum Stand der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2012 gegeben. Die länderspezifischen Empfehlungen hat die EU-Kommission im Jahr 2012 jedem Mitgliedstaat gegeben, so natürlich auch der Bundesrepublik Deutschland. Das sind Empfehlungen auf den Gebieten Arbeitsmarkt, Bildungs- und Sozialpolitik, Finanzpolitik, Finanzsektor, Infrastruktur und Wettbewerbspolitik. Zunächst aber kann man feststellen, dass die Empfehlungen ausdrücklich den von der Bundesregierung verfolgten finanzpolitischen Kurs der haushaltsfreundlichen Konsolidierung befürworten und bestätigen. Man kann insgesamt, ohne dass ich jetzt in die Details gehe, feststellen, dass Deutschland auf einem guten Weg ist, den Großteil dieser länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission zu erfüllen. Wir nehmen sie sehr ernst und orientieren unser Handeln daran. So weit die Ausführungen von Bundeswirtschaftsminister Rösler.

Ganz zum Schluss hat der Außenminister dem Kabinett noch kurz über die Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen berichtet, bei der die Bundesrepublik erfreulicherweise in den UN-Menschenrechtsrat gewählt worden ist, in dem sie nun wieder drei Jahre lang Mitglied sein wird. "Eine schöne Entscheidung" nannte dass der Bundesaußenminister, die eine Bestätigung unserer wertegeleiteten Außenpolitik sei.

Frage: Ich habe eine Frage, Herr Seibert, zum Rüstungsexportbericht, und ich weiß nicht, ob das Bundeswirtschaftsministerium das ergänzen kann oder möchte: Wie ist dieser Anstieg der Exporte im Vergleich zum Vorjahr in die Drittländer zu erklären oder zu begründen?

Eine zweite, allgemeine Frage: Ist der Anstieg der Exporte - wenn ich es richtig gelesen habe, auf 5,4 Milliarden Euro - eine grundsätzlich positive und zu begrüßende Entwicklung? Wie ist Ihre Position dazu?

StS Seibert: Zu der ersten Frage kann ich Ihnen sagen, dass die Erhöhung der Kriegswaffenausfuhren in Drittländer im Wesentlichen auf Lieferungen an drei Länder beruht, und zwar an Brunei mit mehr als 300 Millionen Euro, an Singapur mit mehr als 200 Millionen Euro und an den Irak mit Lieferungen in Höhe von 159,5 Millionen Euro. Das ist der Großteil dessen, was den Zuwachs ausmacht.

Ich werde das nicht bewerten. Wir sehen darin keine positive oder negative Entwicklung. Wir stellen einfach transparent für den Bundestag und auch die Öffentlichkeit dar, was es an Genehmigungen und tatsächlichen Ausfuhren gegeben hat. Wir genügen damit sozusagen den gleichen Grundsätzen, wie sie Regierungen in der Bundesrepublik Deutschland seit vielen Jahren leiten.

Wiegemann: Vielleicht darf ich das noch ergänzen: Der Export von Kriegswaffen aus Deutschland ist im Jahr 2011 sehr stark zurückgegangen, und zwar um fast 40 Prozent. Das zu sehen, ist dabei auch ganz wichtig. Also nur 0,12 Prozent der Exporte betreffen Kriegswaffen, und die wurden im Jahr 2011 im Wert von 1,285 Milliarden ausgeführt. Dem steht ein Vorjahresvolumen in Höhe von 2,12 Milliarden Euro gegenüber. Es gab also einen Rückgang von fast 40 Prozent.

Frage: Herr Seibert, können Sie noch etwas zu der Bedeutung sagen, die die Bundesregierung dem Export von Kriegswaffen aus deutscher Produktion beimisst?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat dazu in mehreren Reden Überzeugungen der Bundesregierung sehr ausführlich dargelegt. Diese Reden sind nachzulesen. Wir vergeben keine Rüstungsexportgenehmigungen aus kommerziellen Gründen. Wir vergeben sie aus politischen Gründen, aus sicherheitspolitischen Gründen und aus stabilitätspolitischen Gründen. Wir vergeben sie nach sehr eingehender Prüfung der Menschenrechtslage und nach sehr eingehender Prüfung der Frage, ob Krisen durch einen solchen Export verschärft werden oder ob man im Gegenteil zur Stabilisierung von Regionen beiträgt. Dies sind die Grundsätze, die diese Regierung leiten und die auch die Vorgängerregierung geleitet haben. Das ist alles, was ich Ihnen jetzt dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Es ist in der Vergangenheit so gewesen, dass sich mehrere Minister unter anderem in Indien für den Verkauf von Eurofightern engagiert haben. Würden Sie das auch unter "Menschenrechtsgründe" und "politische Gründe" fassen? Man war ja auch sehr enttäuscht, dass Indien dann auf ein französisches Modell umgeschwenkt ist. Es muss also doch auch irgendwie einen kommerziellen Grund haben, dass man sich dort engagiert.

StS Seibert: Es gibt nach Einschätzung der Bundesregierung, obwohl das immer wieder im Einzelfall zu prüfen ist, Staaten, denen Rüstungsgüter geliefert werden können - das ist immer im Einzelfall zu prüfen -, und es gibt Staaten, bei denen das nicht infrage kommt. Hinsichtlich der Staaten, bei denen wir das aus sicherheitspolitischen Gründen vertreten können, kann es auch sein, dass deutsche Minister auf Reisen solche Fälle ansprechen. Die Entscheidung fällt, wie Sie wissen, immer im Bundessicherheitsrat und wird dann, wenn die Fakten vorliegen, wie es jetzt der der Fall ist, im Rüstungsexportbericht der Öffentlichkeit kundgetan.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Bundeswirtschaftsministerium. Wenn Sie so betonen, dass der Export von Kriegswaffen gesunken ist, welche Botschaft steckt Ihrer Meinung nach dann dahinter? Steckt dahinter, dass der Schwerpunkt auf der Friedenspolitik liegt, oder wie ist das zu begründen?

Wiegemann: Der Rüstungsexportbericht gibt, wie gesagt, die tatsächlichen Ausfuhren wieder, und dieser Export ist eben zurückgegangen. Das ist, denke ich, schon ein wichtiger Punkt, den es auch zu unterstreichen gilt.

StS Seibert: Ich will ganz kurz diesen einen Satz - ich denke, für die ganze Bundesregierung - hinzufügen: Natürlich liegt der Schwerpunkt der Außenpolitik der Bundesregierung auf der Friedenspolitik.

Frage: Herr Seibert, ist es denn ein Erfolg deutscher Regierungspolitik oder ein Misserfolg deutsche Regierungspolitik, wenn der Export von Kriegswaffen so dramatisch gesunken ist, wie das Wirtschaftsministerium festgestellt hat, oder ist das der Bundesregierung womöglich gleichgültig?

StS Seibert: Ich überlasse die Wertung ganz Ihnen. Die Bundesregierung genügt der Pflicht, die sie hat und die sie auch gerne auf sich nimmt, nämlich, sobald die Fakten alle zusammengetragen sind, der Öffentlichkeit und dem Bundestag Bericht über die tatsächlich erteilten Genehmigungen und die tatsächlich erfolgten Exporte zu erstatten.

Zusatzfrage: Aber es könnte doch sein, dass die Bundesregierung ein politisches Ziel mit ihrer Waffenexportpolitik verfolgt. Ich nehme an, die Bundesregierung macht nur zielgerichtete Arbeit; das unterstelle ich einmal. Ist das, was das Wirtschaftsministerium vorträgt, vor diesem Hintergrund ein Erfolg oder ein Misserfolg?

StS Seibert: Das Ziel unserer Politik muss immer wieder Frieden sein, muss immer wieder die Stabilität auch in Regionen der Welt sein, in denen wir selbst mit unserer militärischen Mitteln gar nicht präsent sein können und in denen es also darum geht, vertrauenswürdige Partner zu stärken. Das ist das Ziel. Das wird im Einzelfall abgewogen und entschieden.

Zusatzfrage: Kann es dafür manchmal sinnvoll sein, möglichst viele Waffen zu exportieren, und kann es manchmal sinnvoll sein, das man dafür möglichst wenige Waffen exportiert?

StS Seibert: Ich glaube, dass ich dazu jetzt eigentlich alles gesagt habe, was sinnvoll ist. Vielleicht möchte Herr Peschke das noch einmal ergänzen.

Peschke: Ich würde nur eine Ergänzung machen wollen: Sie können sich jetzt so lange über die Summen beugen, wie Sie mögen. Entscheidend ist, dass diese Rüstungsexportentscheidungen Einzelfallentscheidungen sind, die in jedem einzelnen Fall ohne Rücksicht auf Gesamtvolumina und Zahlen verantwortungsvoll und im Einklang mit der restriktiven Rüstungsexportpolitik getroffen werden, die sich die Bundesregierung national auferlegt hat und die uns auch durch europäische Regeln auferlegt wird. Das sind also Einzelfallentscheidungen, und dann muss man sich eben auch die Einzelfälle ansehen.

Ich kann Ihnen da zum Beispiel - Herr Seibert hat das erwähnt - Rüstungsexporte in den Irak nennen. Dabei lohnt es schon, genau einzusehen, denn bei den in den Irak exportierten Rüstungsgütern geht es im überwiegend großen Teil und im ganz großen Teil um Kampfhubschrauber, die für die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen im Irak UNAMI zur Verfügung gestellt werden, die unter dieser Rubrik aufgeführt werden, die also für eine multilaterale Unterstützungsmission für die Stabilität im Irak geliefert werden, um dort für Stabilität zu sorgen. Diese Entscheidung ist nachzulesen. Dann können Sie im Einzelfall bewerten, ob das verantwortungsvoll ist oder nicht.

Die Bundesregierung ist der Meinung, dass das eine sinnvolle und verantwortungsvolle Entscheidung ist, die im Einklang mit den Exportkontrollebestimmungen steht, die es national und europäisch gibt.

Frage: Herr Seibert, nachdem die EU-Kommission heute eine gesetzliche Frauenquote vorgeschlagen hat - die Frauenunion hat das schon begrüßt, und im Kabinett gibt es wahrscheinlich nach wie vor unterschiedliche Ansichten zu einer gesetzlichen Frauenquote -, gibt es schon eine Überlegung der Bundeskanzlerin, wie sie sich im EU-Ministerrat dazu verhält?

StS Seibert: Zunächst einmal ganz grundsätzlich, und das ist hier schon bei vielen Pressekonferenzen ausgedrückt worden: Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es in Führungspositionen in der Wirtschaft immer noch viel zu wenige Frauen gibt. Eine europäische Regelung dieser Frage erscheint allerdings, wenn man auf die Rechtsgrundlage und auf den Grundsatz der Subsidiarität blickt, der uns in Europa sehr wichtig ist, doch zweifelhaft. Wir sind eindeutig der Auffassung, dass dieses Thema auf nationaler Ebene geregelt werden sollte.

Zusatzfrage: Heißt das im Prinzip, Deutschland wird das im Ministerrat ablehnen? Ist das richtig?

StS Seibert: Wir sind der Meinung, das muss auf nationaler Ebene geregelt werden.

Zusatzfrage: Dann habe ich eine Frage an das Arbeitsministerium. Die Frauenunion spricht von einem Etappensieg. Wie sieht das denn Ministerin von der Leyen?

Wendt: Die Position der Ministerin dazu ist, glaube ich, seit Langem bekannt. Sie spricht sich immer wieder für die verstärkte Präsenz von Frauen in Führungspositionen aus. Sie ist auch heute der Meinung, dass wir dafür klare Ziele und Zeitlinien brauchen. Ansonsten kann sie als Bundesarbeitsministerin nur bekräftigend darauf hinweisen, dass wir natürlich auch international wettbewerbsfähig bleiben müssen, und dafür brauchen wir vor allem auch viele hoch qualifizierte Frauen, die dann, wenn der Fachkräftemangel noch mehr greift, auch zur Verfügung stehen.

Zusatzfrage: Ist sie also nach wie vor für eine gesetzliche Regelung in Deutschland?

Wendt: Ja, sie möchten nach wie vor klare Ziele und Leitlinien formuliert haben.

Frage: Herr Seibert, ich bin mir nicht ganz sicher, ob das einstimmig erfolgen muss, also ob das deutsche Nein das ganze Ding aufhalten kann oder ob das trotzdem in Kraft tritt. Sollte es dann trotzdem in Kraft treten, würde mich interessieren, wie die Bundesregierung mit der damit verbundenen, noch zu erarbeitenden und angekündigten Sanktionsdrohung umgeht.

StS Seibert: Es hat bereits im September 2012 einen Brief von neun Mitgliedstaaten gegeben, die diesen Vorstoß von Frau Reding, der damals noch ein etwas veränderter Vorstoß war, abgelehnt haben. Deutschland ist daran nicht beteiligt gewesen. Diesen neun Mitgliedstaaten machen allerdings wohl schon so etwas wie eine Sperrminorität aus. Deutschland hat das damals nicht unterzeichnet, unterstützt aber das Anliegen, weil wir die grundsätzliche Auffassung haben, dass es keine europäische Rechtsgrundlage für eine solche Regelung gibt und dass dies im Sinne der Subsidiarität den nationalen Regierungen beziehungsweise den Nationalstaaten überlassen sein sollte.

Zusatzfrage: Aber würde sich dieses Mal dann die Bundesregierung oder die Bundesrepublik, vertreten durch die Bundesregierung, der Bildung einer notwendigen Sperrminorität anschließen?

StS Seibert: Die Bundesregierung wird ihre Meinung auf allen europäischen Ebenen, auf denen dieses Thema zur Sprache kommt, vertreten.

Zusatzfrage: Ist das nicht im Sinne von Frau von der Leyen, sondern im Sinne von Kristina Schröder und Angela Merkel?

StS Seibert: Sie wissen, dass es dazu im Koalitionsvertrag Vereinbarungen gibt und dass zur Umsetzung dieser Vereinbarungen das Familienministerium einen Stufenplan entwickelt hat. Kern dieses Stufenplans ist die Flexi-Quote, also eine gesetzliche Verpflichtung zur Selbstverpflichtung von Unternehmen. Ich empfehle jedem die sehr interessante Internetseite www.flexi-quote.de. Dort wird nämlich darüber informiert, welche individuellen Selbstverpflichtungen sich Unternehmen bereits gegeben haben und wie der Stand der Umsetzung aussieht.

Ich glaube, in dieser Woche sind neue Zahlen veröffentlicht worden. Diese Zahlen zeigen, dass es eine gewisse Dynamik auf diesem Gebiet gibt. Insofern kann ich Ihnen dazu keine neue Haltung der Bundesregierung mitteilen. Dieses ist das, was vorliegt.

Frage: Ich komme jetzt nicht mehr so ganz mit, weil in dem Vorschlag, der heute von der EU-Kommission beschlossen wurde, verbindliche Sanktionen gar nicht mehr vorgesehen sind. Kann die Bundesregierung mit dem Vorschlag nicht besser leben als mit dem alten Vorschlag?

StS Seibert: Wenn man sich mit dem Thema befasst, ist unübersehbar, dass Frau Reding ihren Vorschlag gegenüber der ersten Version entschärft hat. Unser Zweifel richtet sich auf die Rechtsgrundlage und nicht nur die Notwendigkeit, sondern auch die Zulässigkeit, dass so etwas europäisch geregelt wird. Wir glauben in diesem Fall - wie überhaupt - an das sehr wichtige europäische Prinzip der Subsidiarität, also dass die Dinge auf der niedrigstmöglichen Ebene, wo sie geregelt werden können, auch geregelt werden. Wir glauben, dass das in Europa dazu führt, dass die Menschen der Europäischen Union stärker vertrauen.

Peschke: Wenn ich das bekräftigend ergänzen darf: Es ist aus europapolitischen Gründen auch ganz klar die Haltung von Bundesaußenminister Westerwelle, dass es von entscheidender Bedeutung ist, dass die Dinge dort geregelt werden, wo sie am zweckmäßigsten geregelt werden können. Aus seiner Sicht gehört das Thema "Frauenquote in Aufsichtsräten" nicht dazu. Das ist aus seiner Sicht, die europapolitisch begründet ist, ein Thema, das, genauso wie Herr Seibert das beschrieben hat, auf nationaler Ebene geregelt werden sollte. Deswegen steht die Bundesregierung, genauso wie es der Regierungssprecher ausgeführt hat, diesem Vorschlag nach wie vor sehr reserviert gegenüber.

Es geht hier darum, dass der Grundsatz der Subsidiarität wenn nicht schon nicht rechtlich, auf jeden Fall politisch verletzt wird. Das ist auch die Meinung des Bundesaußenministers, die er, glaube ich, auch im Kabinett so vorgetragen hat. Das ist ein Tatbestand, der das Ansehen von Europa in den Augen der Bürger eher schwächen als stärken könnte.

Frage: Frau Wendt, warum überzeugt dass denn Ihre Ministerin nicht, wenn das die Haltung der Bundesregierung ist, Ihre Ministerin aber weiterhin auf einer deutlich anderen Regelung beharrt?

Wendt: Die Bundesarbeitsministerin hat, wie ich gerade gesagt habe, vor allem im Blick, dass Deutschland sich beim Thema Fachkräftemangel für die nächsten Jahre wappnen muss und wir im Wettbewerb international aufgestellt sein müssen. Wenn man in andere Länder schaut, sind die Positionen dort etwas anders. Daher ist die Ministerin nach wie vor der festen Überzeugung, dass sich die Lage der Frauen in Führungspositionen noch weiter verbessern muss. Dafür fordert sie nach wie vor klare Ziele und klare Zeitlinien.

Frage: Frau Kothé, wann wird der Bundesfinanzminister die Zusage des Bundestages für die Änderungen des zweiten griechischen Reformprogramms bekommen?

Kothé: Wir brauchen die Zustimmung des Deutschen Bundestages. Wir werden sie dann einholen, wenn in Brüssel die Verhandlungen soweit abgeschlossen sind, dass sie aus unserer Sicht beschlussfähig sind. Wie Sie wissen, ist gestern eine weitere Sitzung der Eurogruppe für den 20. November angekündigt worden. Wenn es zu politischen Entscheidungen kommt, wird sich im Anschluss der Deutsche Bundestag damit befassen.

StS Seibert: Mir wäre es wichtig, einmal ganz grundsätzlich etwas zu sagen, weil ich in der Medienberichterstattung der letzten zwei Tage mehrfach höre, dass auf den Troika-Bericht Bezug genommen wird. Das wundert mich.

Ich will für die Bundesregierung ganz klar dazu sagen: Es liegt kein vollständiger Troika-Bericht vor. Es liegen sehr umfangreiche Informationen der Troika zu einzelnen Aspekten vor, vor allem zu konkreten Maßnahmen, die das griechische Parlament in den letzten Tagen beschlossen hat. Das sind wichtige Informationen. Sie werden selbstverständlich dem Deutschen Bundestag unverzüglich weitergereicht. Sie sind wichtig, weil sie uns zeigen, dass die Bemühungen um Reformen in Griechenland und um die Umsetzung der vereinbarten Programme jetzt ernsthaft und engagiert sind. Aber diese Informationen sind kein vollständiger Troika-Bericht. Sie sind auch keine Grundlage für die schwerwiegenden Entscheidungen, die zu fällen sind.

Ein vollständiger Troika-Bericht muss anders aussehen. Dieser muss gemeinsame einstimmige Empfehlungen an die Eurogruppe und an den IWF-Vorstand geben, wie damit umgegangen werden soll, dass sich - weil in Griechenland eine Rezession eingetreten ist, die schlimmer als erwartet ist, und weil es eine europaweit konjunkturelle Abkühlung gegeben hat - die gesetzten Ziele in den griechischen Programmen nicht, wie berechnet und erhofft, erreichen lassen.

Um es ganz klar zu sagen: Wenn es heißt, Griechenland solle mehr Zeit bekommen, ist das nicht mehr Zeit für notwendige und zugesagte Reformmaßnahmen. Dann ist lediglich mehr Zeit, um die gesteckten ökonomischen Ziele zu erreichen. Die Notwendigkeit, Reformen struktureller Art vorzunehmen, lässt kein bisschen nach. Es gibt möglicherweise - und das wird man entscheiden müssen - Bedarf, bei der Erreichung der Ziele, die sozusagen durch die konjunkturelle Entwicklung erschwert worden ist, mehr Zeit zu geben. Das ist ein großer Unterschied.

Es hat im Übrigen auch im Umgang mit anderen Ländern wie Portugal und Spanien bereits den Fall gegeben, dass man diesen beispielsweise etwas mehr Zeit zum Erreichen von Defizitabbauzielen gegeben hat. Erst dann - das ist, glaube ich, das Wichtige -, wenn diese vollständige Troika-Bericht vorliegt - da sind wir noch nicht -, kann die Eurogruppe einen politischen Beschluss fassen. Hoffentlich ist das nächste Woche so weit. Erst danach können die nationalen Parlamente wie vorgeschrieben beteiligt werden, also auch das Plenum des Deutschen Bundestages. Wenn dort die Entscheidung gefallen ist - vermutlich wird es dann schon Ende November sein -, kann erst danach die endgültige Entscheidung, die die nächste Überweisung an Griechenland freigibt, gegebenenfalls fallen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben sich eben mit den Äußerungen zu den Gedanken der Bundeskanzlerin, was den Zeitrahmen angeht, dem angeschlossen, was Herr Schäuble in Brüssel gesagt hat. Es gibt diesen Streit zwischen IWF-Chefin Lagarde und dem Vorsitzenden der Eurogruppe, 2020 oder 2022 das Ziel Schuldenabbau zu erreichen. Herr Schäuble hat sich in Brüssel nicht konkret geäußert, sondern nur gesagt, der Zeitpunkt 2020 sei möglicherweise noch ein wenig ehrgeizig. Sieht sich die Bundeskanzlerin eher an der Seite von Herrn Juncker, der von 2022 spricht? Oder gibt es einen Kompromiss in der Mitte, also vielleicht 2021?

StS Seibert: Zunächst einmal sollte es Sie nicht wundern, dass ich für die Bundesregierung hier etwas dargestellt habe, was auch dem entspricht, was Herr Schäuble gesagt hat. Die Bundesregierung handelt in dieser Sache natürlich aus einem Guss.

Zweiter Punkt. Ich sage es noch einmal: Wir haben den Troika-Bericht noch nicht vorliegen. Entscheidende Passagen fehlen noch. Wir erwarten einen einstimmigen Troika-Bericht mit ganz klaren Empfehlungen genau zu der Frage, wie damit umzugehen ist, dass das Programm aufgrund mehrerer Aspekte - ich habe versucht, es Ihnen zu schildern - an einigen Punkten sozusagen "off track", also aus den Schienen geraten ist. Dazu erwarten wir, dass sich die Troika - EZB, Europäische Kommission und IWF - zu klaren einstimmigen Empfehlungen durchringt. Das wird sie tun, und auf der Basis wird entschieden. Bis dahin ist es nicht sinnvoll, dass ich hier als Sprecher der Bundesregierung mit Zahlen jongliere.

Zusatz: Dazu muss ja Frau Lagarde überzeugt werden. Ich nehme an, dass sich die Bundeskanzlerin beim IWF dafür einsetzt, auf das Jahr 2022 zu kommen.

StS Seibert: Die nächste Sitzung der Eurogruppe ist für den kommenden Dienstag anberaumt. Dann werden die entscheidenden Gespräche geführt werden.

Frage: Ich habe zwei Fragen an Herrn Seibert.

Herr Seibert, wann ist die Bundeskanzlerin zu der Erkenntnis gekommen, dass Griechenland nun doch mehr Zeit braucht? Sie hat monatelang genau das Gegenteil gefordert und hat immer gesagt, die Griechen müssten sich an die Vereinbarungen halten, die mit den drei Partnern geschlossen wurden.

Zweitens. Wie zentral ist es für die Bundesregierung, dass der IWF weiter an Bord bleibt?

StS Seibert: Die Bundesregierung war ein Treiber dabei, den IWF an den Rettungsbemühungen zu beteiligen, weil es kaum eine andere Organisation in der Welt gibt, die so viel Erfahrung im Umgang mit Schuldenproblematik hat. Deswegen ist unser Interesse selbstverständlich, dass der IWF ein Partner in der Troika bleibt.

Zu der ersten Frage kann ich Ihnen nur sagen: Wir werden über diese Frage "Mehr Zeit - Ja oder Nein" entscheiden - die politische Entscheidung wird in der Eurogruppe fallen -, wenn die gesamten Fakten und auch die notwendigen Empfehlungen der Troika vorliegen. Das ist noch nicht der Fall. Es ist aber auch offensichtlich, dass die Rezession, die in Griechenland eingetreten ist, tiefer geht, als das prognostiziert worden war. Es ist offensichtlich, dass sich auch in Europa das wirtschaftliche Klima in den letzten sieben, acht Monaten abgekühlt hat. Das alles hat Einfluss auf die Erreichung der Ziele. Auf die Notwendigkeit, die Reformmaßnahmen, die versprochen und notwendig sind, umzusetzen, hat es keinen Einfluss.

Zusatzfrage: Frau Kothé, bleibt Ihr Minister bei der Aussage "There will be no Staatsbankrott in Greece", die er so schön formuliert hat? Wird Griechenland auf jeden Fall in der Eurozone bleiben?

Kothé: Wie wir schon oft gesagt haben, arbeiten natürlich alle daran, dass Griechenland in der Eurozone bleibt.

Frage: Frau Kothé, in der verbleibenden Zeit bis zum nächsten Dienstag wird weiterhin innerhalb der Troika über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands verhandelt. Aber wird auch mit der griechischen Regierung zum Beispiel über einen stärkeren Kontrollmechanismus verhandelt? Spielt dabei auch dieses Sperrkonto eine Rolle? Oder ist darüber gestern schon entschieden worden?

Kothé: Sie können ganz sicher sein, dass die Gespräche mit hoher Intensität und hoher Frequenz in allen Richtungen weiterlaufen. Das ist selbstverständlich. Sie haben gestern vielleicht das Statement der Eurogruppe gelesen. Ein wichtiger Punkt ist, die Glaubwürdigkeit bei der Programmumsetzung zu verbessern. Da hat die Troika Vorschläge gemacht. Es ist Konsens, dass an diesem Punkt das Programm verbessert werden muss. Darüber, welche Maßnahmen das im Einzelnen sind, laufen noch die Gespräche.

Zusatzfrage: Werden die Gespräche über dieses Sperrkonto weiterlaufen?

Kothé: Es gibt schon ein Konto, das mit dem Programm eingerichtet worden ist. Darüber, ob man vielleicht aufgrund der Erfahrung bestimmte Dinge noch modifizieren muss, ist man im Gespräch. Die Gespräche darüber insgesamt gehen weiter.

StS Seibert: Es ist doch, wenn ich das sagen darf, nach dem bisherigen äußerst schwierigen Verlauf der griechischen Programme verständlich, dass Griechenlands Partner ein Interesse an einer stärkeren Überwachung der Programmumsetzung und auch an mehr Verlässlichkeit haben. Zu diesem Zwecke sind bereits mehrere Vorschläge auf den Tisch gebracht worden. Diese werden mit der griechischen Regierung besprochen.

Zusatzfrage: Was ist die Präferenz der Bundesregierung oder des Bundesfinanzministeriums? Wir haben mit dem zweiten Memorandum eine Art Sperrkonto eingerichtet. Ist die Bundesregierung damit zufrieden? Wo liegt ihre Präferenz?

Kothé: Wir haben das jetzt beide gesagt. Für uns ist es wichtig, dass es in dem Bereich noch zu Verbesserungen kommt. Darüber, wie das im Detail aussieht, laufen die Gespräche. Diesen möchte ich an der Stelle nicht vorgreifen.

Frage: Ich möchte auf die Frage des Kollegen in Bezug auf die Verlängerung zurückkommen. Die Bundesregierung hat eine Reihe von Festsetzungen vorgenommen, was die Verlängerung anbelangt. Sie wollte nicht darüber diskutieren. Können Sie mich aufklären? Wenn man sich in dem Bericht der Troika für eine Verlängerung ausspricht, wie kann es dann zu einer Änderung der Haltung kommen?

Eine zweite Frage im Zusammenhang mit der Troika: Die Troika wird eine Reihe von Empfehlungen abgeben. Wie wird sich die Bundesregierung dazu stellen, wenn die Troika sich zum Beispiel für die Restrukturierung ausspricht, wenn sie sich zum Beispiel für ein drittes Hilfsprogramm ausspricht? Das sind Dinge, die die Bundesregierung bisher kategorisch ablehnt. Wird das eine Basis für die Diskussion sein? Oder wird das eine bereits festgesetzte Position bleiben?

StS Seibert: Ich kann, ehrlich gesagt, Ihrer Frage nicht ganz folgen. Seit vielen Wochen sagen wir hier - und ich weiß, dass wir Sie damit schon arg strapaziert haben -: Wir warten ab, bis wir Entscheidungen treffen, bis der Troika-Bericht vorliegt. Dann werden auf der Basis dieses Berichts und der Empfehlungen der Troika Entscheidungen gefällt. Wenn dieses jetzt also bald der Fall ist und danach entsprechende Entscheidungen in den nationalen Parlamenten und dann in der Eurogruppe gefällt werden, ist das doch genau das Verhalten, das wir Ihnen seit Wochen und Monaten ankündigen.

Wir befinden uns im zweiten Griechenland-Hilfsprogramm. Die Troika beurteilt den Erfolg der Umsetzung des zweiten Griechenland-Hilfsprogramms. In diesem bewegen wir uns. Wie die Entscheidungen ausfallen werden, wird in der Eurogruppe vermutlich am kommenden Dienstag entschieden, wenn alle Fakten und alle Empfehlungen der Troika vorliegen. Über Hypothetisches - Was tut die Bundesregierung, wenn die Troika dies vorschlägt? -, möchte ich hier nicht sprechen.

Frage: Herr Seibert, es ist ja höchstwahrscheinlich, dass es in absehbarer Zeit eine Abstimmung im Bundestag darüber geben wird, wie es mit Griechenland weiter geht. Wie wichtig ist es dabei für die Regierung, dass die Koalition das mit einer eigenen Mehrheit durchbringt? Oder reicht es, dass es überhaupt eine Mehrheit im Parlament gibt?

StS Seibert: Die Bundesregierung strebt immer die notwendige Mehrheit an und hat sie bisher auch immer gehabt.

Zusatzfrage: Das heißt, die notwendige eigene Mehrheit der Koalition?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat bisher immer die notwendige Mehrheit dafür gehabt. Sie hat auch bisher immer eine eigene Mehrheit gehabt.

Frage: Herr Seibert, gemäß griechischen Regierungskreisen hat Frau Merkel gestern mit Herrn Samaras telefoniert und über dieses Sperrkonto gesprochen. Frau Merkel soll gesagt haben, dass dieses Sperrkonto kein Thema mehr sei. Bitte kommentieren Sie das.

StS Seibert: Mein Kommentar ist, dass ich einzelne Telefongespräche der Bundeskanzlerin nicht kommentiere, ihren Inhalt nicht öffentlich mache und auch nicht bestätige, dass es dieses Telefonat gegeben hat. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es einen sehr regelmäßigen und intensiven Kontakt zwischen der Bundesregierung und der griechischen Regierung auf allen Arbeitsebenen gibt und dass es auch immer wieder Telefonate der Bundeskanzlerin mit Herrn Samaras gibt.

In Sachen Sperrkonto beziehungsweise Möglichkeiten, die Programmumsetzung in Zukunft besser zu überwachen, haben wir vorhin alles Notwendige gesagt.

Frage: Das ist eine Nachfrage zu meiner vorherigen Frage; vielleicht habe ich mich vorhin nicht klar ausgedrückt. Ich verstehe Folgendes nicht: Ich frage mich, ob es nicht ein Widerspruch ist, dass man einerseits Festsetzungen in Bezug auf die Verlängerung trifft - Sie sagen, es wird keine Verlängerung geben - und zugleich stellen Sie das Ja oder Nein in Sachen Verlängerung in einen Zusammenhang mit dem Bericht der Troika. Ist das nicht ein Widerspruch? Passt das überhaupt zusammen?

StS Seibert: Ich überlasse Ihnen die Wertung. Ich glaube, ich habe nicht nur heute, sondern auch in den letzten Wochen immer wieder ziemlich ausführlich dargelegt, was uns bewegt. Wir wollen Griechenland helfen, sein Programm wieder in die Spur zu kriegen. Wir sehen, dass sich die griechische Regierung mit großem Engagement und großem politischen Mut ernsthaft an Reformen macht. Wir sehen, dass eine Vielzahl von geforderten Maßnahmen umgesetzt worden ist. Wir sehen auch, dass noch nicht alle Maßnahmen umgesetzt worden sind, weswegen die Eurogruppe Griechenland im Übrigen auch aufgefordert hat, noch einige zu erbringende Reformen rasch umzusetzen. Auf dieser Basis erwarten wir den Bericht der Troika und werden danach die entsprechenden Entscheidungen fällen. Das ist alles.

Peschke: Weil Sie so auf den einen Punkt beharren, möchte ich vielleicht doch noch einmal Ihrem Gedächtnis eine kleine Unterstützungsleistung anbieten:

Wir haben hier über Wochen und Monate auf den Troika-Bericht verwiesen. Wenn Sie so auf der Zeitachse beharren, möchte ich daran erinnern, dass Bundesaußenminister Westerwelle schon am Wahlabend in Griechenland gesagt hat: Wir können hier nicht über die Substanz der Reformen sprechen, weil diese notwendig sind. Wir können allenfalls über Verschiebungen auf der Zeitachse sprechen.

Das war ein Thema, das von Vertretern der Bundesregierung, namentlich vom Bundesaußenminister, schon am Wahlabend in Griechenland hier in Deutschland gesetzt wurde. Diese Nachricht wurde damals gerade in Griechenland sehr intensiv gehört.

Frage: Herr Seibert, mit Verlaub. Aber Sie verstecken sich jetzt doch hinter dem Troika-Bericht. Die Troika hat den Bericht deswegen nicht vorgelegt, weil die Mitglieder der Troika nicht wissen, wie sie mit dem Problem umgehen sollen, dass Sie auch gerade beschrieben haben, nämlich dass es die tiefe Rezession sehr erschwert, die ökonomischen Ziele auf der Basis der bisherigen Beschlüsse zu erreichen. Die ganz einfache Frage: Ist es im Sinne der Bundesregierung, auch wie Herr Peschke gerade gesagt hat, dass Griechenland zwei Jahre mehr Zeit bekommt, um die ökonomischen Ziele zu erreichen?

StS Seibert: Dass sie nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen, ist Ihre Wertung. Man kann auch sagen: Sie haben sich noch nicht geeinigt, wie sie damit umgehen sollen. Der Gedanke der Troika-Berichte ist aber, dass sie eine Einigung erzielen. Auf der Basis dieser Einigung werden die Eurogruppen-Minister und dann die nationalen Parlamente, wo das verlangt ist, ihre Entscheidung treffen. Das ist kein Verstecken, das ist ein einhalten der Prozeduren. Wir glauben, dass es zur europäischen Glaubwürdigkeit eher beiträgt, wenn man sich an die Prozeduren, die man miteinander ausgemacht hat, auch wirklich hält. Es ist nun ja nicht mehr sehr lange hin, bis die Entscheidung gefallen sein wird. Dass das extrem schwierige Diskussionen sind, brauche ich doch niemandem zu sagen.

Zusatzfrage: Sie suggerieren jetzt, die Bundesregierung hätte keinen Einfluss darauf, was in der Troika besprochen wird.

StS Seibert: Doch, es hat in der Eurogruppe ja bereits sehr intensive Diskussionen dazu gegeben. Es gibt ja Diskussionen über Mittel und Instrumente; das ist doch gar nicht strittig.

Zusatzfrage: Vertritt die Bundesregierung in diesen Diskussionen, die Sie gerade ansprechen, die von Herrn Peschke gerade dargestellte Haltung des Außenministers, dass es Verschiebungen auf der Zeitachse geben kann?

StS Seibert: Die Finanzminister haben vorgestern in der Eurogruppe signalisiert, dass sie unter bestimmten Voraussetzungen bereit sein könnten, einer von der Troika unterstützten Anpassung der Ziele bei der Haushaltskonsolidierung zuzustimmen - der Ziele, nicht der Maßnahmen. Jetzt werden wir sehen: Stimmen die Voraussetzungen, stimmt das Gesamtbild, stimmt das, was die griechische Regierung bis nächste Woche noch beizubringen hat, stimmt das, was wir hier unter der Überschrift Überprüfungen/Kontrollmechanismen behandelt haben? Das sind die Punkte, die noch geklärt werden müssen.

Frage: Frau Kothé, Herr Koppelin hat gestern in einem Interview gesagt, dass Deutschland beziehungsweise die KfW an den Krediten, die sie bisher nach Griechenland gegeben hat, schon rund eine halbe Milliarden Euro verdient habe. Können Sie diese Größenordnung bestätigen? Ist es eigentlich okay, dass wir sozusagen an dieser ganzen schwierigen Situation noch Geld verdienen?

Kothé: Es tut mir leid, aber die Zahlen, was aus dem ersten Teil der Programme an Zinsen aufgelaufen ist, habe ich gerade nicht parat. Ich möchte aber noch einmal darauf hinweisen: Gerade bei den Zinsen gab schon mehrfach Entgegenkommen an Griechenland; die Zinsen im Rahmen des ersten Hilfsprogrammes sind also schon gesenkt worden. Es ist auch in der Prüfung - das hat unser Minister gestern schon gesagt; das haben Sie ja mitbekommen - , ob man da zu weiteren Anpassungen kommen kann.

Zusatzfrage: Aber die Größenordnung, die Herr Koppelin genannt hat, stimmt?

Kothé: Da muss ich im Augenblick passen, ich habe die entsprechenden Zahlen gerade nicht parat.

Vorsitzender Fichtner: Vielleicht können Ihre Kollegen Ihnen das noch zuschicken?

Kothé: Ich werde das nachreichen, ja.

Frage: Ich habe eine Frage zur bevorstehenden Justizministerkonferenz an das Bundesjustizministerium. Frau Leutheusser-Schnarrenberger scheint ja kein großer Facebook-Fan zu sein; deswegen würde mich interessieren, mit welcher Position sie in Sachen Facebook-Fahndung in die Justizministerkonferenz hineingehen wird. Dazu gibt es ja auch aus den Ländern schon sehr kritische Stimmen. Was ist ihre Position dazu?

Zimmermann: Es ist ja so, dass das Bundesjustizministerium Gast der Justizministerkonferenz ist. Ich denke, die Beratungen und Beschlüsse, die dort morgen gefasst werden, sollten zunächst abgewartet werden. Ich möchte dem, was dort beraten und am Ende beschlossen wird, an dieser Stelle - da bitte ich um Verständnis - nicht vorgreifen.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundesregierung die Ansicht von Ministerpräsident Haseloff, wonach es ein Zeichen der Schwäche der demokratischen Gemeinschaft wäre, wenn sich die Bundesregierung und auch der Bundestag einem neuerlichen Antrag auf NPD-Verbot in Karlsruhe nicht anschlössen?

StS Seibert: Ich wiederhole sehr gern noch einmal, was wir dazu an verschiedenen Stellen schon gesagt haben: Aus Sicht der Bundesregierung - und da gibt es mit Sicherheit nicht den Hauch eines Dissenses mit dem Ministerpräsident Haseloff und auch nicht mit anderen Ministerpräsidenten - ist die NPD antidemokratisch, sie ist fremdenfeindlich, sie ist verfassungsfeindlich, sie ist antisemitisch. Es ist aber auch die feste Überzeugung der Bundesregierung, dass ein NPD-Verbotsantrag sehr gut begründet, sehr gut vorbereitet sein muss und sehr hohe Aussichten haben muss, erfolgreich zu sein, damit er nicht ein zweites Mal scheitert. In einem zweiten Scheitern in Karlsruhe läge nach unserer Auffassung ein schwerer Schaden für die Demokratie.

Nun hat man vereinbart - und das ist ein sinnvolles Verfahren -, dass Bund und Länder das aus allen Ecken gesammelte Material prüfen wollen, um festzustellen: Ist ein solches NPD-Verbotsverfahren sinnvoll und erfolgreich zu betreiben? Da gibt es keine Vorfestlegungen für die Bundesregierung. Die Bundesregierung - das hat die Bundeskanzlerin den Ministerpräsidenten gegenüber auch klar gemacht - hat sich noch keine abschließende Meinung dazu gebildet.

Zusatzfrage: Ich habe das interessiert zur Kenntnis genommen, möchte aber noch einmal auf meine Frage zurückkommen: Die Frage war, ob es nach Ansicht der Bundesregierung ein Zeichen der Schwäche wäre, wenn es - anders als beim ersten Verbotsanlauf - diesmal keine Dreieinigkeit der Verbotsbeantragenden gäbe?

StS Seibert: Ich habe Ihnen die Antwort, die ich Ihnen gegeben habe, mit Absicht gegeben. Ich glaube, dass sie die Überzeugung der Bundesregierung auch sehr klar macht: Wir wollen, soweit es möglich ist, sichergehen, dass ein solches Verfahren auch erfolgreich sein könnte. Dazu sichten wir - und zwar nicht nur die Bundesregierung, sondern natürlich auch die Länder - das gesamte gesammelte Material. Ich glaube, es gibt eine Verabredung auf den 6. Dezember, an dem dieses Thema wieder in der Ministerpräsidentenkonferenz besprochen wird.

Zusatzfrage: Ich möchte noch einmal die Frage wiederholen, ob es ein Zeichen der Schwäche oder der Stärke ist, wenn es bei einem neuerlichen Anlauf nicht von allen drei antragsberechtigten Gremien einen Verbotsantrag gäbe, sondern nur vom Bundesrat.

StS Seibert: Dass Bund, Länder und alle demokratischen Institutionen einig sind gegen den Rechtsextremismus, ist eine feste Überzeugung und eine Notwendigkeit.

Frage: In diesem Zusammenhang eine Frage an Herrn Lörges, weil ich kein Jurist bin - vielleicht können Sie da ein bisschen Licht hineinbringen -: Könnte der Antrag der NPD von gestern vor dem Bundesverfassungsgericht, die Verfassungstreue der NPD zu bescheinigen oder eben nicht zu bescheinigen, ein solches Verbotsverfahren obsolet machen?

Lörges: Nein.

Zusatzfrage: Wieso nicht?

Lörges: Ich erläutere das gerne. Ich kann hier noch keine Einzelheiten zu dem Antrag nennen, weil der Antrag uns als Bundesregierung einfach noch nicht bekannt ist. Es bleibt jetzt abzuwarten, was das Bundesverfassungsgericht mit diesem Antrag macht, ob es ihn zum Beispiel der Bundesregierung mit der Bitte um eine Einschätzung zustellt. Ich kann dazu zwei Sachen sagen.

Erstens sieht die Bundesregierung aufgrund dieses Umstandes keinen Anlass, von dem mit den Bundesländern abgestimmten Zeitplan für die Entscheidung, ob ein Verbotsantrag gegen die NPD gestellt wird, abzuweichen. Vielleicht noch einmal kurz zu Ihrer Erinnerung: Es wird am 5. Dezember die Innenministerkonferenz geben, auf deren Tagesordnung dieses Thema steht. Dort soll dann möglichst ein Beschluss gefasst werden, mit dem sich am Tag darauf die Ministerpräsidentenkonferenz - das bedeutet: die Bundesregierung und auch die Länder - befasst.

Zweitens. Wenn Sie mich nach einer Bewertung beziehungsweise einer ersten Einschätzung fragen: Ich kann, wie gesagt, nur zu der Zulässigkeit eines solchen Antrags Stellung nehmen, weil wir eben noch nicht wissen, was die NPD möglicherweise inhaltlich dazu vorträgt. Der Sprecher des Bundesverfassungsgerichts hat gesagt - so habe ich es den Medien entnommen - , ein solches Verfahren habe es in der deutschen Parteiengeschichte noch nie gegeben. Das ist also - auch aus unserer Sicht - prozessuales Neuland.

Darüber hinaus - das möchte ich in einer ersten Einschätzung dazu sagen - ist das wohl auch prozessual unzulässig, also rechtlich unzulässig. Ganz kurz ein paar Schlagworte: In der Regel ist schon der Gang direkt zum Bundesverfassungsgericht nicht zulässig; das heißt, die NPD müsste sich erst an die Verwaltungsgerichte wenden. Darüber hinaus ist das Bundesverfassungsgericht nur in den im Grundgesetz genau aufgeführten Fällen zuständig. Eine Verfassungsbeschwerde scheidet aus, denn Parteien können keine Verfassungsbeschwerde erheben. Es bliebe also nur die sogenannte Organklage. Da hat es schon in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegeben, die eine Rechtsverletzung gegenüber der NPD - etwa durch eine Erwähnung im Verfassungsschutzbericht - verneint hat.

Kurz zusammengefasst: In einer ersten Einschätzung ist der Antrag formell unzulässig. Informell könnte man auch sagen: Er ist Unsinn.

Frage: Herr Seibert, Sie sagen ja wirklich häufiger, dass es furchtbar wäre, wenn dieses Verfahren scheitern würde, und dass ein solches Scheitern einen großen Schaden für die Demokratie herbeiführen würde. Können Sie diesen Schaden einmal beschreiben? Man macht ja auch andere symbolische Handlungen, von deren Erfolg man vorher nicht ausgehen kann, zum Beispiel, wenn man Lichterketten macht, einen Aufstand der Anständigen ausruft und Ähnliches. Worin bestünde der große Schaden, wenn man in einem abermaligen gemeinsamen Verbotsverfahren nach gründlicher Prüfung in Karlsruhe oder später beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterliegen würde?

StS Seibert: Vielleicht haben wir da eine unterschiedliche Auffassung, Herr Hebestreit. Für mich als Regierungssprecher, aber eigentlich auch als Staatsbürger, wäre es ein erheblicher Schaden, wenn die demokratischen Institutionen dieses Landes zweimal hintereinander beim höchsten Gericht mit dem Versuch scheitern, die Verfassungswidrigkeit einer Partei, deren Ziele wir alle bekämpfen, feststellen zu lassen. Das Jubelgeheul auf der Seite dieser Partei möchte ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, der Schaden wäre da. Wenn Sie zu einer anderen Wertung kommen, ist Ihnen das unbenommen. Für die Bundesregierung ist es absolut ein Ziel, diesen Fall zu vermeiden.

Zusatzfrage: Glauben Sie, wenn man nach diesem langen Vorlauf - nachdem man ein Jahr geprüft hat - womöglich im Dezember entscheidet, dass man es nicht macht, wird die NPD stillschweigend, lächelnd und in sich gekehrt reagieren? Da kann doch genauso ein Jubelgeheul und Ähnliches ausbrechen.

StS Seibert: Ich möchte mir jetzt nicht ausmalen müssen, wie NPD-Funktionäre auf so etwas reagieren. Ich halte es für ein verantwortungsvolles Verfahren, dass man auf der Basis der Erfahrungen, die wir beim letzten Mal gemacht haben, so viel wie möglich an Fakten zusammenträgt, um so eine Entscheidung verantwortungsbewusst zu fällen. Dass wir die politische Auseinandersetzung mit der NPD überall - ich glaube, das betrifft nicht nur die Bundesregierung, sondern alle demokratischen Parteien - entschlossen und konsequent suchen und dass wir versuchen, ihr mit allen politischen und argumentativen Mitteln zu begegnen, ist doch eine Selbstverständlichkeit.

Frage: Herr Lörges, war der Rücktritt der Berliner Verfassungsschutzchefin Schmid im Zusammenhang mit den geschredderten Akten unumgänglich? Ist das aus Sicht des Innenministers vielleicht ein weiteres Anzeichen für die Notwendigkeit einer generellen Reform der Landesverfassungsschutzämter mit dem Ziel einer Zusammenlegung?

Lörges: Das sind Vorgänge in den Bundesländern, die ich hier für die Bundesregierung nicht bewerte.

Frage: Wie sieht die Bundesregierung das gestrige Scheitern bezüglich des EU-Haushalts 2013?

Es gibt jetzt einen neuen Kompromissversuch des EU-Ratspräsidenten Van Rompuy für den mittelfristigen Finanzrahmen von 2014 bis 2020. Demnach würden 75 Milliarden Euro eingespart, vor allem in Agrar- und Strukturfonds. Wie sieht Deutschland diesen Vorschlag?

StS Seibert: Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Es ist gut, dass es Kompromissvorschläge gibt, denn wir befinden uns jetzt in der heißen Phase der Vorbereitung auf den Sondergipfel in Brüssel. Wir alle müssen das Interesse haben, da zu einer Einigung zu kommen. Das wird ohne Kompromissvorschläge, ohne intensives Konsultieren nach allen Seiten, nicht gehen. Ich will hier aber keine Zahlen beurteilen.

Zum Scheitern der Verhandlungen zum EU-Haushalt 2013 und im Übrigen auch - das ist ja auch wichtig - zum Nachtragshaushalt für 2012: Die Bundesregierung bedauert dieses Scheitern ausdrücklich. Da ist das Europäische Parlament mit seiner Blockade seiner Verantwortung als Haushaltsgesetzgeber nach unserer Auffassung nicht nachgekommen. Die Minister hatten ihre Bereitschaft erklärt, einer Paketlösung zuzustimmen, also einer Lösung nicht nur über den Nachtragshaushalt für das laufende Jahr, sondern auch für den Haushalt 2013. Diese Bemühungen hat die Bundesregierung unterstützt. Wir sind überzeugt, dass eine Einigung ein Signal dafür gewesen wäre, dass Europa handlungsfähig ist, dass es Haushaltsdisziplin auch lebt und dass es berechenbar ist. Nun ist es leider nicht möglich gewesen, diese Einigung zu erzielen, und wir bedauern das. Jetzt wird die Kommission einen neuen Vorschlag vorlegen müssen. Die Bundesregierung wird sich immer dafür einsetzen, dass ein rascher Abschluss dieser Verhandlungen möglich ist. Mit "rasch" meine ich: möglichst auch noch in diesem Jahr.

Zusatzfrage: Was für Hoffnungen gibt es für nächste Woche, wenn man sich nicht einmal auf den einjährigen Haushalt einigen konnte?

StS Seibert: Ich glaube, dass man diese beiden Dinge auseinanderhalten muss.

Frage: Herr Rudolph, nachdem heute bekannt geworden ist, dass 15 Prozent der Busse so schwere Mängel haben, dass sie den TÜV nicht überstehen: Ist das Anlass für das Verkehrsministerium, über neue Kontrollrechte oder Kontrollpflichten nachzudenken?

Rudolph: Wenn solche Defizite aufgespürt werden, dann ist das grundsätzlich ein gutes Zeichen dafür, dass anständig kontrolliert wird. Wir schauen uns die Berichte sehr genau an. Momentan gibt es keinen Anlass zu der Annahme, dass die Kontrollen, die durchgeführt werden - sei es durch den TÜV oder durch andere Organisationen -, fehlerhaft oder zu lückenhaft seien. Im Gegenteil: Im Zuge der TÜV-Verordnung, die jüngst auf europäischer Ebene auf dem Verkehrsminister-Rat besprochen wurde, sind wir der Meinung, dass sich das deutsche Prüfsystem bewährt hat. Nun muss man im Einzelfall schauen: Woran liegt es genau? Das tun wir, aber eben auch mit dem positiven Signal, dass Mängel aufgespürt werden und der Ball zurückgespielt wird, diese Mängel zu beheben.

Frage: Eine Frage zu Portugal an Herrn Seibert: Nach Angaben des portugiesischen Politikers und ehemaligen Ministers Marcelo Rebelo de Sousa hat die deutsche Regierung es abgelehnt, ein Video über die Sparpolitik Portugals öffentlich aufzuführen. Man sagt, die deutsche Regierung solle dafür politische Gründe angegeben haben. Ist diese Information richtig?

StS Seibert: Nein, sie ist falsch - sie ist vollkommen falsch. Die Bundesregierung hat überhaupt erst aus den Medien von der Existenz eines solchen Videos erfahren, und in diesem Land herrscht Freiheit, keine Zensur. Die Bundesregierung untersagt keine Videos aus politischen Gründen; ich wüsste auch gar nicht, welche Möglichkeiten sie dazu haben sollte. Dies ist also eine Falschbehauptung, die offensichtlich absichtlich verbreitet wurde, um das deutsche Ansehen in Portugal zu schädigen. Das bedaure ich sehr.

Frage: Was erwartet die Bundeskanzlerin von dem morgigen Besuch von Jean-Marc Ayrault? Wird er als ein reformfreundlicher oder als ein reformfeindlicher Regierungschef empfangen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin freut sich sehr auf den Antritts von Monsieur Ayrault. Er ist ja nicht nur ein Kenner der deutschen Sprache und Kultur, sondern auch der Ministerpräsident des Landes Frankreich, und als solcher wird er natürlich mit allen Ehren empfangen. Er wird auch mit Neugierde empfangen, denn er wird uns natürlich über Pläne der französischen Regierung und über Maßnahmen, die sie einleiten will, um mehr Wettbewerbsfähigkeit zu erlangen, berichten können - das ist ja in den Reden des Präsidenten in den letzten Tagen und in der Pressekonferenz gestern auch ein großes Thema gewesen. Die Erwartung ist, zu erfahren, wohin das geht, welche Maßnahmen das sind, und zu erfahren, wo Deutschland und Frankreich noch intensiver als ohnehin schon auf europäischer Ebene zusammenarbeiten können, um ihrer Verantwortung als Motor der europäischen Einigung auch gerecht zu werden. Wir sind in einem sehr engen konstruktiven und auch sehr wirkungsvollen Miteinander mit der französischen Regierung. Das zeigt sich bei der Arbeit an vielen europäischen Themen und das wird sich sicherlich fortsetzen, wenn die Bundeskanzlerin Herrn Ayrault erst einmal persönlich kennengelernt hat.

Frage: Ich habe schon wieder eine Frage an Herrn Lörges, und zwar in seiner Rolle als Sprecher des Bundessportsministers: Was sagt denn der Bundessportminister zu den Plänen von Herrn Platini, die EM in mehreren europäischen Ländern auszutragen?

Lörges: Da muss ich erst den Sportminister persönlich fragen, wenn Sie mich nach seiner Haltung dazu fragen; das habe ich bislang nicht gemacht.

Was die Austragung von solchen Sportwettkämpfen anbelangt, ist unsere Haltung eigentlich immer klar: Das ist Sache des Sports. Wir freuen uns natürlich immer über derartige Wettkämpfe in Deutschland. Wie Sie wissen, ist die Begeisterung dafür groß. Die Entscheidungen müssen aber von den Entscheidungsträgern im Sport getroffen werden.

Zusatzfrage K: Sollte Ihr Minister jetzt sagen, dass das ein prima europäisches Zeichen ist, dann würden Sie uns das aber bitte wissen lassen?

Lörges: Sehr gerne.

Frage: Herr Seibert, gelegentlich heißt es ja, Ihre direkte Chefin sei ein noch größerer Fußballfan als der Sportminister - wenn das geht. Können Sie sich vorstellen, dass Frau Merkel begeistert wäre, wenn Sie bei der EM 2020 noch einmal in Berlin jubeln könnte?

StS Seibert: Das gehört gerade wirklich nicht zu den vordringlichen Überlegungen der Bundeskanzlerin. Sie wird aber wieder die Gelegenheit finden, Länderspiele zu besuchen, und sie wird jubeln - wenn es nicht so ist wie beim letzten Mal, dann noch mehr.

Vorsitzender Fichtner: Kurze Frage an das Finanzministerium: Haben Sie die Nachlieferung schon bekommen?

Kothé: Leider nicht.

Vorsitzender Fichtner: Dann freuen wir uns auf die schriftliche Nachlieferung.

*

Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 14. November 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/11/2012-11-14-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2012