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PRESSEKONFERENZ/587: Regierungspressekonferenz vom 17. April 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 17. April 2013
Regierungspressekonferenz vom 17. April 2013

Themen: Kabinettssitzung (Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation Atalanta, Formulierungshilfe für Änderungsanträge zum Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz, Rentenerhöhung zum 1. Juli 2013, Aktualisierung 2013 des deutschen Stabilitätsprogramms, 14. Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung), möglicher Staatsbesuch des US-amerikanischen Präsidenten in Deutschland, "Pflege-Bahr", Emissionshandel, Plenarsitzung des Deutschen Bundestages, Frauenquote, EU-Bankenunion, Schadensersatz-Prozess von Opfern des Luftangriffs auf zwei Tanklastwagen bei Kundus im Jahr 2009, Untersuchung zur Riester-Rente, NSU-Prozess, Diskussion über eine Plastiktütenabgabe, angekündigte Verschiebung der Defizitziele Frankreichs

Sprecher: StS Seibert, Geißler (BMU), Scharfschwerdt (BMU), Mishra (BMBF), Fischer (BMBF), Albrecht (BMG), Steegmans (BMFSFJ), Westhoff (BMAS), Kotthaus (BMF), Paris (BMVg), Wieduwilt (BMJ)



Vorsitzender Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Vorsitzender Detjen: Bevor Herr Seibert aus dem Bundeskabinett berichtet, würden gern zwei Ministerien neue Mitarbeiter der Pressestellen der Öffentlichkeit vorstellen, zunächst das Bundesumweltministerium. - Herr Geißler.

Geißler: Ich möchte eine neue Kollegin als Pressesprecherin bei uns vorstellen, Nicole Scharfschwerdt. Einige werden sie bestimmt schon kennen. Sie kann sich Ihnen kurz vorstellen.

Scharfschwerdt: Schönen guten Tag! Herr Geißler hat meinen Namen schon genannt: Nicole Scharfschwerdt. Wie gesagt, einige von Ihnen kennen mich. Ich habe in den letzten Jahren bei der Nachrichtenagentur dapd gearbeitet und war dort vor allem schwerpunktmäßig für das Thema Umwelt zuständig. Jetzt freue ich mich auf die Zusammenarbeit an dieser Stelle.

Vorsitzender Detjen: Herzlich willkommen! Viel Erfolg und viel Vergnügen bei Ihrer Arbeit!

Auch das Bundesforschungsministerium stellt einen neuen Mitarbeiter vor. - Herr Mishra.

DR. Mishra: Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen gerne Rüdiger Fischer vorstellen, beziehungsweise er möchte es selber tun.

Fischer: Schönen guten Tag! Rüdiger Fischer ist mein Name. Vielen Dank für die freundlichen Worte. Ich bin von Hause aus Staatswissenschaftler, hatte das Vergnügen, Frau Wanka auch schon bei der Pressearbeit in Niedersachsen betreuen zu können. Deswegen jetzt der Wechsel von Hannover wieder mit nach Berlin, was mich auch ein Stück weit zurück in meine Heimat führt.

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Das soll es an dieser Stelle schon gewesen sein.

VORS. Detjen: Herzlich willkommen in dieser Runde! Auf gute Zusammenarbeit und viel Erfolg!

Damit übergebe ich das Wort an Herrn Seibert zum Bericht aus dem Bundeskabinett.

StS Seibert: Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, guten Tag! Das erste Thema, mit dem sich das Bundeskabinett befasst hat, ist die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta. Das Kabinett hat beschlossen, dass die Bundeswehr sich ein weiteres Jahr, also bis 31. Mai 2014, an dieser Operation vor der Küste von Somalia beteiligen soll. Deutschland nimmt seit Dezember 2008 an dieser Mission zur Bekämpfung der Piraterie teil, und zwar mit der Fregatte Augsburg, mit einem Aufklärungsflugzeug und mit etwa 310 Soldatinnen und Soldaten. Die personelle Obergrenze wie auch die inhaltliche Ausgestaltung des Mandats sollen für diesen kommenden Mandatszeitraum unverändert bleiben.

Atalanta hat einiges erreicht. Ich nenne nur die Zahl von 150 im Auftrag des Welternährungsprogramms durchgeführten Schiffstransporten, die dank Atalanta, dank dieser Mission ihre somalischen Zielhäfen sicher erreicht haben. Sie haben etwa eine Million Tonnen Nahrungsmittel nach Somalia geliefert, damit dort konkret Leben gerettet und einen sehr wichtigen Beitrag zur Versorgung von insgesamt bis zu vier Millionen notleidender Menschen in Somalia geleistet.

Die Erfolgsquote der Piraten ist ebenfalls gesunken, ein weiterer Erfolg der Atalanta-Mission. 2012 sind, verglichen mit den vergangenen Jahren, deutlich weniger Piratenangriffe erfolgreich durchgeführt worden. Das Seegebiet im Golf von Aden ist also durch Atalanta, auch durch die Beteiligung der Bundeswehr an dieser Mission, durch die durchgängige Anwesenheit von Kriegsschiffen im Vergleich zum Beginn der Mission 2008 erheblich sicherer geworden.

Dieser Beschluss steht wie immer unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Bundestages.

Das Bundeskabinett hat dann eine Formulierungshilfe für Änderungsanträge zum Apothekennotdienstsicherstellungsgesetz beschlossen. Diese Formulierungshilfe betrifft die finanzielle Entlastung der Krankenhäuser. Es geht um eine Entlastung der Krankenhäuser in den Jahren 2013/14 um etwa 1,1 Milliarden Euro. Das wird durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erreicht.

Zum einen wird man im Vorgriff auf zukünftige Verhandlungsrunden die Tariflohnsteigerungen teilweise schon 2013 ausgleichen. Es wird im Übrigen ein Versorgungszuschlag eingerichtet, der die Krankenhäuser bei Mengensteigerungen aus der Kollektivhaftung entlässt. Dazu erhalten die Krankenhäuser für alle Leistungen einen Versorgungszuschlag. Zuletzt wird ein Hygieneförderungsprogramm aufgelegt, um Krankenhäusern das erforderliche ärztliche und pflegerische Hygienepersonal zu ermöglichen.

Zum 1. Juli dieses Jahres steigen für über 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland die Renten an, in den neuen Bundesländern kräftig, um 3,29 Prozent, in den alten Bundesländern verhalten, um 0,25 Prozent. Diese Erhöhung hat das Kabinett heute in seiner Sitzung formal auf den Weg gebracht. Es hat dazu auch die Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte zum 1. Juli 2013 beschlossen.

Die Rentenanpassung fällt, wie ich es gesagt habe, in den alten Bundesländern bescheidener aus als in den neuen. Das ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen. Wir haben ja das schon mehrfach diskutiert; deswegen will ich es auch nur kurz noch einmal anreißen. Die Renten folgen den Löhnen, und diese sind im Westen weniger stark angestiegen als im Osten. Außerdem werden im Westen noch unterbliebene Rentendämpfungen nachgeholt; das ist im Osten bereits geschehen.

Ich will daran erinnern, dass es im Jahr 2009 eine Rentengarantie gab. Ohne diese hätten entsprechend der Lohnentwicklung die Renten damals eigentlich gesenkt werden müssen. Das hat man aber nicht gemacht, daher die Rentengarantie. Die damals unterbliebene Rentenkürzung war aber mit dem Versprechen an die jüngere Generation verbunden, dass diese Kosten über die Jahre wieder hereingeholt werden. Das ist in den neuen Bundesländern schon geschehen und muss in den alten noch nachgeholt werden. Auch dadurch erklärt sich der Unterschied.

Sicherlich grundsätzlich erfreulich ist, dass die Angleichung des Rentenwerts Ost an den Rentenwert West in diesem Jahr dann ein gutes Stück vorankommt.

Die Aktualisierung 2013 des deutschen Stabilitätsprogramms ist vom Kabinett beschlossen worden. Nur wenige Eckdaten: Deutschland hat erstmals seit der Wiedervereinigung im vergangenen Jahr gesamtstaatlich einen strukturellen Überschuss erzielt. Das heißt, das für den Fiskalpakt wichtige mittelfristige Haushaltsziel eines strukturellen gesamtstaatlichen Defizits von maximal 0,5 Prozent des BIP ist mit deutlichem Abstand eingehalten worden, und auf der Grundlage unserer aktuellen Prognosen wird das auch 2013 und in den folgenden Jahren so bleiben. Deutschland plant damit erstmals dauerhaft strukturelle Überschüsse und wird den im Jahre 2012 erreichten Erfolg damit fortsetzen.

Das Maastricht-Defizit wird in diesem Jahr voraussichtlich rund ein halbes Prozent des BIP betragen. Darin spiegelt sich die leichte konjunkturelle Abschwächung wider. Der Maastricht-Referenzwert von 3 Prozent wird natürlich weiterhin deutlich unterschritten. Die gute Haushaltslage der staatlichen Ebenen macht dies möglich, aber auch die Konsolidierungsstrategie der Bundesregierung.

So können wir die Schuldenquote deutlich zurückführen. Sie liegt derzeit bei etwa 80,5 Prozent des BIP; sie soll bis 2017 voraussichtlich auf etwa 69 Prozent sinken. Mit seiner finanzpolitischen Ausrichtung wird Deutschland damit den europäischen, aber auch den nationalen finanzpolitischen Vorgaben in vollem Umfang gerecht. Wir setzen unseren wachstumsfreundlichen Konsolidierungskurs fort. Wir legen mit soliden öffentlichen Finanzen die Grundlage für einen handlungsfähigen Staat und für dauerhaft günstige Wachstumsbedingungen.

Und zum Schluss noch der 14. Bericht zur Entwicklungspolitik der Bundesregierung. Da mache ich es ganz kurz, denn Bundesentwicklungsminister Niebel hat ihn, glaube ich, hier heute schon vorgestellt. Es wird darin der deutsche Beitrag zur Reduzierung der Armut weltweit und zur Gestaltung einer nachhaltigen globalen Entwicklung erläutert.

Er gibt im Übrigen auch Auskunft über die Umsetzungserfolge bei den Zielen, die sich diese Regierung im Koalitionsvertrag auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit gesetzt hat.

Sicher ist: Entwicklungspolitik wird als ein ganz entscheidender Bestandteil der internationalen Politik der Bundesregierung auch künftig dazu beitragen, dass globale nachhaltige Entwicklungen unterstützt werden.

Frage: Herr Seibert, wie will denn die Bundeskanzlerin angesichts des bevorstehenden Staatsbesuches von Herrn Obama in Deutschland Ende Juni den Eindruck vermeiden, dass es sich hier um eine transatlantische Wahlkampfhilfe für die Regierung handeln könnte? Wäre es nicht besser, mit dem Staatsbesuch, der sich jetzt so lange hingezogen hat, bis nach der Wahl zu warten?

StS Seibert: Erstens liegt tatsächlich eine Einladung der Bundeskanzlerin an den amerikanischen Präsidenten vor. Sie hat sie in ihrem Telegramm anlässlich seiner Wiederwahl ausgedrückt.

Zweitens weiß ich nicht, woher Sie Ihre Kenntnisse beziehen, dass ein solcher Staatsbesuch bevorsteht. Sie wissen, dass das Weiße Haus dazu gestern auf Anfrage gesagt hat, es gebe keine neuen Informationen. Das ist auch exakt mein Stand. Wenn sich Besuchspläne konkretisieren, dann würden wir Ihnen selbstverständlich auch Bescheid sagen. Bis dahin habe ich keine neuen Informationen für Sie.

Zusatzfrage: Aber ist die Nähe des Wahltermins ein Hinderungsgrund? Wie viel Vorlaufzeit technischer Art braucht man eigentlich für so einen eher komplizierteren, auch wegen der Sicherheitslage komplizierteren Staatsbesuch? Ich frage das, damit ich weiß, wann ich wieder nachfragen soll.

StS Seibert: Ein US-Präsident pflegt sich nicht von Montag auf Mittwoch anzukündigen. Der Vorlauf hat noch immer gereicht.

Zusatzfrage: Und in welcher Größenordnung - Wochen, Monate?

StS Seibert: Wir werden hier nicht weiterkommen. Es gibt eine Einladung. Und wenn es mehr als das gibt, nämlich einen angekündigten Besuch oder einen Termin, dann werden sicherlich sowohl das Weiße Haus als auch das Kanzleramt Ihnen darüber gerne Bescheid sagen. Das ist es.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Albrecht vom Gesundheitsministerium. Die Stiftung Warentest hat den "Pflege-Bahr" sehr schlecht beurteilt und den Menschen abgeraten, solche Versicherungen abzuschließen, und kommt zu dem Ergebnis, dass Gutverdiener sich gute Tarife leisten können und die anderen die Finger davon lassen sollen. Beabsichtigen Sie, daraus schnell Konsequenzen zu ziehen?

Albrecht: Uns hat diese Untersuchung sehr überrascht, weil wir eigentlich von der Stiftung Warentest Untersuchungen gewohnt sind, die die Menschen in die richtige Richtung führen. Dort werden Äpfel mit Birnen verglichen, und zwar werden Vollversicherungen mit dem "Pflege-Bahr" verglichen. Die Vollversicherung, also die Absicherung des vollen Pflegerisikos, war mit dem "Pflege-Bahr" nie beabsichtigt. Es ist ein Einstieg.

Dieser Einstieg ist vor allen Dingen auch für die jüngere Generation wichtig, weil wir das Demografieproblem kennen und nicht sehenden Auges da hineinlaufen wollen. Deswegen ist es auch verwunderlich, dass die Stiftung Warentest zum Beispiel für die jüngere Generation gar keine Untersuchungen angestellt hat, sondern erst für Personen ab 45 Jahren Aussagen getroffen hat. Das verwundert uns.

Wir sehen das ganz gelassen, weil wir sagen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wie gesagt, eine Vollversicherung hat aus unserer Sicht gar keinen Sinn. Wenn Sie überlegen, dass Sie am Ende Ihres Lebens in einem höherem Alter ein Risiko eingehen, dann haben Sie die Möglichkeit gehabt, entsprechend vorzusorgen im Sinne von Rente, aber auch der Staat hat natürlich seine Unterstützungskassen angelegt.

Deswegen geht es immer nur um eine Teilkostenabsicherung. So ist auch die soziale Pflegeversicherung angelegt. Diese Teilkostenabsicherung jetzt durch eine Vollabsicherung privaten Charakters zu ersetzen, hat keinen Sinn. Deswegen ist dieser Vergleich auch nicht richtig.

Zusatzfrage: Abgesehen von dem Vergleich: Sie kommen zu dem Ergebnis, dass sich das Einzahlen für das, was man herausbekommt, nicht lohnt.

Albrecht: Das können Sie insofern gar nicht sagen, weil es sich ja nicht um eine kapitalgedeckte Versicherung handelt, sondern es ist eine Versicherungslösung. Das heißt, wenn Sie jetzt anfangen, das eingezahlte Kapital auf- oder abzuzinsen und zu gucken, was hinten dabei herauskommt, hat das in diesem Fall überhaupt keinen Sinn, sondern in dem Moment, wo der Versicherungsfall eintritt, bekommen Sie eine Versicherungsleistung ausgezahlt.

Es wird kritisiert, dass wir dort zum Beispiel soziale Faktoren eingebaut haben. Wir haben beim "Pflege-Bahr" ausdrücklich gesagt, dass Vorerkrankungen nicht berücksichtigt werden. Wir wollen Menschen mit Vorerkrankungen die Möglichkeit einräumen, trotzdem ein Pflegerisiko absichern zu können. Das wirkt sich natürlich im Preis aus; das ist keine Frage. Das wird als negativ beurteilt. Wir beurteilen das nicht als negativ, im Gegenteil. Wir beurteilen das positiv, weil wir nämlich Menschen, die sonst keine Gelegenheit hätten, sich abzusichern, dazu eine Gelegenheit geben.

Es wird kritisiert, dass wir zum Beispiel als Mindestversorgung 600 Euro in der dritten Pflegestufe anlegen. Natürlich sind 600 Euro in der dritten Pflegestufe nicht genug. Aber es ist ein Beitrag. Wenn Sie die dritte Pflegestufe absichern wollen - dazu hat die Stiftung Warentest auch ein Beispiel genannt -, dann zahlen Sie wesentlich höhere Beiträge. Dann haben Sie auch eine wesentlich höhere Auszahlung.

Aber noch einmal: Es ist eine Versicherungsleistung, es ist kein "Sparplan". Insofern kann ich diese Kritik nicht ganz nachvollziehen. Es geht nicht darum, eine Lücke ganz zu schließen, im Sinne einer Vollversicherung, sondern es geht darum, einen Einstieg zu bieten, damit Menschen die Möglichkeit haben, diese Kosten, die auf sie zukommen, unter Kontrolle zu behalten, insbesondere für die jüngere Generation, die bei der Stiftung Warentest, wie gesagt, gar nicht berücksichtigt wurde.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert. Das Europäische Parlament hat gestern mit relativ knapper Mehrheit das Backloading beim Emissionshandel abgelehnt. Der Umweltminister hat das bedauert, der Wirtschaftsminister hat das begrüßt. Wie ist denn die Meinung der Bundeskanzlerin zu dem Vorgang, und wie wird sich Deutschland verhalten? Das Thema ist ja nicht ganz weg, sondern wird zwischen Ministerrat und Parlament noch einmal aufgerufen werden.

StS Seibert: So ist es. Das ist eine Entscheidung der unabhängigen Parlamentarier im Europäischen Parlament. Für uns ändert sich an der Grundhaltung nichts. Die heißt: Wir sind überzeugt, dass dieser Emissionshandel im Zentrum der europäischen Klimapolitik steht und dass er auch aktiv zur Umsetzung europäischer Klimaziele beiträgt.

Nun hat das Europäische Parlament den Entwurf zur Reform des Emissionshandels erst einmal an den Umweltausschuss zurückverwiesen. Der Zeitplan liegt damit weiterhin in den Händen der europäischen Institutionen. Von dort müssen auch die Vorschläge dazu kommen, wie man den Emissionshandel stärken kann. Abhängig von diesem Fortgang wird die Bundesregierung ihre Haltung definieren, und zwar dann, wenn die Regierungen - und nicht das Parlament - tatsächlich in die Verhandlungen eintreten.

Zusatzfrage: Sie haben gerade gesagt: "den Emissionshandel stärken". Heißt das denn de facto, dass die Preise steigen sollten? Im Moment haben wir ja Emissionspreise, die zwar einen Handel machen, aber die wirtschaftlichen Effekte, die sie haben sollten, überhaupt nicht mehr haben.

StS Seibert: Wir haben gesagt, der Emissionshandel steht im Zentrum der europäischen Klimapolitik.

Ich will noch etwas anderes in Sachen Klimapolitik sagen: Deutschland steht für eine ambitionierte europäische Klimapolitik, nach wie vor und unverändert. Wir haben uns das nationale Ziel einer 40-Prozent-Reduktion bis 2020 gesetzt. Dass wir für diese ambitionierte Klimapolitik stehen, können Sie auch daran sehen, dass alle Energiewendeprojekte, die aus dem Energie- und Klimafonds, EKF, finanziert werden sollen und die sich ja aus Erlösen des Emissionshandels speisen, wie geplant finanziert werden können, also die Projekte zur Weiterentwicklung der Elektromobilität, die energetische Gebäude- und Stadtsanierung, die Förderung von Speichertechnologien. Das wird alles voll finanziert werden können.

Dazu trägt auch die Bereitschaft der KfW bei, mit über 300 Millionen Euro aus eigenen Mitteln bei den von ihr durchgeführten Projekten die Selbstfinanzierung zu übernehmen. Das ist ein starkes Zeichen dafür, wie wichtig Klimapolitik unverändert für die Bundesregierung ist.

Frage: Herr Seibert, hat die Bundeskanzlerin die Absicht, morgen in einer der beiden Bundestagsdebatten entweder zur Zypernförderung oder auch zur Frauenquote zu reden?

StS Seibert: Nach meinen Informationen nicht.

Zusatzfrage: Begrüßt es denn die Bundeskanzlerin, dass beabsichtigt ist, dass zwei CDU-Ministerinnen zum Thema Frauenquote sprechen werden?

StS Seibert: Ich kann mich hier zu parlamentarischen Abläufen und zur Gestaltung von Debatten als Regierungssprecher nicht äußern.

Zusatzfrage: Es sprechen aber ja zwei Kabinettsmitglieder.

StS Seibert: Kabinettsmitglieder können als Kabinettsmitglieder oder als Abgeordnete, die sie ja auch sind, sprechen.

Zusatzfrage: Die beiden sprechen also als Abgeordnete?

StS Seibert: Ich kann mich nicht zu parlamentarischen Fragen äußern. Ich bin Sprecher der Bundesregierung. Es tut mir leid.

Steegmans: Ich kann ergänzen: Meine Ministerin spricht als Ministerin.

Frage: Herr Seibert, ich wollte wissen, ob die Bundeskanzlerin eine Haltung zur festen Frauenquote hat. Können Sie mir die mitteilen?

StS Seibert: Das, was wir gestern und vorgestern erlebt haben, sind Beratungen in der CDU-Fraktion und im Bundesvorstand der CDU, gestützt auf einen CDU-Parteitagsbeschluss. Das alleine sollte eigentlich schon reichen, um Ihnen zu sagen, dass ich als Regierungssprecher nicht der ideale Ansprechpartner bin.

Die Haltung der Bundeskanzlerin ist vollkommen unverändert. Wir müssen in Deutschland dahin kommen, dass mehr Frauen in wirtschaftliche Spitzenpositionen kommen. Es gibt einigen Fortschritt. Dieser Fortschritt ist langsam - man könnte auch sagen: zu langsam -, weswegen die Bundeskanzlerin die Flexi-Quote, die Ministerin Schröder vorgeschlagen hat, immer unterstützt hat.

Wie Sie gestern mitbekommen haben, hat sie sich mit auf den Kompromiss verständigt, der gestern in der Fraktion und im Parteivorstand beschlossen worden war - aber das sind Parteifragen -, das heißt die Entwicklung über die Flexi-Quote hinaus auf eine feste Quote ab 2020. Das muss ich hier aber nicht referieren, da es zu diesem Zeitpunkt nicht Regierungspolitik ist.

Zusatzfrage: Sehe ich es richtig, dass die Bundeskanzlerin für die Flexi-Quote und die CDU-Vorsitzende für die feste Quote ist und irgendwann beide zusammenkommen?

StS Seibert: Wenn Sie das studieren, was die CDU beschlossen hat, dann schließt sich die feste Quote an die Flexi-Quote an. Und dies ist die Haltung, die auch die Bundeskanzlerin zusammen mit ihrer Fraktion teilt. Weiter würde ich jetzt ungerne über Fraktions- und Parteifragen sprechen. Es gibt da aber keine Teilung der Person, wie Sie sie gerade vorgeschlagen haben.

Frage: Wird denn die Arbeitsministerin auch als Ministerin oder als CDU-Abgeordnete sprechen?

Westhoff: Frau von der Leyen wird als Frau von der Leyen sprechen.

Zusatzfrage: Das ist jetzt nicht Ihr ganzer Ernst, nicht?

Westhoff: Es gibt auch da keine Teilung der Person, sondern es ist morgen eine Debatte, und das Thema, das dort debattiert wird, ist nun in der Partei ausführlich diskutiert worden. Insofern spricht die Ministerin im Lichte dieser Entwicklung.

Frage: Herr Seibert, kann man sagen, dass Frau von der Leyen, die Arbeitsministerin, jetzt unter besonderer Beobachtung der Kanzlerin steht?

StS Seibert: Positiv ausgedrückt, könnte ich sagen: Da die Arbeitsministerin ein enorm wichtiges Ressort hat, steht sie immer unter besonderer Beobachtung der Bundeskanzlerin - aber positiv ausgedrückt -, weil das Ressort Arbeit und Soziales so wichtig ist. Die Arbeitsministerin ist eine engagierte und hoch erfolgreiche Arbeitsministerin.

Zusatzfrage: Sie sagten, Sie könnten das sagen. Haben Sie es auch gesagt? Sie meinen das auch als positive Würdigung, oder?

StS Seibert: Ehrlich gesagt, kann ich mit dem Begriff der besonderen Beobachtung nichts anfangen. Eine Bundeskanzlerin zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Blick auf das gesamte Kabinett hat, und bei den ganz besonders wichtigen Ressorts ist das dann ein besonders intensiver Blick, ganz normal.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Kotthaus zum Thema Bankenunion und EU-Verträge. Der IWF hat gerade den World Economic Outlook publiziert und sagt, die Bankenunion sollte zügig in Kraft gesetzt werden. Ansonsten kommt Europa nur ganz langsam aus der Krise heraus. Gibt es denn irgendeinen Weg, diesen Abwicklungsmechanismus so zu gestalten, dass keine Änderung der Verträge nötig ist, wie Herr Schäuble das am Wochenende verkündet hat?

Kotthaus: Ich habe dem, was der Minister in Dublin gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Aber Sie müssen schon einsehen, dass im Ausland jetzt angenommen wird, dass Deutschland auf die Bremse drückt, was das Thema Bankenunion angeht. Eine Änderung der EU-Verträge dauert ja Jahre. Wie können Sie da argumentieren, dass es jetzt plötzlich einer Änderung der EU-Verträge bedarf?

Kotthaus: Das ist keine plötzliche Änderung der EU-Verträge, sondern wir haben dieses Thema hier schon ein paarmal diskutiert. Ich kann Ihre Bewertung, dass irgendjemand auf der Bremse steht, in keiner Weise teilen; ich muss das, ehrlich gesagt, relativ energisch zurückweisen.

Innerhalb der EU haben sich nun wirklich in den letzten Jahren und Monaten sehr wichtige und bedeutende Dinge getan, gerade auch bei dem Thema Banken. Wir haben jetzt gerade in Dublin noch einmal den Text für die Verordnung für die gemeinsame Bankenaufsicht diskutiert und verabschiedet. Wir haben auch da noch einmal klargemacht, dass das als erster Schritt der richtige Weg ist und dass man sicherlich in Zukunft auch bei diesem Punkt über eine Vertragsänderung nachdenken muss. Da waren sich auch alle Mitgliedstaaten vollkommen einig.

Wir haben weiter immer gesagt, dass wir unbedingt schnell gemeinsame Regeln innerhalb der EU brauchen, was die Restrukturierung von Banken betrifft, damit alle immer wissen: Was ist erforderlich? Was sind die Regeln? Worauf kann ich mich verlassen? Worauf kann ich mich bei der Frage der Banken in der EU einlassen? Auch da gibt es einen vollkommenen Konsens, und wir begrüßen, dass daran intensiv gearbeitet wird.

Da gibt es auch keinerlei Bremsen, und es wird darauf hinauslaufen, dass wir innerhalb der EU einheitliche Regeln haben, wie Banken abgewickelt werden.

Drittens haben wir immer gesagt, dass es auch bei dem Thema der Einlagensicherung und Ähnlichem mehr wichtig ist, innerhalb der EU ein gemeinsames Regelwerk zu haben.

An all diesen Dingen arbeiten wir hoch konstruktiv, unterstützend, schnell, dynamisch, drückend mit. Wir haben immer gesagt: Es ist ganz wichtig, dass neben der Bankenaufsicht auch die Restrukturierungsregeln vereinheitlicht werden. Ich kann einfach nicht erkennen, wo wir da in irgendeiner Form bremsen sollten.

Genauso wichtig ist es aber auch: Wenn Sie dann eine gemeinsame Bankenrestrukturierungsbehörde oder -institution einrichten wollen, brauchen Sie dafür eine solide Grundlage in den Verträgen. Dieser Schritt geht eigentlich noch über das hinaus, was eine Aufsicht macht. Es ist dann die Institution, die sagt: Eine Bank wird abgewickelt. Dafür brauchen Sie eine solide Grundlage in den Verträgen.

Das hat der Minister gesagt. Das ist wirklich überhaupt nichts Neues. Das muss sein, denn das ist ein sehr einschneidender Schritt. Darauf hat der Minister in Dublin hingewiesen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir bei den drei Elementen, die ich genannt habe - Aufsicht, Restrukturierung, Einlagensicherung -, dynamisch, konstruktiv und mit hohem Druck mitarbeiten.

Frage: Eine Frage an Herrn Kotthaus zu der angekauften Steuer-CD. Da gibt es die Forderung, dass sich der Bund an den Kosten beteiligt. Das hat er früher ja auch schon einmal gemacht. Kommt das für Sie infrage?

Kotthaus: Erlauben Sie mir, dass ich bei den Steuer-CDs ein kleines bisschen aushole und mich bei der Antwort nicht auf ein Ja oder Nein beschränke. Wir sind der festen Auffassung, dass der einzige Weg, Steuerhinterziehung nachhaltig zu bekämpfen, nachhaltig anzugehen und auch mit großem Erfolg anzugehen, der Weg ist, den wir eingeschlagen haben, indem wir auf der internationalen Ebene versuchen, den automatischen Informationsaustausch mit Macht und Kraft voranzutreiben.

Der Weg, den wir eingeschlagen haben, ist, dass wir auf der internationalen Ebene versuchen, den automatischen Informationsaustausch mit Macht und Kraft voranzutreiben. Sie haben gesehen, dass sich in Dublin fünf plus eins, also insgesamt sechs Finanzminister in einer gemeinsamen Pressekonferenz hingesetzt und gesagt haben: Ja, der automatisierte Informationsaustausch ist der Weg der Zukunft, da wollen wir hin; wir wollen das dazu bringen, dass wir die europäische Zinsrichtlinie ausweiten, sodass sie nicht nur die Zinsen, sondern alle relevanten Kapitaleinkommen betrifft, wir wollen, dass das innerhalb der gesamten EU funktioniert, und wir wollen diese Initiative auch darüber hinaustragen.

Wir hatten diesen Weg auch beschritten mit fast 40 Abkommen mit Drittstaaten allein in dieser Legislaturperiode, was Informationsaustausch betrifft. Wir hatten (den Kabinettsbeschluss für) das Steuerabkommen mit der Schweiz, das die Problematik ein für allemal für die Zukunft gelöst hätte, weil es damit eine gleiche Regelung gegeben hätte wie in Deutschland, was Kapitaleinkünfte betrifft, und wir hätten noch den Vorteil gehabt, dass wir für die Vergangenheit substanzielle Nachzählungen bekommen hätten; Sie wissen, dass die Schweiz allein als Vorabzahlung 2 Milliarden Franken angekündigt hat. Das ist der Weg der Zukunft, das ist der Weg, den wir beschreiten wollen. Ich glaube, darüber besteht auch eine ganz große Einigkeit mit vielen anderen. Wie Sie gesehen haben, sind wir eigentlich ganz erfolgreich dabei, diese Allianzen internationaler Art zu schmieden.

Sie haben Recht: In der Vergangenheit wurden immer wieder einzelne Steuer-CDs gekauft. Es gibt auch eine relativ eindeutige Rechtsmeinung in Deutschland, dass es zulässig ist, diese Daten zu verwerten. Als Hilfsmittel, als Krücke, um in der Zwischenzeit, bis wir die entsprechenden Abkommen haben, etwas zu machen, haben wir das in der Vergangenheit sicherlich auch unterstützt. Ehrlich gesagt: Jede Möglichkeit, Steuerhinterzieher zu kriegen, ist zu begrüßen.

In jedem Fall wurde jede CD einzeln geprüft, und dann wurde entschieden, wie man damit umgeht. Wir haben uns beim Kauf dieser CDs in der Vergangenheit auch an Kosten beteiligt. Das ging aber immer nur dann, wenn sich auch die weiteren 15 Länder an den Kosten beteiligt haben.

Was den aktuellen Fall betrifft, so wird diese CD jetzt ausgewertet, und wir schauen einmal, wie die Diskussionen verlaufen. Ganz klar ist aber: Es gibt keine Kostenzusage des Bundes bei dem Kauf dieser CD. Aber wie gesagt: Man muss jede CD einzeln betrachten.

Frage: An das Verteidigungsministerium: Herr Paris, wie beurteilen Sie den heutigen Beschluss des Bonner Landgerichts im Schadensersatz-Prozess zum Angriff von Kundus, dass die Bundesregierung jetzt erst einmal Informationen zuliefern soll?

Paris: Ich möchte das gar nicht beurteilen oder bewerten. Wir sind verfahrensbeteiligt, weil das Bundesministerium der Verteidigung die beklagte Bundesrepublik Deutschland dort vertritt. Das ist ein zivilrechtlicher Prozess, der heute eine weitere Sitzung mit entsprechenden Beweisaufnahmen hatte. Das nehmen wir zur Kenntnis, und wir verfolgen das Verfahren aufmerksam weiter und beteiligen uns weiter an dem Verfahren. Mit Blick auf die Unabhängigkeit der Justiz bewerte ich oder kommentiere ich Beweisbeschlüsse eines Landgerichtes aber nicht.

Zusatzfrage: Oberst Klein - beziehungsweise was auch immer er im Moment ist; er ist ja, glaube ich, befördert worden - wird sicherlich eine Aussagegenehmigung bekommen?

Paris: Wir müssen jetzt diese Beschlüsse, die heute in Bonn ergangen sind, auswerten und dann die erforderlichen Schritte einleiten. Ob Herr Brigadegeneral Klein dann als Zeuge oder in anderer Form vernommen wird, kann ich abschließend nicht beurteilen, weil auch ich darauf angewiesen bin, an Prozesstagen, die gerade stattfinden, zunächst einmal die Agenturmeldungen zu verfolgen. Im Übrigen sage ich aber auch: Ich kommentiere das von hier aus nicht. Das ist ein Verfahren, das vom zuständigen Gericht unabhängig geführt wird. Eine Kommentierung von diesem Platz aus ist frühestens dann zu erwarten, wenn das Verfahren einen Abschluss gefunden hat, aber nicht mittendrin.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium zu einer Untersuchung in Bezug auf die Riester-Rente, über die die "Bild"-Zeitung heute berichtet. Danach ist es trotz staatlicher Förderung bislang nicht gelungen, die Absenkung des Rentenniveaus durch die private Vorsorge aufzufangen - auch nach zehn Jahren nicht. Meine Frage ist: Beabsichtigt das Arbeitsministerium, daraus Konsequenzen zu ziehen?

Westhoff: Nein. Der Bericht in der "Bild"-Zeitung und die Untersuchung, die da zur Grundlage genommen wird, gehen auch von falschen Prämissen aus. Es wird so getan, als würde geschaut, wie viele Leute riestern, und davon abhängig gemacht, wie stark das Rentenniveau in Zukunft oder im laufenden Prozess abgesenkt wird. Das ist nicht so.

Es gab 2002 eine politische Entscheidung, dass man sukzessive für alle absehbar und planbar das Rentenniveau langfristig absenkt, um die Rente bezahlbar zu halten und die junge Generation nicht durch übermäßig steigende Beiträge zu belasten. Man hat dann gleichzeitig Niveausicherungsziele und Beitragssatzsicherungsziele eingeführt. Das Ganze folgte der Logik, dass man die Rente bezahlbar halten wollte, indem man das Rentenniveau langfristig absenkt. Als Ausgleich hat man die Riester-Rente eingeführt - als einen möglichen Weg, zusätzlich vorzusorgen und das, was die gesetzliche Rente dann nicht mehr hergibt, an Zusatzvorsorge aufzubauen. Jetzt zu sagen "Die Leute riestern nicht genug oder nur in einem bestimmten Maße, deshalb darf die Rente nicht abgesenkt werden" würde sozusagen eine Umkehrung dieser Logik bedeuten.

Es bleibt dabei: Es gibt verschiedene Wege der Zusatzvorsorge, mit denen die Rentenlücke, die entsteht, weil das Rentenniveau abgesenkt wird, ausgeglichen werden kann und muss. Der sogenannte Riester-Faktor, über den da berichtet wird, war immer - das war von vornherein ganz klar politisch festgelegt - eine abstrakte Größe, die für alle voraussehbar machen sollte, in welchem Ausmaß das Rentenniveau abgesenkt wird.

Zusatzfrage: Das heißt, dann haben wir das falsch verstanden, dass die Idee war, die Absenkung des Rentenniveaus durch private Vorsorge auszugleichen? Wenn da auch nach zehn Jahren noch eine Lücke ist, dann ist das ein Tatbestand, der Sie nicht irgendwie zum nachdenken bringt?

Westhoff: Das würde ja voraussetzen, dass man die Riester-Rente als abschließend für die Zusatzvorsorge heranziehen würde und sagen würde: Allein das Riestern soll die Rentenlücke ausgleichen. Es ist so, dass das über betriebliche Altersvorsorge und private Vorsorge auch geht. Der Riester-Faktor ist insofern, wenn Sie so wollen, eine modelltheoretische Größe und hängt nicht direkt zusammen beziehungsweise korrespondiert nicht direkt mit dem Ausmaß des Riesterns. Noch einmal: Man hätte es nicht so machen können - das ist ja der Vorwurf, der in der Untersuchung gemacht wird -, dass man das, was die Leute an Riester-Vorsorge betreiben, und die Dämpfung des Rentenniveaus sozusagen in Einklang bringt und direkt miteinander in Beziehung setzt. Das kann man nicht machen, das war ein anderer Zusammenhang. Ich gebe zu, dass der Begriff "Riester-Faktor" in die Irre führen kann. Das ist ein Faktor, der deutlich macht: Das Rentenniveau wird abgesenkt, um die Beiträge zu begrenzen, und auf der anderen Seite ist Zusatzvorsorge über Riester hinaus möglich und nötig.

Frage: Eine Frage an das Justizministerium: Im NSU-Prozess hat jetzt ein Nebenkläger-Vertreter Videoübertragung in einen Nebenraum des Prozesses beantragt. Würden Sie da bitte einmal die Rechtslage schildern? Ist das aus Sicht des Justizministeriums ein gangbarer Weg? Sie werden wahrscheinlich zu dem aktuellen Prozess erneut keine Stellung nehmen, aber ist so etwas im Allgemeinen zulässig?

Wieduwilt: Auch diese Konstellation hatten wir in ähnlicher Form ja schon einmal - da wurde ich befragt, wie das Bundesjustizministerium abstrakt dazu steht. Ich kann mich hier nur wiederholen und auf die Unabhängigkeit der Justiz hinweisen. Aus diesem Grunde können wir dazu auch abstrakt nichts äußern; denn all das, was wir jetzt abstrakt schildern würden, würde ja dennoch als Fingerzeig an das OLG gewertet werden können. Das ist auf jeden Fall zu vermeiden.

Zusatzfrage: Aber wenn Sie sagen, die Justiz sei unabhängig, beinhaltet das im Umkehrschluss ja eigentlich schon, dass es aus Ihrer Sicht kein rechtliches Problem bei einer Videoübertragung gäbe?

Wieduwilt: Ich weiß nicht, wie Sie zu diesem Schluss kommen - ich komme nicht dazu.

Zusatz: Wenn die Justiz frei ist, etwas zu machen, wäre sie ja auch frei, eine solche Videoübertragung zuzulassen.

Wieduwilt: Ich sagte, die Justiz ist unabhängig. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger.

Frage: Ist es rechtlich möglich, Gerichtsprozesse in Deutschland per Video zu übertragen? Täuscht mich die Erinnerung, dass die Bundesjustizministerin auch da an einer Überarbeitung der Gesetzeslage sitzt?

Wieduwilt: Das ist jetzt im Grunde genau dieselbe Frage noch einmal. Deswegen kann ich sie nach wie vor - -

Zusatzfrage: Ja, aber die kann man doch beantworten. Die Frage ist, ob es in Deutschland rechtlich möglich ist, aktuelle Gerichtsverfahren per Video zu übertragen. Gibt es rechtliche Gründe, die dagegenstehen?

Wieduwilt: Wie auch immer Sie diese Frage wiederholen, umschreiben oder neu formulieren, es bleibt dabei. Sie können auch in die Protokolle der Bundespressekonferenz hineinschauen und werden sehen, dass ich schon früher versucht habe, für Verständnis zu werben. Es gibt hinsichtlich dieser Frage verschiedene Lesarten und Interpretationen, und es ist keineswegs so, dass man sie einfach beantworten kann und dass die Antwort irgendwo unmittelbar zu entnehmen wäre. Und da es verschiedene Lesarten und Interpretationen gibt, wird sich das Bundesjustizministerium in dieser Frage nicht äußern.

Frage: Eine Frage an Herrn Geißler aus dem Umweltministerium: Die Deutsche Umwelthilfe hat heute eine Plastiktütenabgabe von 22 Cent gefordert. Könnten Sie noch einmal ganz kurz schildern, warum Ihr Haus dagegen ist?

Geißler: Die Plastiktüten-Diskussion kam auf, weil der Präsident des Umweltbundesamtes anlässlich der "Marine Litter Conference", bei der es um die Vermüllung der Meere ging, gesagt hatte, es wäre vorstellbar, eine Abgabe auf Plastiktüten zu erheben. Unser Haus ist der Meinung, dass eine Abgabe auf Plastiktüten die Vermüllung der Meere nicht verhindert; wir haben nämlich eine nahezu hundertprozentige Recyclingquote im Kunststoffbereich.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert oder Herrn Kotthaus: Frankreich hat angekündigt, dass es seine Defizitziele nach hinten verschiebt. Steigt da irgendwie die Besorgnis, dass Frankreich zum Problem in Europa werden könnte?

StS Seibert: Zu hohe Defizite der einzelnen Mitgliedstaaten sind seit langer Zeit ein Problem in Europa und sind ein erheblicher Teil der Ursachen der Krise, an deren Bewältigung wir arbeiten. Einzelne Länder will ich hier nicht ansprechen, aber es ist bekannt, dass unsere Krisenbewältigungspolitik - und zwar "unsere" im europäischen Sinne gemeint - darauf abzielt, die Haushalte der Staaten auf einen solideren, stabileren, nachhaltigeren Kurs zu führen. Das heißt: Abbau von Defiziten. Dafür gibt es Wegmarken und Verabredungen, und die gelten.

Kotthaus: Die Frage ist hier ja schon mehrfach und in verschiedener Form gestellt worden. Fakt ist, dass im Endeffekt die Kommission bewerten müssen wird, wie alle Mitgliedstaaten der EU und auch der Eurozone ihre verschiedenen Defizitziele einhalten. Diesen verschiedenen Vorgaben entsprechen ja auch die Stabilitätsprogramme - wovon wir das deutsche verabschiedet haben -, und die Bewertung liegt jetzt in der Kommission. Ich glaube, jeder Staat innerhalb der EU ist sich da seiner Verantwortung und seiner Pflichten bewusst - das gilt von uns bis sonst wohin. Wir werden dann sicherlich im Kreise der EU sehen, wie die Kommission das bewertet und wie das zu betrachten ist. Aber grundsätzlich sind sich, glaube ich, alle ihrer Pflichten und Ansprüche bewusst.

Frage: Herr Kotthaus, dazu noch eine kurze Nachfrage: Die Bundesregierung beziehungsweise der Bundesfinanzminister hat ja in verschiedenen Eurogruppensitzungen schon Nach-hinten-Verschiebungen von Defizitzielen zugestimmt, weil in bestimmten Ländern - Spanien, Portugal usw. - die Konjunktur eben schwächer war oder die Einbrüche stärker waren. Gilt dieses Prinzip auch für Frankreich, sodass man sagen kann: Okay, solange die Franzosen ihr strukturelles Defizit weiter abbauen - was dann natürlich eine spannende Frage ist -, kann man hinnehmen, dass, wenn die Konjunktur nicht so läuft, die 3 Prozent Defizit 2013 und vielleicht auch 2014 überschritten werden?

Kotthaus: Noch einmal: Diese Beratungen laufen immer auf Vorschlag der Kommission, die die verschiedenen Programme und die verschiedenen Fortschritte bewertet. Richtig ist, dass sich, glaube ich, alle Staaten innerhalb der EU dazu verpflichtet haben, die erforderlichen Reformprogramme, Strukturprogramme und Ähnliches zu machen. Das gilt für alle großen und auch für alle kleinen Staaten. Mir ist nicht bewusst, dass der Finanzminister jemals eine Entscheidung gebilligt hätte, bevor die Kommission einen Vorschlag gemacht hat. Das gilt auch für diesen Fall. Wir warten jetzt, wie das von der Kommission bewertet wird, und dann wird das sicherlich - wie es sich gehört - im Kreise der Eurogruppen- und auch der Ecofin-Finanzminister diskutiert werden.

Aber noch einmal: Ich habe schon den Eindruck, dass sich alle Staaten innerhalb der EU sehr bewusst sind, was ihre Verpflichtungen aus den Verträgen sind, und dass sie sich auch dessen bewusst sind, was richtig ist, um Europa nachhaltig und eindeutig zu stabilisieren und auch die Wirtschaft wieder anzukurbeln - im Sinne von "die erforderlichen Reformen durchzuführen, damit die Wirtschaft dann auch gut läuft".

Frage: Noch eine kurze Terminfrage: Herr Seibert, steht für Donnerstag in einer Woche noch die Sitzung des Koalitionsausschusses im Terminkalender der Bundeskanzlerin?

StS Seibert: Den habe ich im Moment nicht vorliegen, deswegen zögere ich etwas.

Zusatzfrage: Es wäre ja routinemäßig - das konnten Sie ja auch den Medien entnehmen, auch wenn es nicht Ihre Zuständigkeit ist - -

StS Seibert: Nein, nein, das habe ich schon mitbekommen, danke. Routinemäßig findet das am Tag vor einer Bundesratssitzung statt. Ich habe im Moment keinen Anhaltspunkt, ob das nächste Woche eingehalten oder geändert wird; das muss ich nachreichen - wenn es denn schon bekannt ist.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 17. April 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/04/2013-04-17-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. April 2013