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PRESSEKONFERENZ/599: Regierungspressekonferenz vom 15. Mai 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 15. Mai 2013
Regierungspressekonferenz vom 15. Mai 2013

Themen: Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik in der EU, Reise des Bundesaußenministers (Israel, palästinensische Gebiete, Algerien), Reise der Bundeskanzlerin in den Vatikan, Kabinettssitzung (Schweigeminute für Max Stadler, Berufsbildungsbericht 2013), in Syrien verhafteter deutscher Journalist, neuer Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie, Fiskalpakt, Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch, Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zur deutschen Wirtschaft, Aufklärungsdrohne "Euro Hawk", Kapitalaufstockung der Commerzbank, Richtfest für den Neubau des Bundesinnenministeriums

Sprecher: SRS Streiter, Fronczak (BMELV), Peschke (AA), Fels (BMBF), Kothé (BMF), Westhoff (BMAS), Toschev (BMWi), Zimmermann (BMJ), Peschke (AA), Beyer-Pollok (BMI)



Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Fronczak: Ich würde die Gelegenheit gerne nutzen, um Sie kurz über die aus unserer Sicht sehr erfreulichen Verhandlungen zur EU-Fischereipolitik zu informieren. Nach langen und schwierigen Verhandlungen bis in die frühen Morgenstunden haben die Fischereiminister der EU-Staaten heute Morgen der irischen Präsidentschaft ein neues Mandat für die Verhandlungen über die Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik erteilt. Dieser Beschluss des Rates markiert aus unserer Sicht einen radikalen Kurswechsel in der europäischen Fischereipolitik. Damit rückt das Ziel einer nachhaltigen Nutzung der Fischbestände in Europa und eines wirksamen Schutzes wertvoller Meeresressourcen in greifbare Nähe. Dafür hat sich, wie Sie wissen, die Bundesregierung wiederholt stark gemacht.

Das neue Mandat geht vor allem bei dem geplanten Rückwurfverbot deutlich über die im Februar 2013 beschlossene Verhandlungslinie hinaus und kommt damit den Forderungen des Europäischen Parlaments einen beachtlichen Schritt entgegen. Die Einführung von Rückwurfverboten und Anlandegeboten ist das Kernelement der Reform. Deutschland hatte sich in den Verhandlungen wiederholt für strikte Regelungen stark gemacht. Sogenannte Beifänge müssen in Zukunft angelandet werden und dürfen nur noch in bestimmten Ausnahmefällen über Bord geschmissen werden. Bundesministerin Aigner und ihren Ministerkollegen ist es heute Nacht gelungen, die Ausnahmen beim Rückwurfverbot stärker zu begrenzen und damit die Verschwendung wertvoller Meeresschätze weiter einzuschränken. Das wird die Erholung weiterer Fischbestände beschleunigen. Ein Scheitern der Verhandlungen hätte den gesamten Reformprozess zum Erliegen bringen können.

Mit der jetzt getroffenen Ratsentscheidung ist das Europäische Parlament am Zuge, um möglichst rasch eine Einigung über die Reform der EU-Fischereipolitik herbeizuführen. Hierzu hat die irische Ratspräsidentschaft auch ein Ziel formuliert, nämlich bis zum Sommer - vor der Sommerpause - eine Einigung mit dem Europäischen Parlament zu erzielen. Dann könnte die Reform - so ist es vorgesehen - zum 1. Januar 2014 in Kraft treten.

Abschließend: Aus unserer Sicht ist die Reform der EU-Fischereipolitik eine historische Chance, um Nachhaltigkeit als wichtigstes Prinzip der Fischerei fest zu verankern. Umso wichtiger ist es, dass der Rat heute seinen Willen deutlich gemacht hat, möglichst schnell zu einer Einigung über die Fischereireform zu kommen.

In diesem Zusammenhang ein Terminhinweis: Bundesministerin Aigner wird Ihnen heute um 14 Uhr im Ministerium für ein Statement zu den weiteren Schritten zur Reform der Fischereipolitik zur Verfügung stehen.

Peschke: Ich wollte Ihnen mitteilen, dass Außenminister Westerwelle morgen zu einer Reise in den Nahen Osten aufbrechen wird. Dort wird er am Freitag mit Premierminister Netanjahu, mit Präsident Peres und mit weiteren Mitgliedern der israelischen Regierung zusammentreffen. Am Samstag wird er in den palästinensischen Gebieten Gespräche mit dem noch amtierenden Premierminister Fayyad führen.

Im Vorfeld dieser Reise, die sich natürlich thematisch auf den Stand des Nahost-Friedensprozesses, aber auch auf die Konfliktlagen in der Region - den Konflikt in Syrien, das iranische Atomprogramm - konzentrieren wird, hat Außenminister Westerwelle heute Vormittag mit Palästinenserpräsident Abbas telefoniert, um sich auch noch einmal inhaltlich auf diese Reise vorzubereiten und einzustimmen. Bei dem Gespräch mit Präsident Abbas ging es um den Stand des Nahost-Friedensprozesses und insbesondere um die amerikanische Initiative zur Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses. Außenminister Westerwelle hat deutlich gemacht, dass Deutschland diese amerikanische Initiative zur Wiederbelebung des Nahost-Friedensprozesses uneingeschränkt unterstützt und seinen Beitrag leisten wird, um den Einstieg in direkte Gespräche zu ermöglichen.

Im Anschluss an den Aufenthalt im Nahen Osten - darüber will ich auch schon informieren - wird der Minister nach Algerien weiterreisen und dort am Samstagabend mit dem algerischen Außenminister Medelci zusammentreffen. Er wird am Sonntag noch Gespräche mit Premierminister Sellal führen und mit algerischen Studentinnen und Studenten zusammentreffen. Dabei steht dann natürlich die Konfliktlage in der weiteren Region der arabischen Welt im Fokus der Gespräche, aber natürlich - aufgrund der Nachbarschaft - auch der Konflikt in Mali. So weit zur Reise!

SRS Streiter: Ich habe am Anfang noch ein kurzes Detail zu dem Besuch beim Papst zu vermelden: Wie bereits letzte Woche angekündigt wurde, wird die Bundeskanzlerin am Samstag, 18. Mai, in den Vatikan reisen. Sie wird dort um 11 Uhr von Papst Franziskus zu einer Privataudienz empfangen. Nach dieser Audienz wird außerdem ein kurzes Gespräch mit dem Sekretär für die Beziehungen mit den Staaten, Erzbischof Dominique Mamberti, stattfinden. Im Anschluss daran wird es im Campo Santo Teutonico ein kurzes Statement der Bundeskanzlerin für die Presse geben.

Dann berichte ich kurz aus dem Kabinett. Es war heute eine relativ kurze Sitzung. Zu Beginn der Kabinettssitzung haben sich die Mitglieder der Bundesregierung von ihren Plätzen erhoben und in einer Schweigeminute des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Justiz, Max Stadler, gedacht, der am vergangenen Wochenende so völlig unvermittelt mitten aus dem Leben gerissen worden ist. Die Bundeskanzlerin hat mit sehr bewegten Worten daran erinnert, wie anerkannt, geachtet und geschätzt Max Stadtler fachlich wie menschlich und über alle Parteigrenzen hinweg war und wie engagiert er noch vor einer Woche an der Kabinettssitzung teilgenommen hat.

Dann hat das Bundeskabinett heute den Berufsbildungsbericht 2013 beschlossen. Es gab zum fünften Mal in Folge mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsplätze ist 2012 mit 33.000 die höchste seit Jahren. Erfreulich ist der Rückgang bei der Zahl der Altbewerber und der jungen Menschen im Übergangssystem. 2012 wurden insgesamt gut 550.000 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das sind, bedingt durch die demographische Entwicklung, 3,2 Prozent weniger als im Vorjahr. Wenn Sie an Details interessiert sind, kann Ihnen sicherlich das Bildungsministerium noch einiges dazu sagen. - Das war eigentlich schon mein Bericht aus dem Kabinett.

Frage: Herr Peschke, was gibt es für Informationen über das Schicksal des in Syrien verhafteten deutschen Journalisten?

Peschke: Das ist ein schwieriges Thema. Wir gehen in der Tat - ich muss das bestätigen - Hinweisen darauf nach, dass ein deutscher Journalist in Syrien inhaftiert wurde. Wir stehen, soweit das möglich ist, in Kontakt mit den syrischen Behörden, um eine belastbare Klärung des Sachverhalts zu erreichen und natürlich auch auf eine Lösung des Falles hinzuwirken. Das ist natürlich dadurch kompliziert, dass unsere Botschaft in Damaskus ja schon seit geraumer Zeit geschlossen ist, wir also vor Ort nicht mehr in der Lage sind, direkte Hilfe zu leisten, sondern eben von hier aus operieren, und zwar in Kontakt mit den verbliebenen Vertretern an der syrischen Botschaft in Berlin und dann über unsere Vertretungen in den Nachbarstaaten, sprich über Botschaften in Beirut und Amman. Insofern ist das kompliziert. Wir tun, was wir können, aber mehr kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu nicht sagen.

Zusatzfrage: Wissen Sie auch nicht konkret, wo er sich aufhält oder aufgehalten wird, um es so zu formulieren?

Peschke: Darüber gibt es keinen belastbaren Kenntnisstand. Es gibt Indizien, aber auch widersprüchliche Informationen. Insofern werde ich jetzt keine Aussage treffen, die ich nicht wirklich hundertprozentig durch Fakten unterstützen kann.

Zusatzfrage: Es ist ja auch schon seit Langem ein amerikanischer Journalist in Syrien in Haft. Gibt es denn irgendeinen Austausch von Informationen, eine koordinierte Aktion zwischen den USA und Deutschland? Das sind ja vergleichbare Fälle.

Peschke: Eine so spezifische Kooperation kann ich Ihnen nicht bestätigen. Es ist ja so, dass leider immer wieder Journalisten in Syrien Ziele von Festsetzungen, Inhaftierungen, Festhaltungen und auch von Angriffen und Verletzungen werden. Das ist leider ein Umstand, mit dem wir umgehen müssen. Es gab ja auch in der Öffentlichkeit beleuchtete, sehr bedauerliche und besorgniserregende Fälle. Insofern schauen wir uns natürlich immer alle Fälle an und versuchen, das auch in unsere Bemühungen einfließen zu lassen. Das ist der eine Aspekt. Insofern hat es auch keinen Sinn, jetzt zwei Fälle herauszusuchen und zu schauen, ob es diesbezüglich eine besondere Kooperation gibt, weil ja immer wieder Journalisten aus ganz verschiedenen Ländern Ziele von Festsetzungen werden. Das ist das eine.

Zum anderen versuchen wir natürlich die ganze Zeit über, mit unseren engsten Partnern und Bündnispartnern einen Informationsaustausch über die Lage in Syrien zu haben. Das läuft natürlich. Aber das hat jetzt keinen konkreten Bezug. Diesem Fall gehen wir jetzt konsularisch nach und versuchen, ihn auf der Grundlage der Informationen, die wir über diesen Fall haben, zu behandeln und auch zu einer Lösung zu bringen.

Frage: Ich habe eine kurze Frage zur Reise der Kanzlerin zum Papst: Gibt es Pläne, mit dem emeritierten Papst Benedikt zusammenzutreffen? Ist das möglich?

SRS Streiter: Nein. Ich hatte Ihnen ja den vorgesehenen Ablauf geschildert. Das ist nicht vorgesehen.

Zusatzfrage: Aber ist es noch nicht ganz ausgeschlossen, dass das passieren könnte?

SRS Streiter: Nach dem, was ich hier vorliegen habe, ist das ausgeschlossen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Berufsbildungsbericht an das Bildungsministerium. Darin steht ja unter anderem, dass die Einstiegsqualifikation, die man einmal sehr gelobt hat, kaum noch gefragt ist. Was für Schlussfolgerungen zieht man denn bei Ihnen daraus?

Fels: Meinen Sie Maßnahmen, um zum Beispiel Ausbildungsinteressierte im Rahmen von betrieblichen Praktika etc. oder im sogenannten Übergangsbereich - - -

Zusatz: Ich meine diese einjährige Schlummerphase.

Fels: Sie haben ja vielleicht unserer Pressemitteilung entnehmen können, dass wir besonders im Übergangsbereich starke Rückgänge zu verzeichnen haben. Der konnte um 18.190 Plätze auf 266.700 Plätze reduziert werden, was einem Rückgang um 6,4 Prozent entspricht. Der Hintergrund ist natürlich auch der, dass durch die Tatsache, dass immer mehr Schulabgänger an die Universitäten streben, die Chancen für weniger gut qualifizierte Interessenten oder Ausbildungsbewerber steigen. Dieser Rückgang im Übergangsbereich ist eben auch ein Indiz dafür, dass die Chancen für weniger gut qualifizierte Jugendliche, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, tendenziell steigen. Das sehen Sie auch in der zurückgehenden Zahl der Altbewerber.

Frage: Gibt es denn Überlegungen dazu - die Kritik, dass gerade schulische Übergangsmaßnahmen den Jugendlichen gar nichts bringen, wird ja groß -, dass man vielleicht betriebliche Übergangsmaßnahmen schafft?

Fels: Sie wissen vielleicht, dass bei der letzten Sitzung der Ausbildungspakt-Partner der Konsens war, dass man den betrieblichen Einstiegsqualifizierungen den Vorzug geben will, weil die Wahrscheinlichkeit, dass eine betriebliche Einstiegsqualifizierungen tatsächlich in einer Ausbildungsstelle mündet, einfach deutlich höher als bei den anderen Maßnahmen ist. Die Priorität liegt dabei also eindeutig darauf, betriebliche Einstiegsqualifizierungen zu bevorzugen. Dabei gibt es noch einen gewissen Optimierungsbedarf, aber eigentlich sind sich alle einig, dass man diesen Weg verstärkt gehen will.

Zusatzfrage: Wie ist das hinsichtlich der Qualifikation von Studienabbrechern? Gibt es jetzt auch die Überlegung, dass man vielleicht deren Qualifikation besser einordnen kann, wenn die sich entscheiden, eine Ausbildung zu machen?

Fels: Ganz genau! Es geht der Ministerin eben insbesondere auch darum, das Potenzial der Studienabbrecher für den Ausbildungsmarkt systematischer als bisher zu erschließen. Deswegen streben wir eben an, dass man im Grunde genommen die Qualifikationen, die Studenten während ihres Studiums erworben haben, auf bestimmte Inhalte anerkennen lassen kann, die man während einer Ausbildung erbringen muss, um dadurch zum Beispiel die Ausbildungszeit zu verkürzen und schneller zu Abschluss zu kommen. Das ist sicherlich ein wichtiger Punkt, den umzusetzen wir jetzt anstreben.

Zusatzfrage: Aber gibt es noch keine Überlegungen dazu, wann das angegangen wird? Gibt es Pilotprojekte?

Fels: Nein. Wir planen das, aber konkrete Pilotprojekte kann ich an dieser Stelle heute noch nicht vermelden.

Frage: An den Regierungssprecher und vielleicht auch an den Sprecher des Wirtschaftsministeriums: Der Metallbereich ist ja kein ganz unwichtiger Bereich in der deutschen Wirtschaft. Wir haben einen Tarifabschluss bekommen. Hat die Bundesregierung dazu eine Meinung? Wie bewertet sie diesen Abschluss, auch im Hinblick auf konjunkturelle Auswirkungen?

SRS Streiter: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Wir haben hier ja auch die Tarifautonomie. Ich glaube, es steht mir nicht an, das hier zu bewerten.

Zuruf: Das ist enttäuschend.

SRS Streiter: Für Sie!

Frage: Frau Kothé, morgen werden Bund-Länder-Gespräche in Sachen Fiskalpakt stattfinden. Mit welchen Positionen und mit welcher Erwartung geht denn die Bundesregierung in diese Gespräche?

Kothé: Vielleicht konkretisieren Sie Ihre Frage. Welche Gespräche meinen Sie?

Zusatz: Es geht um die Verabschiedung des Fiskalpakts. Die Bundesländer haben ja - ich glaube, im März - Nein gesagt, und morgen werden, glaube ich, Gespräche darüber stattfinden, wie man die Kuh vom Eis kriegt.

Kothé: Mir ist nichts bekannt. Es wurde heute in der Presse von einer Runde im Kanzleramt berichtet. Es gibt Arbeitsgruppen zu diesem Thema. Deswegen habe ich eben nachgefragt. Aber auf politischer Ebene werden morgen keine Gespräche mit unserer Beteiligung stattfinden.

SRS Streiter: Das kann ich nur ergänzen und sagen, dass dieses Gesetz morgen nicht auf der Tagesordnung stehen wird.

Frage: Ich habe ein paar Fragen, schätzungsweise an das Wirtschaftsministerium und das Arbeitsministerium, und zwar zum Einsturz der Textilfabrik in Bangladesch. Ich würde gerne wissen, ob die Bundesregierung in den vergangenen Wochen mit den betroffenen deutschen Unternehmen, die dort offensichtlich haben produzieren lassen - also unter anderem KiK -, gesprochen und versucht hat, in irgendeiner Weise Einfluss auf das Verhalten dieser Unternehmen in der Produktionskette zu nehmen, und ob die Bundesregierung plant, vor dem Hintergrund dieser ja doch schweren Menschenrechtsverletzung, an der deutsche Unternehmen offensichtlich beteiligt sind beziehungsweise für die sie die Verantwortung tragen, Gesetzesänderungen vorzunehmen, um dies in Zukunft unmöglich zu machen.

Westhoff: Hätte ich gewusst, dass Sie diese Frage hier noch einmal stellen, dann hätte ich die Antwort, die wir Ihnen dazu ja schon einmal geschickt haben, noch einmal mitgebracht. Ich habe sie jetzt leider nicht dabei und auch nicht komplett im Kopf. Wir hatten Ihnen darauf geantwortet, und wir können die dezidierten, differenzierten und ausführlichen Antworten, die wir Ihnen dazu gestern haben zukommen lassen, gerne noch einmal allen zur Verfügung stellen.

Natürlich liegt es auch in der Hand der Verbraucher, sich zu entscheiden, wo sie was zu welchem Preis einkaufen zu müssen meinen. Das ist der erste Punkt. Der zweite Punkt ist: Es ist natürlich so, dass das Durchgriffsrecht der deutschen Regierung nicht direkt bis nach Bangladesch reicht und die dortigen Verhältnisse natürlich nicht direkt steuerbar und feinjustierbar sind. Ansonsten gibt es, was die deutschen Unternehmen betrifft, den ganzen CSR-Prozess, den Sie kennen, die Verpflichtung dazu, sich verantwortungsvoll und nachhaltig zu verhalten und die Geschäftspraktiken entsprechend auszurichten. Dieser Prozess ist in der Vergangenheit ziemlich erfolgreich gewesen. Es geht dabei allerdings auch sehr stark um die Eigenverantwortung der Unternehmen und weniger stark um eine politisch mögliche Regulierung. Die Grenzen, die gesetzt werden, sind dabei sicherlich zu beachten.

Wie gesagt: Ich stelle der Bundespressekonferenz die ganze ausführliche Antwort gerne noch einmal zur Verfügung, sodass sie sie weiterleiten kann.

Vors. Detjen: Da die Frage jetzt hier aufgeworfen worden ist, ist das gut. Wir geben das gerne über die Bundespressekonferenz weiter.

Toschev: Ich kann eigentlich nur bekräftigen, was der Kollege gerade gesagt hat. Das Ziel, faire und sichere Arbeitsbedingungen zu schaffen, wird natürlich geteilt. In einer globalisierten Welt braucht es Verantwortung bei den Unternehmen, sich dieser Sache anzunehmen.

Der Kollege hat gerade schon darauf hingewiesen, dass das Verbraucherverhalten eine wesentliche Rolle spielt und dass es die Bundesregierung begrüßt, dass es Initiativen gibt. Es gab auch Berichterstattung über Brandschutzinitiativen auf Unternehmensseite. Das begrüßen wir.

Zusatzfrage: Ich hatte die Frage noch einmal so gestellt, obwohl ich gestern die Antwort von Ihnen bekommen habe, weil meine Fragen, die ich gestern schriftlich eingereicht hatte, nicht beantworten worden sind - jedenfalls nicht in dieser konkreten Art und Weise. Plant die Bundesregierung Gesetzesveränderungen? Über welche Gesetzesveränderungen denkt sie möglicherweise nach? Das sind meine Fragen. Dass freiwillige Maßnahmen usw. unterstützt werden, ist mir klar. Darüber hinaus gibt es aber offenbar keine Initiativen und Planungen der Regierung, irgendetwas im regulatorischen Rahmen zu tun, um solche schweren Menschenrechtsverletzungen unmöglich zu machen.

Westhoff: Die Antworten auf Ihre Fragen sollten durchaus zum Ausdruck bringen - und haben das auch getan -, dass es keinen gesetzgeberischen Ansatzpunkt direkter Art gibt. Es gibt den CSR-Prozess. Auf EU-Ebene wird im Moment darüber diskutiert, ob und inwiefern man es verpflichtend machen kann - Stichwort Berichtspflichten -, sich dazu zu verhalten, welche Verhältnisse bei Zulieferbetrieben herrschen.

Ich hatte versucht, deutlich zu machen - wir hatten das auch in den Antworten getan -, dass ein direkter gesetzlicher Angriffspunkt gar nicht existiert. Wir können nicht ein spezifisches Unternehmen dazu verpflichten, auf Zulieferbetriebe so einzuwirken, dass das nie und nimmer wieder vorkommen wird. Ich habe versucht deutlich zu machen - ich glaube, es ist auch deutlich geworden -, dass es diesen gesetzgeberischen Ansatzpunkt direkter Art nicht gibt.

Zusatzfrage: Im deutschen Gesetz gibt es den Begriff "Sorgfaltspflicht" für Unternehmen. Diesen Begriff könnte man in dem Sinne ausdehnen, dass er auch für die Zulieferkette und die Zustände in der Zulieferkette gilt. Das wäre eine relativ einfache gesetzgeberische Maßnahme, die durchaus möglich wäre, die dann die Folge hätte, dass beispielsweise Arbeiterinnen und Arbeiter aus Bangladesch hier vor deutschen Gerichten klagen könnten. So etwas ist also nicht geplant? Darüber wird auch nicht nachgedacht?

Westhoff: Wir bewegen uns nach meinem Verständnis jetzt zu sehr in Richtung einer fachjuristischen Debatte. Diese kann ich von hier aus mit Ihnen leider nicht führen. Das tut mir leid.

Ich habe versucht, deutlich zu machen, dass die Bundesregierung sehr an der guten Gestaltung von Arbeitsbedingungen auch in Zulieferbetrieben interessiert ist, dass aber die Hand sozusagen nicht bis nach Bangladesch und nicht bis in diese Fabriken reicht. Ob und inwiefern Anknüpfungspunkte im deutschen Recht, die Sie jetzt mit dem Begriff "Sorgfaltspflicht" umschreiben, tatsächlich ein geeigneter Ansatzpunkt wären, um Klagerechte von Arbeiterinnen und Arbeitern aus Bangladesch hier in Deutschland zu installieren oder institutionalisieren, kann ich jetzt hier mit Ihnen nicht diskutieren. Das müssten wir tatsächlich unter Einschluss des Justizministeriums diskutieren. Aber ich glaube, akut wird dazu nicht viel mehr als das, was ich jetzt angedeutet habe, von hier aus beizutragen sein.

Vors. Detjen: Möchte das Justizministerium dazu etwas sagen?

Zimmermann: Ich kann dazu spontan und aus dem Stegreif auch nichts näher ausführen. Das, was der Kollege gesagt hat, trifft zu. Hier an dieser Stelle kann ich dazu leider nichts sagen.

Frage: Herr Streiter, dann frage ich Sie. Die Kanzlerin hat am Dienstag beim Rat für Nachhaltige Entwicklung genau dieses Thema Bangladesch angesprochen. Sie hat gesagt, dort müsse schnellstmöglich etwas passieren. Wenn ich das so mitnehme, dann höre ich eher, dass im Moment eigentlich gar nichts passiert, weil man nichts machen kann. Ist es zum Beispiel heute Thema im Kabinett gewesen? Passiert dort irgendetwas? Oder fallen die Worte der Kanzlerin einfach ungehört?

SRS Streiter: Nein, die Worte der Kanzlerin fallen nicht ungehört. Ich habe den Wortlaut nicht im Kopf, den sie dazu gesagt hat. Wenn ich mich recht entsinne, hat sie gesagt, sie wünsche sich, dass man, wenn man es kauft, irgendwie erkennen kann, wo es hergestellt ist und dass man dann eine Entscheidung treffen kann. Das war jetzt zunächst einmal eine emotionale Reaktion. Es deckt sich auch mit dem, was der Kollege gesagt hat, dass es natürlich auch sehr entscheidend auf den Verbraucher ankommt - egal, was das für ein Produkt ist. Das gilt auch für den Lebensmittelbereich. Es gibt einfach Preise, die kaum erklärbar sind. Dann muss halt der Verbraucher auch einmal seine Konsequenzen daraus ziehen.

Ich glaube nicht, dass der Ruf der Kanzlerin ungehört verhallt. Man wird sich mit der Sache beschäftigen. Aber Sie können jetzt auch nicht erwarten, dass innerhalb von drei Tagen hier irgendwie - - - Sie haben ja gemerkt, dass das alles auch ein schwieriges Feld ist, auf dem man sich bewegt.

Frage: Hat es denn die Bundesregierung, das Wirtschaftsministerium, vielleicht für nötig gehalten, sich mit der Wirtschaft - beispielswiese mit KiK -, die von diesen Fragen betroffen ist, darüber zu unterhalten, was man da machen kann?

Toschev: Es gibt keinen konkreten Dialog mit der Wirtschaft aus diesem Anlass heraus. Es gibt natürlich die Möglichkeit, nach den OECD-Leitlinien Beschwerden einzulegen. So etwas kann genutzt werden. Es ist aber unsererseits nicht ein entsprechender Dialog angestoßen worden.

Frage: An den Regierungssprecher und vielleicht auch an das Wirtschaftsministerium. Wir hatten heute eine Reihe von konjunkturellen Zahlen, insbesondere aus Deutschland, aber auch aus Frankreich, Italien. Das Gemeinsame war, dass sie alle erheblich schwächer ausfielen, als man es erwartet hat. Meine Frage: Hat die Bundesregierung aufgrund dieser jüngsten Entwicklung Sorge, dass die konjunkturelle Entwicklung womöglich schlechter verläuft, als sie es bisher erwartet hat? Sieht sie möglicherweise einen Grund, ihre Wachstumsprognose in irgendeiner Form zu verändern, wenn nicht nur Deutschland selbst, sondern auch die Nachbarländer tiefer in die Rezession steuern?

SRS Streiter: Ich kann Ihnen dazu nichts sagen.

Toschev: Ich würde dazu etwas ausführen.

Anlass Ihrer Frage sind die heute vorgelegten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum ersten Quartal des Jahres. Diese Zahlen belegen unseres Erachtens nach, dass die Wirtschaftsleistung - wenn auch erst einmal minimal, aber trotzdem - zulegt hat und - das ist das Entscheidende -, dass vor allen Dingen der konjunkturelle Tiefpunkt durchschritten wurde. Ohne die witterungsbedingten Belastungen, die der doch sehr lange Winter mit sich gebracht hat, wäre der Zuwachs der Wirtschaftsleistung vermutlich kräftiger ausgefallen.

Deshalb sind wir der Ansicht, dass wir Grund haben, hier zuversichtlich zu sein - vor allen Dingen auch angesichts der Tatsache, dass der Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust ist und dass sich das auch im Kaufverhalten der Konsumenten widerspiegelt. Nach den Aussagen des Statistischen Bundesamtes legten vor allen Dingen auch die privaten Konsumausgaben im ersten Quartal deutlich zu.

Sie sprachen die schwache Entwicklung im Euroraum an; das ist auch richtig. Davon kann man sich nicht komplett entkoppeln. Auch die Außenhandelstätigkeit verlief etwas gedämpft. Trotzdem lag die Erwartung im ersten Quartal im Rahmen der Erwartungen, die wir in der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung am 25. April zugrunde gelegt haben. Die vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen dabei auch, dass dieser vorsichtige Ansatz, der in der Frühjahrsprojektion gezogen wurde, auch richtig war. Wir gehen davon aus, dass die Wachstumsraten vor allen Dingen im Verlauf dieses Jahres und auch im nächsten Jahr wieder deutlich zunehmen werden.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Paris zum Thema Aufklärungsdrohne "Euro Hawk". Offenbar ist die Beschaffung vom Tisch. Es gibt unterschiedliche Summen, die kursieren. Es ist die Rede von 500 Millionen Euro bis hin zu 1,3 Milliarden Euro. Können Sie mir bitte sagen, wie viel Geld in dieses Projekt geflossen ist?

Daran anschließend eine zweite Frage: Wie konnte es überhaupt so weit kommen, dass offenbar zumindest ganz, ganz viele Millionen in dieses Projekt geflossen sind? Warum hat dort keiner "Stopp" gesagt?

Paris: Das tue ich gerne.

Zu den Zahlen: Wir haben bisher eine Summe ausgegeben, die sich im Bereich von rund 562 Millionen Euro bewegt. Davon entfallen rund 54 Millionen Euro auf sogenannte Kosten, die wir bei vergleichbaren Projekten aufwenden müssen, die der Industrie gezahlt werden, damit bestimmte Tests, Demonstrationen und ähnliche Dinge mit solchen Geräten, die ja sehr kompliziert sind, gemacht werden.

Das heißt, wenn Sie auf den "Euro Hawk" an sich blicken, spreche ich von einem Betrag von rund 508 Millionen Euro. Das ist sozusagen das Flugzeug, die Plattform, das, was Sie immer im Fernsehen sehen können. Das ist zu einem anderen Teil das, was Sie im Fernsehen nicht sehen können, nämlich das, was sich in dem Flugzeug verbirgt, nämlich die Sensortechnik.

Die Hälfte von diesen 508 Millionen Euro kostet ungefähr das Flugzeug. Die andere Hälfte von diesen 508 Millionen Euro kostet das Innenleben, diese Technik des Flugzeugs. Wir haben im Jahr 2007 einen entsprechenden Vertrag mit dem Hersteller des Flugzeugs wie auch mit dem Hersteller des Innenlebens abgeschlossen. Das Gerät ist insgesamt als Testgerät, als sogenannter "Full Scale Demonstrator", im Jahre 2011 geliefert worden. Insofern sind wir hier vertraglich gebunden gewesen. Deshalb sind diese Mittel auch geflossen.

Wir haben jetzt die Reißlinie in dem Sinne ziehen müssen, dass wir davon Abstand nehmen, nicht weitere "Euro Hawks" zu kaufen. Es war geplant, vier weitere zu kaufen - aber natürlich unter der Voraussetzung, dass der Demonstrator, das Experimentiergerät, auch wirklich funktioniert. Wir haben festgestellt, dass das nicht so ist - wir haben das in Bezug auf das Fluggerät festgestellt, also in Bezug auf das, was Sie im Fernsehen sehen können, also den Flugvogel -, weil aufgrund von erheblichen Zulassungsschwierigkeiten ein wirklich zuverlässiger Gebrauch dieses Geräts in der Zukunft nicht möglich sein wird.

Das heißt, diese rund 250 Millionen Euro für das Fluggerät sind vergebens, ziemlich vergebens. Das, was aber dadrinsteckt - das ist mir wichtig -, also diese 250 Millionen Euro, die für das Sensorensystem investiert worden sind, ist nicht verloren. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt noch bis Ende September die letzten Tests durchführen, damit wir diese Aufklärungstechnik auch weiter nutzen können - voraussichtlich unter einer bemannten Plattform, also Flugzeug mit Pilot, und künftig vielleicht auf einer anderen Plattform, wo unbemannt geflogen wird, aber wir diese Schwierigkeiten der Zulassung dieses Fluggeräts überwunden haben.

Das heißt unter dem Strich: Geflossen sind Mittel von rund 560 Millionen Euro, davon vergeblich investiert rund 250 Millionen Euro. Das andere Geld ist ausgegeben, aber es ist nicht verloren, weil wir dadurch einen hohen Wert erzielt haben.

Das, was wir nicht ausgegeben haben - es ist mir wichtig, das noch einmal zu betonen - sind diese 500 Millionen Euro, die zum Kauf der vier weiteren "Euro Hawks" eingeplant waren, wenn es also so gewesen wäre, dass das ganze Ding auch in die Lüfte hätte aufsteigen können, um seine Arbeit zu tun.

Die Fragen wie "Wo ist jetzt eigentlich die Ursache?", "Warum hat man das nicht früher erkennen können?", "Was ist da eigentlich passiert?", kann ich letztendlich nur so beantworten, ohne dem Verteidigungsausschuss, dessen Sitzung, glaube ich, gerade erst zu Ende gegangen ist, vorzugreifen: Ich habe Ihnen gesagt, dass wir 2007 diesen Vertrag geschlossen haben. Die Firma, die diesen "Euro Hawk" herstellt, ist eine amerikanische Firma. Das ist im Übrigen dieselbe Firma, die auch den sogenannten "Global Hawk" herstellt. So, wie der Vertrag angelegt war, sah es auch sehr danach aus, dass insbesondere eine Vielzahl von Informationspflichten mit dem Ziel der Zulassung dieses Fluggeräts für den deutschen wie auch den europäischen Luftraum zur Verfügung gestellt werden.

Als dann dieser "Full Scale Demonstrator", also der "Euro Hawk", wie Sie ihn jetzt im Fernsehen sehen können, 2011 geliefert worden ist, stellte man in den Erprobungen fest, dass es durchaus Probleme im Bereich der Steuerungseinheit gibt. Wir haben festgestellt, dass wir so einen intensiven Zugriff auf technische Details des Fluggeräts, wie es wünschenswert gewesen wäre, nicht bekommen haben. Es war auch so, dass mit den Amerikanern diese Testflüge sehr intensiv abgestimmt werden mussten, weil sozusagen die Steuerungseinheit auch unter amerikanischer Aufsicht verbleibt.

Nach alldem und weil quasi die Amerikaner uns nicht wirklich viel Einblick in das Innenleben dieses Flugzeugs haben geben können und insbesondere daraus resultierend keine Papierlage erzeugt wurde, wo man bei der hiesigen Zulassung den berühmten deutschen Stempel bekommt, der besagt "Ich traue nicht nur Ihren blauen Augen, was Sie mir erzählen, sondern ich brauche das, was da wirklich drin ist" - das sind diese Dinge, die zum Beispiel den Zusammenprall mit anderen Flugzeugen verhindern können -, konnte das nicht wirklich so dokumentiert werden, wie es für die hiesigen Zulassungsfragen wünschenswert gewesen wäre.

Das hat auch nicht nur den Grund, dass die Amerikaner irgendwie böswillig gewesen sind, sondern das hat vielmehr den Grund, dass es sich um ein Testflugzeug handelt. Bei jedem Flugzeug, auch wenn es aus der gleichen Reihe kommt - deshalb erwähnte ich eben den "Global Hawk" -, ist es nicht so, dass das eine wie das andere ist. Es ist keine Kettenlieferung wie bei einem VW Golf oder Ähnliches, sondern jedes Fluggerät ist unterschiedlich, sodass man auch die Zulassungskriterien, die man für den "Global Hawk" anwenden konnte, nicht einfach eins zu eins auf den "Euro Hawk" übertragen konnte.

Das haben wir von Ende 2011 bis letztendlich Anfang des Jahres durchprobiert. Wir haben probiert, auch andere Wege zu finden, um vielleicht doch noch zu einer Zulassung zu kommen, dass das dann in unserem Sinne wirklich zuverlässig und bedenkenfrei geflogen werden kann. Das ist nicht gelungen. Diese Wege haben wir verfolgt. Wenn wir einen Weg gewählt hätten, der nur möglicherweise dazu geführt hätte, dass wir die Zulassung bekommen, hätte das noch einmal 500 bis 600 Millionen Euro gekostet. Weil wir erstens das Geld überhaupt nicht eingeplant hatten und weil uns das zweitens ein bisschen sehr teuer war, haben wir davon Abstand genommen, die Reißleine gezogen und gesagt: Damit hat sich dieses Projekt zunächst einmal mit dieser Trägerplattform - das ist mir wichtig - erledigt.

Dieses "Juwel", das da drin ist, mit dem man sehr schön gucken und schauen kann, behalten wir. Unter dem Strich liegt der Verlust dann bei rund 250 Millionen Euro. Investitionskosten von weiteren 250 Millionen Euro können wir weiter verwenden. Nicht ausgegeben haben wir 500 Millionen Euro, die dafür anstanden. Insbesondere haben wir uns nicht einmal im Ansatz dahin gewagt, weiteres Geld in der Höhe in die Hand zu nehmen.

Kurzum und in schlichter deutscher Sprache: Die Entscheidung ist deshalb zu treffen, weil wir zum Teil schlechtem Geld nicht auch noch gutes hinterherwerfen wollten.

Frage: Herr Paris, was ist denn der ganz große Unterschied zwischen einem "Euro Hawk" und einem "Global Hawk"? Sie sagten, im Grunde sei das die gleiche Baureihe. Können Sie einem technischen Laien wie mir - ich nehme an, ich bin da nicht so ganz alleine - in einem klaren Satz sagen, warum der Unterschied zu einem "Global Hawk" so groß ist, dass Sie befürchteten, die Zulassung für einen "Euro Hawk" nicht zu bekommen?

Paris: Da fragen Sie auch einen nicht ausgewiesenen technischen Experten - ich bin Jurist, wie Sie wissen. Trotzdem bemühe ich mich, Ihre Frage zu beantworten.

Der "Global Hawk" ist ein bisschen älter. Er hat ein ziemlich ähnliches Aussehen, aber letztendlich hat er viele Komponenten, die Sie im "Euro Hawk" nicht mehr finden oder verändert finden, angepasst finden. Ich habe Ihnen eben deshalb gesagt - um bei dem Automobilbeispiel zu bleiben -: Wenn Sie beim Auto ein fortentwickeltes Modell haben, dann sieht das erst einmal ziemlich ähnlich aus; es sind zwar andere Dinge darin, der Unterschied ist aber von seiner Komplexität her nicht so groß. Auch der "Euro Hawk" sieht auf den ersten Blick ähnlich aus. Wenn Sie aber allein die Abmessungen sehen, stellen Sie fest: Der "Euro Hawk" ist deutlich größer. Der "Euro Hawk" hat außerdem ein anderes Triebwerk, und letztendlich sind die Steuerungseinheiten aufgrund der Unterschiede - höhere Spannweite und auch ein anderes Triebwerk - völlig anders. Das ist also mit einem normalen technischen Gegenstand, mit dem wir es täglich zu tun haben, nicht zu vergleichen, sondern wir sind da schon in Sphären, die durchaus komplizierter sind.

Ich habe mich jetzt bemüht, Ihnen das so schlicht und einfach wie möglich zu beantworten. Ansonsten müssten wir, glaube ich, in eine Seminarreihe gehen, wo ich dann auch nicht mehr sitzen würde. Der Vogel ist letztendlich also größer und er ist anders angetrieben, schneller. Und weil das bei einem Flugzeug schon erhebliche Auswirkungen sind, ist die Steuerungseinheit auch eine völlig andere. Insofern können Sie das, was beim "Global Hawk" festgestellt worden ist, nicht einfach nehmen und sagen: Das sieht ziemlich ähnlich aus, machen Sie doch bitte als Prüfer auch da einen Stempel drauf. Da ist insbesondere aufgrund der Bewegung in der Luft eine natürliche Grenze gesetzt.

Zusatzfrage Als technische Laien sitzen wir wohl mehr oder weniger im gleichen Flugzeug oder im gleichen Boot.

Hat die Absage - oder das Ziehen der Reißleine, wie Sie es formuliert haben - eventuell etwas damit zu tun, dass man erkannt hat, dass der Einsatz von Drohnen, wenn sie vorhanden wären, für die Bundeswehr auch politisch-moralisch eventuell überhaupt nicht akzeptiert und politisch nicht genehmigt worden wäre? War das möglicherweise auch ein Grund, jetzt die Reißleine zu ziehen?

Paris: Nein - ein ganz klares Nein, in Großbuchstaben, mit drei Ausrufezeichen und fünfmal unterstrichen. Ganz klares Nein, überhaupt nicht. Ich kann meine Antwort auch noch erläutern.

Wir sind nach wie vor daran interessiert, diese Fähigkeit zu haben. Es ist ja nicht so, dass wir sagen: "Naja, das ist nun einmal so, wir verzichten darauf." Wir werden diesem Thema vielmehr weiter, auch in Zukunft, sehr treu bleiben. Deshalb sagte ich ja: Die Technik die darin steckt, die Sensortechnik, ist für uns wertvoll. Wir gehen in der Prüfung jetzt auch in beide Richtungen: Es geht sowohl darum, die Sensorik unter einem bemannten Flugzeug - worüber wir ja durchaus verfügen - zu haben, wie auch darum, sie unter einem anderen unbemannten Flugzeug zu haben. Das heißt, wir sind weiter an der Drohnenbeschaffung interessiert, was Aufklärungsdrohnen anbelangt. Wir sind aber auch weiter in der Prüfung, dass wir bewaffnungsfähige Drohnen anschaffen möchten.

Jetzt kommen wir aber zu einem ganz entscheidenden Punkt: Aufgrund dieses "Euro Hawk"-Verfahrens und aufgrund dessen, was wir in diesem Verfahren gelernt haben - nämlich wie schwierig es ist, wenn man ein Produkt im Ausland kauft und der Verkäufer einem nicht wirklich zu allen Details, die darin stecken, Auskunft geben kann -, müssen wir uns auch für eine mögliche Beschaffung bewaffnungsfähiger Drohnen genau diese Gedanken machen. Denn wir haben ja ein essenzielles Interesse daran, dass solche Geräte, wenn wir sie dann einmal haben, auch fliegen und nicht ein ähnliches Schicksal erleiden wie der "Euro Hawk". Das ist eine große Kernfrage, mit der wir uns jetzt befassen müssen. Es ist aber nicht so, dass das in irgendeiner Weise für diese Entscheidung ausschlaggebend gewesen wäre. Diese Entscheidung ist rein aufgrund der Tatsache getroffen worden, dass hier ein Ende eines Projektes anstand und eher nach der Devise verfahren worden ist: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Zusatzfrage: Die politische Dimension - ob die Frage positiv beantwortet werden wird oder nicht - spielt für Sie also weiterhin keine Rolle?

Paris: Wir führen weiter die politische Diskussion über die Frage der Anschaffung von bewaffnungsfähigen Drohnen. Wir haben sie ja selbst initiiert und wir haben großes Interesse daran, dass diese Diskussion in all ihren Facetten, sei es ethisch, sei es rechtlich, sei es technisch - quod erat demonstrandum - geführt wird und wir das sehr intensiv begleiten und weiter vorantreiben. Dass die Ereignisse um die Einstellung von "Euro Hawk" auf diese Diskussionen einen Einfluss haben beziehungsweise dass die politische Diskussion einen Einfluss auf die Entscheidung hatte, ist aber nicht der Fall. Nur, das Diskussionsfeld erweitert sich quasi noch einmal deutlich, da man auch diese technischen und zulassungsrechtlichen Komponenten sehr intensiv prüfen und sehr intensiv diskutieren muss - das ist völlig klar.

Frage: Herr Paris, gibt es eine Möglichkeit, von den genannten 250 Millionen Euro noch irgendwas zurückzubekommen, zum Beispiel im Rahmen von Schadenersatz?

Zweite Frage: Wenn es jetzt Probleme mit der Zulassung gab, folgt daraus dann, dass auch die Beschaffung von "Reaper"-Drohnen vom Tisch ist? Denn ich glaube, da gibt es das gleiche Problem, dass die zwar liefern können, aber eben auch ohne Papiere, weshalb eine Zulassung in Deutschland ebenfalls nicht möglich sein könnte.

Paris: Zu Ihrer ersten Frage: Das kann ich im Moment nicht beantworten. Natürlich schauen unsere Juristen, was man da jetzt noch rausholen kann, das ist klar.

Die zweite Frage meinte ich gerade eigentlich beantwortet zu haben: Nach wie vor diskutieren wir, planen wir, beabsichtigen wir - ohne bisher eine Entscheidung im Konkreten getroffen zu haben -, Drohnen - auch bewaffnungsfähige Drohnen - zu beschaffen. Der Anbietermarkt weltweit ist sehr klein: Amerika, Israel. Wenn wir jetzt gelernt haben, dass wir, wenn wir in Amerika solche Dinge kaufen, Schwierigkeiten bekommen können - vielleicht auch bei dem "Predator", den Sie nennen -, sie hier zugelassen zu bekommen, dann müssen wir uns jetzt sehr intensiv mit der Frage beschäftigen: Was müssen wir tun, um diese Schwierigkeiten nicht mehr zu haben? Da muss sich vielleicht der Anbieter auch einmal etwas bewegen; denn es gibt ja auch immer ein Interesse eines Anbieters, etwas zu verkaufen. Dieser Frage gehen wir intensiv nach. Diese Frage ist aber essenzieller Bestandteil einer überhaupt noch zu treffenden Entscheidung.

Ist das jetzt klar geworden? - Wir haben uns also nicht von "Predatoren" verabschiedet, wir haben aber auch noch keine Entscheidung diesbezüglich getroffen. Wir wissen jetzt vielmehr, dass diese Frage - neben vielen anderen Fragen - mehr als intensiv beleuchtet werden muss.

Zusatzfrage: Herr Peschke, weil Ihr Minister sich kürzlich in der "WELT" ziemlich ausführlich zu diesem Thema geäußert hat, möchte ich fragen: Gibt es eigentlich, was die politisch-ethische Debatte angeht, einen aktiven Austausch zwischen Ihren beiden Häusern, also zwischen Außenamt und Verteidigungsministerium? Das würde sich ja eigentlich anbieten.

Peschke: Einen solchen Austausch gibt es sowohl zwischen den Häusern als auch zwischen den Ministern. Die Minister sind sich einig, dass diese Diskussion breit geführt werden muss.

Zusatzfrage: Findet das schon auf Arbeitskreisebene statt oder sind das bis jetzt Gespräche am Tisch?

Peschke: Zu weiteren Details kann ich jetzt nicht Stellung nehmen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass auch die beiden Minister - das kann Herr Paris sicherlich bestätigen - zu diesem Thema in engem Kontakt stehen.

Paris: So ist es.

Frage: Noch eine Frage an die Bundesregierung in ihrer Eigenschaft als Großaktionär bei der Commerzbank: Macht sich die Bundesregierung Sorgen um dieses Institut, das ja für das deutsche Finanzwesen nicht ganz unwichtig ist? Hat dessen Vorstandschef noch das Vertrauen des Großaktionärs Bundesrepublik Deutschland?

SRS Streiter: Auch das würde ich gerne an das zuständige Ressort abgeben.

Kothé: Zu Ihrer zweiten Frage: Personalspekulationen der Medien kommentieren wir grundsätzlich nicht - das verhält sich so ähnlich wie mit der Tarifautonomie.

Zu Ihrer ersten Frage: Ich glaube, wir haben an dieser Stelle schon einmal gesagt, dass wir die Kapitalerhöhung, die jetzt von der Commerzbank vollzogen wird, grundsätzlich begrüßen. Wir haben vereinbart, dass die stille Einlage, die es noch gab, an den SoFFin zurückgeführt wird. Wir werden uns an der jetzt angekündigten Kapitalerhöhung auch beteiligen. Insgesamt werden wir - auch das ist vielleicht wichtig - nach Rückzahlung der stillen Einlage und Durchführung der Kapitalerhöhung - wenn wir die Bezugsrechte ausgeübt haben usw. - noch einen Kapitalanteil von 17 Prozent an der Commerzbank haben. Wir haben Sie auch schon öfter darauf hingewiesen, dass wir es aus grundsätzlichen ordnungspolitischen Erwägungen für wichtig halten, dass wir den Anteil an der Commerzbank sukzessive verringern, dies aber marktschonend tun wollen.

Beyer-Pollok: Weil aus Ihrem Kreise häufig die Frage an das Innenministerium kommt "Was macht denn euer Neubau?", zum Schluss vielleicht noch ganz kurz eine Information oder vielmehr eine Einladung, die wir vorhin auch als Terminhinweis herausgegeben haben: Wir laden Sie gerne ein, am Richtfest des Neubaus des Bundesinnenministeriums am kommenden Mittwoch, dem 22. Mai, teilzunehmen. Anwesend sind neben unserem Minister, Herrn Hans-Peter Friedrich, auch Vertreter des Bau- und Verkehrsministeriums, des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung sowie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 15. Mai 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/05/2013-05-15-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Mai 2013