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PRESSEKONFERENZ/655: Regierungspressekonferenz vom 30. August 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 30. August 2013
Regierungspressekonferenz vom 30. August 2013

Themen: Termine der Bundeskanzlerin der nächsten Woche (Plenarsitzung des Deutschen Bundestags, St. Michael-Jahresempfang des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Kabinettssitzung, G20-Gipfel in Sankt Petersburg), möglicher militärischer Einsatz gegen das syrische Regime, Arbeitszeitregelungen im BMAS, Darlehen für die Entwicklung des neuen Langstreckenflugzeugs Airbus A350, Statistiken über die Zahl der Opfer rechtsextremistischer Gewalt, Streik in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung, Überschuss in der gesetzlichen Krankenversicherung, Privatisierungsmaßnahmen in Griechenland

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Schwartz (BMWi), Schwartz (BMWi), Westhoff (BMAS), Strater (BMVBS), Albrecht (BMG), Kothé (BMF)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren. Ein kurzer Ausblick auf die öffentlichen Termine:

Am Montag ist die Kanzlerin um 16 Uhr im Plenum des Deutschen Bundestages.

Anschließend, um 19 Uhr, nimmt sie hier in Berlin, in der Katholischen Akademie, am St. Michael-Jahresempfang des Kommissariats der deutschen Bischöfe teil. Das ist der jährlich in Berlin gegebene Empfang der Katholischen Kirche für die Vertreter des öffentlichen Lebens.

Auch am Dienstag, dem 3. September, ist die Bundeskanzlerin um 9 Uhr im Deutschen Bundestag. Auf der Tagesordnung steht eine Debatte zur Situation in Deutschland.

Am Mittwoch, 9.30 Uhr, der bekannte Termin "Kabinett".

Am Donnerstag und Freitag nimmt die Kanzlerin am G20-Gipfel in Sankt Petersburg teil. Er findet, wie schon der G8-Gipfel 2006, etwas außerhalb, vor den Toren der Stadt, im Konstantinowski-Palast, statt. Es ist der achte Gipfel der G20 auf der Ebene der Staats- und Regierungschefs und auch der achte, an dem die Bundeskanzlerin teilnimmt. Die Konferenz beginnt am Donnerstag um 15 Uhr Ortszeit, nach deutscher Zeit also um 17 Uhr, und sie endet am Freitag gegen 16 Uhr, also um 18 Uhr deutscher Zeit.

Auf der Agenda des G20-Gipfels stehen Themen rund um die Förderung eines starken, nachhaltigen und ausgewogenen Wachstums der Weltwirtschaft. Es wird in vier Arbeitssitzungen um verschiedene Aspekte dieses Themas gehen: Bekämpfung der Steuerflucht, Regulierung der Finanzmärkte, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Außerdem wir die Bundeskanzlerin, wie bei solchen Gipfeln üblich, am Rande zu bilateralen Gesprächen mit einzelnen Staatschefs zusammenkommen. Geplant sind Gespräche mit dem chinesischen Staatspräsidenten Xi, mit der koreanischen Präsidentin, Frau Park, mit dem türkischen Ministerpräsidenten Erdond mit UN-Generalsekretär Ban.

Ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, dass wir das ursprünglich für heute vorgesehene Briefing zum G20-Gipfel aus terminlichen Gründen abgesagt haben. Wir werden es selbstverständlich in der kommenden Woche nachholen und Ihnen auch so schnell wie möglich über den neuen Termin Bescheid geben.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundesregierung die Auffassung des britischen Parlaments, dass es jetzt nicht zu einem militärischen Einsatz der Weltgemeinschaft gegen das syrische Regime kommen sollte?

StS Seibert: Sie werden verstehen, dass ich Entscheidungen des britischen Parlaments hier nicht zu kommentieren habe. Ich sage Ihnen gerne die Haltung der Bundesregierung in diesen Tagen.

Wie Sie an den Telefongesprächen der Bundeskanzlerin in den letzten etwa 36 Stunden, die wir ja auch öffentlich gemacht haben, gesehen haben, berät sich die Kanzlerin intensiv mit unseren Partnern und mit den wichtigen Akteuren. Ebenso steht der Außenminister im ständigen engen Kontakt zu zahlreichen Partnern.

Unsere Überzeugung bleibt: Ein solch grausamer Chemiewaffeneinsatz gegen Hunderte von Männern, Frauen und Kinder ist ein Verbrechen und ist ein Verstoß gegen internationale Normen, der nicht ohne Konsequenzen bleiben darf. Dazu muss nach unserer festen Überzeugung die internationale Staatengemeinschaft eine klare Haltung einnehmen. Wir unterstützen daher, dass der UN-Sicherheitsrat mit dieser sehr ernsten Lage befasst ist. Wir hoffen, dass das Gremium nun auch seiner Verantwortung gerecht werden wird. Wir hoffen, dass niemand im UN-Sicherheitsrat die Augen vor einem solchen Verbrechen verschließt.

Darüber hinaus kann ich Ihnen heute keinen neuen Sachstand öffentlich machen. Die Konzentration liegt derzeit auf dem Prozess in den Vereinten Nationen. Sie wissen, dass heute die Inspektionsmission der Uno in Syrien endet. Morgen werden die Inspekteure abreisen. Wir erwarten, dass der Bericht, der dann hoffentlich bald dem Sicherheitsrat zugeleitet wird, noch klarer Auskunft über die Art und Weise dieses Verbrechens geben wird.

Zusatzfrage: Herr Seibert, dies ist nicht nur eine Entscheidung des britischen Parlaments, sondern es gibt auch eine Erklärung des britischen Premierministers, dass Großbritannien jetzt nicht zu militärischen Schritten greifen wird. Begrüßt die Bundesregierung diese Erklärung?

StS Seibert: Außenminister Westerwelle hat sich ja heute Morgen schon geäußert. Ich will noch einmal ganz ausdrücklich unterstreichen, was er damit für die gesamte Bundesregierung gesagt hat: Es hat bei uns keine Anfragen nach militärischem Engagement gegeben, von der Bundesregierung ist auch nie ein militärisches Engagement Deutschlands in Betracht gezogen worden. Sie wissen: Verfassung und Rechtsprechung setzen dem in Deutschland enge Grenzen.

Zusatzfrage: Aber es müsste ja eine Haltung der Bundesregierung dazu geben, ob überhaupt militärische Schritte - auch anderer Staaten - ohne ein Mandat des UN-Sicherheitsrats richtig oder falsch wären.

StS Seibert: Ich will jetzt weiterhin nicht mutmaßen, was die richtige, klare internationale Antwort auf dieses Verbrechen sein soll oder sein kann. Der UN-Sicherheitsrat hat sich damit zu befassen. Wir hoffen, er wird eine einstimmige Haltung dazu entwickeln, und ich werde nicht einzelne Möglichkeiten, wie eine solche Haltung aussehen kann, in der Öffentlichkeit diskutieren. Ich habe das gesagt, was für Deutschland und für die Bundesregierung das Entscheidende ist.

Frage: Herr Seibert, ich habe zwei Fragen.

Erstens. Können Sie mir erklären, wieso zumindest der deutsche Außenminister jetzt Klartext gesprochen und erklärt hat, er lehne eine deutsche Teilnahme an einem Militärschlag ab? Gibt es dafür Gründe, die Sie mir namens der Bundesregierung mitteilen können?

Zweitens. Fand das Telefonat mit Herrn Obama eigentlich auf Wunsch der Kanzlerin statt, damit sie Herrn Obama von Militärschlägen abhalten kann, oder hat der US-Präsident die deutsche Bundeskanzlerin einfach nur über seine Haltung informiert?

StS Seibert: Das Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten wie auch ihre Telefonate mit Herrn Cameron, Herrn Hollande, Herrn Putin finden im beiderseitigen Interesse und auf beiderseitigen Wunsch statt. Es sind ausführliche Gespräche über diese sehr ernste Lage. Was wir dazu öffentlich machen können, das haben wir anschließend in Pressemitteilungen öffentlich gemacht.

Zu dem Ersten - Sie beziehen sich auf Äußerungen von Außenminister Westerwelle - kann vielleicht Herr Peschke noch etwas sagen.

Zusatzfrage: Entschuldigung, ich hätte gerne den Regierungssprecher gefragt, weil Sie sich ja die heutige Erklärung von Herrn Westerwelle ausdrücklich zu eigen gemacht haben. Deswegen: Nichts gegen Sie, Herr Peschke; aber ich habe den Regierungssprecher gefragt, ob er Frau Merkel belastbar zitieren kann.

Peschke: Bevor Herr Seibert das noch einmal klarzieht - er hat es ja gerade schon gesagt -, möchte ich, weil mir in Ihrer Frage ein leicht falscher Zungenschlag aufgetaucht zu sein scheint, nur noch einmal den genauen Wortlaut der Erklärung des Außenministers vortragen. Er wurde nach einer möglichen deutschen Beteiligung an einer Militäraktion gefragt. Die wörtliche Antwort des Außenministers darauf lautete:

"Eine solche Beteiligung ist weder nachgefragt worden noch wird sie von uns in Betracht gezogen. Uns setzen unsere Verfassung und die Rechtsprechung enge Grenzen. Wir drängen darauf, dass der Sicherheitsrat zu einer gemeinsamen Haltung findet und dass die Arbeit der UN-Inspektoren möglichst schnell abgeschlossen wird."

Sie sehen: Der Satz "Eine solche Beteiligung ist weder nachgefragt worden noch wird sie von uns in Betracht gezogen" ist wortidentisch mit dem, was Herr Seibert, soweit ich es gehört habe, gerade auch gesagt hat.

StS Seibert: Ich erinnere mich auch so. Es ist einfach so, dass der Außenminister damit - das habe ich gerade schon gesagt - für die gesamte Bundesregierung gesprochen hat. Es gibt in dieser Frage zwischen Außenminister und Bundeskanzlerin seit Tagen die engstmögliche Abstimmung. Es ist im Übrigen auch nichts dramatisch Neues; denn wir haben bereits am Mittwoch hier in der Regierungspressekonferenz darauf hingewiesen, wie die verfassungsrechtliche Situation in Deutschland ist, weswegen eine deutsche militärische Beteiligung in diesem Fall nicht infrage kommt.

Zusatzfrage: Also aus rechtlichen Gründen kommt sie nicht infrage, und eine politische Meinung zum Militärschlag hat die Bundesregierung derzeit nicht?

StS Seibert: Wir haben eine militärische Beteiligung Deutschlands nicht in Betracht gezogen und tun es auch jetzt nicht.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob die Bundesregierung eine politische Meinung zu dieser Frage hat.

StS Seibert: Ich habe Ihnen dargelegt, was nach diesem Giftgasanschlag mit seinen entsetzlichen Folgen unsere politische Überzeugung ist. Das kann ich jetzt gerne noch einmal tun. Wir sprechen von einer klaren, einmütigen Haltung der internationalen Staatengemeinschaft. Daran wollen wir uns beteiligen. Darauf wollen wir hinarbeiten. Dem dienen die Kontakte, die der Außenminister hat, die die Bundeskanzlerin hat. Darauf arbeiten wir hin.

Frage: Erstens. Herr Seibert, zu dieser klaren, einmütigen Haltung der Bundesregierung: Bewegen wir uns nach den vielen Telefongesprächen und Bemühungen in den letzten 48 Stunden in Richtung einer solchen klaren Haltung, oder gibt es in letzter Zeit nicht eher sogar Signale, dass sie weiterhin nicht in Sicht ist?

Mich würde zum Zweiten interessieren: Wie sieht denn die Bundesregierung ihre Position in diesen Bemühungen? Sieht man sich in der Rolle, zumindest quasi als Mittler oder Vermittler einer einheitlichen Haltung in Europa aufzutreten und das zu moderieren, oder ist man nur einer von vielen Playern?

Als Letztes würde ich gerne Ihre Einschätzung hören: Werden wir denn diese klare Reaktion der Staatengemeinschaft noch vor dem Gipfel in St. Petersburg erleben?

StS Seibert: Ich fange mit der letzten Frage an: Ich kann hier nicht über Zeitpläne mutmaßen.

Zweitens. Die Bundesregierung sieht ihre Verantwortung, zu einer solchen einmütigen internationalen Reaktion beizutragen, und der kommt sie nach. Wie Sie das dann nennen, ist Ihnen in aller journalistischen Freiheit überlassen. Das kann ich nicht bezeichnen.

Jetzt habe ich die erste Frage leider vergessen.

Zusatzfrage: Das war die Frage nach einer Einschätzung von Ihnen, ob wir in den letzten 48 Stunden, nach all den Telefongesprächen, eine Bewegung hin zu einer einmütigen Haltung sehen oder ob wir eher vermehrte Stolpersteine auf dem Weg hin zu einer solchen Haltung sehen.

StS Seibert: Wir wissen ja alle, dass es an einer einmütigen Haltung zu dem entsetzlichen Konflikt in Syrien gefehlt hat, und zwar schon seit geraumer Zeit, lange bevor dieses entsetzliche Verbrechen begangen worden ist. Wir haben oft beklagt, dass der UN-Sicherheitsrat seiner Verantwortung, wie wir sie verstehen, nicht nachkommen konnte, weil es blockierende Mitglieder gab. Das ist ja auch zum Beispiel der Inhalt des Gesprächs mit Präsident Putin gewesen. Die Bundeskanzlerin hat noch einmal ihre Hoffnung ausgedrückt, dass es jetzt möglich sein wird, dass der UN-Sicherheitsrat seiner Verantwortung nachkommt. Das heißt, wir tun, was wir können, damit es eine einmütige Haltung gibt. Das war in der Vergangenheit nicht einfach und wird es auch diesmal nicht sein.

Zusatzfrage: Nur noch einmal nachgefragt: Sie sehen sich nicht imstande, eine Richtung anzugeben im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit, dass wir in den nächsten Tagen eine solche einheitliche Haltung, und zwar nicht zu der Situation in Syrien, sondern bezüglich einer Reaktion erleben?

StS Seibert: Ich möchte mich jetzt nicht spekulativ in die Frage einmischen, welche Richtung das nimmt. Wir wissen, welche es nehmen sollte, und darauf arbeiten wir hin. Ob das gelingt, kann ich heute nicht sagen.

Frage: François Hollande hat gerade "Le Monde" gesagt, dass Frankreich bereit ist, ohne die Briten zu agieren. Er hat gesagt: Jedes Land ist souverän, sich an einer Aktion zu beteiligen oder nicht. Hat Hollande mit Merkel darüber gesprochen, und hat die deutsche Regierung Angst, dass sich jetzt in Syrien Fälle wie in Libyen wiederholen könnten?

StS Seibert: Keine internationale Lage gleicht der anderen. Insofern kann ich auf solche Vergleiche nicht eingehen. Die Bundeskanzlerin hatte ein sehr intensives Telefonat mit Herrn Hollande über diese Situation, die beide genau gleich einschätzen. Es ist ein menschenverachtender Giftgasangriff auf die syrische Zivilbevölkerung begangen worden. Das ist ein einschneidender Verstoß gegen das Völkerrecht. Diese Meinung haben sowohl die Regierung in Berlin als auch die Regierung in Paris. Das darf nicht ohne Reaktion bleiben. Im Übrigen waren sich beide in dem Telefongespräch auch einig darüber, dass es jetzt richtig ist, den Prozess der Befassung im Sicherheitsrat voranzutreiben.

Wir hoffen auf ein rasches Ende der Uno-Mission, einen raschen Bericht, der dann auch umgehend vorgelegt werden kann. Die Bundeskanzlerin und der Staatspräsident waren sich einig, dass der Sicherheitsrat nun zu sprechen habe.

Zusatzfrage: Sind Sie mit Hollande keinen Schritt weiter? Nach diesem Interview mit "Le Monde" - -

StS Seibert: Ehrlich gesagt, müsste ich das Interview mit "Le Monde" erst einmal lesen, und ansonsten habe ich Ihnen hier darzustellen, was die Position der Bundesregierung ist.

Zusatz: Ich kann das nur auf Französisch lesen. Aber - wenn ich darf - er sagt - - -

StS Seibert: Ich könnte das nach der Pressekonferenz auch. Aber ich versuche hier darzulegen, was die Haltung der Bundesregierung ist.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zur Beweislage: Ist die Bundesregierung davon überzeugt, dass auf jeden Fall Assad hinter diesem Angriff steht, wie das in den letzten Tagen eigentlich zum Ausdruck gebracht wurde?

In diesem Zusammenhang auch die Frage: Die amerikanische Regierung hat angekündigt, untrügliche Beweise für die Schuld des Regimes vorzulegen. Spielte das im Gespräch mit Obama eine Rolle?

StS Seibert: Ich habe über das Gespräch das öffentlich gesagt, was wir dazu zu sagen haben. Es spricht weiterhin alles dafür, dass Kräfte des syrischen Regimes hinter dieser Tat stehen. Wir sehen weiterhin keine Belege für die behauptete Unschuld des syrischen Regimes. Deshalb: Mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit sind die Täter in den Reihen des Regimes zu suchen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben gerade gesagt: Wir wollen eine klare, einmütige Haltung, und daran wollen wir uns beteiligen. Wenn ich das wörtlich nehme, schließt das auch eine Beteiligung an einer Militäraktion ein, wenn die klare einmütige Haltung auf einen Militärschlag hindeutet. Ist das eine zulässige Interpretation? - Weil Sie den Militärschlag ausdrücklich ausschließen.

StS Seibert: Nein. Wir haben dazu doch eigentlich jetzt sehr klar gesprochen. Es hat keinerlei Anfragen an Deutschland in Richtung einer militärischen Beteiligung gegeben, wir haben sie nicht in Betracht gezogen, und wir ziehen sie nicht in Betracht. Im Übrigen der Verweis auf die sehr engen verfassungsrechtlichen Grenzen, die einer deutschen militärischen Beteiligung im Ausland gesetzt sind. Wir ziehen einen Militärschlag nicht in Betracht. Das ist nicht viel klarer zu formulieren.

Frage: Wenn die militärische Option fast allseits ausgeschlossen wird, aber alle gleichzeitig sagen, es müsse eine internationale Reaktion geben - wie würde diese internationale Reaktion aussehen? Hat man darüber gesprochen? Ist es ein wirtschaftlicher Boykott?

Peschke: Ich kann noch einmal kurz dazu Stellung nehmen. Es wird nicht viel anders sein - eigentlich gar nicht - als das, was der Regierungssprecher gerade gesagt hat.

Es ist so, dass wir - das ist sowohl der Bundeskanzlerin als auch dem Außenminister sehr wichtig - darauf drängen, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seiner Verantwortung gerecht wird und zu dem, was in Syrien passiert ist, einmütig Stellung bezieht. Das ist der Sinn und auch das Ziel der gesamten Telefonate der Bundeskanzlerin gewesen - das hat Herr Seibert beschrieben - und auch des Telefonats des Außenministers gestern mit dem chinesischen Außenminister. Außenminister Westerwelle hatte dazu vorher auch noch mit dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, gesprochen. - Das ist der Sinn unserer Telefonate.

Was jetzt beim Sicherheitsrat herauskommt, das kann ich Ihnen nicht sagen. Das ist Teil der Beratungen, das ist Teil der Gespräche. Darüber kann ich hier an dieser Stelle nicht spekulieren. Über andere Dinge jenseits des Sicherheitsrates, die im Raum standen und auch von Ihnen in den Raum gestellt wurden, kann ich erst recht nicht spekulieren. Das ist nicht unsere Rolle. Wir orientieren uns an der Lage, wie sie ist, und da ist es so: Es gibt einen sehr engen internationalen Abstimmungsprozess zwischen allen beteiligten Partnern im Bündnis, mit unseren Verbündeten, aber auch darüber hinaus mit Russland, mit China, mit den Vereinten Nationen, mit anderen. Es gibt ein Drängen unsererseits darauf, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen seiner Verantwortung gerecht wird, und es gibt ein Drängen unsererseits gemeinsam mit vielen anderen, dass die UN-Inspektoren ihre Arbeit jetzt möglichst schnell abschließen, damit man sozusagen den Sachverhalt auch auf Grundlage eines gemeinsamen internationalen Untersuchungsergebnisses beurteilen kann.

Das sind die Dinge, an denen wir zurzeit arbeiten. Es ist schwierig genug. Über alles andere verbietet es sich, hier zu spekulieren, weil man natürlich die Schritte auch nacheinander gehen muss. Sie sehen ja, dass der internationale Beratungsprozess innerhalb von 24 Stunden von ganz unterschiedlichen Aspekten her gesehen werden kann. Wenn wir uns gestern darüber unterhalten hätten, dann hätten Sie womöglich die britische Haltung ganz anders eingeschätzt, als Sie sie heute Morgen einschätzen.

Insofern konzentrieren wir uns auf das, was auf dem Tisch liegt. Das erfordert eigentlich unsere ganze Kraft.

Zusatzfrage: Das ist mir schon klar. Aber in diesen vielen Telefonaten werden wohl andere Optionen diskutiert worden sein. Kann man einen Hinweis darauf erhalten, welche anderen Optionen die Staaten dem Sicherheitsrat eventuell empfehlen könnten?

Peschke: Ich kann da keine weiteren Fährten legen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben nun sehr oft gesagt, dass es aus Sicht der Bundesregierung eine Antwort der internationalen Gemeinschaft auf die schrecklichen Verbrechen in Syrien geben muss, und Sie haben klargemacht, dass sich die Bundesregierung eine einmütige Haltung im UN-Sicherheitsrat wünscht. Hängt aus Sicht der Bundesregierung das eine vom anderen ab? Kann es also eine Antwort auf die Verbrechen nur dann geben, wenn es eine einmütige Haltung im UN-Sicherheitsrat gibt?

StS Seibert: Wir konzentrieren uns jetzt auf das, was anliegt, und das ist der Versuch, diesen UN-Sicherheitsrat tatsächlich zum ersten Mal in der Syrien-Krise dazu zu bringen, dass er aus unserer Sicht seiner Verantwortung gerecht wird, dass er mit einer Stimme spricht, und zwar mit einer klaren Stimme, die klarmacht, dass ein Verstoß gegen die internationalen Normen der Ächtung des Einsatzes von C-Waffen Konsequenzen haben muss. Das muss deutlich gemacht werden. Das ist unsere Hoffnung, darauf konzentrieren wir uns jetzt, und dem dienen die verschiedenen diplomatischen Bemühungen und die Gesprächskontakte, die die deutsche Regierung auf allen Ebenen hat.

Frage: Herr Seibert, Herr Peschke sagte gerade, die britische Haltung hätte man gestern vielleicht noch anders eingeschätzt. Wir bemühen uns ja jetzt, herauszubekommen, wie die deutsche Haltung eigentlich ist. Ich erinnere mich, dass Sie am Montag - das geht auch aus meinen persönlichen Notizen hervor - von einer Ahndung gesprochen haben, von einer sehr klaren Antwort. Jetzt geht es plötzlich nur noch um eine Reaktion oder Konsequenzen. Ich würde gerne dahinter kommen, was in diesen vergangenen Tagen passiert ist. Ist bei Ihnen etwas passiert? Hat sich Ihre Haltung gegenüber den Vorgängen in Syrien verändert? Ist das eine Reaktion darauf, dass die Engländer jetzt plötzlich nicht mehr mitmachen? Der Eindruck am Montag war ja, dass Sie nach den Gesprächen mit Hollande und Cameron sozusagen an der Seite derer stehen, die eine klare Reaktion erreichen möchten, und jetzt geht es irgendwie nur noch um Konsequenzen, wobei Sie noch nicht einmal spezifizieren können, in welche Richtung die gehen könnten.

StS Seibert: Spezifiziert, habe ich auch am Montag nicht. Ansonsten, glaube ich, habe ich von den Worten von Montag nichts zurückzunehmen. Ich habe gerade auch noch einmal auf die Frage von eben hin gesagt: Wir wünschen uns eine sehr deutliche Antwort - nicht irgendwelche Konsequenzen, sondern eine sehr deutliche Antwort -, die klarmacht, dass ein solcher Verstoß gegen eine internationale Norm, die in unser aller Interesse ist oder deren Aufrechterhaltung in unser aller Interesse ist, nicht hingenommen werden kann. Es gibt keine Veränderung der Position gegenüber der von Montag. Ich hoffe, dass ich das hier klargemacht habe. Falls nicht, bekräftige ich das noch einmal.

Zusatzfrage: Am Montag gab es ja auch Fragen nach einer möglichen militärischen Reaktion. Da haben Sie eindeutig nicht ausgeschlossen, dass es eine militärische Reaktion geben werde, dass die erwogen worden sei oder nicht erwogen worden sei. Jetzt ist sozusagen ganz klar: Wir machen nicht mit, wir sind gar nicht gefragt worden. Das klang noch am Montag alles anders.

StS Seibert: Ich kann Ihren Eindruck nicht teilen. Wenn wir in das Protokoll schauen, werden wir nirgends etwas finden, das darauf hinweist, dass die Bundesregierung je eine militärische Beteiligung an einer möglichen Konsequenz ins Auge gefasst hat. Davon haben wir hier nie gesprochen, davon könnten wir aus den genannten Gründen auch nicht sprechen, und davon sprechen wir auch weiterhin nicht. Da gibt es keine Veränderung. Unserer Haltung ist konsistent.

Frage: Herr Seibert, stützt sich die Bundesregierung bei der Einschätzung der Täterschaft auf eigene Erkenntnisse der eigenen Geheimdienste?

StS Seibert: Es gibt vielfache Erkenntnisse aus verschiedenen Quellen, und wir erhoffen uns jetzt natürlich auch noch einmal genauere Auskunft über Art und Weise dieses Verbrechens, wenn der Bericht der UN-Inspektoren vorliegen wird.

Zusatzfrage: Aber hat der BND auch eigene Erkenntnisse liefern können?

StS Seibert: So etwas könnte ich hier, in der Öffentlichkeit, nicht vortragen.

Vorsitzende Sirleschtov: Möchten wir das vielleicht "unter zwei" oder "unter drei" vortragen?

StS Seibert: Nein, danke!

Frage: Herr Seibert, gehen Sie davon aus, dass die UN-Inspektoren in ihrem Bericht zweifelsfrei werden sagen können, dass die syrische Regierung die Täterschaft zu verantworten hat?

StS Seibert: Ich würde den Bericht der UN-Inspektoren abwarten.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie so viele Erkenntnisse haben, geht dann aus diesen Erkenntnissen auch irgendetwas über das Motiv dessen hervor, warum das Regime gerade zu diesem Zeitpunkt, wenn UN-Inspektoren im Land sind, so einen Angriff verüben sollte und damit sozusagen eine Reaktion des Westens heraufbeschwören sollte?

StS Seibert: Ich bin überhaupt nicht der Richtige, um über das Motiv eines Regimes wie des Assad-Regimes zu spekulieren, das schon bei vielen anderen Gelegenheiten große Grausamkeit gegen seine eigene Bevölkerung bewiesen hat. Ich habe darüber nicht zu spekulieren.

Frage: Hat die Frau Bundeskanzlerin vor, eventuell mit Behörden der arabischen Länder oder sogar mit Teheran zu sprechen?

StS Seibert: Vielleicht berichten wir noch einmal über die verschiedenen Kontakte des Außenministers. Die Bundeskanzlerin hat jetzt die Gespräche geführt, von denen ich Ihnen berichtet habe, und wenn sie weitere internationale Gespräche führen wird, werde ich darüber auch wieder berichten.

Zusatzfrage: Hat sie das also nicht vor?

StS Seibert: Ich spreche immer über die Gespräche, die die Bundeskanzlerin hinter sich hat.

Peschke: Ich kann das noch ergänzen, und wir hatten das, glaube ich, auch schon einmal kommuniziert: Außenminister Westerwelle hat - es gab ja einen Kontakt der Bundesregierung mit der iranischen Regierung - mit dem neuen iranischen Außenminister hinsichtlich dieser Sache telefoniert. Der Außenminister hat gestern oder vorgestern auch mit dem libanesischen Außenminister gesprochen. Wir stehen also natürlich auch in Kontakt mit Vertretern aus der Region; das ist ja ganz klar. Das ist natürlich ein Fall, der auch mit den regionalen Kräften intensiv besprochen werden muss. Das ist ja alles Teil unseres Bemühens in Richtung einer einmütigen, geeinten Haltung und Reaktion der internationalen Gemeinschaft.

Zusatzfrage: Was haben die Gesprächspartner aus diesen arabischen Ländern in Berlin als Mitteilung zum Appeasement erhalten?

Peschke: Es ist jetzt nicht meine Aufgabe, hier sozusagen die Haltung anderer Regierungen darzulegen. Das hat Herr Seibert nicht für die Gesprächspartner der Bundeskanzlerin getan, und ich tue das jetzt auch nicht für die Gespräche des Außenministers. Aber Sie können natürlich auch an öffentlichen Äußerungen, die die Arabische Liga und die Organisation islamischer Staaten getätigt haben, ablesen, dass es eigentlich eine sehr klare Positionierung der Verurteilung eines mutmaßlichen Giftgaseinsatzes gibt. Aber ich verweise Sie, wie gesagt, auf die veröffentlichten Statements. Die sind in diesem Fall maßgeblich.

Zusatzfrage: Gab es also keine Forderung an Deutschland, als Broker eine politische Lösung zu finden?

Peschke: Es gibt, wenn ich das sagen kann, zumindest einen minimalen Konsens aus allen Kontakten und aus allen Aktivitäten, den man vielleicht ziehen könnte. Dieser minimale Konsens, auf den sich das aber nicht beschränkt, ist auf jeden Fall der, dass man in einer solchen Frage und bei einem so wichtigen Thema nur gemeinsam Lösungen erzielen kann und dass jeder dazu aufgerufen ist, hierbei seinen Part zu spielen. Selbstverständlich sind wir uns unserer Verantwortung bewusst, in diesem Konzert auch unseren Part zu spielen. Aber dabei müssen natürlich ganz viele Akteure der internationalen Staatengemeinschaft - das ist ja ein internationales Thema - ihrer Verantwortung nachkommen. Wir haben ja die ständigen Mitglieder im Sicherheitsrat namentlich immer wieder dazu gedrängt, und es gibt natürlich eine besonders große Verantwortung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Darauf haben wir auch immer wieder hingewiesen, im direkten Gespräch und öffentlich.

Frage: Herr Seibert, ist es Wunsch beziehungsweise Erwartung der Bundesregierung, dass die UN-Inspektoren in ihrem Bericht über ihr Mandat hinausgehen und Aufschlüsse über die Täterschaft geben? Sie haben das ja eben angedeutet.

StS Seibert: Ich wiederhole noch einmal: Wir warten den Bericht der UN-Inspektoren ab. Wir haben denen keine Hinweise zu geben. Wir warten den Bericht ab.

Frage: Die UN-Inspektionsmission geht ja heute zu Ende. Morgen werden die Inspekteure zurückkommen. Gibt es schon irgendeinen Anhaltspunkt dafür, wann mit dem Bericht zu rechnen ist, weil ja Eile geboten zu sein scheint?

StS Seibert: Es ist natürlich Sache der Vereinten Nationen, diesen Zeitplan aufzustellen. Die Bundeskanzlerin hat mehrfach gesagt, und das ist auch Gesprächsthema bei den gestrigen Telefongesprächen gewesen, dass wir uns eine unmittelbare und möglichst zeitnahe Befassung des Sicherheitsrats mit den Ergebnissen wünschen.

Frage: Herr Seibert, wie beurteilt die Bundesregierung die Ankündigung aus dem Iran, dass ein Militärschlag gegen Ziele in Syrien die Vernichtung Israels zur Folge haben werde?

StS Seibert: Ich sage noch einmal das, was ich auch schon Mittwoch gesagt habe: Leider sind Drohungen aus dem Iran in Richtung Israel nichts Ungewöhnliches. Wir richten uns in dieser Angelegenheit nicht nach Drohungen, sondern nach den Werten und Interessen, die unsere Außenpolitik leiten.

Frage: Herr Seibert, weil Sie vorhin auch auf das G20-Treffen hinwiesen: In welchem Tagesordnungspunkt sollte nach Vorstellung der Bundesregierung beziehungsweise der Bundeskanzlerin das Thema des Syrien-Konflikts in Russland besprochen werden?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Der Gastgeber ist Russland. Ich kann Ihnen das heute, am Freitag, einfach noch nicht sagen.

Zusatzfrage: Aber darf ich davon ausgehen, dass zumindest die Kanzlerin das Thema bei einem G20-Treffen ansprechen wird?

StS Seibert: Ich bin sicher, dass das Thema Syrien bei diesem Treffen in Sankt Petersburg eine Rolle spielen wird.

Zusatzfrage: Möchte die Bundeskanzlerin, dass das Thema angesprochen wird?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat gestern mit Herrn Putin gesprochen. Wir sprechen jetzt über das, was in diesen Tagen anliegt, und nehmen die Entwicklung zunächst einmal Tag für Tag; das scheint mir das Vernünftigste zu sein.

Frage: Hat die Absage des G20-Briefings etwas mit der gegenwärtig laufenden Syrien-Thematik zu tun?

StS Seibert: Nein, die hat rein terminliche Gründe. Wir werden das nachholen und Ihnen rechtzeitig Bescheid sagen.

Frage: Wann wird es am Rande des Petersburger Gipfels zu einem Gespräch zwischen Merkel und Putin kommen?

StS Seibert: Ich kann das noch nicht sagen. Ich habe Ihnen vorgetragen, welche Treffen fest vereinbart sind. Die Erfahrung solcher internationalen Gipfel ist, dass sich vieles spontan und am Rande ergibt und dass vieles auch noch in den 24 Stunden vorher vereinbart wird. Nach heutigem Stand, Freitag, habe ich Ihnen gesagt, was ich Ihnen an bilateralen Treffen schon nennen konnte. Aber das verändert sich.

Frage: Herr Seibert, Sie haben vorhin die ökonomischen Themen des G20-Gipfels genannt. Stellen Sie sich darauf ein, dass diese Themen an Bedeutung verlieren werden?

StS Seibert: Diese Themen sind von großer Bedeutung für alle teilnehmenden Staaten. Sie sind lange vorbereitet worden. Es sind Themen, mit denen sich beispielsweise auch schon der G8-Gipfel sehr intensiv auseinandergesetzt hat. Ich bin sicher: Diese Themen werden auch bei dem G20-Gipfel die ihnen gebührende Rolle spielen.

Frage: Hat denn die Bundesregierung oder das Bundeswirtschaftsministerium schon einmal die Konsequenzen eines Militärschlags oder einer militärischen Reaktion auf den Rohölpreis beziehungsweise die strategischen Ölreserven Deutschlands diskutiert? Bei welchem Rohölpreis greift man diese strategischen Reserven an?

Schwartz: Zunächst gilt auch für das Wirtschaftsministerium, dass wir uns nicht an Spekulationen über mögliche weitere Szenarien beteiligen. Grundsätzlich gilt, was die Rohölpreise anbelangt, dass wir keine Prognosen oder Spekulationen dazu abgeben, wie er sich entwickeln könnte.

Generell kann ich jetzt aber zum Thema der Ölimporte aus Syrien sagen, dass Syrien auch schon vor dem Konflikt kein bedeutender Ölproduzent war. Zum Beispiel lag die Produktion im Frühjahr 2011, also noch vor Beginn des Konflikts, bei rund 350.000 Barrel am Tag. Im Vergleich dazu beträgt die Welttagesproduktion knapp 90 Millionen Barrel. Auch aufgrund des Ölembargos, das ja schon seit einiger Zeit gilt, bezieht Deutschland derzeit kein Rohöl aus Syrien. Insofern sind keine direkten Auswirkungen zu befürchten.

Zu Ihrer Frage hinsichtlich der Nutzung von Ölreserven: Das ist ja gedacht für Fälle, in denen ein physischer Versorgungsengpass besteht. Momentan ist es aber so, dass der Ölmarkt insgesamt sehr gut versorgt ist. Deswegen kann ich auch hierzu jetzt keine weiteren Auskünfte geben. Das ist sozusagen auch ein hypothetisches Szenario, das man jetzt nicht vorwegnehmen kann.

Zusatzfrage: Gibt es denn einen Preis, ab dem man dann sagt: Okay, jetzt müssen wir an die strategischen Ölreserven ran? Die Amerikaner sagen ja zum Beispiel: Bei 150 Dollar pro Barrel.

Schwartz: Es gibt keinen gesetzlich oder sonstwie festgelegten Preis, ab dem interveniert wird.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium zum Thema keine Anrufe und keine Mails nach Dienstschluss: Ab wann gilt das? Gilt das auch für die Leitungsebene und für Pressesprecher?

Westhoff: Das ist im Mai unterzeichnet worden und gilt auch seitdem. Es ist natürlich nicht so, dass das für alle gleich gilt - ich glaube, das ist selbsterklärend. Das ist vielmehr gestaffelt, diese Vereinbarung, diese Erklärung macht also durchaus Unterschiede zwischen den Funktionen im Haus. Da gibt es Abteilungsleitungen, da gibt es die Poststelle, da gibt es den inneren Dienst, da gibt es natürlich die Wachleute, da gibt es aber auch Pressesprecher, wie Sie ganz richtig vermuten. Die sind natürlich nach wie vor in der Lage, Wochenendbereitschaften durchzuführen. Die Vereinbarung ist also zugeschnitten auf das Haus insgesamt und auf die unterschiedlichen Funktionen, die es in einem solchen Haus gibt. Das ist ja auch nichts Neues. Wir haben immer gesagt: Solche Arten von Vereinbarungen müssen differenziert sein und müssen auf den jeweiligen Fall und auf die jeweilige Organisation, die sie betreffen, zugeschnitten sein.

Frage: Gibt es denn ähnliche oder vergleichbare Regelungen in den anderen Ministerien?

StS Seibert: Ich könnte Ihnen, wenn Sie das interessiert, für das Kanzleramt sagen, dass es keine allgemeine Verpflichtung gibt, ständig erreichbar zu sein. Das gilt auch für den durchaus überschaubaren Personenkreis, der ein Dienst-Mobiltelefon zur Verfügung gestellt bekommen hat. Es bedarf einer solchen Regelung nicht; durch das Lagezentrum ist eine ständige Erreichbarkeit von Führungskräften sichergestellt. Es besteht nur dann eine Pflicht zur Erreichbarkeit, wenn eine Rufbereitschaft angeordnet ist. Das ist mit Sicherheit auch in anderen Häusern so, beispielsweise auch im Bundespresseamt. Es gibt also Fälle, in denen Mitarbeiter verpflichtet sind, auch bei unvorhersehbarem Bedarf den Dienst aufzunehmen - Techniker im Falle einer Havarie beispielsweise.

Vorsitzende Sirleschtov: Wem darf ich zu einer kurzen Info zu dieser Frage das Wort geben? - Gibt es sonst keine Regelungen?

Westhoff: Ich kann vielleicht nur noch ergänzen und anfügen, dass das ein längerer Prozess war, der zwei Jahre gedauert hat. Das ist kein ganz einfaches Unterfangen, weil natürlich auch die Personalvertretung andere Interessen hat und das ein Hin und Her ist. Man muss sich dann natürlich auch über die Regelungen, die es schon gibt, verständigen. Das ist jetzt aufgenommen worden in eine Vereinbarung zum Thema Arbeitszeit/Telearbeit, die es im Haus ohnehin schon gab. So etwas mag es sicherlich in der einen oder anderen Form auch woanders geben - auch in obersten Bundesbehörden. Diese spezifischen Regeln zur Erreichbarkeit und das ganz klare Formulieren von Möglichkeiten und Restriktionen sind jetzt obendrauf dazugekommen. Aber Arbeitszeitvereinbarungen und Regeln beziehungsweise Übereinkünfte darüber, wer welche Geräte auch mobiler Art zur Verfügung hat und wie man mit Telearbeit umgeht, waren auch im BMAS das Fundament für das, was jetzt neu beschlossen wurde.

Peschke: Ich kann Ihnen uns betreffend keine Details nennen, aber ich kann Ihnen versichern, dass das Krisenzentrum des Auswärtigen Amtes selbstverständlich rund um die Uhr, 24 Stunden und 7 Tage die Woche, besetzt ist. Das können Sie also ständig erreichen - im Übrigen auch den Bereitschaftsdienst des Pressereferats.

Schwartz: Ich wollte für das Bundeswirtschaftsministerium nur ergänzen, dass wir zwar nicht eine vergleichbare detaillierte Regelung haben, dass es aber eine Allgemeine Dienstvereinbarung gibt, die die betriebliche Gesundheitsförderung und die Prävention regelt. Natürlich gilt auch die allgemeine Fürsorgepflicht. Praktisch bedeutet das eine ähnliche Regelung, nämlich dass die Mitarbeiter nur in begründeten Ausnahmefällen gestört werden dürfen - aber dann dürfen sie es auch.

Zusatzfrage: Bedeuten die Nichtantworten der anderen Ministerien, dass es dort vergleichbare Regelungen nicht gibt?

Vorsitzende Sirleschtov: Das versuche ich ja schon herauszubekommen.

Teschke: Für das BMI darf ich Ihnen versichern: Es gibt keine solche Regelung. Man hält das aber in Grenzen, sodass die Mitarbeiter genügend Zeit haben, sich von der Arbeit zu erholen. Die Pressestelle ist allerdings immer erreichbar - fast immer, bis 23 Uhr habe ich das Handy immer an. Sie sollten es aber nicht darauf ankommen lassen.

Vorsitzende Sirleschtov: Gibt es noch irgendwo eine Regelung oder möchte noch jemand ausdrücklich keine Regelung kundtun? - Ich scheue mich jetzt, jeden Einzelnen wie in der Schule abzufragen.

Frage: An das Wirtschaftsministerium: Sie haben schon seit geraumer Zeit Streit mit dem Airbus-Konzern über die Auszahlung eines Entwicklungsdarlehens. In einer Stellungnahme aus Ihrem Hause bezieht man sich heute auf einen Bericht der "WELT" dazu.

Mich würde erstens interessieren: Haben Sie im Ministerium selbst eine Unterrichtung vonseiten des Airbus-Konzerns vorliegen, dass man Gespräche mit der Bundesregierung zu diesem Thema als gescheitert erklärt abbricht?

Zweitens. Worin besteht letztendlich das Kernproblem bei diesen Gesprächen?

Drittens. Auf welcher Ebene wird dieses Thema in Ihrem Hause verhandelt? Ist das eines, das auf Arbeitsebene verhandelt wird, oder wird das auf der Ebene von Staatssekretären verhandelt? Wo ist das anhängig?

Schwartz: Zu Ihrer ersten Frage: Dazu ist mir keine Information bekannt. Wir haben natürlich die Presseberichterstattung gelesen und uns dementsprechend heute auch schon dazu geäußert. Wie bereits mitgeteilt, laufen die Gespräche nach wie vor und gab es bereits eine deutliche inhaltliche Annäherung. Deswegen ist aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums der jetzt von Airbus angekündigte Schritt nicht nachvollziehbar. Wir haben auch noch einmal darauf hingewiesen, dass wir weiterhin zu Gesprächen bereit sind und auch davon ausgehen, dass weiterhin eine konstruktive Lösung möglich ist.

Ich möchte auch noch einmal betonen: Bei den ausstehenden Darlehenszahlungen handelt es sich ja um Steuergelder, die Auszahlung kann daher nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Für Airbus gelten daher die gleichen Regelungen wie für alle anderen Kreditnehmer öffentlicher Gelder. Dazu gehört eben auch, dass man Vereinbarungen umfassend einhält. Bei der konkreten Vereinbarung handelt es sich um einen Darlehensvertrag, der schon im Jahr 2010 geschlossen wurde. In diesem Vertrag hat Airbus auch zugesagt, dass sie die Forschungs- und Entwicklungskapazitäten am Standort Deutschland stärken werden. Hier - das haben wir auch schon mitgeteilt - erwarten wir, dass Airbus weitere konkrete Vorschläge macht und sie dann auch umsetzt.

Wie gesagt: Die Gespräche laufen auf verschiedenen Ebenen. Ich kann Ihnen jetzt hier nichts zu konkreten Terminen sagen. Es handelt sich um einen laufenden Vorgang, der natürlich immer entsprechend der jeweiligen Notwendigkeit auf der entsprechenden Ebene angesprochen wird.

Zusatzfrage: Ich verstehe das richtig? Sie widersprechen der Darstellung, dass diese Gespräche gescheitert sind? Sie sagen, die Gespräche laufen und sie laufen auf verschiedenen Ebenen. Das möchte ich noch einmal ganz eindeutig erklärt haben.

Zum Zweiten würde mich interessieren: Ist denn die Darstellung richtig, dass die Bundesregierung vorhat, dieses Entwicklungsdarlehen, das sich ja konkret auf einen Flugzeugtyp - die A350 - bezieht, auf andere Flugzeugtypen, die in Zukunft anstehen, zu verrechnen oder auszudehnen? Das ist ja eine wesentliche Darstellung in diesem Streit, wie sie in der "WELT" berichtet wird.

Schwartz: Zu Details möglicher Ausgestaltung kann ich mich jetzt hier nicht äußern.

Wie gesagt: Das Bundesministerium ist zu weiteren Gesprächen bereit. Es gibt keine offizielle Beendigung dieser Gespräche. Es geht auch, wie gesagt, nicht darum, dass Airbus die Zusagen realisiert, die sich darauf beziehen, dass sie ihre Forschungs- und Entwicklungskapazitäten am Standort Deutschland stärken. Darauf ist jetzt auch der Fokus der Gespräche.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: Herr Teschke, das Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrum hat festgestellt oder glaubt, dass es in Brandenburg mehr Opfer rechtsextremistischer Gewalt gibt. Jetzt ist es offenbar ein bundesweites Phänomen, dass diese Stiftungen und Zentren immer mehr rechtsextremistische Opfer als die Polizei zählen. Hat man sich im Bundesinnenministerium schon einmal Gedanken gemacht, wie es zu dieser Diskrepanz bei der Zählung kommt?

Teschke: Sie gehen auf die Zahlen der PMK ein, der politisch motivierten Kriminalität. Das sind ja Zahlen, die uns aus den Ländern gemeldet werden. Von daher kommentieren wir sie nicht.

Wenn Sie jetzt konkret die Opferzahlen meinen: Ja, da gibt es immer wieder die Differenz zwischen der sogenannten Jansen-Liste - so heißt sie, glaube ich -, die "ZEIT" und "Tagesspiegel" zusammen aufgestellt haben, und unserer Liste.

Das sind unterschiedliche Kriterien. Der Minister hat sich mehrfach dazu geäußert. Die Statistiken legen unterschiedliche Parameter an. - Wir sagen ganz klar: Es werden nur diejenigen in unserer Liste klar benannt, bei denen rechtsgültig nachgewiesen ist, dass es sich um ein rechtsextremistisches Gewaltverbrechen handelt.

In der anderen Liste sind auch andere Kriterien aufgeführt. Dazu zählt, dass der Täter eine rechtsextremistische Gesinnung hatte. Aber das Verbrechen an sich ist vielleicht nicht aus dieser Gesinnung heraus begangen worden. - Da gibt es einfach diese Differenz.

Zusatzfrage: Hat man sich denn im Zuge der NSU-Affäre überlegt, dass man das vielleicht einmal anders bewerten muss?

Teschke: Ich erinnere mich an Gespräche am Rande der IMK zu diesem Thema. Allerdings ist das Erfassen, wie gesagt, Ländersache. Deswegen müsste man darüber noch einmal mit den Ländern reden. Einen genauen Sachstand habe ich momentan nicht. Da müsste ich noch einmal nachschauen.

Zusatzfrage: Das heißt, man hat vor, noch einmal mit den Ländern darüber zu reden?

Teschke: Da würde ich mich jetzt konkret erkundigen.

Frage: An das Verkehrsministerium: Herr Strater, der Streik in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung dauert jetzt fast zwei Monate. Die wirtschaftlichen Schäden sind enorm. Meine Frage: Es gibt ja Gespräche zwischen dem Ministerium und Verdi. Können Sie etwas zu dem Stand der Gespräche sagen und ob Sie sich mit Ihrer Rechtsposition haben annähern können?

Strater: Zu dem, was ich hier am Mittwoch zu dem Thema gesagt habe, habe ich jetzt keine Ergänzungen. Ich kann aus diesen Gesprächen nicht inhaltlich berichten.

Die Forderungen seitens Verdi sind bekannt, die Zugeständnisse, die wir den Arbeitnehmern gemacht haben, auch. Die Gewerkschaft möchte einen Tarifvertrag. Wir sagen, die Ergänzungen zum Arbeitsvertrag sind rechtlich verbindlich.

Das sind die Positionen, die Sie kennen. Aber ich kann Ihnen jetzt keine Einzelheiten zu diesen Gesprächen nennen. Ich kann Ihnen auch keinen Fortschrittsbericht zu dem Stand von Mittwoch geben oder Ihnen sagen, wann sie in welcher Form beendet sein könnten. Es tut mir Leid.

Frage: Meine Frage geht an das Gesundheitsministerium: Die "FAZ" schreibt heute von einem Überschuss der gesetzlichen Krankenkassen von 1,2 Milliarden Euro im ersten Halbjahr. Können Sie die Zahl bestätigen? Gilt dasselbe auch für den Gesundheitsfonds?

Albrecht: Die Zahl an sich kann ich nicht bestätigen, aber die Tendenz stimmt. Die Zahlen gehen in diesen Stunden und Tagen bei uns im Haus ein. Wir werden Mitte nächster Woche über die genauen Zahlen informieren.

Ich würde vielleicht zu den Äußerungen, die da wiedergegeben sind, ein paar erklärende Bemerkungen loswerden wollen: Es gibt den Hinweis, dass sich die Überschüsse halbiert haben gegenüber den Überschüssen der Krankenkassen im ersten Halbjahr 2012.

Vielleicht dazu die Erklärung: Das ist aus unserer Sicht der Hinweis, dass das Finanzierungsgesetz funktioniert. - Das hat folgende Gründe: Erstens sind im ersten Halbjahr letzten Jahres noch Zusatzbeiträge erhoben worden. Das werden sie jetzt nicht mehr. Es gibt keine Kasse mehr, die Zusatzbeiträge erhebt. Im Übrigen wissen Sie, dass diverse Ersatzkassen inzwischen Prämien auszahlen. Das heißt, dass dieser Mechanismus, den wir da implementiert haben, funktioniert.

Vielleicht noch einen Hinweis: Sie kennen die Forderungen von einzelnen Kassenvertretern, doch eher die Beitragsautonomie wieder herzustellen. Aus unserer Sicht gibt es diese Beitragsautonomie mit diesem Mechanismus. Denn in der Tat haben die Kassen die Möglichkeit, Zusatzbeiträge zu erheben oder Prämien auszuzahlen. Damit sind die Beiträge individuell festzulegen.

Was Ihre Frage zum Gesundheitsfonds angeht, so kann man realistischer- und vernünftigerweise erst Ende des Jahres einen richtigen Strich darunter machen. Aber festzuhalten ist, dass es weiter eine positive Entwicklung gibt und geben wird - und das trotz der Tatsache, dass wir durch die Abschaffung der Praxisgebühr Rückzahlungen an die Versicherten vorgenommen haben.

Vielleicht noch einen kurzen Hinweis: Wir haben natürlich auch durch den gekürzten Bundeszuschuss eine Belastung des Gesundheitsfonds. Trotzdem ist die Perspektive gut, und wir werden Ende des Jahres weiter eine positive Entwicklung zu verzeichnen haben. So viel ist, glaube ich, jetzt schon zu sagen. Mitte nächster Woche werden wir die genauen Zahlen vorlegen können und sie dann auch kommentieren und interpretieren.

Frage: Eine kurze Frage an das Finanzministerium: Was halten Sie von dem Vorschlag aus dem Umkreis des Euro-Schutzschirms ESM, dass Griechenland Immobilien und Grundvermögen auf eine Agentur, möglicherweise mit Sitz in Luxemburg, auslagern sollte, um den Privatisierungsprozess etwas forcierter voranzubringen? Mir ist so, als hätte ich so eine Forderung irgendwann auch schon aus der Bundesregierung gehört.

Kothé: Sie wissen, dass der Privatisierung bei dem ganzen Griechenland-Programm eine wichtige Rolle zukommt. Nicht nur aus Kreisen der Bundesregierung haben Sie gehört, dass solche Vorschläge zu prüfen sind, sondern das ist eine Vereinbarung aus dem MoU zum Griechenland-Programm. In diesen Kontext müssen Sie jetzt auch diesen Vorschlag, der seitens des ESM gemacht wurde, einsortieren. Die Finanzminister haben sich damit noch nicht befasst. - Mehr kann ich Ihnen dazu im Augenblick nicht sagen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 30. August 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/08/2013-08-30-regpk.html;jsessionid=5C57B5C83515452BAEC82FF5D3E4D31A.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2013