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PRESSEKONFERENZ/657: Regierungspressekonferenz vom 4. September 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 4. September 2013
Regierungspressekonferenz vom 4. September 2013

Themen: Kabinettssitzung (Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach dem Sozialgesetzbuch XII für das Jahr 2014, Bericht zur Flutkatastrophe 2013, Verleihung des "Europapreises für politische Kultur" der Ringier-Stiftung an BM Schäuble), Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in Deutschland, möglicher militärischer Einsatz gegen das syrische Regime, Flucht eines in Syrien entführten Deutschen, Raketentest Israels im Mittelmeer, Regulierung von Schattenbanken, Äußerungen der Bundeskanzlerin zur Haltung der SPD in der Europapolitik, Äußerungen der Bundeskanzlerin zur Aufnahme Griechenlands in den Euroraum, angeblich geplante Reise von Julija Tymoschenko nach Deutschland, Kritik des deutschen EZB-Direktoriumsmitglieds Asmussen am Zustand der G20, Familiensplitting

Sprecher: StS Seibert, Lörges (BMI), Peschke (AA), Roth (BMVg), Kotthaus (BMF), Steegmans (BMFSFJ)



Vors. Heberstreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Das Kabinett hat zunächst die Verordnung zur Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach dem Sozialgesetzbuch XII für das Jahr 2014 zur Kenntnis genommen. In verständlichem Deutsch heißt das, dass sich die Regelbedarfsstufen zum 1. Januar 2014 erhöhen. Für Alleinstehende ergibt sich daraus eine Erhöhung um monatlich 9 Euro, von derzeit 382 auf dann 391 Euro.

Sie wissen, diese Fortschreibung der Regelbedarfe errechnet sich aus einem Mischindex: 70 Prozent aus der regelsatzrelevanten Preisentwicklung - dafür hat das Statistische Bundesamt einen speziellen Preisindex gebildet - und 30 Prozent aus der Nettolohnentwicklung. So kommt man zu diesem Ergebnis. Maßgeblich dafür ist die Veränderung dieses Mischindexes zwischen Juni 2012 und Juni 2013 gegenüber dem Vorjahreszeitraum. - Das dazu.

Dann hat der Bundesinnenminister dem Kabinett einen Bericht zur Flutkatastrophe 2013 unter dem Titel "Katastrophenhilfe, Entschädigung, Wiederaufbau" vorgelegt. Er führt alles auf, was seit Beginn der Hochwasserkatastrophe Anfang Juni dieses Jahres geschehen ist. Das Kabinett hat diesen Bericht zur Kenntnis genommen.

Sie wissen, die Flutkatastrophe dieses Jahres hat an Ausmaß, an Ausdehnung, an Gesamtstärke die Flutkatastrophe des August 2002 zum Teil noch übertroffen. Dennoch konnte an vielen Orten Schlimmeres verhindert werden.

Das deutsche Hilfeleistungssystem - das geht aus diesem Bericht sehr klar hervor - hat sich bewährt. Es hat seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Damit ist vor allem ein großes Lob verbunden an die Einsatzkräfte von Polizei und Bundeswehr, an 1,7 Millionen ehrenamtliche Helfer in freiwilligen Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Technischem Hilfswerk usw., die alle Enormes geleistet haben.

Eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Herausforderung der Hochwasserkatastrophe 2013 hat eine Einrichtung gespielt, die auf den Lehren von 2002 aufbauend eingerichtet worden war, nämlich das damals neu eingerichtete Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, vor allem mit seinem gemeinsamen Melde- und Lagezentrum des Bundes und der Länder. Bund und Länder - das können wir heute sagen - haben ausgesprochen gut zusammengearbeitet. Es gab diese bundesweite länderübergreifende Länderhilfe, die sich bewährt hat. In kürzester Zeit sind die Voraussetzungen geschaffen worden, dass Sofort- und Aufbauhilfemaßnahme zur Verfügung gestellt werden konnten.

Am 19. Juli 2013 trat das Aufbauhilfefonds-Errichtungsgesetz in Kraft. Damit wurde ein Sondervermögen von Bund und Ländern gemeinsam finanziert - mit einem Volumen von 8 Milliarden Euro - und auf die Beine gestellt. Zusätzlich übernimmt der Bund die Kosten für die Wiederherstellung zerstörter Bundesinfrastruktur in Höhe von auch noch einmal 1,5 Milliarden Euro. Allein an allen weiteren Hilfen beteiligen sich Bund und Länder jeweils zur Hälfte.

Ich möchte noch als Letztes hinzufügen, dass die Umweltminister von Bund und Ländern gerade vorgestern, am 2. September, eine Sonderkonferenz abgehalten haben, bei der sie beschlossen haben, ein nationales Hochwasserschutzprogramm zu erarbeiten.

Das ist ein sehr interessanter Bericht.

Zuletzt hat sich das Kabinett gemäß 5 Abs. 3 des Bundesministergesetzes damit befasst, dass Finanzminister Schäuble von der Hans-Ringier-Stiftung den Europapreis für politische Kultur verliehen bekommen hat. Der Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Entsprechend dieser Klausel des Bundesministergesetzes wird der Finanzminister dieses Geld dem europäischen Pfadfinderprojekt des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder zur Verfügung stellen.

Das war's.

Lörges: Ich kann Ihnen heute einmal eine positive Nachricht überbringen: Am kommenden Mittwoch, dem 11. September, um ca. 15.30 Uhr, werden die ersten 110 syrischen Flüchtlinge, die von der Bundesregierung per Charterflug aus der Krisenregion nach Deutschland geholt werden, am Flughafen Hannover landen. Bundesinnenminister Friedrich wird sie dort begrüßen.

Kurz zur Erläuterung: Bundesinnenminister Friedrich hatte im Frühjahr beschlossen, 5.000 besonders schutzbedürftige Personen in Deutschland aufzunehmen. Die große Mehrheit wird ab Mittwoch in den kommenden Wochen und Monaten mit vom Bund gecharterten Maschinen Deutschland erreichen. Ich hatte dies hier schon einmal erläutert. Ein kleiner Teil ist bereits seit Juli hier, ca. 250 Personen, die ihre Einreise selbst organisiert haben.

Frage: Das leitet schon kongenial zum Thema Syrien über. - Ich habe zwei Fragen. Angesichts der nicht abreißenden Flüchtlingsströme und vor dem Hintergrund der mit einem Militärschlag vielleicht sogar anschwellenden Flüchtlingsströme gibt es durchaus Stimmen, die sagen, Deutschland sollte sich überlegen, ob die 5.000 wirklich das Kontingent sind oder ob man da noch erhöht. International, von anderen Ländern wird mehr angeboten, und von Flüchtlingsorganisationen wird mehr gefordert.

Frage eins: Kann sich Deutschland vorstellen, über die 5.000 hinaus weitere Flüchtlinge aufzunehmen?

Frage zwei: Da sich wohl 97 Prozent der Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens aufhalten, überlegt sich die Bundesregierung, diesen Ländern mit weiteren finanziellen Mitteln die Möglichkeit zu geben, die Flüchtlinge entsprechend zu behandeln und zu versorgen?

Lörges: Zu Ihrer ersten Frage: Mit der Aufnahme von 5.000 Personen aus der Region selbst ist Deutschland ganz klar Vorreiter in Europa. Es gibt andere Länder, die im zweistelligen, im niedrigen dreistelligen Bereich aufnehmen. Bei uns sind es 5.000 Flüchtlinge.

Man muss dazu sagen: Deutschland ist hinsichtlich der finanziellen Hilfe vor Ort hinter den USA weiterhin zweitgrößter Geldgeber weltweit. Das THW ist vor Ort und leistet Hilfe. Die Hilfe vor Ort steht grundsätzlich im Vordergrund.

Wir haben darüber hinaus seit 2011 mehr als 17.000 Asylbewerber hier aufgenommen. Von denen wird niemand abgeschoben. Alle bekommen jedenfalls subsidiären Schutz.

In Bezug auf die Frage, ob die finanziellen Hilfen aufgestockt werden, müsste ich an das Auswärtige Amt weiterleiten.

Peschke: Ich kann zu dem, was der Kollege zur ersten Frage gesagt hat, gerne noch etwas ergänzen. Deutschland ist bisher das erste und einzige Land, das eine vergleichbare Aufnahmeaktion durchführt. Das wollen wir einmal festhalten. Das ist durchaus auch im internationalen Maßstab sehr anerkannt.

Das Flüchtlingsdrama, das sich in Syrien abspielt, bedarf unserer größten Aufmerksamkeit. Die Vereinten Nationen haben in ihren jüngsten Zahlen von rund 6 Millionen Flüchtlingen in und um Syrien gesprochen, die betroffen sind, darunter zahlreiche Kinder. Sie haben von einer der größten humanitären Tragödie dieses Jahrhunderts gesprochen. Das sind Zahlen, die erschütternd sind und die unser Handeln verlangen.

Neben dieser Aufnahmeaktion sind wir vor Ort - der Kollege hat es gesagt - einer der größten Geber von humanitärer und Nothilfe. Die Bundesregierung hat seit Beginn der Krise Hilfe in Höhe von 228 Millionen Euro bereitgestellt. Zusätzlich hat die Bundesregierung über das Auswärtige Amt weitere 200 Millionen Euro für humanitäre Hilfe vorgesehen. Auch das BMZ - das kann die Kollegin vielleicht noch ausführen - stockt seine Hilfe auf. Das sind Dinge, die wir schon machen und die wir weitermachen.

Angesichts dieses Dramas überprüfen wir laufend, was noch mehr getan werden kann, gerade bei der Hilfe vor Ort. Das muss natürlich der Schwerpunkt sein; denn die übergroße Mehrzahl der Flüchtlinge hält sich in den Nachbarländern Syriens, nämlich in der Türkei und in Jordanien, auf. Da muss geholfen werden. Wir werden ständig überprüfen, ob und was noch mehr getan werden kann, um vor Ort Hilfe zu leisten.

Lörges: Ich kann noch einen Punkt ergänzen: Der UNHCR, das UN-Flüchtlingshilfswerk, stellt keine weiteren Forderungen an Deutschland, sondern die Forderungen richten sich eher an andere Länder, uns gleichzutun.

Frage: Herr Seibert, stellt denn die Bundesregierung Forderungen an EU-Partnerländer, es den Deutschen gleichzutun, was die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen angeht?

StS Seibert: Wir werben bei unseren europäischen Partnern dafür, dass auch sie ihr Engagement in dieser Richtung noch einmal überdenken und möglicherweise erhöhen.

Zusatzfrage: Können Sie bitte einmal sagen, welche Länder nach der Ansicht der Bundesregierung hier vielleicht eine besondere Prüfung vornehmen sollten?

StS Seibert: Nein, das kann ich nicht. Das ist eine Aufgabe, die sich sicherlich allen europäischen Ländern stellt. Deswegen werben wir in Richtung Europa.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung den Eindruck, sie wird in dieser Frage in gehörigem Maße von den zuständigen Kommissionsmitgliedern und EU-Beauftragten unterstützt?

StS Seibert: Ich kann Ihnen dazu jetzt keine Eindrücke wiedergeben. Wir tun, was wir können, um menschliche Not zu lindern. Das ist hier sowohl materiell beschrieben worden als auch durch die Aufnahme von Flüchtlingen. Wir werben bei anderen dafür, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten ebensolches tun.

Frage: Herr Lörges, wird sich der Minister nach der Begrüßung der Flüchtlinge auch weiter um deren Schicksal kümmern? Ich denke da zum Beispiel daran, einmal zu schauen, wie die Flüchtlinge untergebracht werden, damit sich dann nicht in anderen Städten die Verhältnisse wie hier in Hellersdorf wiederholen.

Lörges: Diese beiden Sachverhalte sollten Sie nicht zusammenbringen. Bei dem, was jetzt in Hellersdorf geschehen ist, geht es um Asylbewerber. Wir reden jetzt von besonders schutzbedürftigen Personen, die uns seitens des UNHCR als solche zur Aufnahme vorgeschlagen wurden. Sie werden zunächst zwei Wochen in Friedland untergebracht, bekommen dort eine erste Orientierung, und werden dann auf die Bundesländer verteilt. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Zusatz: Das sagen Sie so.

Frage: Zum Thema Syrien können wir gleich die Frage an Herrn Peschke vom Auswärtigen Amt anschließen: Es ist wohl richtig, dass in Munster ein Teil der von den Chemiewaffeninspekteuren genommenen Proben untersucht werden. Können Sie das bestätigen? Das Zweite dazu: Hat man einen ungefähren Überblick, wann ein Bericht der UN-Waffeninspekteure vorliegen wird, auf den man sich berufen kann?

Peschke: Ich kann Ihnen sagen, dass es richtig ist, dass Deutschland die Arbeit der VN-Inspektoren und die Untersuchung ihrer Ergebnisse nach Kräften unterstützt, nicht nur politisch, sondern - wir hatten schon Gelegenheit, das zu sagen - auch logistisch und in jeder möglichen Art und Weise. Allerdings ist über die Details dieser Unterstützung mit den Vereinten Nationen Vertraulichkeit vereinbart worden, sodass ich Ihnen hier keine weiteren Details nennen kann.

Ich kann Ihnen aber sagen, dass wir diese Unterstützung leisten mit dem Ziel, dass die VN-Inspektoren ihren Bericht so schnell wie möglich vorlegen können. Ein konkretes Datum dafür kann ich Ihnen aber noch nicht nennen.

Zusatzfrage: Wie ich gehört habe, hat sich der Minister heute Morgen schon zu der Arbeit in Munster geäußert?

Peschke: Nein. Sie werden gehört haben, dass sich der Minister geäußert hat. Aber er hat sich ziemlich wortgleich wie ich geäußert.

Zuruf: Also hat er nichts gesagt!

Peschke: Nein, der Minister hat, soweit ich weiß, ganz ähnliche Worte wie ich gebraucht.

Das sind sehr eingegrenzte Tatbestände. Wenn die Vereinten Nationen mit uns auf ihre Bitte hin Vertraulichkeit vereinbaren, dann ist das für uns eine ziemlich wichtige Vorgabe, die man nicht durch kleine Scherze usw. geringschätzen sollte. Die Vereinten Nationen werden schon ihren Grund dafür haben, dass sie eine solche Vereinbarung treffen.

Frage: Herr Roth, weil die Vereinten Nationen ihren Grund haben und wir das auch nicht infrage stellen wollen: Können Sie einmal allgemein beschreiben, wie dieses Institut in vergleichbaren Fällen diese Untersuchungen vornimmt?

Roth: Ich kann Ihnen sagen, dass das Wehrwissenschaftliche Institut zu einem von 20 sogenannten Referenzlabors gehört, die solche Proben untersuchen. Alles das, was dieses Institut macht, können Sie auf der Homepage des Instituts im Internet nachlesen.

Zusatzfrage: Heißt das, dass Sie nicht beschreiben möchten, wie eine solche Untersuchung vor sich geht, was die Möglichkeiten dieses Instituts sind etc.?

Roth: Ich habe meinen Worten nichts mehr hinzuzufügen. Sie können das entsprechend nachlesen, was das Institut macht und welche Aufgaben es hat. Ansonsten hat Herr Peschke alles gesagt.

Frage: Da ich das jetzt nicht so schnell nachlesen kann: Steht denn auf der Seite möglicherweise auch, ob das Referenzinstitut in Munster schon früher ähnliche Aufträge wie jetzt wahrgenommen hat? Hat man dort schon früher Chemiewaffenproben untersucht?

Roth: Ich kann es nur wiederholen: Dieses Institut gehört zu einem von ca. 20 Referenzlabors der Uno, und damit ist alles gesagt.

Zusatzfrage: Das ist also so geheim, dass selbst frühere Waffenproben dort nicht bestätigt werden können?

Roth: Ich habe alles dazu gesagt.

Frage: Es gibt ja neue Äußerungen von Herrn Putin zum Thema Syrien: Er kann sich unter gewissen Umständen sogar einen Militärschlag vorstellen. Wertet die Bundesregierung solche Äußerungen als womöglich Chancenverbesserung dafür, dass man beim Gipfel in Sankt Petersburg vielleicht doch eine gemeinsame Haltung finden kann?

StS Seibert: Ich will diese Äußerungen gar nicht werten. Die Bundesregierung tut alles, um in der Zeit, die uns jetzt gegeben ist, den UN-Prozess voranzubringen. Die Bundeskanzlerin wie auch der Außenminister haben schon intensive Gespräche geführt und werden mit Sicherheit auch in Sankt Petersburg intensive Gespräche dazu führen. Wir wollen auch jede kleinste Chance nutzen, dazu beizutragen, dass die Vereinten Nationen, dass die internationale Gemeinschaft in den Vereinten Nationen mit einer gemeinsamen Stimme sprechen. Es sieht derzeit sehr wenig nach einem russischen Einlenken aus.

Herr Peschke kann noch etwas hinzufügen.

Peschke: Ich kann dazu noch eine kleine Ergänzung machen, weil wir das, so glaube ich, noch nicht mitgeteilt hatten. Es findet ja der G20-Gipfel statt. Anders als es ursprünglich geplant war, wird auch Außenminister Westerwelle die Bundeskanzlerin nach Sankt Petersburg begleiten, um am Rande des Gipfels Gespräche mit diversen Amtskollegen, unter anderem mit dem russischen Außenminister, zum Thema Syrien zu führen.

Frage: Herr Peschke, Herr Seibert, ich hätte gerne von der Bundesregierung gewusst, wie sie die Rolle Assads beurteilt. Kann er bleiben, oder muss er den Weg für einen Neuanfang in Syrien freimachen?

Peschke: Herr Lange, da hat sich an unserer Position nichts geändert. Es ist letztendlich die Aufgabe des syrischen Volkes, in einem politischen Prozess zu entscheiden, wer es regieren soll. Wir haben aber immer wieder sehr deutlich gemacht, dass es aus unserer Sicht sehr schwer vorstellbar ist, dass die Zukunft Syriens unter Baschar Assad gestaltet werden kann.

Frage: Ich möchte noch einmal nachfragen: Diese Position besteht ja schon länger. Sie bestand auch schon - ich sage es einmal salopp - vor dem Giftgasangriff. Die Bundesregierung spricht von ganz schlimmen Verbrechen usw. Die Position hat sich da nicht geändert. Ich hätte eigentlich erwartet, dass sich das eventuell etwas verschärft.

Peschke: Nein, die Position ist deutlich, war deutlich und bleibt deutlich. Hier muss man trennen, nämlich einmal, was die Antwort der internationalen Staatengemeinschaft auf eine eklatante Verletzung internationaler menschenrechtlicher und humanitärer Normen betrifft, die eben ein Giftgaseinsatz darstellt, mit dem wir es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu tun haben. Das ist der eine Punkt.

Das andere ist eine Lösung des Syrien-Problems als solches. Das hat die Bundesregierung, hat der Außenminister und haben aber auch andere Partner der internationalen Staatengemeinschaft immer wieder deutlich gemacht, nicht zuletzt unsere amerikanischen Partner, übrigens auch Russland, nämlich dass langfristig eine Lösung des Syrien-Problems in einem politischen Prozess erfolgen muss und auch nur erfolgen kann. In diesem politischen Prozess ist es dann an den Syrern selbst zu entscheiden, wie sie sich ihre politische Zukunft vorstellen. Daran hat sich nichts geändert. Das muss man trennen. Das sind zwei verschiedene Sachen.

Sosehr uns die Dringlichkeit des Vorgefallenen daran gemahnt, konsequent nach einer entschlossenen Antwort der internationalen Staatengemeinschaft zu suchen, sosehr dürfen wir auch nicht aus dem Auge verlieren, dass auch langfristig an einer Lösung für das Syrien-Problem gearbeitet werden muss.

Frage: Herr Putin hat in dem von dem Kollegen angesprochenen Interview auch gesagt, zunächst einmal müssten klare Beweise vorgelegt werden. Nun ist die Sprachregelung offensichtlich immer so gewesen, dass es eine hohe Plausibilität für die Verantwortung des Regimes Assad für diesen Giftgasangriff gäbe, aber dass keine direkten Beweise vorliegen. Herr Seibert, rechnet die Bundesregierung noch damit, vielleicht auch bis zum G20-Gipfel, dass solche Beweise vorgelegt werden können?

StS Seibert: Zunächst einmal wollen wir, dass es möglich ist, die Fakten und die Proben, die die Inspektoren gesammelt haben, schnell zu analysieren, damit schnell ein Bericht vorgelegt werden kann, der auch unsere Faktenlage noch einmal erweitert und bereichert.

Zusatz: Ich wollte Sie jetzt in Ihrer Antwort nicht unterbrechen.

StS Seibert: Die Antwort war gerade zum Ende gekommen.

Zusatzfrage: Nachdem gesagt wird, dass die Auswertung noch etwa zwei Wochen dauert, wird also bis zum G20-Gipfel nicht mehr mit einer klaren Lage gerechnet.

Ich habe noch eine Anschlussfrage: Auch Sie hatten schon einmal angedeutet, dass sowohl bilateral als auch auf europäischer Ebene in Verhandlungen eine gemeinsame Haltung zu dem Angriff hergestellt werden könnte. Wie weit ist man denn da in den Gesprächen mit den Franzosen? Rechnet die Bundesregierung damit, dass es eine gemeinsame Haltung zunächst mit den Franzosen und dann auf europäischer Ebene zu einem möglichen Angriff auf das Regime von Assad geben könnte?

StS Seibert: Ich will hier keine Erwartungen formulieren. Die Lage ist doch ganz klar: Wir haben es mit einem wirklich grauenhaften Verstoß gegen eine der wichtigsten internationalen Normen zu tun, nämlich gegen die Norm, dass man keine C-Waffen einsetzen darf. Wenn wir, wie wir es jetzt mehrfach getan haben, darauf beharren, dass es darauf eine geeinte internationale Reaktion geben muss, dann ist darin schon impliziert, dass wir uns natürlich auch eine geeinte europäische Haltung dazu vorstellen. Das ist das, worum sich der Außenminister, worum sich die Kanzlerin und worum sich alle anderen Beteiligten intensiv mühen. Auch das wird sicherlich am Rande des G20-Gipfels in verschiedenen Gesprächen wiederum eine Rolle spielen.

Zusatzfrage: Gibt es eine Plausibilität dafür, dass man eine solche Einigung mit den Franzosen herstellen kann?

StS Seibert: Ich wollte keine Erwartungen äußern und werde das jetzt auch nicht tun.

Peschke: Ich möchte noch zum Beratungsprozess ein Detail ergänzen, nämlich dass im Anschluss an das G20-Treffen in Sankt Petersburg das informelle Treffen der Außenminister der Europäischen Union in Vilnius stattfinden wird. Das ist turnusmäßig und von langer Hand geplant gewesen. Dort wird sich die Tagesordnung umfassend mit dem Thema Syrien beschäftigen. Das, was Herr Seibert gerade genannt hat, nämlich das Bemühen um eine geeinte europäische Haltung, wird gerade auch bei dem Treffen in Vilnius fortgesetzt werden.

Frage: Herr Peschke, wird sich der Minister vor seinem Gespräch oder vor seinem Treffen mit Herrn Lawrow noch mit seinen Kollegen aus Paris und London beraten, entweder telefonisch oder direkt?

Peschke: Wir stehen die ganze Zeit in Kontakt mit den Kollegen aus Paris und London, aber auch aus Washington und aus anderen Partnerländern.

Es wird so sein, dass die Staats- und Regierungschefs von einigen Außenministern begleitet werden. Soweit wir wissen, wird auch der französische Staatspräsident von seinem Außenminister Laurent Fabius begleitet. Dadurch wird sich am Rande eine Gesprächsmöglichkeit der beiden Außenminister, des deutschen und des französischen, ergeben.

Frage: Zu den Partnerstaaten, die Sie gerade angesprochen haben, Herr Peschke, könnte ja auch die Türkei gehören, die als Mittelmacht in der Gegend durchaus daran interessiert sein könnte, sich an einer konkreten Antwort auf die Giftgasattacke zu beteiligen. Wie ist denn dazu die Position der deutschen Regierung? Sagt man den Türken: "Wir freuen uns, wenn ihr im Zweifelsfall mitmacht", oder sagt man: "Wartet doch mal lieber ab. Immerhin haben wir Patriot-Raketen an der Grenze. Wir möchten nicht unbedingt, dass wir mit hineingezogen werden"?

Peschke: Es ist völlig richtig, dass Sie die Türkei als einen ganz wichtigen Akteur in dieser Krise erwähnen. Es wird so sein, dass die türkische Regierung ja auch beim G20-Treffen vertreten sein wird, übrigens neben Premierminister Erdogan auch mit Außenminister Davutoglu, mit dem unser Außenminister am Rande des Gipfels auch zusammentreffen wird, und zwar im Rahmen der diversen Gespräche, die eben auf Außenministerebene zum Thema Syrien vereinbart wurden. Wir sprechen also mit der Türkei sehr offen und sehr ernst.

Dabei spielt das Thema der Flüchtlinge natürlich eine sehr wesentliche Rolle. Danach hatten Sie ja vorhin gefragt. Die Türkei ist eines der größten Aufnahmeländer von Flüchtlingen. Wir unterstützen sie auch dabei. Das ist auch ein Engagement, das wir sehr hoch schätzen.

Im Übrigen versuchen wir natürlich schon, unsere Position sehr eng mit der türkischen Position abzugleichen, natürlich auch mit Blick darauf, dass wir im Rahmen eines festen defensiven Mandates im Rahmen unserer Bündnispflicht gegenüber der Türkei dort mit Verteidigungssystemen vertreten sind.

Frage: Ich habe noch eine Frage an Herrn Peschke im Zusammenhang mit der Reise des Außenministers: Welche Termine sind denn jetzt schon bestätigt, nur die mit Lawrow und Fabius oder noch mit anderen? Gibt es also schon einen genauen Plan? Sind noch weitere geplant? Wird er mit der Bundeskanzlerin hin- und zurückreisen?

Eine Frage an Herrn Seibert zum Treffen zwischen Merkel und Erdogan: Wird denn dabei definitiv auch über die Patriot-Raketen gesprochen werden? Wie ist dazu genau die Haltung der Bundesrepublik? Werden die Patriot-Raketen im Falle eines Militärschlags abgezogen, bleiben sie vor Ort, werden sie inaktiviert, oder werden sie ihre vorgesehene Aufgabe im Falle eines Falles dann erfüllen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin wird mit Herrn Erdogan über das gesamte Feld Syrien sprechen, von der humanitären Problematik bis hin zur internationalen Reaktion auf den C-Waffen-Einsatz.

Zum Einsatz der Patriot-Raketen in der Nähe der syrisch-türkischen Grenze, in Kahramanmaras, haben wir hier schon mehrfach alles gesagt. Das ist ein defensives Mandat. Deswegen ist ganz klar beschrieben, was die Soldaten dort tun. Sie tun diesen Dienst sehr zuverlässig, und dem gibt es jetzt nichts hinzuzufügen. Im Übrigen informieren wir nach dem Gespräch über die Inhalte, nicht vorher.

Peschke: Der Außenminister wird natürlich mit der Bundeskanzlerin dorthin reisen.

Ins Auge gefasst und vereinbart sind, soweit ich weiß, in der Tat Gespräche mit dem russischen, dem französischen und dem türkischen Kollegen. Es wird aber auch - da bin ich jetzt nicht auf dem allerletzten Stand, und das müsste ich gegebenenfalls im Laufe der Entwicklung nachreichen - noch weitere Gespräche geben.

Er wird dann nicht nach Berlin mit zurückgreifen, sondern direkt nach Vilnius zum informellen EU-Außenministertreffen weiterreisen.

Frage: Herr Peschke, Sie haben gerade den politischen Prozess angesprochen. Dazu gehört ja auch die Genf-2-Friedenskonferenz. Gibt es irgendwelche Fortschritte, über die Sie diesbezüglich berichten können?

Gab es in den letzten Tagen auch Kontakte mit der iranischen Seite? Wie sehen Sie momentan die iranische Position in diesem Konflikt?

Peschke: Zur sogenannten Genf-2-Konferenz kann ich Ihnen leider keinen neuen Stand vermelden. Das war ja ein wichtiges Element, um einen nächsten Schritt in Richtung einer politischen Lösung in Syrien zu gehen, der von amerikanischer und russischer Seite ins Auge gefasst wurde. Auf diesem Weg, muss man leider jetzt feststellen, sind wir durch die Ereignisse der letzten Tage und Wochen nicht signifikant vorangekommen. Das ist sehr bedauerlich. Es ist ja auch so, dass das Treffen zwischen der amerikanischen und der russischen Seite, das eben konkret der weiteren Vorbereitung des Treffens dienen sollte, abgesagt wurde. Das Ziel, wieder zu einem politischen Prozess zu kommen, bleibt erhalten, aber dafür wird sicherlich ein neuer Anlauf unternommen werden müssen, wenn die Bedingungen es wieder erlauben.

Was den Iran betrifft, so spielt der Iran in den regionalen Fragen natürlich eine sehr wichtige Rolle, und er hat eine sehr wichtige Verantwortung. Das ist auch eine Botschaft, die wir in Gesprächen mit iranischer Seite immer wieder deutlich machen und überbringen. Außenminister Westerwelle hat ja diesbezüglich auch mit dem neuen iranischen Außenminister Sarif telefoniert. Wir würden uns wünschen, dass der Iran in diesem Dossier, im Syrien-Konflikt, eine konstruktive Rolle spielt. Das wäre sicherlich nicht nur im Interesse der Wiedererlangung der Stabilität der Region, sondern auch des Iran selbst.

Frage: Ich würde ganz gerne noch einmal nach einem Seitenstrang des Syrien-Konflikts fragen: Herr Peschke, Grünhelme-Gründer Neudeck hat heute Nacht mitgeteilt, dass ein in Syrien seit mehr als 100 Tagen entführter Deutscher freigekommen sei. Er habe sich selbst befreien können und sei dann über die Grenze gegangen. Können Sie das bestätigen? Haben Sie ähnliche Informationen?

Peschke: Ja, ich kann bestätigen, dass der deutsche Staatsangehörige gestern wohlbehalten aus Syrien in die Türkei ausgereist ist. Er wird zurzeit von Mitarbeitern der deutschen Botschaft in der Türkei betreut. Wir sind sehr erleichtert, dass dieser Fall zu einem guten Ende gekommen ist.

Zusatzfrage: Gilt das auch für das Detail, dass er sich selbst hat befreien können?

Peschke: Über die Details werde ich Ihnen jetzt keine weitere Auskunft geben können. Das sind operative Details aus der Arbeit des Krisenstabs, die vielleicht einmal für Historiker interessant sein werden.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert, Herrn Peschke und Herrn Roth. Die Frage bezieht sich auf den gestrigen Waffentest im Mittelmeer. Ich möchte gerne danach fragen, ob israelische oder amerikanische Kollegen Deutschland über diesen Waffentest, diesen Raketenabschuss, vorher benachrichtigt haben.

Peschke: Mir liegen dazu keine Informationen vor. Ich kann Sie aber darauf verweisen, dass, soweit ich das gesehen habe, israelische Quellen gegenüber der Öffentlichkeit geäußert und auch klargemacht haben, in welchem Rahmen dieser Test stattgefunden hat.

Vorsitzender Hebestreit: Aber die gezielte Nachfrage nach einer Vorabwarnung können Sie nicht beantworten.

Peschke: Dazu liegen mir keine Informationen vor.

Frage: In Brüssel hat EU-Kommissar Barnier Vorschläge zur Regulierung der Schattenbanken vorgelegt. Herr Kotthaus, ich würde gerne wissen, was die Bundesregierung von diesen Vorschlägen hält, die in der deutschen Bankenlandschaft wohl zumindest zum Teil kritisiert werden.

Ich würde zum Zweiten gerne wissen, da das ja auch ein Thema beim G20-Gipfel sein wird, mit dem sich die Kanzlerin schon mehrmals befasst hat, ob die gestrigen Äußerungen der Kanzlerin so zu verstehen sind, dass die Anzeichen dafür, dass man den avisierten Zeitplan zur Regulierung der Schattenbanken dort wird verabschieden können, nicht unbedingt sonderlich gut sind.

StS Seibert: Vielleicht sage ich kurz etwas zu den Äußerungen der Bundeskanzlerin. Die Bundeskanzlerin hat das Thema ja gestern im Bundestag aufgegriffen, und sie hat nicht umsonst gesagt: Wir brauchen Ergebnisse bei der Regulierung der Schattenbanken, sonst macht sich die G20 lächerlich. - Sie hat das gesagt, weil wir noch nicht genug von dem Willen sehen, solche Ergebnisse in Sankt Petersburg auch tatsächlich zu erzielen. Die Kanzlerin sprach davon, dass schon wieder Verschleppungstendenzen zu bemerken seien.

Ich kann für die Bundesregierung nur sagen, dass wir uns der Verschleppung dieses wichtigen Themas entgegenstellen werden. Es muss weiterhin das Ziel sein, das wir uns einmal in der internationalen Gemeinschaft vorgenommen haben, jeden Finanzmarkt, jeden Finanzmarktakteur und jedes Finanzmarktprodukt zu regulieren. Daher wird sich Deutschland für spezifische und verbindliche Schritte einsetzen. Wir haben aber leider in diesem Punkt bisher noch keine sehr hohen Erwartungen an Sankt Petersburg.

Kotthaus: Das passt dann auch zu dem Statement von mir zu dem Vorschlag. Ich muss eine Einschränkung machen, Herr Heller: Ich habe den endgültigen Vorschlag, den die Kommission vorgelegt hat, bis jetzt nicht gesehen, sondern nur die Tickermeldungen, die danach gekommen sind. Da ist die Überschrift von einem Ihrer Konkurrenzanbieter: "EU will strenge Regeln für Schattenbanken". Ich glaube, ich kann sagen: Deutschland will strengere Regeln als das, was die EU für Schattenbanken offensichtlich vorgeschlagen hat, wenn das, was in der Tickermeldung steht, so stimmt.

Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass es dabei vor allen Dingen um die Fragen der sogenannten Geldmarktfonds geht. Dabei ist ein besonderes Problem: Es sind die Geldmarktfonds mit festen Anteilen, die ein besonderes Risiko darstellen und in der Krise von 2007 und 2008 ein besonderes Risiko dargestellt haben. Deswegen haben sich auch besonders die Gremien FSB, IOSCO und ESRB um dieses Thema gekümmert, also, was das FSB betrifft, auch im G20-Rahmen. Die hatten eigentlich vorgeschlagen, dass die Geldmarktfonds mit festen Anteilen aufgrund dieser besonderen Konstruktion so gestaltet werden, dass die (festen Anteile) dann auch in variable Anteile umgewandelt werden können, damit im Falle einer Krise, im Falle eines möglichen Runs, diese Geldmarktfonds nicht auf sehr schnelle Art und Weise nach dem Windhundprinzip leersaugt werden. Da das Windhundprinzip dann auf eine Quelle stößt, bei der es niemanden dahinter gibt, der das absichert, wurde das von uns als gefährlich empfunden. Deswegen gab es klare Empfehlungen von FSB, IOSCO und ESRB, das eben so zu gestalten, dass sie also eine Umwandlung in variable Anteile empfehlen oder, wenn das nicht möglich ist, dass zumindest so zu machen, dass es voll allen Forderungen entspricht, die wir auch an Banken und an andere stellen.

Wenn das jetzt stimmt, was ich in den Tickermeldungen sehen kann, nämlich dass lediglich ein Puffer in Höhe von 3 Prozent vorgesehen ist, dann würde das hinter den Erwartungen und den Empfehlungen dieser Institute zurückbleiben. Der Minister und auch sein französischer Kollege Moscovici haben sich noch am Dienstag mit einem Brief an Herrn Barnier, den zuständigen Kommissar, gewandt, darin noch einmal ausdrücklich auf dieses Problem hingewiesen und auch ausdrücklich gesagt, dass sie meinen, dass es von absolut großer Bedeutung und Wichtigkeit wäre, dass die europäischen Vorgaben diese Empfehlungen, die ich vorhin alle erwähnt habe, eins zu eins umsetzt. Also noch einmal: Ich habe den endgültigen Vorschlag nicht gesehen, aber wenn ich den Tickern glauben darf, dann scheint das nicht so ganz der Fall zu sein.

Deswegen sage ich noch einmal zusammenfassend: Es ist gut, dass der Vorschlag da ist. Das ist ein weiterer Schritt zur Regulierung der Schattenbanken. Der führt jetzt zu einem weiteren Schritt, der im Rahmen der G20 verabredet worden ist. Aber es scheint so, dass der Vorschlag hinter den Vorschlägen der Kommission sowie hinter den Vorgaben und Ideen des FSB und der anderen Institutionen zurückbleibt. Wir Deutschen hätten uns gemeinsam mit unseren französischen Kollegen und wahrscheinlich auch gemeinsam mit anderen eigentlich erhofft, dass das eins zu eins umgesetzt wird.

Frage: Ich möchte noch einmal nachfragen, was genau unter der Verschleppungstaktik zu verstehen ist.

StS Seibert: Die gestrigen Worte der Bundeskanzlerin aus dem Bundestag stehen für sich. Unseren Punkt, der uns in der Sache wichtig ist, hat Herr Kotthaus gerade dargestellt.

Frage: Herr Seibert, da die Worte der Bundeskanzlerin für sich stehen, wollte ich fragen, ob die Bundeskanzlerin im Nachhinein bedauert, dass sie in Sachen Euro-Rettung in Bezug auf die SPD davon gesprochen hat, dass sich die SPD als total unzuverlässig erwiesen habe.

StS Seibert: Das BPA hat gestern in dieser Sache einen redaktionellen Hinweis herausgegeben. Daraus ersieht man den inhaltlichen Zusammenhang der Äußerungen der Bundeskanzlerin und ihre Argumentation. Damit ist dazu alles gesagt.

Zusatz: Herr Seibert, die Frage war, ob die Bundeskanzlerin es im Nachhinein bedauert, dass sie die SPD als total unzuverlässig bezeichnet hat.

StS Seibert: Ich kann trotzdem noch einmal wiederholen, dass mit dem inhaltlichen Hinweis, der die Argumentation der Bundeskanzlerin und den Zusammenhang ja sehr klar darstellt, aus Sicht des Regierungssprechers alles gesagt ist. Die Kanzlerin hat gestern in ihrer Bundestagsrede diese inhaltlichen Punkte noch einmal aufgenommen. Auch das steht und spricht für sich.

Zusatzfrage: Heißt das, mit einer Entschuldigung der Kanzlerin ist bis zum Wahltag nicht zu rechnen?

StS Seibert: Für den Regierungssprecher ist zu diesem Thema mit dem inhaltlichen Hinweis, den wir gestern herausgegeben haben, und mit meinen Worten jetzt alles gesagt.

Frage: Zu diesem Komplex der Bundestagsrede der Kanzlerin: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin hat gestern auch gesagt, dass die Aufnahme Griechenlands in den Euroraum im Kern die Ursache der heutigen Krise in der Eurozone sei. Wortwörtlich hat sie gesagt, es habe dazu kommen können, weil immer wieder Absprachen gebrochen wurden, weil Länder wie Griechenland in den Euro aufgenommen wurden, und das auch von ihrem Vorgänger, Bundeskanzler Schröder. - Das hat sie nicht als Wahlkämpfer im TV-Duell oder bei einer Parteiveranstaltung gesagt, sondern im Bundestag als Bundeskanzlerin.

Die Frage ist nun: Ist es nur Griechenland, oder sind es auch andere Länder, deren Aufnahme in die Eurozone unter diese Kategorie fallen? Wenn ja, welche Länder sind das, und wieso nennt sie dann nur Griechenland? Wenn nicht, wie erklärt die Bundeskanzlerin dann, dass nicht nur Griechenland in der Krise steckt, sondern auch der ganze europäische Süden und Länder wie Slowenien, die viel später und unter Bundeskanzlerin Merkel in den Euroraum aufgenommen wurden?

StS Seibert: Ich habe den Worten der Bundeskanzlerin aus der Bundestagsrede jetzt auch in dieser Sache überhaupt nichts hinzuzufügen. Griechenland ist ein Mitglied des Euroraums. Griechenland arbeitet mit der Troika und damit auch mit den verschiedenen europäischen Partnern zusammen, um in Richtung einer besseren, nachhaltigen Entwicklung zu kommen. Wir unterstützen Griechenland dabei intensiv. Wir arbeiten also an den Aufgaben der Gegenwart und der Zukunft und schauen, dass die Zukunft für die Menschen in Griechenland besser wird, auch mit europäischer Hilfe. Ansonsten ist zum Thema der Vergangenheit in dieser Rede, aber auch in anderen Wortmeldungen der Bundeskanzlerin alles gesagt worden.

Zusatzfrage: Aber wenn man behauptet, die Aufnahme Griechenlands sei falsch gewesen, dann muss man konsequenterweise auch sagen: Griechenland gehört nicht dazu! Ist es falsch, wenn ich das als eine indirekte Aufforderung dazu verstehen würde, dass Griechenland den Euroraum verlassen soll?

StS Seibert: Ja, das wäre grundfalsch. Ich glaube, die Euro-Politik der Bundesregierung in den letzten Jahren hat sehr deutlich gemacht, dass wir bereit sind, große Solidarität zu zeigen, damit sich Griechenland im Euroraum stabilisiert, sich reformiert und auf einen besseren Kurs kommt.

Zusatzfrage: Dieses Argument, dass Griechenland nicht in den Euroraum hätte aufgenommen werden sollen, höre ich sehr oft und in letzter Zeit immer öfter. Meine Frage ist: Basiert diese Behauptung auf bestimmten Fakten - wenn ja, welchen -, oder ist das auch eine Art Selbstkritik, da die Entscheidung im Europaparlament auch von der CDU mitgetragen wurde?

StS Seibert: Ich sage es noch einmal: Die Bundeskanzlerin hat wiederholt die Unterstützung der Bundesregierung für Griechenland und für seine Bemühungen, seine finanziellen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu überwinden, klargemacht. Griechenland ist weiter auf dem Weg - auch mit europäischer Hilfe und mit eigenen Anstrengungen -, die Verpflichtungen aus dem Kreditprogramm umzusetzen. Uns ist es wichtig, dass Griechenland als Mitglied des Euroraums eine bessere Zukunft erlangt, und daran arbeiten wir mit.

Frage: Meine Frage bezieht sich auf Julija Tymoschenko. Ich habe in der deutschen Presse gelesen, dass derzeit Vorbereitungen für ihre Anreise laufen und dass sie bis Ende September in Berlin ankommen soll. Haben Sie denn eine neuere Information in dieser Frage?

StS Seibert: Ich habe dazu keine Informationen für Sie.

Zusatzfrage: Laufen denn derzeit Verhandlungen zwischen der EU, Deutschland und der Ukraine über dieses Thema?

Peschke: Ich kann das nur ergänzen. Es gibt einen ständigen Gesprächsprozess hinsichtlich verschiedener Fragen, auch mit der Ukraine. In diesen Gesprächen haben wir auch immer wieder unsere Bereitschaft zu einer Behandlung von Julija Tymoschenko deutlich gemacht, wenn die Bedingungen dafür gegeben sind. Aber über mehr Details kann ich hier keine Auskunft geben.

Zusatzfrage: In der Ukraine geht in der Presse das hartnäckige Gerücht um, dass Angela Merkel die Unterzeichnung des Abkommens zwischen der EU und der Ukraine nicht mehr von der Freilassung von Julija Tymoschenko abhängig macht. Das heißt, das Abkommen kann unterzeichnet werden. Aber ob es ratifiziert wird, ist dann die andere Frage. Dieses Gerücht wird wirklich in sehr vielen Medien zitiert. Hat Frau Merkel denn jemals etwas dazu gesagt?

StS Seibert: Ich nehme nicht zu Gerüchten Stellung - auch nicht zu hartnäckigen Gerüchten -, die in der Ukraine im Umlauf sind. Unsere Politik gegenüber der Ukraine hat sich aktuell nicht verändert. Der Fall von Julija Tymoschenko ist ein Thema, das uns als ein typisches Beispiel selektiver Justiz - da gibt es auch andere Fälle - schon seit Langem beschäftigt. Wir haben als Bundesregierung dazu beizutragen versucht, dass Frau Tymoschenko vernünftige, menschenwürdige Umstände hat und eine ordentliche medizinische Behandlung bekommen kann. Unsere politische Haltung zur Ukraine hat sich nicht geändert.

Zusatzfrage: Verstehe ich es richtig, dass es vonseiten Deutschlands kein Ja zu dem Abkommen geben kann, wenn Julija Tymoschenko im Gefängnis bleibt?

Peschke: Unsere Haltung dazu ist, wie Herr Seibert sagte, unverändert. Die Frage, ob und wann das Abkommen unterzeichnet werden kann, ist eine europäische Frage. Die wird im europäischen Maßstab mit unseren Partnern erörtert, und wir werden gemeinsam eine Lösung finden. Die Ukraine weiß, dass sie auf dem Weg in Richtung Europa, wenn sie ihn denn gehen möchte, weitere Reformfortschritte erzielen muss. Diese schrittweise Erreichung weiterer Reformfortschritte wird natürlich auch ein Kriterium und ein Maßstab dafür sein, inwiefern wir die europäisch-ukrainischen Beziehungen in dem ganzen Prozess der Paraphierung, der Unterzeichnung und der Ratifizierung von Abkommen, aber auch in zahlreichen anderen Fragen der wechselseitigen Annäherung ausbauen können.

Frage: Können Sie vielleicht mit Ja oder Nein antworten? Ist die Behandlung von Frau Tymoschenko hier in Deutschland eine Voraussetzung für das Unterschreiben des Assoziierungsabkommens, ja oder nein?

Peschke: Ich schätze es sehr, dass Sie so energisch nachfragen. Das ist auch Ihr gutes Recht und ich kann auch Ihr Interesse sehr gut verstehen. Ich bitte aber um Verständnis, dass die Frage der Unterzeichnung eines so weitreichenden Abkommens zwischen der Europäischen Union und der Ukraine keine Frage allein zwischen Deutschland und der Ukraine ist, sondern eine Frage, die im europäischen Maßstab erörtert werden muss. Wie ich schon gesagt habe: Für diese Unterzeichnung wird ein gesamter Kriterienkatalog zu erfüllen sein. Das wird zu besprechen sein. Da kann ich Ihnen auf eine so zugespitzte Frage einfach keine Ja/Nein-Antwort geben.

Frage: Ich möchte noch eine Frage zum Themenkomplex Bundeskanzlerin und Euro an Herrn Seibert richten: Ist die Frau Bundeskanzlerin denn dankbar dafür, dass die SPD im Bundestag die Position der Bundesregierung jeweils mitgetragen hat?

StS Seibert: Es geht nicht um Dankbarkeit. Es geht bei der Äußerung der Bundeskanzlerin, die hier in Rede steht, aber auch nicht um das Abstimmungsverhalten der SPD bei verschiedenen großen Abstimmungen im Bundestag. Das haben wir in dem redaktionellen Hinweis gestern auch klar gemacht.

Zusatzfrage: Sie haben das ja getrennt und haben sowohl die Äußerungen der SPD bewertet als auch das Abstimmungsverhalten der SPD im Bundestag davon losgelöst betrachtet. Gleichwohl möchte ich fragen: Ist die Bundeskanzlerin denn im Nachhinein dankbar, dass auch durch Mithilfe der SPD und der Grünen jeweils eine große Mehrheit zustande kam?

StS Seibert: Es ist mit Sicherheit gut, wenn der Deutsche Bundestag in solchen Fragen von großer europäischer Bedeutung breite Mehrheiten aufstellen kann.

Frage: Herr Seibert, hat sich in dieser Frage - ich beziehe mich jetzt nur auf die Passage "total unzuverlässig" - die Bundeskanzlerin Angela Merkel geäußert oder hat sich die CDU-Vorsitzende im Rahmen eines CDU-SPD-Porträts geäußert? Das war mir nicht ganz klar.

StS Seibert: Ich habe zu diesem Interview alles gesagt. Wir haben einen redaktionellen Hinweis herausgegeben, damit Inhalt und Zusammenhang noch ein bisschen besser verständlich ist. Dem habe ich nun wirklich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Verstehen Sie meine Frage? War das eine Erklärung der CDU-Vorsitzenden? Dann dürften/sollten/bräuchten Sie das ja gar nicht zu kommentieren. Oder war das eine Erklärung der Bundeskanzlerin? Dann sind Sie ja angestellt, um das zu interpretieren.

StS Seibert: Ich habe dazu alles gesagt und trage zu dieser Diskussion nicht weiter bei.

Frage: Ich möchte auch noch einmal zu einem Thema zurückkommen, das wir schon angesprochen hatten: Teilt die Bundesregierung die Kritik beziehungsweise auch die Forderungen des deutschen EZB-Direktoriumsmitglieds Asmussen am Zustand der G20? Um es konkret zu fragen: Sieht auch die Bundesregierung die Notwendigkeit, dass sich die G20 reformieren und professionalisieren muss? Sieht möglicherweise - gerade mit Blick auf die Syrien-Debatte - auch die Bundesregierung die Gefahr, dass die G20 in das Fahrwasser kommt, das sie eigentlich vermeiden wollte, und letztendlich wieder zu einem breiten wirtschafts- und finanzpolitischen Forum wird?

StS Seibert: Jetzt stehen wir einen Tag, 24 Stunden vor dem nächsten G20-Treffen. Ich denke, wir - alle nationalen Regierungen, die dort vertreten sein werden - arbeiten jetzt erst einmal daran, dieses Treffen zu einem Erfolg zu machen. Die russische G20-Präsidentschaft hat mit den Themen Wachstum und Beschäftigung natürlich entscheidende Themen gesetzt, die für uns alle weltweit von großer Bedeutung sind. Die Bundesregierung wird daran mitwirken, dass vernünftige, konkrete, klare Beschlüsse, die uns auch wirklich voranbringen, auf den verschiedenen Gebieten gefasst werden können. Unsere Erwartungen und unsere Bedenken haben wir formuliert. Über institutionelle Fragen möchte ich mich 24 Stunden vor einem G20-Treffen nicht äußern.

Frage: Herr Seibert, gibt es vonseiten der Bundesregierung vielleicht schon eine Stellungnahme zur Studie des DIW, die die Praxis des Familiensplittings, so wie sie zurzeit diskutiert und gehandhabt wird, für wenig zielführend hält?

StS Seibert: Ich glaube, das Familienministerium kann sich dazu am besten äußern.

Steegmans: Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, weil mir das die Gelegenheit gibt, auch einmal die Aufforderung an Sie zu richten, den DIW-Monatsbericht komplett zu lesen; denn darin werden nicht nur teilweise kritische, sondern vor allen Dinge auch vorteilhafte Aspekte eines Familiensplittings hervorgehoben.

Der Kern, um den es geht, ist, dass sich die Gedanken eines Familiensplittings, so wie sie von der Bundesfamilienministerin und dem Finanzminister im Juni der Öffentlichkeit vorgestellt worden sind, auf dem vorhandenen deutschen Steuersystem aufbauen. Für die Frage, ob ein französisches Modell gegenüber dem deutschen vorteilhaft ist, hätten wir diesen DIW-Monatsbericht nicht gebraucht; das haben wir nämlich bereits selber untersucht und auch im Juni bereits erklärt, dass das französische Modell auf Deutschland angewandt für Familien eher Nachteile bringt, weshalb wir auch nirgendwo den Vorschlag gemacht haben, das französische Modell auf deutsche Verhältnisse zu übertragen.

Wichtig ist, dass der Bundesfinanzminister und die Familienministerin Pläne vorgestellt haben, wonach es für deutsche Familien gut wäre und für die wirtschaftliche Stabilität sowie auch für die Wahlfreiheit von Familien vorteilhaft wäre, den steuerlichen Grundfreibetrag für Kinder auf das Niveau von Erwachsenen anzuheben. Das war auch schon vorher Linie der Bundesregierung, denn bereits zu Beginn der Legislaturperiode wurde im Entlastungsgesetz ein erster Schritt in diese Richtung unternommen - da ist der steuerliche Grundfreibetrag für Kinder ja bereits angehoben worden. Ebenfalls gibt es immer Familien, die, weil sie wenig oder keine Steuern zahlen, von einer Anhebung des Grundfreibetrages nicht profitieren. Für diese Familien gibt es Kindergeld. Dementsprechend geht eine Änderung beim Steuerfreibetrag in aller Regel auch mit einer Anhebung des Kindergeldes einher.

Wenn man das noch mit den heutigen Kabinettsbeschlussfassungen zur Anhebung des Regelsatzes für Kinder zusammennimmt, dann hätten wir eine Kaskade von familienpolitischen Leistungen, nämlich die Anhebung des Regelsatzes für Kinder jetzt, eine Anhebung des Kindergeldes für Familien mit geringen oder gar keinen Steuerzahlungen und eine Anhebung des Steuerfreibetrages für Kinder auf das Erwachsenenniveau für die Familien, die Steuern zahlen. Die Bundesregierung ist nicht der Meinung, dass Familien, die Steuern zahlen, automatisch schon zu den reichen Familien gehören.

In dieser Logik bewegt sich die Bewertung der Äußerungen des DIW-Monatsberichts von heute.

Frage: Die Kritik richtet sich ja vor allem auf die Tatsache, dass Familien mit höheren Einkommen überproportional profitieren würden. Erste Frage: Stimmt das denn?

Zweitens. Es scheint ja doch so zu sein, dass nach dem französischen Modell Familien mit mehreren Kindern - vor allem ab dem dritten Kind - stärker begünstigt würden. Wäre das nicht auch ein Aspekt, den man aufnehmen sollte?

Steegmans: Es gibt ja bereits jetzt eine Staffelung des Kindergeldes und höhere Sätze für Mehrkindfamilien. Dazu könnte im Zweifelsfall das BMF mehr sagen. Dass man überhaupt erst einmal Steuern zahlen muss, um von einem steuerlichen Grundfreibetrag etwas zu haben, ist eine Binsenweisheit. Das ist aber auch eine Grundüberlegung des deutschen Steuerwesens.

Ich möchte aber noch einen Aspekt ansprechen, der ebenfalls in dem DIW-Monatsbericht angesprochen wird, indem ich im Zusammenhang mit dem Ehegattensplitting auf eine Sache verweise, die es seit 2010 gibt und praktisch kaum bekannt ist: Es gibt bei Eheleuten - das sind ja oftmals auch Eltern, Väter und Mütter mit Kindern - immer auch die Möglichkeit, statt der Steuerklasse 3 und 5 das sogenannte Factoring-Verfahren zu wählen, bei dem die Steuerlast, der monatliche Steuerabzug, viel fairer auf beide Einkommen verteilt wird, wodurch ein Großteil dessen, was gefühlt die Ungerechtigkeit ausmacht, schon zum jetzigen Zeitpunkt gemindert werden kann - übrigens ohne jede Änderung des Steuerwesens. Insofern ist bislang leider auch von Experten immer unterbelichtet worden, was es bereits an vorhandenen Möglichkeiten gibt.

Zusatzfrage: Den ersten Teil meiner Frage finde ich nicht so ganz beantwortet. Es gibt ja die Kritik - natürlich vor allem von der SPD -, dass insbesondere oder fast ausschließlich Familien mit höheren Einkommen profitieren würden. Was sagen Sie dazu?

Steegmans: Um das auszugleichen, gibt es seit über anderthalb Jahrzehnten in Deutschland ein reformiertes Kindergeld. Ursprünglich - das wissen die wenigsten, die in den Genuss desselben kommen - gab es nur den steuerlichen Grundfreibetrag für Familien mit Kindern. Dann gab es eine gefühlte Ungerechtigkeit, da Familien, die nur wenig oder keine Steuern zahlen, von einem steuerlichen Grundfreibetrag natürlich an sich nicht profitieren. Das hat Mitte der 90er-Jahre ja auch das Verfassungsgericht moniert. Daraufhin ist das Kindergeld reformiert worden - ich glaube, es war 1996 - und deutlich erhöht worden, damit eben die kindbezogene Förderkomponente des Kindergeldes stärker zum Tragen kommt. Insofern ist durch die Kindergeldzahlung generell dem Umstand, dass von der steuerlichen Förderung nicht alle profitieren können, schon vor über anderthalb Jahrzehnten stärker Rechnung getragen worden. Das zeichnen wir auch immer nach, wenn steuerliche Freibeträge verändert werden; denn dann wird in aller Regel auch das Kindergeld entsprechend angepasst.

Insofern ist es im deutschen Steuersystem und auch in der deutschen Regierungspraxis von verschiedenen Regierungen innerhalb der letzten anderthalb Jahrzehnte immer geübte Politik gewesen, auf diesen Umstand, den Sie ansprachen, dann auch abzustellen und entsprechend Rücksicht zu nehmen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 4. September 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/09/2013-09-04-regpk.html;jsessionid=F8A517614B96572F713FA9DC00D3413F.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2013