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PRESSEKONFERENZ/672: Regierungspressekonferenz vom 7. Oktober 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 7. Oktober 2013
Regierungspressekonferenz vom 7. Oktober 2013

Themen: Tötung eines an der deutschen Botschaft in Sanaa beschäftigten Sicherheitsbeamten, Haushaltssperre in den Vereinigten Staaten von Amerika/Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, Flüchtlingspolitik in der EU, Regierungstätigkeit nach der Bundestagswahl, mögliche medizinische Behandlung von Julia Timoschenko in Deutschland, Inhaftierung von Greenpeace-Aktivisten in Russland

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Lörges (BMI), Rouenhoff (BMWi), Moosmayer (BMVBS)



Vorsitzender Hebestreit eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich würde mir gerne vom Verteidigungsministerium - oder wem auch immer; das Außenministerium ist wahrscheinlich zuständig - noch einmal den Vorgang im Jemen mit dem jetzigen Erkenntnisstand - auch zu den Hintergründen, also was diese angebliche oder versuchte Entführung betrifft - erklären lassen.

Peschke: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich da Ihr Frageinteresse vollständig werde befriedigen können.

Wie wir bereits kommuniziert haben: Wir müssen leider bestätigen, dass ein deutscher Sicherheitsbeamter, der an der Botschaft in Sanaa im Jemen tätig war, getötet wurde. Wir sind in tiefer Trauer um einen Kollegen und empfinden tiefes Mitgefühl mit seinen Angehörigen und Freunden.

Das Auswärtige Amt und die Botschaft stehen mit allen relevanten Stellen - auch mit den jemenitischen Behörden - in Kontakt, und wir sind bemüht, den Sachverhalt und die Hintergründe der Tat restlos aufzuklären.

Ich möchte hinzufügen, dass Meldungen über einen Entführungsversuch der deutschen Botschafterin, die gestern kursierten, nicht zutreffend sind.

Zusatzfrage: War dieser Sicherheitsbeamte ein Angehöriger der Bundespolizei oder irgendwelcher Dienste, oder war das ein Beschäftigter eines anderen Unternehmens? Waren bei diesem Vorfall noch andere Angehörige der deutschen Botschaft oder deutsche Staatsangehörige beteiligt oder in der Nähe?

Peschke: Zu den genauen Umständen werde ich Ihnen keine weitere Auskunft geben können. Das ist jetzt alles Teil der Aufklärungsoperationen, die wir vornehmen werden.

Wie gesagt - weil das gestern fälschlicherweise in den Raum gestellt wurde - : Einen Entführungsversuch gegen die deutsche Botschafterin hat es nicht gegeben. Die Botschafterin war zu dem Zeitpunkt gar nicht im Land; insofern ist das von vornherein nicht möglich gewesen.

Es handelt sich um einen Sicherheitsbeamten hier aus Deutschland, um einen deutschen Staatsangehörigen, der zeitweilig an der Botschaft beschäftigt war. Zur weiteren Identität möchte ich Ihnen an dieser Stelle auch nicht mehr sagen, solange wir nicht vollständige Klarheit über den Hergang und auch über die Hintergründe dieser Tat haben. Dazu gibt es jetzt umfangreiche Untersuchungen.

Zurzeit - seit 11 Uhr - tagt auch erneut der Krisenstab des Auswärtigen Amtes zu dieser Angelegenheit. Auch der Minister ist mit dieser Angelegenheit logischerweise intensiv befasst. Er wird sich heute am frühen Nachmittag, soweit ich das sehe, auch noch selber zu diesem Thema äußern.

Das sind also Dinge, die im Gang sind. Mehr an gesichertem Erkenntnisstand als das, was ich Ihnen eingangs gesagt habe, kann ich Ihnen hier nicht präsentieren und werde ich deswegen auch nicht sagen.

Zusatzfrage: Sie sprachen davon, dieser Sicherheitsbeamte sei "zeitweilig beschäftigt" gewesen. Heißt das, dass er in dem Moment gar nicht mehr Beschäftigter der Botschaft war?

Peschke: Doch, doch. Das "zeitweilig" bezog sich darauf, dass wir ein Rotationsverfahren haben, das sowohl für Beschäftigte des Auswärtigen Amtes als auch für Beschäftigte anderer Behörden - auch Sicherheitsbehörden - gilt, die an Botschaften abgeordnet sind, um da Dienstleistungen zu erbringen. In diesem Rahmen muss man das verstehen.

Frage: Herr Peschke, können Sie denn wenigstens sagen, wie lange der Mann schon an der deutschen Botschaft beschäftigt war?

Zweitens. Wo hat sich die Botschafterin denn aufgehalten? Es hieß in Medienberichten, sie sei zum Zeitpunkt dieses Schusswechsels - oder wie auch immer, dieser Ermordung - in Dubai gewesen.

Drittens. Plant das Auswärtige Amt als Konsequenz aus den Sicherheitsproblemen, die es da gibt, noch einmal eine Schließung der Botschaft?

Peschke: Zu Ihrer ersten Frage: Da kann ich Ihnen auch keine genaue Zahl nennen. Er war auf jeden Fall über einen längeren Zeitraum an der Botschaft.

Zu Ihrer zweiten Frage: Die Botschafterin war außer Landes. Der genaue Ort spielt für den Hergang auch keine Rolle. Sie war jedenfalls nicht im Land, deswegen ist ein Entführungsversuch gegen sie - das war ja der Ausgangspunkt, dass das gestern fälschlicherweise kursierte - ausgeschlossen.

Zu Ihrer dritten Frage bezüglich der Sicherheitslage: Eine genaue Analyse der Sicherheitslage im Lichte dieser Tat ist jetzt ja auch Gegenstand der Sitzung des Krisenstabes. Wir haben bereits eine Reisewarnung in Bezug auf Jemen. Jetzt werden die Reise- und Sicherheitshinweise dennoch noch einmal überprüft. Natürlich werden auch die Sicherheitsvorkehrungen der Botschaft im Lichte dieser Tat erneut überprüft. Im Moment ist noch keine Entscheidung getroffen, ob und wie der Dienstbetrieb an der Botschaft entsprechend aufrechterhalten wird. Das wird sicherlich im Krisenstab besprochen und entschieden werden. Insofern gibt es auch noch keine Entscheidung, ob - wie das in der Vergangenheit schon einmal der Fall gewesen ist, als die Botschaft geschlossen wurde - solche Schritte gegangen werden. Das muss man jetzt erst einmal alles in der Analyse der Tat, der Umstände der Tat und des Sachverhaltes genau eruieren und dann entsprechende Schritte ergreifen, wenn dies notwendig ist.

Zusatzfrage: Herr Peschke, können Sie sagen, wie viele Mitarbeiter die deutsche Botschaft in Sanaa hat und wie viele davon deutsche Staatsbürger sind?

Peschke: Es handelt sich, soweit ich weiß, um eine einstellige Zahl entsandter Bediensteter aus Deutschland.

Zusatzfrage: Und die Zahl der Mitarbeiter insgesamt?

Peschke: Eine weitere Zahl kann ich Ihnen nicht nennen. Das könnte ich gegebenenfalls nachreichen, aber das muss ich erst checken.

Frage: Herr Peschke, Sie sagten, die Umstände der Tat sollten restlos aufgeklärt werden. Wie soll das vonstattengehen? Vertrauen Sie da auf die Arbeit der jemenitischen Behörden oder wird ein deutsches Team entsandt werden, um dort Ermittlungen zu führen?

Noch eine Frage zu dem Sicherheitsbeamten: Können Sie noch etwas zu seinen Aufgaben sagen? Gelegentlich wurde er in Berichten als Leibwächter bezeichnet. War das ein Personenschützer, oder was waren die Aufgaben dieses Sicherheitsbeamten?

Peschke: Zu dem Zweiten möchte ich keine weitere genaue Information geben. Er war im Sicherheitsbereich für Sicherheitsdienstleistungen an der Botschaft zuständig. Dass ich keine weiteren Informationen geben kann, liegt natürlich auch daran, dass wir das genaue Sicherheitsdispositiv aus naheliegenden Gründen - nämlich um die Sicherheit nicht weiter zu unterminieren - nicht offenlegen.

Zu Ihrer zweiten Frage bezüglich der Aufklärung: Da ist es so, dass jetzt natürlich alle verfügbaren Mittel eingeschaltet werden. Wir stehen innerstaatlich logischerweise im Kontakt mit allen relevanten Behörden. Es sind bereits Leute vor Ort. Es ist durchaus möglich, dass unsere Präsenz vor Ort entsprechend verstärkt wird, um die Untersuchung zu erleichtern und voranzubringen. Das wird also von uns aus vorangetrieben, aber natürlich stehen wir auch in Kontakt mit den jemenitischen Behörden, die hier ja auch eine Verantwortung haben, zur Aufklärung beizutragen, und natürlich auch - das wollen wir auch nicht vergessen - dazu beizutragen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden können.

Frage: Habe ich Sie richtig verstanden, dass deutsche Ermittler schon vor Ort sind?

Peschke: Es ist deutsches Personal vor Ort. Wir haben ja eine Botschaft mit entsprechendem Personal. Die sind vor Ort und kümmern sich natürlich um die Angelegenheit; das ist ja selbstverständlich. Ich habe gesagt: Es ist nicht ausgeschlossen, dass die jetzt auch noch einmal verstärkt werden, um die Aufklärung voranzubringen.

Zusatzfrage: Nun gilt der Jemen ja als eines der Länder, wo spezielle Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind. Können Sie noch einmal sagen, worum es da im Groben geht, ohne jetzt in die Details zu gehen? Welche Sicherheitsvorkehrungen sind zum Beispiel anders als in anderen Ländern?

Peschke: Nein, das möchte ich - da verweise auch auf meine Antwort auf die Frage des Kollegen - gerade nicht tun. Wir haben logischerweise in Jemen erhöhte Sicherheitsvorkehrungen getroffen, die der Lage Rechnung tragen, dass in Jemen eine erhöhte Gefährdung vorhanden ist. Nicht umsonst wurde die Botschaft ja vor nicht allzu langer Zeit erst geschlossen und dann wieder eröffnet. Da gab es ja auch entsprechende Hinweise zu einer weiteren Gefährdung der Sicherheitslage, die dann wieder zurückgenommen wurden. Das ist also eine Sicherheitslage, die sich durch eine besondere Gefährdung auszeichnet, und dementsprechend sind auch die Sicherheitsvorkehrungen hochgefahren - in allen Bereichen, die man sich denken kann. Über die Details möchte ich hier aber keine Auskunft geben, weil Vertraulichkeit für die Sicherheit natürlich unabdingbar ist.

Frage: Herr Peschke, noch einmal zur Jobbeschreibung des Opfers: "Sicherheit" heißt Sicherheit der Botschaft, oder heißt es möglicherweise Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland?

Es gibt offensichtlich jemenitische Medienberichte, nach denen der Beamte oder der Mitarbeiter selbst Ziel eines Entführungsversuches gewesen sei, und das habe in einem Einkaufszentrum stattgefunden. Können Sie dazu noch einmal etwas sagen?

Peschke: Zu dem Ersten: Da geht es jetzt vorrangig - so hatte ich die Fragen auch verstanden - um das gesamte Sicherheitsdispositiv vor Ort, und in diesen Rahmen ordnet sich auch die Tätigkeit der Bediensteten - auch der Sicherheitsbediensteten und auch des tragischerweise getöteten Bediensteten - der Botschaft ein.

Zweitens. Was wir sagen können, ist, dass es keinen Entführungsvorfall gegen die deutsche Botschafterin gegeben hat. So viel steht fest. Alles andere - auch was den genauen Hergang betrifft - sind Dinge, die jetzt auch Teil der Untersuchung und Aufklärung sind; da kann ich Ihnen im Moment kein abschließendes Lagebild präsentieren. Nur das tragische Ergebnis des Vorgangs, nämlich dass ein deutscher Sicherheitsbediensteter getötet wurde, steht leider fest. Aber was genau der Anlass war, was genau die Hintergründe sind, wie sich der Sachverhalt darstellt: Das sind Dinge, zu denen ich Ihnen im Moment keine verlässlichen Angaben machen kann. Das ist jetzt auch Teil der Aufklärung, die wir vorzunehmen haben und die wir logischerweise auch von den jemenitischen Behörden verlangen.

Zusatzfrage: Dieser Vorfall hat aber nicht im unmittelbaren Umfeld der Botschaft, nicht im räumlichen Zusammenhang mit der Botschaft stattgefunden?

Peschke: Es war nicht an der Botschaft, es war in Sanaa.

Frage: War der Getötete denn überhaupt im Dienst oder einfach nur einkaufen? Wenn er im Dienst war, wen hat er dann geschützt?

Peschke: Dazu kann und möchte ich Ihnen jetzt keine weiteren Details geben. Er war ein Sicherheitsbediensteter der Botschaft, der in Sanaa getötet wurde. Die Frage, ob er (im Dienst war) und in welcher Funktion er eingesetzt war, kann ich Ihnen nicht beantworten; die habe ich ja auch vorher nicht beantwortet. In welchem genauen Kontext die Tat erfolgte und was die Hintergründe sind, ist Teil der Aufklärung, die wir jetzt vornehmen. Da will ich jetzt nicht an einzelnen Ecken anfangen, zu sagen: Da war dies, da war jenes. Das sind alles Dinge, die im Grunde in den Kontext der Aufklärung gehören und jetzt erst einmal geklärt werden müssen, bevor wir Stellung dazu nehmen können - wenn wir überhaupt dazu Stellung nehmen können.

Frage: Herr Peschke, ist die deutsche Botschafterin Müller-Holtkemper denn mittlerweile an ihrem Dienstort eingetroffen, oder ist sie vorsorglich im Ausland geblieben?

Die zweite Frage geht an Herrn Lörges: Können Sie sagen, wie viele Mitarbeiter der Bundespolizei normalerweise in einer Botschaft wie im Jemen stationiert sind?

Peschke: Die Botschafterin ist auf dem Weg zurück zu ihrem Dienstort.

Zusatzfrage: Sie ist also noch nicht eingetroffen?

Peschke: Sie ist auf dem Weg.

Lörges: Wir werden in diesen Fällen auf Bitten des Auswärtigen Amts tätig und halten uns dementsprechend auch bei dem Sprechen im Windschatten des Auswärtigen Amts.

Zusatzfrage: Sie sagen also wahrscheinlich aus Sicherheitserwägungen nichts?

Peschke: Sie sagen "in solchen Fällen" - was heißt "in solchen Fällen"?

Zusatz : Nein, ich meinte, dass Sie aus Sicherheitserwägungen wahrscheinlich nichts Konkretes sagen.

Peschke: Ja, aber man kann da nicht verallgemeinern. Die Lage ist in Kabul ganz anders als in Sanaa, in Sanaa ganz anders als in Tripolis, und in Tripolis anders als in anderen Dienstorten. Man muss ja jeweils nach der entsprechenden Sicherheitslage vor Ort beurteilen, welches Dispositiv an materieller und personeller Sicherheit und auch an Verhaltensregeln für die Bediensteten - inwiefern kann man sich überhaupt bewegen, welche Vorkehrungen sind zu treffen, wenn man sich bewegt? - notwendig ist. Das kann sich auch an einem Dienstort von einem Zeitpunkt zum anderen ändern. Das war ja in Jemen nun gerade der Fall gewesen - wir hatten ja die Botschaft zwischenzeitlich geschlossen. Da kann ich Ihnen einfach keine Verallgemeinerung präsentieren.

Frage: Gibt es denn Erfahrungen der Zusammenarbeit mit den jemenitischen Behörden in ähnlich gelagerten Fällen oder überhaupt der Zusammenarbeit mit den jemenitischen Sicherheitsbehörden?

Peschke: Ja, wir haben schon in sehr vielfältigen und auch in sehr schwierigen Fällen Erfahrungen der Zusammenarbeit sammeln müssen. Sie werden sich erinnern, dass es auch diverse Entführungsfälle in Jemen gab, in denen wir mit den Sicherheitsbehörden zusammengearbeitet haben. Ich will das hier jetzt nicht bewerten oder einschätzen. Ich glaube, man kann konstatieren, dass von jemenitischer Seite durchaus das Bemühen da ist, ordentlich mit uns zusammenzuarbeiten. Aber dass man im Gesamtkontext der Fragilität der staatlichen Strukturen in Jemen - insbesondere in Gebieten außerhalb von Sanaa - mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, ist offensichtlich.

Frage: Herr Lörges, um Sie noch einmal kurz aus dem Windschatten herauszuziehen: War es möglicherweise ein Mitarbeiter einer Behörde, die Ihrem Haus nachgeordnet ist?

Lörges: Ich möchte vorweg sagen, dass der Windschatten auch inhaltlicher Art ist. Der Kollege hat das alles gut erklärt, da habe ich inhaltlich überhaupt nichts hinzuzufügen. Dabei möchte ich es jetzt auch belassen.

Zusatzfrage: Das heißt, die Frage, ein Mitarbeiter welcher Bundesbehörde er war, ist jetzt nicht zulässig oder wird nicht beantwortet?

Lörges: Die ist zulässig, aber das Auswärtige Amt kommuniziert zu diesem Fall, und dabei möchte ich es hier belassen. Insofern werde ich zu dieser Frage auch keine Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Herr Peschke, darf ich Sie dann noch einmal fragen, auch wenn Sie Ihren Blick gesenkt halten?

Peschke: Sie können mich jederzeit fragen; ich wurde, glaube ich, auch schon von dem einen oder anderen gefragt. Ich habe gesagt, dass das ein deutscher Sicherheitsbeamter war, und dabei würde ich es für den Moment belassen.

Frage: Sind denn in den vorangegangen Fällen der Zusammenarbeit mit dem Jemen eigene deutsche Ermittler dort tätig geworden? Oder hat man das dann den jemenitischen Behörden überlassen?

Peschke: Auch das ist wiederum sehr vielfältig; die Zusammenarbeit gestaltet sich immer vor Ort. Wir haben aber auch immer wieder aus verschiedenen Bereichen Leute in den Jemen geschickt. Ich erinnere mich zum Beispiel, dass seinerzeit in einem Entführungsfall auch der Leiter des Krisenstabes persönlich nach Jemen gereist ist, um entsprechende Gespräche zu führen. Das wird also je nach Bedürfnis analysiert und entsprechend entschieden, und dann werden die Kräfte vor Ort verstärkt oder nicht. Es ist jedenfalls nicht ungewöhnlich, dass wir zusätzliche Leute entsenden, um die Aufklärung vor Ort zu befördern.

Frage: Herr Seibert, ich möchte ein Thema ansprechen, das wir schon am Mittwoch behandelt haben, und zwar die Auswirkungen der US-Haushaltssperre und eines möglicherweise längeren Andauerns dieser Sperre. Nun sind die Gespräche über ein Freihandelsabkommen der EU mit den Amerikanern abgesagt worden. Gibt es vor dem Hintergrund dieser Haushaltssperre irgendwelche Termine, Gespräche oder Verhandlungen, in denen die Bundesregierung im Moment mit amerikanischen Stellen ist, die letztendlich durch die US-Haushaltsprobleme auch bereits in Mitleidenschaft gezogen werden? Wächst die Sorge der Bundesregierung, dass die Betroffenheit sowohl der Wirtschaft als auch auf der Ebene Regierungshandeln immer stärker wird?

StS Seibert: Ich kann Ihnen eigentlich das Gleiche sagen wie schon am vergangenen Mittwoch: Wir beobachten diese Situation sehr aufmerksam, wie es wahrscheinlich die ganze Welt tut. Wir hoffen, dass es eine Einigung zwischen der Regierung und der großen Partei im Kongress, den Republikanern, gibt. Wir hoffen, dass diese Einigung auch bald möglich sein wird. Mehr kann ich dazu inhaltlich nicht sagen.

Ich kenne im Moment keine deutsch-amerikanischen Verhandlungen, die deswegen abgesagt werden mussten oder in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Ich müsste mich da erkundigen. Ich wüsste im Moment von keinen.

Zusatzfrage: Ist diese Absage der EU-US-Gespräche letztendlich eine Petitesse, die schnell wieder aufgeholt werden kann? Oder ist das durchaus Anlass für Sie, aufzumerken und gravierendere Folgen zu befürchten?

StS Seibert: Es ist nie schön, wenn man eine Verhandlungsrunde absagen muss. Andererseits wissen wir, dass es sich bei dem Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA um ein Projekt handelt, an dem wir ziemlich lange verhandeln werden, weil es ein extrem komplexes Projekt ist. Deswegen ist die Absage einer Verhandlungsrunde sicherlich noch nicht ein großes Unglück. Wir hoffen, dass das natürlich bald nachgeholt werden kann. Verhandlungsführer ist die EU-Kommission. Da liegt die Festlegung von Terminen.

Frage: Herr Seibert, Sie haben an dieser Stelle schon mehrfach klargemacht, dass die Bundesregierung nach der Bundestagswahl handlungsfähig ist. Macht die Kanzlerin sich Sorgen um die Handlungswilligkeit ihrer Minister, besonders der der FDP? Es gibt durchaus Berichte, dass zum Beispiel Herr Rösler nach der Bundestagswahl in seinem Ministerium nicht mehr so präsent sei.

StS Seibert: Nein.

Zusatzfrage: Frage an das Wirtschaftsministerium: Trifft es denn zu, dass Herr Rösler so wenig präsent ist? Vielleicht können Sie einen Ausblick auf die Termine von Herrn Rösler in der nächsten Zeit geben.

Rouenhoff: Ich kann dazu sagen, dass der Betrieb im Wirtschaftsministerium derzeit normal fortgeführt wird. Es finden neben der normalen Geschäftstätigkeit auch regelmäßig Besprechungen mit der Leitung statt.

Hinsichtlich Ihrer Frage zu den Terminen in dieser Woche: Diese werden derzeit sondiert.

Zusatzfrage: Herr Seibert, können Sie noch einmal deutlich machen, warum die Kanzlerin die Handlungswilligkeit bei den FDP-Ministern als gegeben ansieht? Welche Vorhaben stehen zum Beispiel noch an?

StS Seibert: Sie fragen mich nach einer Sorge der Kanzlerin, die die Kanzlerin nicht hat. Deswegen geht die Kanzlerin selbstverständlich davon aus - und es gibt überhaupt keine Anzeichen in eine andere Richtung -, dass diese Regierung, die im Amt ist, auch handlungsfähig ist und handelt.

Ich kann beispielsweise sagen - das wissen Sie sicherlich auch -, dass die Bundesjustizministerin, die bekanntlich der liberalen Partei angehört, heute in Luxemburg an einem wichtigen europäischen Fachministerrat teilnimmt. Dafür wird es auch noch andere Beispiele geben. Es gibt keinen Anlass, sich Sorge zu machen.

Frage: Frau Moosmayer, ist der Parlamentarische Staatssekretär Mücke wieder aufgetaucht? Es war zu lesen, er sei nach der Wahl zumindest tageweise abwesend gewesen.

Moosmayer: Das habe ich im "Spiegel" auch gelesen. Herr Mücke ist, wie alle anderen Staatsekretäre bei uns, bei der Arbeit.

Frage: Herr Seibert, es ist zumindest ein Präzedenzfall, dass es ab dem 22. Oktober mehrere Bundesminister geben wird, die einer nicht mehr im Bundestag vertretenen Partei angehören. Sieht die Kanzlerin denn darin vielleicht ein kleines Problem?

StS Seibert: Ich kann meine Antwort nur wiederholen: Nein.

Frage: Herr Seibert, nach der Flüchtlingstragödie vor Lampedusa am Wochenende werden Forderungen nach einer Neuordnung der Flüchtlingspolitik in der EU laut. Unter anderem fordert EU-Parlamentspräsident Schulz, dass Deutschland mehr tun müsse. Sieht die Bundesregierung, sieht die Kanzlerin da Nachholbedarf und sozusagen eine Gerechtigkeitslücke? Auch die italienische Regierung fordert, dass die Partner mehr tun. Muss da von deutscher Seite mehr getan werden?

StS Seibert: Zunächst einmal will ich noch einmal sagen, dass diese Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa uns alle bestürzt hat - die Politiker genau wie selbstverständlich die Bevölkerung. Die Bundesregierung bedauert zutiefst den Tod so vieler Menschen im Meer vor Lampedusa. Wir wissen sehr genau, dass diese Männer und Frauen aus Verzweiflung über bedrückende Lebensverhältnisse und sicherlich in großer Hoffnung nach Europa aufgebrochen waren.

Nichtsdestotrotz: Der Schlüssel dafür, dass solche Katastrophen sich nicht wiederholen, wird langfristig in den Ländern, denen diese Menschen entstammen, zu finden sein. Dort muss es zu besseren Lebensverhältnissen kommen. Hier ist Deutschland sowohl im EU-Kontext als auch bilateral tätig.

Wenn jetzt gefordert wird, dass Deutschland mehr Menschen aufnehmen möge, dann sollte man sich zunächst einmal die Zahlen betrachten, die die Gegenwart der Aufnahme beschreiben. Bei diesen Zahlen wird sehr deutlich, dass es in Deutschland jedes Jahr eine große Zahl von Asylanträgen gibt. Die Zahl wächst. Ich glaube, das BMI kann darüber sehr viel besser Auskunft geben.

Es ist jedenfalls nach diesen Zahlen sehr deutlich, dass Deutschland durchaus das tut, was seiner Größe und seiner Bevölkerungszahl in Europa entspricht. - Vielleicht kann Herr Lörges etwas genauer ergänzen.

Lörges: Das mache ich gerne. - Wir haben heute Vormittag die aktuellen Asylbewerberzahlen zu September 2013 herausgegeben. Das ist noch einmal eine Steigerung; die Vergleichszahlen können Sie der Pressemitteilung entnehmen. Im vergangenen Monat waren es allein knapp 11.500 Asylanträge. Im Jahr 2013 - Januar bis September - kommen wir insgesamt auf 74.194. Das ist deutlich mehr, als Deutschland im vergangenen Jahr aufgenommen hat.

Lassen Sie mich auch noch eine Statistik, eine Zahl, aus Italien ergänzen: Italien hat im vergangenen Jahr insgesamt 15.000 Asylbewerber aufgenommen und Deutschland eben 65.000. Es ist also nicht klar ersichtlich, woher der Ruf nach einem "gerechteren Verteilungsmechanismus" - jedenfalls nicht aus den Zahlen - kommt.

Zusatzfrage: Die Zahlen dazu stimmen sicherlich, die Sie vortragen. Das hilft natürlich den Menschen, die dort vor Ort ertrinken, wenig - auch nicht diese mittelfristige Perspektive. Ist möglicherweise auf EU-Ebene ein Gespräch mit der italienischen Regierung notwendig, um die italienische Regierung dahin zu bringen, dass sie mit solchen Vorfällen anders umgeht und sich möglicherweise auch eine Rechtslage im Land ändert? Ist das möglich?

Lörges: Ihre Frage impliziert ja, dass die italienische Regierung für den Tod dieser Menschen verantwortlich wäre.

Zusatzfrage : Nein, das habe ich damit nicht gesagt. Ich sagte nur: Offensichtlich hat die italienische Regierung das Problem zu verhindern, dass Flüchtlinge, die sich dem Land nähern - das müssen bei dieser Katastrophe ja nur wenige 100 Meter gewesen sein - umkommen. Da gibt es offensichtlich auch Rechtslagen in Italien - ich weiß nicht, ob das EU-Rechtslagen sind -, dass Fischer, die dort helfen, bestraft werden. Muss man über so etwas mit den Italienern einmal reden, oder muss das eine Diskussion auf EU-Ebene sein? Damit mache ich ja keine Schuldzuweisung.

Lörges: Wie gesagt: Ich glaube, man muss sich den konkreten Fall genau anschauen. Da bin ich nicht sicher, ob das zutrifft, was manche Frage impliziert, dass eben eine konkrete Verantwortung staatlichen Handelns zu dem Tod dieser Menschen geführt hat. Das muss dann sicherlich konkret aufgeklärt werden.

Allgemein gelten auf europäischer Ebene Menschenrechte und auch das Asylrecht. Das muss in allen Mitgliedstaaten natürlich beachtet werden. Das ist für die Bundesregierung ganz klar.

Frage: Herr Seibert, offenkundig ist es ja in Italien so, dass zumindest Zweifel daran bestehen, ob es rechtlich zulässig ist, in bestimmten Situationen Menschen in Seenot zu helfen. Ist so eine Situation aus Sicht der Bundesregierung akzeptabel, hinnehmbar oder gar erträglich?

StS Seibert: Wir haben eine gemeinsame europäische Asylpolitik, ein gemeinsames europäisches Asylsystem. Das heißt, alles, was sich jetzt an Fragen stellt, muss meines Erachtens und nach Überzeugung der Bundesregierung auf der europäischen Ebene und nicht bilateral besprochen werden.

Zusatzfrage: Die Situation vor Ort ist ja offenbar so, dass dort zumindest - da kann man vielleicht über die Rechtslage diskutieren - der Eindruck entsteht, es sei nicht in jeder Situation zulässig, Menschen in Seenot zu helfen. Das ist ja eine Frage, die die Bundesregierung aus ihrem Rechtsstaatsverständnis heraus auch ohne Absprache innerhalb der EU beantworten können müsste.

StS Seibert: Ich denke, es versteht sich, dass man nach einer menschlichen Katastrophe dieses Ausmaßes gemeinsam zusammensitzt und überlegt, ob die Regelungen, die man getroffen hat, die richtigen sind oder ob Verbesserungen erreicht werden müssen, damit eine solche Katastrophe sich nicht wiederholt. Damit sage ich nicht, dass die Regelungen verbessert werden müssen.

Aber dass man eine solche Katastrophe nicht einfach geschehen lässt, ohne darüber zu diskutieren, was da passiert ist und wie man verhindern kann, dass es genau so ein weiteres Mal passiert, das ist, glaube ich, in Europa nicht zu erwarten. Das wird natürlich Gesprächsgegenstand sein.

Frage: Das Außenministerium möchte ich gern fragen, ob es irgendwelche neuen Entwicklungen um die ukrainische Oppositionspolitikerin Timoschenko gibt und ob womöglich in absehbarer Zeit ein Transfer in ärztliche Obhut - in die Charité hier in Berlin - ansteht?

Peschke: Ich kann Ihnen da leider zur Stunde noch kein handfestes Ergebnis präsentieren. Sie wissen wie wir, dass sich Frau Timoschenko offensichtlich an die von der EU eingesetzten Vermittler Cox und Kwasniewski gewandt hat. Es liegt jetzt sozusagen an ihnen, sich mit dem Mandat, wenn sie es denn erhalten haben, an die ukrainische Regierung zu wenden. Da kann ich Ihnen den aktuellen Sachstand nicht besser präsentieren, als es die beiden selbst könnten. Sie müssten sie dann direkt befragen.

Ansonsten ist unsere Haltung diejenige, dass wir auf eine baldige Lösung des Falls Timoschenko hoffen und wir nach wie vor dazu bereit sind, einen konkreten Beitrag zu leisten. Unser Angebot an Frau Timoschenko, sich in Deutschland medizinisch behandeln zu lassen, steht. Da wären wir gegebenenfalls auch kurzfristig handlungsbereit. Die Freilassung des ehemaligen Innenministers Luzenko im April hat ja gezeigt, dass Lösungen im Weg einer Begnadigung möglich sind. Wir hoffen, dass man eventuell auch auf diesem Weg in Sachen von Frau Timoschenko Fortschritte erzielen kann. Wir erwarten ganz klar, dass die ukrainische Seite - und dazu ist sie auch aufgerufen - das Ihre tut, um zu einer baldigen Lösung beizutragen.

Außenminister Westerwelle ist da auch persönlich involviert. Ohne jetzt ein konkretes Datum nennen zu können, kann ich Ihnen sagen, dass eine sehr baldige Reise des Außenministers in die Ukraine aus einem anderen Anlass stattfinden könnte. Auf dieser Reise würde natürlich, wenn sie denn stattfindet, auch das Thema Timoschenko angesprochen werden. Inwiefern wir dann zu einer Lösung kommen, kann ich Ihnen aber jetzt noch nicht vorhersagen.

Frage: Noch ein außenpolitisches Thema: Herr Peschke, vor einer Woche haben wir uns hier auch über die Situation der Greenpeace-Aktivisten in Russland unterhalten. Dann sagten Sie oder ein Vertreter des Auswärtigen Amtes, man beobachte die Lage dort sehr intensiv. Am Wochenende gab es Protestaktionen, u. a. auch in Deutschland. Gibt es schon mögliche konkrete Ergebnisse der Beobachtung? Also ist man - wie auch immer - vorstellig geworden, oder beabsichtigt man, einen Botschafter einzuberufen?

Peschke: Das ist ein Fall, der sich ja schon eine ganze Weile hinzieht. Wir beobachten das weiterhin sehr aufmerksam und mit durchaus wachsender Sorge. Unsere Botschaft in Moskau steht in einem engen Austausch mit den Vertretungen derjenigen Länder, deren Staatsbürger festgenommen und angeklagt worden sind.

Sie haben ja wie wir verfolgt, dass die Niederlande ein Schiedsgerichtsverfahren eingeleitet haben. Wir hoffen, dass das von den Niederlanden eingeleitete Schiedsgerichtsverfahren eine Klarstellung des Vorgehens der russischen Behörden und eine baldige Freilassung der Festgenommenen zur Folge hat. Das ist unsere Hoffnung. Darauf setzen wir.

Wir erwarten natürlich von den russischen Behörden, dass sie ein rechtsstaatliches Verfahren durchführen, das insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet. Es ist doch ganz klar, dass friedliche Proteste gegen empfundene Missstände der Zivilgesellschaft möglich sein müssen. Das ist, glaube ich, ein fester Teil unserer europäischen Wertegemeinschaft, und das ist natürlich auch ein Maßstab, den wir gegen Russland anlegen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 7. Oktober 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/10/2013-10-07-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2013