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PRESSEKONFERENZ/714: Regierungspressekonferenz vom 30. Dezember 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 30. Dezember 2013
Regierungspressekonferenz vom 30. Dezember 2013

Themen: Sprengstoffanschläge in Wolgograd, Skiunfall von Michael Schumacher, Schüsse auf die Residenz des deutschen Botschafters in Athen, staatliche Transferleistungen für Zuwanderer, Besuch des umstrittenen Yasukuni-Schreins durch den japanischen Ministerpräsidenten, Leistungsausweitungen in der Rente, Korruptionsskandal in der Türkei, Personalie

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Lörges (BMI), Küchen (BMAS)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich würde zunächst etwas zu den Anschlägen in Südrussland sagen: Die Bundesregierung hat mit Entsetzen von diesen beiden Anschlägen in Wolgograd gestern und heute erfahren. Sie tragen ja erkennbarerweise die gleiche Handschrift wie die Anschläge im Oktober. Wir verurteilen dieses grausame Blutvergießen durch Terroristen auf das Schärfste.

Unsere Gedanken gelten jetzt in erster Linie den Opfern und den Hinterbliebenen. Die Bundeskanzlerin hat das in einem Kondolenztelegramm zum Ausdruck gebracht, das sie heute Morgen an Staatspräsident Putin geschickt hat. Ich will nur kurz daraus zitieren:

"Sehr geehrter Herr Präsident, mit Bestürzung und Abscheu habe ich von den beiden schrecklichen Sprengstoffanschlägen in Wolgograd erfahren, bei denen gestern und heute so viele Menschen ihr Leben verloren haben. Ich möchte Ihnen hierzu mein herzliches Mitgefühl ausdrücken. Bitte übermitteln Sie meine Anteilnahme auch den Angehörigen der Opfer. Den Verletzten wünsche ich rasche Genesung."

So viel zu den Anschlägen in Wolgograd.

Dann will ich für die Bundesregierung noch etwas zu Michael Schumacher sagen - wissend, dass sehr viele Menschen in Deutschland sicherlich gerade auch über sein Schicksal nachdenken. Wie Millionen von Deutschen waren auch die Bundeskanzlerin und die Mitglieder der Bundesregierung außerordentlich bestürzt, als sie von Michael Schumachers schwerem Skiunfall erfahren haben. Wir haben die Ärzte vorhin gehört: Die Lage wird als außerordentlich ernst beschrieben. Wir hoffen mit Michael Schumacher und mit seiner Familie, dass er die Verletzungen überwinden und genesen kann. Seiner Frau, seinen Kindern und seinen Angehörigen wünschen wir in diesen schweren Stunden Kraft und Zusammenhalt.

Schäfer: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich würde gerne für Außenminister Steinmeier ergänzen, dass er heute Morgen - auch aus Anlass der beiden Anschläge in Wolgograd - mit dem russischen Außenminister gesprochen und telefoniert hat und ihm im Namen der Bundesregierung in dem Sinne, in dem Herr Seibert Ihnen das vorgetragen hat, kondoliert hat.

Frage: Welchen Schluss ziehen denn dann die Bundesregierung und das Auswärtige Amt in Bezug auf die Sicherheitslage von Touristen und Geschäftsleuten, von Deutschen in Russland und auch für die Olympischen Spiele in Sotschi?

Schäfer: Wir haben mit Sorge zur Kenntnis genommen, was gestern in Wolgograd passiert ist und was auch bereits in den letzten Monaten geschehen ist. Wir setzen darauf, dass die russischen Sicherheitsbehörden alles tun werden, um die Sicherheit der Olympischen Spiele zu gewährleisten, und wir haben auch Vertrauen darin, dass das gelingen wird.

Frage: Herr Lörges, ich hätte gerne gewusst, ob diese Anschläge Konsequenzen für die Reisepläne des Ministers haben. Welche Sicherheitsvorkehrungen trifft man denn, um die Sicherheit der deutschen Teilnehmer an den Spielen zu gewährleisten?

Lörges: Zunächst einmal - das hat Herr Schäfer ja schon einleitend klargemacht - gehen wir davon aus, dass die russischen Sicherheitsbehörden alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Sicherheit der Olympischen Spiele zu gewährleisten. Einzelheiten zu der Reise des Ministers - das hatten wir ja hier schon auch vor einer Woche thematisiert - werden wir später noch bekannt geben. Auch die Sicherheit ist natürlich ein Thema, aber das gilt für jede Reise eines Bundesinnenministers. Auch bezüglich der Sicherheit der Sportler stehen natürlich in erster Linie die russischen Sicherheitsbehörden in der Verantwortung.

Schäfer: Sie haben sicherlich schon den Nachrichten entnommen, dass Unbekannte heute Nacht etwa 15 Schüsse auf die Residenz unseres, des deutschen Botschafters in Athen abgegeben haben. Bei dem Vorfall ist glücklicherweise niemand verletzt worden. Die griechischen Sicherheitsbehörden haben schnell und umsichtig reagiert. Die Experten der Sicherheitsbehörden waren innerhalb weniger Minuten vor Ort, und eine Anti-Terror-Einheit der griechischen Sicherheitsbehörden hat die Residenz abgesperrt.

Ich würde gerne dazu im Namen von Außenminister Steinmeier sagen, dass wir sehr froh sind, dass bei dem Anschlag auf die Residenz niemand zu Schaden gekommen ist. Nichts, aber auch gar nichts kann einen solchen Angriff auf einen Vertreter Deutschlands im Ausland rechtfertigen. Aber es wird den Tätern nicht gelingen, die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland sowie die Beziehungen zwischen den Deutschen und den Griechen auf diese Art und Weise kaputtzumachen.

Außenminister Steinmeier dankt Premierminister Samaras und Außenminister Venizelos dafür, dass sie sich persönlich und unverzüglich - noch in der Nacht - um den Vorfall gekümmert haben. Sie haben unter anderem mit unserem Botschafter in Athen, Herrn Dold, Kontakt aufgenommen, und sie haben auch zugesichert, alles zu tun, damit die Verantwortlichen ausfindig gemacht und zur Verantwortung gezogen werden. Sie haben selbstverständlich auch zugesagt, dass die Sicherheitsmaßnahmen für deutsche Einrichtungen in Athen und für in Athen tätige deutsche Diplomaten verstärkt werden. Ich ergänze, dass der Außenminister heute Morgen sowohl mit unserem Botschafter, Herrn Dold, als auch mit seinem Amtskollegen, dem griechischen Außenminister Venizelos, telefoniert hat.

StS Seibert: Ich will kurz hinzufügen, dass Ministerpräsident Samaras in dieser Angelegenheit heute Vormittag auch die Bundeskanzlerin angerufen hat. Das ist ein deutliches Zeichen der deutsch-griechischen Verbundenheit, die auch durch einen solchen Anschlag nicht beschädigt werden kann.

Ich will die Gelegenheit gerne wahrnehmen, um der griechischen Regierung im Namen der Bundesregierung für die kommenden sechs Monate eine gute und eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft zu wünschen. Die griechische Regierung weiß, dass sie dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und all unsere Unterstützung bauen kann.

Frage: Schäfer, zu den Sicherheitsmaßnahmen: Können Sie aktuell etwas dazu sagen, wie die Sicherheitsmaßnahmen in der deutschen Botschaft in Griechenland bisher ausgesehen haben und ob Sicherheitsmaßnahmen in den letzten Monaten schon verstärkt worden sind, nämlich vor dem Hintergrund der angespannten Beziehungen zwischen den Ländern beziehungsweise vor dem Hintergrund einer doch zunehmenden Deutschenkritik oder Deutschenfeindlichkeit, wie auch immer, die in Griechenland herrscht?

Schäfer: Ich kann und möchte dazu im Detail natürlich nichts sagen. Das tun wir hinsichtlich dieser Art von Sicherheitsmaßnahmen nie. Was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es enge Absprachen zwischen unserer Botschaft in Athen und den griechischen Sicherheitsbehörden gibt. Die griechischen Sicherheitsbehörden werden jetzt die Sicherheitsmaßnahmen verstärken, die es aber bereits in den letzten Monaten gegeben hat. Die Ereignisse der vergangenen Nacht sind natürlich sowohl für uns als auch für die griechischen Sicherheitsbehörden Anlass, das alles noch einmal zu durchdenken und aus den Ereignissen der Nacht die richtigen Schlüsse zu ziehen, nämlich sicherzustellen, dass so etwas garantiert nicht noch einmal passieren kann und wird.

Frage: Es hat ja in Griechenland im vergangenen Jahr auch immer wieder antideutsche Demonstrationen gegeben. War das Anlass für die Botschaft, besondere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen? Waren diese erhöhte Sensibilität oder diese erhöhte Alarmbereitschaft vielleicht auch ein Grund dafür, dass jetzt niemand zu Schaden gekommen ist?

Schäfer: Das ist jetzt, wenige Stunden nach den tatsächlichen Ereignissen, Herr Leifert, natürlich Spekulation. Das, was Sie Ihrer Frage vorangestellt haben, nämlich dass es in der Tat hier und da Proteste gegeben haben mag, trifft zu. Diesen Schluss, dass auf diese feige Art und Weise auf die Residenz des deutschen Botschafters losgegangen wird, muss man daraus nicht unbedingt ziehen. Aber klar ist, dass die Sicherheitsmaßnahmen, die ergriffen worden sind, und die Sicherheitsmaßnahmen, die jetzt im Lichte dieser neuen Ereignis ergriffen werden, natürlich die Informationen, die vorliegen, berücksichtigen werden und dann angemessen zu sein haben.

Frage: Herr Schäfer, können Sie noch einmal sagen, wer bei der Sicherung von Botschaften für was zuständig ist, also wie sich sozusagen die Sicherungsmaßnahmen auf die deutschen Stellen und die Stellen des jeweiligen Gastlandes aufteilen?

Dann habe ich noch eine Frage zu Sicherungsmaßnahmen in anderen EU-Ländern, in denen eine vergleichbare Lage wie in Griechenland herrscht, also beispielsweise in Spanien, wo die Kritik an Deutschland auch zunimmt. Sind dort Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden, oder werden sie dort noch verstärkt?

Schäfer: Vielleicht zunächst zu Ihrer ersten Frage: Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen von 1961, dem eigentlich die gesamte Staatengemeinschaft beigetreten ist, garantiert die Unverletzlichkeit der diplomatischen Missionen und sagt ganz eindeutig, dass das eine Pflicht des Gastlandes ist. Auf unseren Fall und Ihre Frage übertragen bedeutet das: Es ist die völkerrechtliche Pflicht Griechenlands, sicherzustellen, dass den diplomatischen Einrichtungen Deutschlands und auch den offiziellen Vertretern Deutschlands in Griechenland kein Schaden zustößt. Dieser Verantwortung - da sind wir sicher - werden die griechischen Behörden grundsätzlich gerecht. Es gibt jede Menge Maßnahmen, die ich hier nicht im Detail ausführen werde, zum Schutz unserer diplomatischen Vertreter Deutschlands in Griechenland wie auch der diplomatischen Einrichtungen Deutschlands in Griechenland.

Was Ihre zweite Frage angeht, so sind die Maßnahmen, die man ergreift, um die Sicherheit einer diplomatischen Mission oder der Vertreter Deutschlands zu gewährleisten, natürlich immer im Lichte der Lage zu treffen. Dabei können Sie jetzt nicht alles über einen Kamm scheren. Nur weil jetzt in Athen etwas geschehen ist, lässt sich daraus natürlich nicht notwendigerweise der Schluss ziehen, dass in Luxemburg, Paris, London oder anderswo auch Maßnahmen ergriffen werden müssten. Es geht vielmehr immer darum, vor Ort zu klären, wie die Lage ist, was ein spezifisches Bedrohungsszenario ist, was passieren könnte, und darauf bestmöglich vorbereitet zu sein. Dafür und für seine Auslandsvertretungen trägt natürlich auch das Auswärtige Amt Verantwortung. Dafür sind in den letzten Jahren auch erhebliche zusätzliche Mittel bereitgestellt worden. Die Welt ist, wie Sie wissen, nicht friedlicher geworden. Es gibt gerade außerhalb Europas zahlreiche Auslandsvertretungen, in denen Vertreter Deutschlands beziehungsweise deutsche Diplomaten großen Gefährdungen ausgesetzt sind. Es ist schon aus Fürsorgegründen selbstverständlich, dass das Auswärtige Amt und die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen, um bestmöglich sicherzustellen, dass die Sicherheit gewährleistet ist. Aber Sie sehen an den Ereignissen der Nacht: Eine totale Garantie gibt es dafür bedauerlicherweise nicht.

Zusatzfrage: Ich muss sagen, dass ich meine Frage nicht ganz beantwortet sehe. Ich würde auch die versteckte Kritik, dass ich alles über einen Kamm schere, zurückweisen. Es ist klar, dass zum Beispiel in Spanien - das wissen Sie so gut wie ich - die Jugendarbeitslosigkeit bei über 50 Prozent liegt und die Lage auch nicht sehr gut ist, was die allgemeine Arbeitslosigkeit angeht. Das heißt, dort herrscht teilweise durchaus Not. Selbst wenn es im eigentlichen Sinne nicht politisch motiviert ist, kann es zu Aktionen kommen, die, wie auch immer, spontan passieren. Deswegen noch einmal die Frage: Werden auch in Ländern wie zum Beispiel Spanien Sicherheitsmaßnahmen verstärkt oder nicht?

Schäfer: Es liegt mir fern Sie zu kritisieren. Das war auch mit der Formulierung "über den Kamm scheren" überhaupt nicht beabsichtigt. Aber aus dem Umstand, dass es in befreundeten Partnerländern der Europäischen Union eine erhöhte Arbeitslosigkeit geben mag, wie Sie das beschrieben haben, aus dem Umstand, dass es in befreundeten Partnerländern der Europäischen Union soziale und wirtschaftliche Probleme gibt, die größer sind als bei uns, können Sie doch jetzt nicht ernsthaft den Schluss ableiten, dass deshalb auf die Residenz des dortigen Botschafters geschossen werden müsste. Das scheint mir als These - jedenfalls ist das nicht unsere These - irgendwie etwas weit hergeholt zu sein, um es einmal vorsichtig auszudrücken.

Sie können sicher sein, dass es in Madrid - Sie haben das Beispiel Spanien gebracht -, aber auch überall sonst einen Dialog und ein Gespräch mit den Gastländern gibt, die, wie gesagt, die völkerrechtliche Pflicht haben, unsere Auslandsvertretungen zu schützen, dass aber auch wir aus wohlverstandenem Eigeninteresse alles daran setzen, unsere Einrichtungen und unsere Diplomaten bestmöglich zu schützen. Ich bitte noch einmal um Verständnis dafür, dass ich hier nicht im Detail Maßnahmen ausbuchstabieren kann. Das würde dem eigentlichen Ziel, nämlich der Sicherheit der Einrichtungen und der Kolleginnen und Kollegen im Ausland, nun wirklich nicht dienen.

Frage: Zur Einwanderungsdebatte würde ich gerne vom Arbeitsministerium wissen, ob irgendwelche Maßnahmen für Leute geplant sind, die beispielweise aus Bulgarien und Rumänien nach Deutschland kommen? Ist in den nächsten Monaten geplant, irgendwelche Verschärfungen einzuführen, was den Zugang zu Transferleistungen betrifft?

Küchen: Vielen Dank für die Frage. - Vielleicht kann ich erst einmal ein bisschen weiter ausholen: Wie sich die Lage im nächsten Jahr nach dem Auslaufen der Übergangsregelungen entwickeln wird, lässt sich jetzt nicht mit Sicherheit vorhersagen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit ist jetzt nicht damit zu rechnen, dass es hier erhebliche Auswirkungen geben wird. Das haben wir, wie Sie wissen, kürzlich auch so in der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage dargelegt. Am Leistungsbezug, und danach fragten Sie ja, ändert sich nach dem SGB II nichts.

Vielleicht hilft in dieser ganzen Debatte einmal ein nüchterner Blick auf die Zahlen, die es ja gibt. Danach kann man festhalten, dass die hier lebenden Menschen rumänischer und bulgarischer Staatsangehörigkeit sowohl bei der Arbeitslosenquote als auch bei der Quote der Leistungsbezieher nach dem SGB unter dem Durchschnitt aller hier lebenden Ausländer liegen.

Noch einmal: An den Regeln für den Leistungsbezug nach dem SGB II ändert sich nichts. Sie wissen, dass es den Leistungsausschluss generell für drei Monate gibt. Auch danach gibt es weiterhin keine Leistungen, wenn sich das Freizügigkeitsrecht aus der Arbeitssuche ergibt. Sobald es, wie gesagt, einen Arbeitnehmerstatus gibt, ist das eine andere Sache. - Das wäre es von meiner Seite für diesen Moment.

Zusatzfrage: Zur Konkretisierung: Sie sagten, es gebe keine Änderungen. Heißt das, dass das Ministerium auch nicht über Änderungen nachdenkt? Es wird in der Hinsicht über nichts diskutiert und es bleibt einfach bei dem gegenwärtigen Zustand?

Küchen: Es ist ja so, dass man sich bei Neuerungen, die den europäischen Arbeitsmarkt betreffen, generell erst einmal anschauen muss, wie die Entwicklung ist. Alle seriösen Forschungsinstitute sehen ein überschaubares Maß an Zuwanderung auf uns zukommen. Deswegen würde ich jetzt dafür plädieren, erst einmal die Entwicklung in den nächsten Monaten abzuwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich sagen: An den Regeln für den Leistungsbezug nach dem SGB II, die wir im Übrigen auch im Einklang mit dem europäischen Recht sehen, ändert sich nichts.

Frage: Herr Seibert, teilt die Bundeskanzlerin die aktuellen Forderungen aus der CSU hinsichtlich Sanktionierung bei Zuwanderung?

StS Seibert: Lassen Sie mich auch kurz ganz grundsätzlich etwas dazu sagen: Die Freizügigkeit zählt zu den zentralen europäischen Errungenschaften. Diese Errungenschaft der europäischen Integration soll und muss verteidigt werden. Wir können im Übrigen Arbeitnehmerfreizügigkeit auch gar nicht von den übrigen Freizügigkeiten des Binnenmarktes - der Freiheit von Personen, von Dienstleistungen, von Waren und Kapital - getrennt sehen. Das alles ist in unserem gemeinsamen Interesse. Das alles hat ein Potenzial, das wir zu unserem gemeinsamen Nutzen in Europa entfalten müssen. Darin liegen Chancen für Deutsche und für Deutschland.

Da, wo es Missbrauch gibt, werden und müssen wir uns dieses Missbrauchs wehren - selbstverständlich im Rahmen des geltenden EU-Rechts. Das besagt: Es liegt an den EU-Mitgliedstaaten, zunächst einmal ihr nationales Sozialleistungsrecht so auszugestalten, dass Missbrauch vermieden wird. Es gibt dazu auch eine Passage im Koalitionsvertrag, die natürlich für die Bundesregierung gilt.

Das ist das, was ich jetzt einmal ganz grundsätzlich sagen wollte. Ansonsten glaube ich, dass die Vertreterin des Arbeits- und Sozialministeriums ganz richtig darauf hingewiesen hat: Wir warten nun einmal den 1. Januar 2014 ab. Es hat eine lange Übergangsfrist gegeben. Die Einschränkungen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bulgaren und Rumänen enden am 1. Januar 2014. Genaue Erfahrungen danach werden natürlich ausgewertet werden müssen.

Zusatzfrage: Sie haben, wenn ich das richtig verstanden habe, meine Frage nicht beantwortet. Die Frage war ja, ob die Bundeskanzlerin diese Forderungen teilt.

StS Seibert: Ich habe Sie auf die grundsätzliche Überzeugung der Bundesregierung - das gilt für alle Mitglieder der Bundesregierung - hingewiesen, welchen hohen Stellenwert diese Freizügigkeit hat. Ich habe Sie darauf hingewiesen, dass es dazu auch eine Passage im Koalitionsvertrag gibt.

Zusatzfrage: Konkreter wollen Sie sich dazu nicht äußern?

StS Seibert: Ich finde das ziemlich konkret.

Frage: Der japanische Ministerpräsident hat wieder den umstrittenen Yasukuni-Schrein besucht, bei dem es unter anderem auch um Gedenken an Kriegsverbrecher geht, wo also Kriegsverbrecher letztlich verehrt werden. Das ist ja eine umstrittene Geschichte und ist seit Jahren nicht mehr vorgekommen - das letzte Mal, glaube ich, unter Koizumi. Herr Seibert, gerade angesichts der Spannungen in der Region zwischen Japan, China und Korea möchte ich fragen: Haben Sie als Sprecher der Bundesregierung etwas dazu zu sagen? Wie könnte sich das nach Ihrer Einschätzung auf die Region auswirken?

StS Seibert: Ich möchte mich hier nicht zu Fragen der japanischen Innenpolitik äußern. Ich will ganz grundsätzlich sagen - und das gilt für alle Staaten -: Jede Nation muss sich ehrlich darüber Rechenschaft ablegen, welche Rolle sie in den grauenhaften Kriegsereignissen des 20. Jahrhunderts gespielt hat. Auf der Basis dieser ehrlichen Rechenschaft ist es dann auch möglich, mit den ehemaligen Feinden eine Zukunft zu bauen. Das ist eine Überzeugung, die sich Deutschland zu Herzen nimmt und die meines Erachtens für alle Staaten gilt. Ich glaube, dass das Außenamt dazu noch etwas mehr sagen kann.

Schäfer: Vielleicht nur zur Lage in der Region: In der Tat verfolgt die Bundesregierung die Situation in der Region und auch die Spannungen im ost- und südchinesischen Meer mit einiger Sorge und sehr aufmerksam. Aus unserer Sicht wäre es hilfreich und das Beste, wenn sich alle Seiten um Zurückhaltung und Besonnenheit bemühten, gemeinsam versuchten, eine diplomatische Lösung für die laufenden Auseinandersetzungen zu finden und insbesondere von einseitigen Schritten abzusehen, die die Spannung in der Region nur weiter verschärfen könnten. Ansonsten habe ich dem, was Herr Seibert gerade für die Bundesregierung gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Frage: Eine Frage an das Arbeitsministerium zum Thema Rente: Der "Spiegel" berichtet über Berechnungen des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik, wonach die Leistungsausweitungen in der Rente und dadurch unterbleibende Beitragssenkungen dazu führten, dass das Rentenniveau bis 2030 um 2,5 Prozentpunkte sinken werde. Ich nehme an, Sie kennen diese Berechnungen. Teilen Sie die auch, halten Sie die für plausibel?

Küchen: Da muss ich jetzt wirklich feiertagsbedingt etwas passen. Ich habe dazu schlicht keine Sprachregelung dabei und würde ihnen die Antwort gerne nachliefern, bevor ich Ihnen hier jetzt etwas sage, was nicht ganz punktgenau auf Ihre Frage passt. Ich bitte da um Verständnis.

Zusatzfrage: Gehen Sie in Ihren Berechnungen denn davon aus, dass unterbleibende Beitragskürzungen beziehungsweise höhere Rentenbeiträge - es gibt ja auch von der Rentenversicherung die Kalkulation, dass etwa die Mütterrente langfristig zu Beiträgen führen wird, die um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte höher sind - zu einem - und dann wäre die Frage, in welcher Höhe - niedrigeren Rentenniveau führen werden?

Küchen: Genauso, wie ich das gerade schon formuliert habe, würde ich auch diese Frage gerne mitnehmen und die Antwort nachliefern. Ich kann das gern auch über den großen Verteiler tun. Ich bitte da einfach noch einmal um Verständnis.

Zusatzfrage: Aber generell würden Sie den Mechanismus schon nachvollziehen, dass höhere Rentenbeiträge das Rentenniveau senken werden?

Küchen: Es ist ja schon so, dass es immer um eine ausgewogene Lösung geht. Die Jungen nicht überfordern, die alten angemessen versorgen: Da gilt es immer, einen Kompromiss zu finden. Es gibt natürlich die Zusammenhänge, klar. Aber ob wir diese Zahlen genau so bestätigen, kann ich nicht sagen; das würde ich jetzt gern von dieser Stelle aus noch nicht tun. Wie gesagt, ich bemühe mich, das schnellstmöglich nachzuliefern.

Frage: Herr Seibert, in der Türkei ist ja ein Korruptionsskandal aufgetaucht, und es gibt Anzeichen dafür, dass die Regierung Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen versucht. Wie bewertet die Bundesregierung die Ereignisse, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz?

StS Seibert: Der Außenminister hat sich dazu in den vergangenen Tagen ja auch schon geäußert. Sehr in diesem Sinne will ich auch für die Bundesregierung noch einmal sagen, dass wir natürlich die Ereignisse in der Türkei sehr aufmerksam verfolgen und dass wir davon ausgehen, dass die erhobenen Korruptionsvorwürfe auch rechtsstaatlich aufgearbeitet werden.

Frage: Herr Seibert, gibt es Pläne, dass ein Regierungsvertreter demnächst in die Türkei reist?

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob einzelne Minister bereits Reisen in die Türkei planen, aber für die Bundeskanzlerin kann ich eine konkrete Planung jetzt nicht nennen.

Schäfer: Ich kann Ihnen auch für den Außenminister keine konkrete Planung nennen. Klar ist für uns aber, dass wir die intensive und enge Zusammenarbeit mit der Türkei in den ganz vielfältigen Formaten, die es da gibt - von der Arbeitsebene bis nach ganz oben -, natürlich fortsetzen werden. Denn die Türkei ist ein ganz wichtiger Partner im Bündnis der Nato, ein wichtiger Partner für die Europäische Union, aber auch ein wichtiger Partner für Deutschland bilateral; das liegt auf der Hand, das brauche ich, glaube ich, nicht weiter auszuführen. Deshalb gibt es überhaupt keinen Zweifel daran, dass wir den Dialog mit der Türkei auf allen Ebenen fortsetzen werden.

Vorsitzender Mayntz: Ich versuche einmal, Blickkontakt aufzunehmen: Gibt es Reisepläne, die ansonsten bekannt sind? - Kopfschütteln.

Fragen zu anderen Themen? - Haben wir in diesem Jahr nicht mehr. Bevor ich das für dieses Jahr beende, gebe ich Herrn Lörges noch einmal das Wort.

Lörges: Herzlichen Dank! Ich wollte mich ganz kurz bei Ihnen verabschieden. Ich war jetzt über vier Jahre im Pressereferat des Bundesinnenministeriums. Das war nicht immer leicht, das können Sie sich wahrscheinlich denken; aber es hat mir mit zunehmender Dauer zunehmend Spaß gemacht, insbesondere auch hier in der Bundespressekonferenz mit Ihnen über Themen zu sprechen. Das Bundesministerium des Innern ist besser, als Sie vielleicht manchmal denken.

Damit verabschiede ich mich und wünsche Ihnen einen guten Rutsch! Nächstes Jahr sitzen hier dann ein paar alte, aber auch ein paar neue Kollegen, die sich dann bei Ihnen vorstellen werden.

Vorsitzender Mayntz: Herr Lörges, unsere guten Wünsche begleiten Sie!

Wir kommen dann zum Schluss für dieses Jahr, machen aber diese Woche noch weiter, denn die nächste Regierungspressekonferenz findet am Freitag statt. Bis dahin guten Rutsch!

StS Seibert: Ich möchte Ihnen allen noch ein frohes neues Jahr, einen guten Rutsch, Glück und Gesundheit für das neue Jahr wünschen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit!

Vorsitzender Mayntz: Wir auch!

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 30. Dezember 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/12/2013-12-30-regpk.html;jsessionid=AF5A969D7898786FCE18487DB584D1D4.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2014