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PRESSEKONFERENZ/854: Regierungspressekonferenz vom 5. September 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 5. September 2014
Regierungspressekonferenz vom 5. September 2014

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag, St.-Michael-Jahresempfang des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Festveranstaltung des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien, Gedenkstunde des Deutschen Bundestags zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939, Kundgebung des Zentralrats der Juden in Deutschland), Reise des Bundesaußenministers nach Indien, Pkw-Maut, Tarifeinheitsgesetz, Äußerungen des früheren Bundesverteidigungsministers Guttenberg im "Wall Street Journal", Schließung des Bundeswehrstandorts in Rheine, Senkung des Leitzinses durch die EZB

Sprecher: SRS Streiter, Chebli (AA), Kothé (BMF), Moosmayer (BMVI), Ehrentraut (BMAS), Gerhartz (BMVg)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS Streiter: Ich gebe Ihnen die Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche bekannt. Am Dienstag, dem 9. September, 10 Uhr, ist die Bundeskanzlerin zur Beratung des Haushaltsplans im Plenum des Deutschen Bundestages. Sie wissen, die ganze Woche steht im Zeichen des Bundeshaushalts 2015.

Am Dienstagabend nimmt sie ab 18 Uhr am St.-Michael-Jahresempfang des Kommissariats der deutschen Bischöfe teil. Hierbei handelt es sich um den alljährlichen Empfang der Katholischen Kirche für Vertreter des öffentlichen Lebens. Prälat Karl Jüsten, der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, wird die Begrüßungsansprache halten. Anschließend hält der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, einen Vortrag.

Ebenfalls am Dienstagabend nimmt die Bundeskanzlerin an der Festveranstaltung zum 30-jährigen Bestehen des Verbands Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) im "Cafe Moskau" in Berlin teil. Nach der Begrüßung durch den VPRT-Vorstandsvorsitzenden, Herrn Tobias Schmidt, wird die Bundeskanzlerin eine Festrede halten. Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr. Die Bundeskanzlerin wird bis etwa 21 Uhr daran teilnehmen. Der VPRT ist die europaweit größte Interessenvertretung der privaten Rundfunk- und Telemedienunternehmen.

Am Mittwoch, dem 10. September, nimmt die Kanzlerin ab 9 Uhr an der Gedenkstunde des Deutschen Bundestags zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs am 1. September 1939 teil. Als Gastredner spricht der polnische Staatspräsident Bronislaw Komorowski.

Ab 10:30 Uhr wird im Bundestag die erste Lesung zum Bundeshaushalt 2015 fortgesetzt. Die Kanzlerin wird dann, wie üblich, eine Rede halten.

Auch am Donnerstag, dem 11. September, ist die Bundeskanzlerin am Vormittag im Plenum des Deutschen Bundestages.

Am Sonntag, dem 14. September, findet ab 15 Uhr vor dem Brandenburger Tor in Berlin eine Kundgebung des Zentralrats der Juden in Deutschland statt. Sie steht unter dem Leitsatz "Steh auf! Nie wieder Judenhass!". Die Bundeskanzlerin wird an der Kundgebung teilnehmen und eine Rede halten.

Das waren die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche.

Chebli: Ich möchte Ihnen gerne eine Reise ankündigen, die der Minister morgen vollzieht. Er reist morgen zu politischen Gesprächen in die indische Hauptstadt Neu-Delhi und wird dort Premierminister Modi und auch Außenministerin Sushma Swaraj treffen. Außerdem wird sich der Minister vor Ort über deutsche Investitionen in Indien und über die Beteiligung deutscher Unternehmen am U-Bahnbau in Neu-Delhi informieren. Unter anderem besucht der Außenminister ein Kulturerhaltprojekt mit deutscher Beteiligung im muslimischen Viertel der Hauptstadt. Der Minister wird von Vertretern dreier Bundestagsfraktionen, von einer Wirtschaftsdelegation und von Kulturschaffenden begleitet.

Frage: Frau Kothé oder Herr Streiter, was ist eigentlich in dem Etat, zu dem die Kanzlerin am Mittwoch spricht, in Sachen Pkw-Maut verbucht? Ich habe den Haushalt jetzt nicht griffbereit. Aber können Sie mir einmal sagen, wie viel Einnahmen dafür vorgesehen sind?

Kothé: Da es noch kein Gesetz gibt, sind auch keine Einnahmen im Haushalt vorgesehen.

Zusatzfrage: Das heißt, die Bundesregierung erwartet gar keine Einnahmen aus der Maut? Was macht man dann mit dem zusätzlichen Geld? Oder hat die Bundesregierung in dem Haushalt eine Lücke von X Millionen oder Milliarden, die jetzt zwischenfinanziert werden, um dann mit der Maut abgegolten zu werden? Rein buchhalterisch ist es doch unseriös, in einen Haushalt zu gehen, in dem die Maut zwar eine Rolle spielen wird - das sagen ja alle Beteiligten -, in dem aber kein Betrag steht.

Kothé: Ich glaube, das Gegenteil wäre der Fall. Unseriös wäre, in einen Haushalt etwas einzustellen, wofür es bisher noch keine rechtliche Grundlage gibt. Das ist im Übrigen auch bei vielen anderen Gesetzen der Fall. Es entspricht dem Haushaltsrecht, so zu verfahren. Wenn es ein Gesetz gibt, dann wird das Ganze auch im Haushalt entsprechend berücksichtigt.

Frage: Frau Kothé, ich hätte gerne gewusst, inwieweit die Pläne aus Ihrem Haus zu einer Straßenbenutzungsgebühr die Eckpunkte aufnehmen, die Herr Dobrindt vorgelegt hat.

Kothé: Herr Jäger hat dies schon am Montag in der Regierungspressekonferenz dargelegt. Wir denken in einem weiteren Kontext über eine Infrastrukturfinanzierung nach. Beispielsweise auch auf europäischer Ebene ist das jetzt ein Thema beim informellen ECOFIN der Finanzminister in Mailand. Das ist längerfristig angelegt, das ist ein größerer Kontext. Das hat jetzt nicht unmittelbar mit der aktuellen Diskussion um die Maut zu tun. Dabei geht es - ich glaube, das hat Herr Jäger dargelegt - um die breitere Debatte über Investitionen, Wachstum usw.

Frage: Frau Kothé, was heißt eigentlich "nutzerfinanzierte Finanzierung oder Abgabe"? Was habe ich mir darunter vorzustellen? Angeblich oder tatsächlich plant das ja der Finanzminister, vielleicht sogar auch der Wirtschaftsminister und womöglich auch noch der Verkehrsminister. Heißt "nutzerfinanziert", dass es Mauthäuschen gibt, dass man eine Vignette hat oder dass man einen elektronischen Zähler in sein Auto bekommt?

Kothé: Ganz so konkret, wie Sie das jetzt gerne hätten, kann ich Ihnen das jetzt nicht sagen. Ich habe gerade versucht, an das anzuknüpfen, was wir schon immer gesagt haben: Wir denken ganz grundsätzlich darüber nach, welche Optionen es gibt, um zu langfristig tragfähigen Finanzierungsmodellen zu kommen. Aber so konkret, wie Sie es jetzt gerne hätten, sind unsere Überlegungen einfach noch nicht.

Zusatzfrage: Wer entwickelt denn dann dieses Konkrete rein zuständigkeitsmäßig? Ist das eine Sache des Infrastrukturministers, des Kanzleramtsministers, des Finanzministers oder des Entwicklungsministers? Wer entwickelt so ein Modell, wie eine nutzerfinanzierte Abgabe zu bewerkstelligen ist?

Kothé: Wir befinden uns jetzt auf der Ebene im europäischen Kontext. Da beschäftigt man sich eher in Bezug auf grundsätzliche Fragen mit diesem Thema. Wenn das Ganze dann konkret in den nationalen Bereich geht, greift das übliche Verfahren, dass es dann Sache des Verkehrsministeriums als federführendes Ressort wäre. Da stimmt sich die Bundesregierung ab, wie das üblicherweise der Fall ist.

Frage: Frau Kothé und Frau Moosmayer, Ihre Minister treffen sich ja. Wozu dient dieses Treffen? Frau Moosmayer, was erwartet der Verkehrsminister von dem Treffen mit dem Finanzminister? Was erwartet der Finanzminister, Frau Kothé? Was wird das Ergebnis sein?

Moosmayer: Die Minister haben sich heute getroffen. Die beiden Minister treffen sich regelmäßig. Sie sind im engen Austausch, was für den Minister, der den größten Investitionshaushalt zu verwalten hat, recht normal ist. Heute ging es um verschiedene Themen wie die Infrastrukturfinanzierung und auch um die Weiterentwicklung der ÖPP-Modelle. Wir kommunizieren nicht über jedes Arbeitstreffen und werden dann wieder kommunizieren, wenn wir ein abgestimmtes Konzept haben. Daran sind ja auch noch andere beteiligt. Wir werden in Kürze den Gesetzentwurf zur Infrastrukturabgabe vorlegen.

Zusatzfrage: Können Sie konkretisieren, was "in Kürze" heißt?

Moosmayer: "In Kürze" heißt, wenn er fertig ist.

Kothé: Dem habe ich nichts hinzuzufügen. Wir haben immer gesagt: Wir sind da im Gespräch. Die Minister treffen sich, um möglichst schnell zu einer einvernehmlichen und tragfähigen Lösung zu kommen, wie die Vorgaben des Koalitionsvertrages umzusetzen sind.

Frage: Stichworte wie Teilprivatisierung und auch streckenbezogene Mautpläne sind auf dem Markt. Auch wurde schon angedacht, das Grundgesetz zu ändern. Können Sie dazu noch etwas sagen?

Vom Verkehrsministerium möchte ich gerne wissen, ob die Pläne, die Maut auf alle Straßen auszudehnen, nach wie vor stehen.

Moosmayer: Wir sind nach wie vor dabei, das Konzept, das Herr Dobrindt am 7. Juli vorgestellt hat, weiter abzustimmen und dann einen Gesetzentwurf vorzulegen, der den Kriterien entspricht, die der Koalitionsvertrag vorgibt. Die drei Kriterien sind bekannt, ich kann sie aber gerne wiederholen: Das ist die EU-Konformität, dass unter dem Strich kein Halter deutscher Autos mehr belastet wird als heute und dass unter dem Strich mehr für die Straßenverkehrsinfrastruktur übrig bleibt.

Zusatzfrage: Bleibt das Konzept bestehen, dass die Maut für alle Straßen erhoben werden soll?

Moosmayer: Ich habe dem, was ich gerade gesagt habe, nichts hinzuzufügen. Momentan sind die Arbeiten im Gange, das Konzept, das vorgestellt wurde, weiter mit allen Beteiligten abzustimmen und dann einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Frage: Frau Moosmayer, ich bin etwas verwirrt. Heißt die Maut jetzt Infrastrukturabgabe? Denn Sie haben gerade im Zusammenhang mit der Pkw-Maut von Infrastrukturabgabe gesprochen. Heißt das, Dobrindt ist wie Schäuble oder auch andere der Meinung, dass alles in einem Infrastrukturposten aufgehen soll? Oder gibt es einen Maut-Gesetzentwurf und unabhängig davon möglicherweise noch einen Gesetzentwurf hinsichtlich einer Infrastrukturabgabe, die, wie auch immer, nutzerfinanziert sein soll?

Moosmayer: Es gibt zwei Dinge: Einerseits gibt es die ÖPP-Projekte. Wir sind momentan in der zweiten Staffel. Heute werden wir wieder einen Abschnitt für den Verkehr freigeben. Das ist eine Säule, um privates Kapital an einer Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur zu beteiligen. Die läuft schon seit einiger Zeit. Die dritte Staffel ist momentan in Vorbereitung.

Der andere Teil ist das, was in der Öffentlichkeit immer Pkw-Maut genannt wird. Das ist in unserem Konzept eine Infrastrukturabgabe; denn das, was dadurch eingenommen wird, soll in die Infrastruktur der Straßen investiert werden.

Zusatzfrage: Die Pkw-Maut soll also nicht mehr Pkw-Maut heißen, sondern Infrastrukturabgabe?

Moosmayer: Sie heißt eigentlich schon seit Juli Infrastrukturabgabe; das ist nicht ganz neu.

Zusatz: Okay, dann habe nur ich das durcheinandergebracht.

Frage: Frau Kothé, ich möchte es mit einer Lernfrage probieren. Da die Beamten in Ihrem Hause vorausschauend und auch in Varianten rechnen, hätte ich gerne gewusst, wie viel Geld nun als Nettoeinnahme aus der Pkw-Maut eingestellt wird. Ist das eine Milliarde, sind das pro Jahr 600 Millionen Euro, die ich aus dem Hause von Herrn Dobrindt höre, oder mit wie viel rechnen Sie dabei? Für 2015 kann das natürlich noch nicht feststehen - das ist klar -, weil das erst ab 2016 scharfgestellt wird, wie ich gehört habe.

Kothé: Ich habe schon vorhin versucht zu erklären, dass wir jetzt noch keine offiziellen Zahlen und Berechnungen haben. Das hängt von der Ausgestaltung ab. Von daher kann ich Ihnen jetzt leider keine aktuellen Zahlen nennen.

Zusatzfrage: Also sind die Zahlen aus dem Verkehrsministerium dann nicht richtig? Von dort höre ich die Zahl von 600 Millionen Euro netto pro Jahr.

Kothé: Sie haben mich eben nach dem Haushalt gefragt. Ich habe nicht gesagt, dass das nicht richtig ist, sondern ich habe nur gesagt, dass wir jetzt keine Zahlen haben. Sie haben mich nach den Zahlen gefragt, die in den Haushalt eingestellt werden. Das machen wir dann, wenn das Gesetz beschlossen worden ist.

Frage: Frau Moosmayer oder Frau Kothé, wie viele Millionen auch immer es sind, die dann wieder für die Infrastruktur ausgegeben werden können - das sind ja zweckgebundene Mittel -: Ist definiert, dass das Geld nur in das Autobahnnetz geht? Infrastruktur ist ja ein weites Feld. Heißt das, das, was an Mitteln hereinkommt, ist nur für die Bundesautobahnen gedacht, oder kann das auch für Landstraßen, Brücken usw. verwendet werden?

Moosmayer: Ich würde gerne noch einmal darauf verweisen, dass der Gesetzentwurf in Vorbereitung ist. Wenn der Entwurf vorliegt, wird er Antworten auf alle diese Fragen geben. Das Ziel ist klar. Im Koalitionsvertrag ist klar vereinbart, was wir damit vorhaben. Auch die Zahlen stehen in dem jetzt vorgelegten Konzept. Ein Konzept ist deswegen ein Konzept, weil es noch weiter, nämlich in einem Gesetzentwurf, detailliert ausgearbeitet wird. Dann werden konkrete Details vereinbart. Es sind noch Veränderungen möglich. Wenn der Gesetzentwurf vorliegt, kann man wieder über Zahlen und konkrete Inhalte sprechen.

Frage: Eine Verständnisfrage - ich bin nicht ganz sicher -: Steht im Koalitionsvertrag nicht, dass dies auf die Autobahnen definiert ist?

Moosmayer: Im Koalitionsvertrag steht, dass wir eine Pkw-Maut einführen, um die Finanzierung von Bundesautobahnen zu stärken; das ist richtig.

Zusatzfrage: Das gilt aber jetzt nicht als Dogma? Das könnte man jetzt brechen?

Moosmayer: Ich glaube, darin steht nicht "nur". Aber ich würde das offenlassen. Das, was am 7. Juli vorgelegt wurde, ist das Konzept. Das wird jetzt weiterentwickelt. Dann wird ein Gesetzentwurf vorgelegt. Auch ein Gesetzentwurf verändert sich durch die Abstimmung mit den verschiedenen Beteiligten in der Regel immer. Am Ende wird man ein Gesetz haben. Dann hat man klare, belastbare Fakten.

Zusatzfrage: Aber ginge das Geld nur an die Autobahnen, werden die Länder nicht beteiligt? Würden die von den Einnahmen nichts bekommen?

Moosmayer: Ich würde gerne noch einmal auf Folgendes verweisen: Wenn der Gesetzentwurf vorliegt, dann können wir gerne über die Inhalte sprechen. Ich möchte jetzt hier ungern über ungelegte Eier "gackern" müssen.

Frage: Ich habe zu diesem Thema eine Frage an den Regierungssprecher. Herr Streiter, mit jeder Woche, in der über das Thema Maut diskutiert wird, steigt wahrscheinlich unter den deutschen Autofahrern die Verwirrung darüber, was am Ende dabei herauskommt. Ist das eigentlich im Sinne der Bundeskanzlerin?

SRS Streiter: Im Sinne der Bundeskanzlerin ist, dass der Koalitionsvertrag erfüllt wird.

Frage: Frau Moosmayer, Sie haben gesagt, bei dem heutigen Treffen zwischen Herrn Dobrindt und Herrn Schäuble sei es auch um die Weiterentwicklung der ÖPP-Modelle gegangen. Man kann heute lesen, dass sich auch Banken und Versicherungen an der Finanzierung von Straßen und Brücken beteiligen sollen. War das heute Thema, und in welcher Form könnte das geschehen?

Moosmayer: In welcher Form das geschehen könnte, ist gerade Gegenstand der Gespräche. Seit einiger Zeit ist durch die Niedrigzinspolitik sehr viel ungebundenes Kapital im Umlauf, das wir natürlich gerne dafür verwenden würden, in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren. Darüber, wie das möglich ist, sind wir momentan im Gespräch. Herr Dobrindt hat schon vor einigen Wochen gesagt, dass er gerne weiter darüber nachdenken möchte. Die Entscheidungen werden dann verkündet, wenn sie gefallen sind.

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Streiks im weiteren Sinne. Es liegt jetzt ein Gutachten von Herrn Di Fabio, dem ehemaligen Verfassungsrichter, vor, in dem er sich sehr skeptisch zu dem Vorhaben äußert, ein Tarifeinheitsgesetz fertigzustellen und damit die Streikmöglichkeiten von Spartengewerkschaften einzuschränken. Wie wird das Arbeitsministerium darauf reagieren? Werden Sie das in Ihre Überlegungen zur Vorlage eines Gesetzentwurfs mit einbauen? Wird sich das jetzt verschieben? Wie ist Ihre Reaktion darauf?

Ehrentraut: Wir nehmen das Gutachten natürlich zur Kenntnis. Aber es bleibt dabei, dass das BMAS beziehungsweise die Bundesregierung weiterhin daran arbeitet, die Tarifeinheit gesetzgeberisch zu regeln. Dazu laufen noch immer die Gespräche. Es bleibt auch dabei, dass bis zum Herbst ein entsprechender Vorschlag vorgelegt wird.

Zusatzfrage: Bis zum Herbst? Herbstanfang ist ja, soweit ich weiß, Anfang Oktober.

Ehrentraut: Im Herbst.

Frage: Herr Streiter, Frau Chebli, der frühere Verteidigungsminister Guttenberg gibt der Bundesregierung und der EU im außen- und sicherheitspolitischen Bereich schon seit einiger Zeit wieder Ratschläge. Er hat heute in einem Gastbeitrag im "Wall Street Journal" den Europäern Schlafwandeln vorgeworfen und ausgeführt, sie machten sich nicht einmal Sorgen darüber, dass sie nicht wüssten, was sie angesichts der internationalen Krisen, die überall herrschen, tun sollten. Meine Frage: Teilen Sie Guttenbergs Analyse, und sind Sie für derartige Ratschläge dankbar?

SRS Streiter: Um in der Sprache des Autors zu bleiben: No comment.

Zusatzfrage: Gilt das auch für das Auswärtige Amt?

Chebli: Selbstverständlich.

Zusatzfrage: Das Ganze wird an einigen Stellen relativ konkret. Beispielsweise heißt es, dass der EU-Gipfel, an dem die Bundeskanzlerin teilgenommen hat, ein Schönheitswettbewerb gewesen sei, bei dem nur geopolitische Kosmetik betrieben worden sei usw. Sind das Äußerungen, die Sie zur Kenntnis nehmen?

SRS Streiter: Wir lesen das, ja.

Frage: In der nächsten Woche findet die Haushaltsdebatte statt. Welche Auswirkungen werden die neuen Herausforderungen in Osteuropa, im Nahen Osten und auch bei der Nato auf den Verteidigungshaushalt haben?

Gerhartz: Zum Thema Verteidigungshaushalt grundsätzlich: Für uns ist auch in den nächsten Jahren ein gesicherter Haushalt das Allerwichtigste. Wir hatten hier in den letzten Wochen immer wieder die Diskussion: Ist die Bundeswehr im Zusammenhang mit der Russland-Ukraine-Krise überhaupt zur Bündnis- und Landesverteidigung fähig? Wenn wir die Neuausrichtung, die Ausrichtung der Fähigkeiten, die wir hierzu benötigen, erhalten, dann muss man sagen, dass die Bundeswehr für alle Konflikte vorbereitet ist, die wir derzeit haben. Daran hängt ein gesicherter Haushalt. Das ist uns zugesagt. Das ist für uns das Allerwichtigste.

Ein zweiter Aspekt: Was für uns natürlich auch wichtig ist, ist der investive Anteil. Man sagt immer, 20 Prozent seien notwendig, damit sich Streitkräfte immer wieder neu adaptieren und modernisieren können, um beispielsweise älteres Gerät zu erneuern und sich auf zukünftige Konflikte einzustellen. An diesen investiven Anteil müssen wir herankommen. In den letzten Jahren sind wir noch nicht ganz dran gewesen. Wir sind aber guter Dinge, dass wir das durch die Mittelverteilung erreichen können.

SRS Streiter: Ich kann nur sagen: Im Prinzip geht es nicht um die Höhe des Haushalts an sich, sondern entscheidend ist immer, welche nationalen Verteidigungsausgaben der Nato tatsächlich zugutekommen. Man kann ja viel investieren, aber nichts der Nato zur Verfügung stellen. Da wir nun im Bündnis unterwegs sind, ist entscheidend, wie viel von dem, was wir einsetzen, der Nato zugutekommt. Wir stellen ungefähr 90 Prozent unserer Fähigkeiten der Nato zur Verfügung. Insofern ist das aus unserer Sicht okay.

Was den Investivanteil betrifft, so sind wir in der mittelfristigen Finanzplanung bei einem Anteil von, ich glaube, 18,8 Prozent und landen im Jahr 2016 bei 19,9 Prozent, was schon sehr dicht bei 20 Prozent ist. Im Jahr 2017 sind wir schon bei 20,5 Prozent.

Frage: Herr Gerhartz, es gibt die Meldung, dass rund eine Milliarde aus dem Verteidigungsetat in den Bundeshaushalt zurückgeflossen ist. Ich hätte gerne gewusst: Ist das für das Jahr 2013 oder 2014, und was ist der Grund dafür, dass das nicht abgerufen wird?

Gerhartz: Auch ich habe diese Zahl gelesen. Die kann ich aber in keiner Weise bestätigen. Das ist schon mehrmals Thema gewesen. Letztlich hängt das auch mit dem zusammen, dass wir planerisch schon oft nah an den investiven Anteil von 20 Prozent herangekommen sind und dass wir ihn in den nächsten Jahren hoffentlich erreichen werden. Aber real haben wir die 20 Prozent dann doch wieder nicht erreicht. Das hängt letztlich auch mit dem Mittelabfluss zusammen. Wir konnten keine Verträge mit Firmen eingehen, weil entweder Firmen nicht liefern konnten oder weil wir uns bei den Vertragsverhandlungen nicht einig waren. So kommt es, gerade in multinationalen Rüstungsprogrammen, die hochkomplex sind, dazu, dass wir in diese Verträge nicht immer einsteigen können und dass die Mittel nicht so abfließen, wie wir dies geplant haben.

Wie gesagt: Die Zahl kann ich nicht bestätigen. Idealerweise dürften wir in einer Goldrandwelt, um es einmal aus unserer Sicht zu sagen, natürlich keinen Mittelrückfluss haben. Aber das ist nun einmal nicht zu vermeiden. Andererseits kann man aus der Sicht des Steuerzahlers sagen, wenn wir nicht den entsprechenden Mittelabfluss haben: Das Geld ist ja nicht weg, sondern es geht in den Bundeshaushalt zurück.

Frage: Auch ich habe eine Frage an Herrn Gerhartz zum Thema Geld. Sie haben gerade betont, dass Sie im Sinne des Steuerzahlers agieren wollen. Der Standort Rheine im Münsterland soll geschlossen werden. Dort sind Hubschrauber stationiert. An diesem Standort ist gerade für 70 Millionen Euro eine neue Instandhaltungshalle gebaut worden. Jetzt plant die Bundeswehr offenbar in Schönewalde, wo diese Hubschrauber jetzt stationiert sind, den Bau einer neuen Halle für mehr als 80 Millionen Euro. Das kritisiert auch der Bundesrechnungshof. Hat das Verteidigungsministerium im Moment zu viel Geld?

Gerhartz: Sie machen damit das komplette Kapitel der Neuausrichtung der Streitkräfte auf. Ich höre immer wieder, dass dann einzelne Maßnahmen gegengerechnet werden. Entscheidend ist aber, auch aus finanzieller Sicht, dies langfristig zu sehen. Wir haben uns langfristig entschlossen, die Hubschrauberflotte - das ist das System CH-53, das wir auch in Afghanistan benutzt haben beziehungsweise noch nutzen - zu reduzieren, weil wir diese Anzahl an Hubschraubern im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr nicht mehr benötigen. Wir können das jetzt durch neuere, moderne Systeme wie den NH90 kosteneffektiver machen. Durch die Reduzierung der Hubschrauberflotte verlagern wir auf Standorte und ziehen die Hubschrauber mehr zusammen, was dann langfristig die vielleicht kurzfristig getätigten Investitionen amortisiert. Das sind Entscheidungen - Sie haben den Standort Rheine und die Investitionen in eine neue Halle erwähnt -, die sich langfristig durchaus wieder rechnen werden. Es ist effektiver, dies an anderen Standorten zu machen.

Zusatzfrage: Aber Sie haben die Halle in Rheine gerade erst gebaut. Wieso bauen Sie jetzt die gleiche Halle in Schönewalde noch einmal? Sie hätten ja auch sagen können: Wir behalten die Hubschrauber da, wo die Halle schon existiert.

Gerhartz: Ich habe gerade versucht, das zu erläutern. Durch die Umstrukturierung und Reduzierung der Hubschrauberflotte konzentrieren wir uns auf andere und kleinere Standorte. Wir haben in Schönewalde wesentlich bessere Übungsbedingungen. Wir müssten vom Standort Rheine mit den Hubschraubern ständig in diese Richtung fliegen, um unsere Hubschrauberbesatzungen auszubilden. Diese Kosten würden das, was wir an investivem Anteil für diese Hallen hatten, um einiges übersteigen.

Zusatzfrage: Es gibt also keine Planungen des Verteidigungsministeriums, den Standort in Rheine möglicherweise zu erhalten?

Gerhartz: Nein.

Frage: Frau Kothé, ich habe eine Frage zum Thema EZB. Herr Oettinger und auch Hans-Werner Sinn haben gesagt, die Tatsache, dass Herr Draghi den Leitzins gesenkt hat, sei zurzeit wirkungslos. Können wir erfahren, ob Minister Schäuble diese Einschätzung teilt?

Kothé: Wie immer respektieren wir die Unabhängigkeit der geldpolitischen Entscheidungen der EZB und kommentieren diese grundsätzlich nicht.

Frage: Die EZB hat auch gesagt, dass sie mit ihren geldpolitischen Maßnahmen am Ende sei, was die Belebung der Konjunktur angeht. Teilen Sie die Einschätzung, dass jetzt nicht mehr die Geldpolitik am Zuge ist, sondern die sonstige Politik, die Strukturpolitik?

Kothé: Auch dazu kann ich Ihnen nur sagen: Ich kommentiere und ergänze auf jeden Fall nicht irgendwelche Aussagen der EZB. Ganz grundsätzlich kann ich Ihnen sagen, dass auf europäischer Ebene - das habe ich vorhin in einem anderen Kontext schon angedeutet - die Themen Investitionen und Strukturreformen sowie die Fragen, wie die Wettbewerbsfähigkeit in einzelnen Ländern verbessert und wie Wachstum generiert werden kann, ganz obenan stehen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 5. September 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/09/2014-09-05-regpk.html;jsessionid=5FD93E5E42B9841D010B762D820AC4AB.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2014