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PRESSEKONFERENZ/881: Regierungspressekonferenz vom 29. Oktober 2014 (BA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 29. Oktober 2014
Regierungspressekonferenz vom 29. Oktober 2014

Themen: Kabinettssitzung (Änderung des Asyl- und Aufenthaltsrechts, Beteiligung der Bundeswehr an den UN-Missionen UNAMID und UNMISS, Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz, 10. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland), Reise des Bundesaußenministers nach Südkorea und Indonesien, Ankündigung eines neuen Weißbuchs zur Sicherheitspolitik, Fluggastdatenspeicherung, Pkw-Maut, Budgetvorschläge Frankreichs und Italiens für 2015, Demonstration von Hooligans gegen Salafisten in Köln, Pläne zur Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2024 in Deutschland, Treffen des Bundesfinanzministers mit dem Finanzminister Griechenlands, Abschaffung des Bankgeheimnisses, EU-Nachzahlung Großbritanniens, Geberkonferenz für syrische Flüchtlinge, Rentenanpassungen 2015

Sprecher: SRS'in Wirtz, Schäfer (AA), Gerhartz (BMVg), Plate (BMI), Scholz (BMJV), Rudolph (BMVI), Kalwey (BMF), Diroll (BMZ), Westhoff (BMAS)



Vorsitzende Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Viele Dinge, die heute Morgen im Kabinett beschlossen worden sind, haben Sie ja schon gehört. Gleichwohl gibt es noch einige Punkte, die ich hier vortragen möchte.

Der erste Punkt betrifft das Asyl- und Aufenthaltsrecht. Im Hinblick auf steigende Asylbewerberzahlen in Deutschland stehen Bund, Länder und Gemeinden vor einer großen Herausforderung, die sie nur gemeinsam bewältigen können. In diesem Zusammenhang hat der Bundesrat am 19. September einem Gesetz zur Änderung des Asyl- und Aufenthaltsrechts zugestimmt. Die wesentlichen Inhalte sind, dass drei Balkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten eingestuft worden sind. Dieses Gesetz enthält außerdem erleichterte Arbeitsmarktzugänge für Asylbewerber und geduldete Ausländer.

In diesem Zusammenhang hat die Bundesregierung am 19. September im Bundesrat eine Protokollerklärung abgegeben, in der sie Verbesserungen und Erleichterungen im Asyl- und Aufenthaltsrecht zusagt. Um diese Protokollerklärung umzusetzen, hat das Kabinett heute ein Artikelgesetz beschlossen und zudem die Beschäftigungsverordnung geändert.

Im Hinblick auf die Verbesserung der Rechtsstellung von Asylsuchenden und geduldeten Ausländern in dem besagten Artikelgesetz möchte ich zwei Aspekte nennen:

Die erste Änderung betrifft die sogenannte Residenzpflicht. Ziel der Änderung ist es, die Residenzpflicht grundsätzlich abzuschaffen, wenn sich ein Asylsuchender oder geduldeter Ausländer drei Monate lang im Bundesgebiet aufhält. Um weiterhin sicherzustellen, dass die Verteilung der Sozialkosten gerecht in den Bundesländern aufgeteilt wird, wird eine Wohnsitzauflage für solche Asylbewerber eingeführt, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist. - So viel zu der ersten Änderung.

Die zweite Änderung betrifft die teilweise Aufhebung des Sachleistungsvorrangs. Das steht in dem Zusammenhang, dass man das Selbstbestimmungsrecht der Leistungsberechtigten stärken will. Damit gilt künftig, dass nach der Erstaufnahmezeit vorrangig Geld statt Sachleistungen erbracht werden sollen.

Darüber hinaus - ich habe es gerade angesprochen - wurde die Beschäftigungsverordnung geändert, und zwar im Hinblick auf die Vorrangprüfung, die künftig entfallen soll, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind.

So viel zunächst einmal zu der Änderung des Asyl- und Aufenthaltsrechts.

Weiterhin sind heute für zwei UN-Missionen die Voraussetzungen geschaffen worden, um sie zu verlängern. Konkret geht es um die Missionen UNAMID in Darfur und UNMISS in Südsudan. Im Mittelpunkt dieser Missionen steht, die Friedensbemühungen in der Region zu unterstützen. Die Bundesregierung unterstützt mit dieser Mission außerdem die Bemühungen der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen, die offenen Streitfragen zwischen Sudan und Südsudan beizulegen und zu einer friedlichen Koexistenz beider Staaten beizutragen.

Zu UNAMID im Einzelnen: Die Lage in Darfur bleibt weiterhin angespannt und äußerst labil. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Regierung, Rebellengruppen und ethnischen Gruppen halten unvermindert an. Außerdem belastet eine hohe Kriminalität die humanitäre Lage der Zivilbevölkerung in Darfur. Deshalb bleibt die Mission als stabilisierendes Element unverzichtbar.

Die Mission UNMISS wurde von den UN Ende 2013 aktualisiert, nachdem sich die Sicherheitslage in der Region weiter verschärft hatte. Die Kernelemente dieser Mission sind der Schutz der Zivilbevölkerung sowie die Beobachtung und Untersuchung von Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Außerdem soll die Mission sicherstellen, dass der Zugang zu humanitärer Hilfe gewährleistet ist. Zudem soll sie unterstützen, dass das Waffenstillstandsabkommen umgesetzt wird. Deutsche Soldaten werden in dieser Mission die Führungsstäbe der Mission beraten und unterstützen, aktuell mit 16 Soldaten und 7 deutschen Polizisten.

Allgemein kann ich zu beiden Mandaten sagen, dass die Mandatsobergrenze bei 50 liegt. Beide Mandate wurden bis Ende 2015, also bis zum 31. Dezember 2015, verlängert und stehen natürlich unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Parlaments.

Von der Ministerin selbst haben Sie schon etwas gehört. Frau von der Leyen hat Ihnen gerade hier das Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz vorgestellt. Sie hat das sicherlich in guter Weise getan; das kann ich gar nicht besser machen als sie.

Gleiches gilt für Frau Özoguz, die Ihnen eben hier als Integrationsbeauftragte den 10. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vorgelegt hat. Auch darüber wurde hier ausführlich gesprochen.

Das waren meine Ausführungen aus dem Kabinett.

Schäfer: Ich möchte Ihnen gerne mitteilen, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier morgen zu einer mehrtägigen Reise nach Ostasien aufbrechen wird. Er wird zwei Stationen auf seiner Reise besuchen, nämlich Korea und Indonesien. Mit beiden Ländern unterhält Deutschland seit vielen Jahren gute und enge Beziehungen, die im Rahmen dieser Reise weiter intensiviert werden sollen.

In Seoul wird der Außenminister am Freitag mit der südkoreanischen Präsidentin und seinem Amtskollegen zusammentreffen und politische Gespräche führen. Genauso wie in Indonesien geht es um die bilateralen Beziehungen, aber auch um die politische Lage in Südostasien. Er wird am Freitag die Demarkationslinie zwischen Süd- und Nordkorea besuchen und Gespräche in der demilitarisierten Zone führen.

Am Samstagabend geht es dann weiter nach Indonesien. Dort gibt es, wie Sie wissen, einen frisch in sein Amt gewählten neuen Präsidenten, der sich vorgenommen hat, noch mehr Schwung in die Entwicklung Indonesiens zu bringen. Der Außenminister wird dort mit Präsident Joko Widodo und seiner neuen Außenministerin zusammentreffen. Es geht darum, an die ohnehin schon guten Beziehungen neu anzuknüpfen und sie weiter auszubauen.

Herr Steinmeier wird sich in Indonesien insbesondere über den sehr erfolgreichen interreligiösen Dialog im Land informieren. Sie wissen: Indonesien ist, wenn nicht das größte, so doch eines der größten muslimischen Länder der Welt. In Indonesien klappt der interreligiöse Dialog sehr viel besser als an vielen anderen Orten wie etwa im Mittleren Osten. Schon deshalb ist es sehr interessant und sehr nützlich, sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

Der Außenminister wird von einer ziemlich großen Wirtschaftsdelegation, von einigen Abgeordneten des Deutschen Bundestages und auch von einer prominent besetzten Kulturdelegation begleitet.

Frage: Herr Schäfer, nach der Ankündigung des Verteidigungsministeriums, ein neues Weißbuch schreiben lassen zu wollen: Ist das innerhalb der Bundesregierung und mit dem Außenminister abgestimmt?

Schäfer: Ich kann Ihnen von Gesprächen berichten, die die beiden Minister miteinander geführt haben, auch von einem Schreiben, das der Außenminister in dieser Sache an die Verteidigungsministerin gerichtet hat. Insofern: Ja, das ist abgestimmt. Der Außenminister und das Auswärtige Amt sind selbstverständlich bereit, gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium und anderen betroffenen Häusern das Projekt anzugehen. Für das Auswärtige Amt steht dabei in erster Linie die dafür notwendige profunde Analyse der sicherheitspolitischen Lage Deutschlands und Europas im Mittelpunkt. Dem stellen wir uns. Das ist eine komplexe Aufgabe, die wir uns jetzt vorgenommen und die die Minister miteinander vereinbart haben, der sich das Auswärtige Amt natürlich stellt, die wir gerne aufnehmen und jetzt anpacken werden.

Zusatzfrage: Da ich leider nicht bei der Pressekonferenz der Verteidigungsministerin dabei war, möchte ich gerne wissen, ob sie etwas zum Zeitrahmen gesagt hat. Bis wann soll das fertig sein? Vielleicht können Sie mir da auf die Sprünge helfen.

Gerhartz: Sie hat keinen konkreten Zeitpunkt genannt. Herr Schäfer hat schon gesagt, dass man sich abgestimmt hat. Das ist das Vorhaben, und jetzt wird die Arbeit beginnen. Aber man kann keinen konkreten Zeitpunkt nennen, wann das Weißbuch dann kommen wird.

Schäfer: Ich kann allerdings eine Agentur, aus Ihrem Haus, zitieren, in der ein Datum genannt wird.

Gerhartz: Wenn Herr Schäfer schon diesen Ticker erwähnt: Gehen Sie einmal davon aus, dass das bis 2017 gemeint ist.

Schäfer: Es sind überhaupt keine konkreten Daten zwischen den Ministern besprochen worden. Das ist, wie Sie sich denken können, ein dickes Brett, das da gebohrt werden will. Da gibt es auch eine Menge europapolitische Bezüge. Es gibt ja auch eine europäische Sicherheitsstrategie, die aus dem Jahre 2003 herrührt, die deshalb nicht mehr die neueste ist und die schon hier und da leicht Rost angesetzt hat. Das alles will gut abgestimmt sein. Das ist ja kein Dokument für das Tagesgeschäft, sondern eine Grundlage für außen-, sicherheits- und verteidigungspolitische Entscheidungen der Bundesregierung für das nächste Jahrzehnt. Deshalb, so befürchte ich, werden Sie sich ein bisschen in Geduld üben müssen, bevor dann tatsächlich konkrete Ergebnisse herauskommen.

Zusatz: Das sind wir ja gewohnt.

Schäfer: Gute Antwort.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium, Stichwort "Fluggastdatenspeicherung". Herr Plate, eine Antwort Ihres Hauses auf eine Anfrage legt den Schluss nahe, dass die Bundesregierung, das Innenministerium, plant, diese Daten zu speichern, um der wachsenden Terrorgefahr zu begegnen. Meine Frage: Wenn das so ist, welche Erkenntnisse versprechen Sie sich davon? Sehen Sie nicht rechtliche Probleme mit Blick auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs? Im Vorjahr hat sich das Europäische Parlament dagegen ausgesprochen. Das ist jetzt in anderer Zusammensetzung neu gewählt. Aber Hindernisse sind ja offensichtlich.

Plate: Sie spielen wahrscheinlich auf eine Kleine Anfrage zu diesem Thema an, die Sie dem Bundesinnenministerium zuordnen. Das ist insofern richtig, als das Bundesinnenministerium federführend die Antwort auf diese Anfrage erarbeitet hat. Aber wie immer bei Kleinen Anfragen und anderen parlamentarischen Anfragen wird das natürlich im Ressortkreis abgestimmt.

Es handelt sich um ein Gesetzgebungsvorhaben aus dem EU-Bereich. 2011 hat die EU-Kommission einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgelegt. Er sieht vor, dass bei der Flugbuchung sowieso erfasste Passagierdaten an die jeweilige PNR-Zentralstelle, also Passenger-Name-Records-Zentralstelle, der Mitgliedstaaten übermittelt werden sollen. Dieser Entwurf ist im Gesetzgebungsverfahren. Er kann nur in Kraft treten, wenn insbesondere das Europäische Parlament zustimmt, wie Sie es im Prinzip schon richtig angedeutet haben. Bis heute hat aber das Plenum des Europäischen Parlaments dazu keine Stellungnahme verabschiedet. Die nächste Beratung ist im sogenannten LIBE-Ausschuss des Europäischen Parlaments für Mitte November vorgesehen.

In der Tat kann nach Auffassung der Bundesregierung ein EU-PNR-System einen gewissen Mehrwert für die Terrorismusbekämpfung bringen. Bei der Feststellung von Reisebewegungen kann das Rückschlüsse zum Beispiel auch auf Aufenthalte in Terrorcamps oder Kampfgebieten ermöglichen.

Nichtsdestotrotz ist das nicht nur ein Wunsch der Bundesregierung und offenbar auch der EU-Kommission. Vielmehr legt auch die rechtsverbindliche Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 24. September 2014 zumindest nahe, dass die Staaten sogenannte Reisedaten - so heißt es da - für die Terrorismusbekämpfung erheben und analysieren sollen.

Selbstverständlich muss die PNR-Richtlinie, wenn sie denn kommt, die geltenden Datenschutzstandards berücksichtigen und den Eingriff in das Grundrecht auf die Achtung des Privatlebens auf das absolut Notwendige beschränken. Der Richtlinienentwurf enthält zwar schon zahlreiche Datenschutzgarantien, die ich Ihnen bei Interesse im Einzelnen nennen könnte, aber da ist das allerletzte Wort noch nicht gesprochen. So wird sich die Bundesregierung zum Beispiel für eine Verkürzung der bisher vorgesehenen fünfjährigen Speicherfrist einsetzen.

Wenn Sie konkret das EuGH-Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ansprechen, wenn ich das richtig verstanden habe, dann kann ich dazu sagen, dass die Bundesregierung zurzeit prüft, ob sie im Lichte des EuGH-Urteils vom 8. April 2014 noch weitere datenschutzrechtliche Verbesserungen an dem Entwurf einfordern möchte. Diese Frage wird unser Minister, Herr de Maizière, mit den anderen Mitgliedstaaten beim nächsten G6-Treffen im Einzelnen erörtern.

Zusatzfrage: Sie haben vom Europäischen Parlament gesprochen, das jetzt neu zusammengesetzt ist. Sie setzen also darauf, dass das neu zusammengesetzte Parlament diesem Anliegen positiver gegenübersteht als das vergangene?

Plate: Fakt ist, dass das Europäische Parlament dieser Richtlinie zustimmen muss. Wir warten ab, schauen aufmerksam, ob das geschieht, und verfolgen die Meinungsbildung im Europäischen Parlament. Wenn ich sage, dass die Auffassung der Bundesregierung ist, dass dies einen Beitrag zur Terrorismusbekämpfung leisten kann, dann sähen wir es natürlich positiv, wenn ein solcher Entwurf, der die Punkte, die ich gerade genannt habe, mit Augenmaß gegebenenfalls weiter verbessert, oder bei dem wir jedenfalls sicher sind, dass er datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt, die Zustimmung des Europäischen Parlaments fände.

Frage: Sie haben gesagt, man sei bereit, die Speicherfristen von bisher bis zu fünf Jahren herunterzuschrauben. Könnten Sie da ein bisschen konkreter werden? An was ist da gedacht, zwei Jahre, drei Jahre?

Plate: Nein, da kann ich im Moment noch nicht konkreter werden. Ich möchte das auch nicht tun. Ich möchte nur präzisieren: Wir sind nicht nur bereit, diese Speicherfristen von fünf Jahren auf eine kürzere Dauer herunterzusetzen, sondern wir werden uns auch aktiv dafür einsetzen. Wie viel und was dabei herauskommt, dazu will ich jetzt hier in der Regierungspressekonferenz keine Forderung aufstellen. Das wird man im Rahmen der Verhandlungen mit den bekanntermaßen zahlreichen Akteuren sehen müssen, wenn es um die Verabschiedung eines EU-Rechtsaktes geht.

Zusatzfrage: Was sagt denn der anwesende Akteur des Justizministeriums? Gibt es dort eine Vorstellung für Speicherzeiten, und stimmen Sie dem Innenministerium zu?

Scholz: Ich kann mich nur dem anschließen, was der Kollege ausgeführt hat. Zu konkreten Speicherfristen kann auch ich Ihnen hier noch nichts sagen.

Für uns gilt, dass ein solches PNR-System ein mögliches Mittel sein kann, um die Reisetätigkeit von "foreign fighters" zu unterbinden. Aber es gilt auch hier: Wir dürfen nicht über das Ziel hinausschießen, sondern müssen uns im Rahmen des Notwendigen und Erforderlichen halten.

Es ist eben schon angesprochen worden: Wichtig ist eine grundrechtskonforme Ausgestaltung dieses Systems, insbesondere im Hinblick auf die Speicherfristen und auch auf die Verwendungszweckregeln. Ansonsten gilt es jetzt, in erster Linie die weiteren Diskussionen auf europäischer Ebene abzuwarten und sich da entsprechend einzubringen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Man konnte heute lesen, dass Ihr Minister schon einige Details zur Pkw-Maut genannt hat. Ist schon bekannt, wann das Konzept vorgestellt wird? Das soll ja noch diese Woche passieren. Gibt es dafür schon ein Datum?

Rudolph: Genau so ist es, und so hat sich der Minister auch geäußert. Der Gesetzentwurf ist fertig. Jetzt gibt es noch Schlussabstimmungen. Der Entwurf wird den anderen Ressorts Ende dieser Woche zugeleitet. Der Minister hat ja immer gesagt: im Oktober. - Der Oktober hat 31 Tage. Insofern wird er da Wort halten und dies Ende der Woche tun.

Zusatzfrage: Wird der Gesetzentwurf gleichzeitig auch öffentlich vorgestellt, oder geht er jetzt erst einmal nur in die Ressorts?

Rudolph: Sie können sicher sein, dass die Inhalte des Gesetzentwurfs dann auch der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. In welcher Form, da bitte ich noch um Geduld, dass ich das nicht bekannt gebe. Aber Sie werden informiert. Insofern geschieht beides, also die anderen Ressorts und die Öffentlichkeit.

Vorsitzende Welty: Wir sind gespannt.

Frage: Woran hakt es denn noch, wenn es noch bis Freitag dauert? Denn man liest ja, der Gesetzentwurf ist fertig.

Rudolph: Das ist eine Suggestivfrage. Ich werde nicht darauf antworten, woran es hakt. Ich habe gesagt: Der Minister wird dies bis Ende der Woche vorstellen. Ob es dann Freitag wird, wie Sie sagen, oder ob es Ende der Woche ist, also innerhalb des Oktobers, das lasse ich an der Stelle offen. Es bleibt dabei: Der Gesetzentwurf ist fertig. Er wird diese Woche vorgestellt. Die Infos gehen dann wirklich der breiten Öffentlichkeit zu.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Vielleicht habe ich das bei den vielen Sachen heute Morgen verpasst. Gibt es eine Reaktion Ihres Hauses auf die Einigung in Brüssel, dass Frankreich und Italien mit ihren Budgetvorschlägen richtig liegen?

Kalwey: Wir haben immer darauf hingewiesen, dass es Sache der Kommission ist, die Haushaltsentwürfe, die die Mitgliedsländer vorlegen, zu bewerten. Das hat die Kommission jetzt getan.

Zum weiteren Verfahren: Die Kommission wird Mitte/Ende November ihre öffentliche Stellungnahme zu den Haushaltsentwürfen der Euro-Mitgliedstaaten abgeben. Danach wird sich die Eurogruppe mit den Haushaltsentwürfen befassen. Das bleibt jetzt erst einmal abzuwarten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Innenministerium. Herr Plate, das Innenministerium hat schon vor einigen Wochen auf die Gefahr der Hooligan-Szene und in diesem Zusammenhang auch auf die Aktion gegen Salafisten hingewiesen. Mich würde interessieren, inwiefern das Bundesinnenministerium die hohe Zahl von 4.800 Teilnehmern an der Demonstration in Köln überrascht hat oder ob Sie vorher schon mit einigen Tausend Teilnehmern in der Vorwoche gerechnet haben.

Plate: Wie Sie wissen, hat die Demonstration in Köln und damit im Zuständigkeitsbereich der Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen stattgefunden. In erster Linie obliegt daher die Lageeinschätzung, auch vor einer solchen Veranstaltung, den dortigen Behörden. Ich habe schon am Montag hier gesagt, dass die Bundessicherheitsbehörden vor einer solchen Veranstaltung natürlich in sehr engem Austausch auch mit den zuständigen Landesbehörden stehen, um dies einzuschätzen.

Natürlich wussten wir schon, dass dort mit einem erheblichen Teilnehmeraufkommen zu rechnen ist. Die ganz genaue Zahl kann man vorher natürlich nie ganz genau wissen. In der Tat ist die Zahl wohl etwas höher ausgefallen, als alle beteiligten Behörden gedacht haben. Allerdings wussten alle Beteiligten schon, dass es sicherlich im erheblichen vierstelligen Bereich liegen wird.

Zusatzfrage: Sie hatten in diesem Zusammenhang auch auf die Gewaltbereitschaft der Teilnehmer hingewiesen, und das schon vor mehreren Wochen. Soweit ich weiß, kam dann die Zahl aus Ihrem Haus von 3.000 möglichen Teilnehmern, schon vor dieser Demonstration. Hat es Sie dann überrascht, dass man Ihre Gefahreneinschätzung in NRW offenbar nicht ganz geteilt hat?

Plate: Mir ist nicht bekannt, dass die Einschätzung von 3.000 gewaltbereiten Personen mit Bezug auf diese konkrete Veranstaltung aus unserem Haus gekommen wäre. Das wäre mir neu. Richtig ist allerdings schon, dass wir im Prinzip seit Februar beobachten, dass sich Hooligans und auch Personen aus dem Bereich der Neonaziszene vereinigen - "vereinigen" ist vielleicht zu viel gesagt -, aber jedenfalls Kontakt miteinander aufnehmen mit Blick auf die salafistische Szene. Das haben wir schon seit Februar beobachtet. Es gab schon im Februar in Mönchengladbach etwas in sehr viel kleinerer Größenordnung, im März zum Beispiel in Mannheim und im September wieder. Es ist also nicht so, dass die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern völlig überrascht über dieses Phänomen im Ganzen waren. Aber in der Tat hat das Ganze jetzt in Köln eine Dynamik bekommen, die zumindest nicht in allen Einzelheiten abgesehen werden konnte. Umso aufmerksamer haben das die Behörden von Bund und Ländern selbstverständlich jetzt im Blick.

Zusatzfrage: Aber Sie haben ja auf die Gewaltbereitschaft hingewiesen. Insofern noch einmal die Frage: Hat Sie das überrascht, dass die Kollegen in NRW offenbar nicht so ganz ernst genommen haben, was da von den Bundesbehörden quasi vorausgesagt worden ist?

Plate: Ihre Auffassung, dass die Behörden in NRW das nicht ganz ernst genommen haben, kann ich, ehrlich gesagt, nicht teilen. Insofern stellt sich die Frage nach der Überraschung auch nicht.

Frage: Ich habe eine Frage an die stellvertretende Regierungssprecherin im Zusammenhang mit der Entscheidung des Olympischen Sportbunds, die Spiele 2024 in Deutschland ausrichten zu wollen. Wie steht die Bundesregierung, wie steht die Kanzlerin dazu?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal kann man sagen: Grundsätzlich ist die Bewerbung für die Olympischen und die Paralympischen Spiele in Deutschland unterstützenswert, zumal die Austragung solcher Spiele immer auch für die Wirtschaft sehr interessant ist und sicherlich auch unterstützende Effekte mit sich bringt. Eine konkrete politische Stellungnahme ist aber zum jetzigen Zeitpunkt der Bewerbung sicherlich noch verfrüht. Insofern werden wir jetzt einfach abwarten müssen, welche weiteren Schritte, welche weiteren Ergebnisse das Verfahren mit sich bringt. Aber wie gesagt: Vom Grundsatz her ist eine solche Bewerbung unterstützenswert.

Zusatzfrage: Was sagt der Sportminister, Herr de Maizière?

Plate: Der Sportminister begrüßt die Entscheidung des DOSB, sich für die Sommerspiele 2024 und eventuell auch im Doppelpack 2028 zu bewerben. Die Entscheidung und auch der Fahrplan sind zwischen dem DOSB-Präsidenten und Minister de Maizière abgestimmt. Herr Minister de Maizière ist der Auffassung, es stehe Deutschland gut zu Gesicht, sich für Olympische Sommerspiele zu bewerben. Wenn man in Deutschland andere Städte und Länder kritisiert, dann ist es vielleicht keine schlechte Gelegenheit, dies einmal selbst zu machen und zu zeigen, dass man es mindestens genauso gut hinbekommt.

Frage: Heute soll es gegen 17:30 Uhr zu einem Treffen zwischen dem griechischen und dem deutschen Finanzminister kommen. Ich hätte gerne gewusst, was der Inhalt dieses Treffens sein wird.

Dem Vernehmen nach soll die griechische Seite Sonderwünsche für Sonderregeln in Bezug auf die sogenannte vorläufige Kreditlinie haben. Wie man hört, wollen die Griechen diese Kreditlinie zwar bekommen, aber nicht nach dem geltenden Abkommen, nach den geltenden Regelungen, sondern sie wollen neue Regelungen, nämlich ohne ein Memorandum, genauso wie beim zweiten Hilfsprogramm. Ich möchte wissen, ob die griechischen Sonderwünsche eine Basis für Verhandlungen sein können oder ob alles auf der Basis der heute geltenden Regelungen entschieden wird.

Kalwey: Vielleicht ganz allgemein: Zu bilateralen Treffen zwischen zwei Ministern äußern wir uns an dieser Stelle nicht. Wenn es aus Treffen irgendetwas zu verkünden gibt, dann entscheidet der Finanzminister entsprechend, etwas zu verkünden.

Was das Thema vorläufige Kreditlinie betrifft: Sie wissen, die Troika ist zurzeit im Rahmen ihrer fünften Programmüberprüfung in Griechenland vor Ort. Wenn diese Überprüfung abgeschlossen ist, dann wird innerhalb der Eurogruppe über weitere mögliche Programme oder Maßnahmen entschieden. Das ist der Ort, an dem über solche Maßnahmen entschieden wird.

Zusatzfrage: Mir geht es nicht darum, in welche Richtung die Entscheidung gehen wird, sondern ob die Entscheidung ausschließlich im Rahmen der geltenden Regelungen getroffen wird oder ob man da einen Spielraum für ein Beschneiden dieser Regelungen sieht.

Kalwey: Ich kann mich nur wiederholen: Die Entscheidungen werden in der Eurogruppe getroffen. Dann werden auch die Regularien, Kreditlinien, bestimmte Programme, beschlossen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Der Finanzminister meinte, dass die alte Form des Bankgeheimnisses ausgedient habe. Gibt es denn eine neue Form?

Kalwey: Er hat sich vor dem Hintergrund der jetzt laufenden Steuerkonferenz dahin gehend geäußert. Er hat darauf hingewiesen, dass mit den Regelungen zum automatischen Informationsaustausch jetzt neue Regelungen gelten und dass es für Steuerflüchtlinge oder für Bürger immer schwieriger werden wird, ihr Geld ins Ausland zu schaffen. Das ist ein wichtiges Signal. Von da soll ein Signal ausgehen, mögliche Steuerschlupflöcher weiterhin zu schließen. Das ist jetzt ein wichtiger Schritt, um das weiterhin zu erschweren. In diese Richtung hat er sich geäußert. Zu allem anderen würde ich gerne auf die heutige Pressekonferenz verweisen, die um 15.30 Uhr im Finanzministerium beginnen wird.

Zusatzfrage: Ist denn angedacht, das Steuergeheimnis abzuschaffen? Das würde das Ziel doch maximieren, die Steuerungerechtigkeit und die Steuerhinterziehung zu unterbinden, oder nicht?

Kalwey: Wir haben die 50 Staaten heute in Berlin. Wir werden diese Vereinbarung heute unterzeichnen. Was dann von da aus ausgehend weiter passieren wird, werden wir dann sehen. Wie gesagt: Heute auf der Pressekonferenz haben Sie alle Gelegenheit, die anwesenden Minister dazu zu befragen.

Zusatzfrage: Da bin ich leider nicht da. Aber hält das Bundesfinanzministerium die Abschaffung des Steuergeheimnisses für denkbar?

Kalwey: Wie gesagt: Dazu kann ich Ihnen im Moment keine Aussage machen.

Frage: Ich habe auch noch eine Frage an das Finanzministerium: Wie sieht der Bundesfinanzminister die Weigerung Großbritanniens, die 1,7 Milliarden Pfund an die EU nachzuzahlen?

Kalwey: Es ist so, dass die Kommission regelmäßig beziehungsweise turnusgemäß die Einzahlung der Mitgliedstaaten auf Basis des Bruttonationaleinkommens überprüft. Das ist ein normales Verfahren. Für manche Staaten ergaben sich daraus jetzt Rückzahlungsforderungen, für manche Staaten ergaben sich Erstattungsansprüche. Einzelne Ansprüche, die die Kommission nun stellt, kommentieren wir aber nicht.

Zusatzfrage: Man kann ja als Nationalregierung trotzdem eine Haltung dazu haben; beispielsweise hat Dänemark diese britische Weigerung im Grunde genommen schon verurteilt. Ich würde einmal denken, die Bundesregierung ist auf dem Standpunkt, dass man sich an die geltenden Regeln hält?

Kalwey: Das ist natürlich der grundsätzliche Standpunkt. Letztendlich ist das aber eine bilaterale Sache zwischen der Kommission und Großbritannien. Wie gesagt, aus unserer Sicht handelt es sich um ein normales Verfahren, das die Kommission turnusgemäß durchführt. Dieses Verfahren gilt.

Zusatzfrage: Auch für Großbritannien?

Kalwey: Für alle Mitgliedstaaten.

Frage: An das Entwicklungsministerium und an das Außenministerium: Wie bewerten Sie das Ergebnis der gestrigen Geberkonferenz für syrische Flüchtlinge?

Diroll: Wie die beiden Minister gestern, denke ich, schon auf der Pressekonferenz deutlich gemacht haben - darauf wird Herr Schäfer sicherlich auch noch eingehen -, lässt die Bundesregierung die Menschen und die aufnehmenden Länder im Moment nicht mit ihrer großen Herausforderung allein. Sie haben gestern sicherlich auch die Meldungen verfolgt. Auf dieser Syrien-Konferenz standen zum einen die sehr enge Verzahnung und die Koordination der Hilfen und die Frage, wie man da in nächster Zeit noch optimieren kann, noch einmal im Mittelstand, und zum anderen wurden auch noch einmal Geldzusagen gemacht. Die Bundesregierung - das wissen Sie - hat für die aufnehmenden Länder in der Syrien-Krise seit 2012 630 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Der Außenminister hat gestern für die Bundesregierung noch einmal die weiteren Hilfen in Höhe von einer halben Milliarde Euro angekündigt, und das Entwicklungsminister hat in der Pressekonferenz diesbezüglich auch noch einmal darauf hingewiesen, dass wir auch für dieses Jahr noch Haushaltsmittel in Höhe von 140 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Sie sehen also: Es wird mit Nachdruck daran gearbeitet, dass die großen Herausforderungen in den aufnehmenden Ländern - Jordanien, Libanon und auch jetzt im Nordirak - vor dem bevorstehenden Winter in Angriff genommen werden können, und das mit einer sehr beachtlichen Zusage der Bundesregierung.

Schäfer: Das Ziel der Konferenz war - und das war schon im Mai die Ursprungsidee von Herrn Steinmeier -, sich auch öffentlich und innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft deutlich zu machen, wie ernst wirklich die Lage der drei großen betroffenen Aufnahmeländer ist. Wer gestern zum Abschluss der Konferenz an der Pressekonferenz teilgenommen hat, dem ist wirklich sehr eindringlich deutlich gemacht worden - und zwar sowohl vom libanesischen Außenminister als auch vom jordanischen Außenminister -, in welcher dramatischen - man kann das eigentlich nur so sagen - und zum Teil auch katastrophalen Lage sich die außerordentlich gastfreundlichen Aufnahmeländer befinden. Wenn man sich einmal anschaut, was Libanon leistet, und im Dreisatz ausrechnet, was das für Deutschland bedeuten würde, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass das bedeuten würde, dass in Deutschland zwischen 25 und 30 Millionen Flüchtlinge Aufnahme hätten finden müssen, um die gleiche Proportion zwischen lokaler Bevölkerung und Flüchtlingen aus Syrien darzustellen. Das ist eine Größenordnung, die man sich, glaube ich, in Deutschland überhaupt nicht vorstellen kann.

Es ist, glaube ich, gelungen, sowohl unter den Teilnehmern der Konferenz Einigkeit darüber herzustellen, dass das ein ganz wichtiger Fokus unserer humanitären Arbeit in der Zukunft sein muss. Ich glaube aber, es ist auch gelungen, in der deutschen und darüber hinaus auch in der Weltöffentlichkeit noch einmal ganz deutlich zu machen, dass Jordanien, dass der Libanon, dass die Türkei und auch einige andere Aufnahmeländer unsere Hilfe brauchen, dass wir unsere Hilfe verstetigen müssen und immer auch mit den Aufnahmeländern und im Sinne der Interessen der Aufnahmeländer gestalten müssen.

Vielleicht noch ein Randaspekt, der dem Außenminister ganz besonders wichtig ist: Der Außenminister hatte gestern beim Mittagessen und auch in einem bilateralen Gespräch die Möglichkeit, mit dem neuen Sondergesandten der Vereinten Nationen für Syrien, Staffan de Mistura, zu sprechen, der ja die riesengroße Aufgabe vor sich hat, nach Kofi Annan und nach Lakhdar Brahimi als inzwischen dritter Sondergesandter nach Wegen für eine politische Lösung in Syrien und Auswegen aus der Krise zu suchen. Herr de Mistura kam gestern von Gesprächen in der Region nach Berlin. Er war zu Anfang seiner Mission bereits im September in Syrien, kam jetzt, glaube ich, aus Teheran, und hat auch ansonsten alle wesentlichen Spieler in der Region aufgesucht und mit ihnen Gespräche geführt. Auch das ist ein Ergebnis der Konferenz: Dass alle Teilnehmer Herrn de Mistura wirklich nach aller Kraft unterstützen bei seinen Versuchen, auszuloten, wo und wie möglichst schnell ein Ansatz für eine politische Lösung in Syrien gefunden werden könnte.

Denn auch das ist eine Erkenntnis der Konferenz von gestern: Die humanitäre Hilfe ist dringend notwendig, da steht die ganze internationale Gemeinschaft in der Verantwortung. Frau Diroll hat erläutert, wie Deutschland sich dieser Verantwortung stellt. Die humanitäre Hilfe ist aber keine Lösung für die Krise in Syrien; vielmehr kann die Krise in Syrien nur mit politischen Mitteln gelöst werden. Am Ende des vierten Jahres eines grausamen Krieges - manche sagen Bürgerkrieges, andere sagen Stellvertreterkrieges - ist hoffentlich irgendwann auf allen Seiten ein militärischer Erschöpfungszustand erreicht, der neue Chancen darauf eröffnet, eine politische Lösung zu finden, die den Menschen Frieden bringt und auch die Möglichkeit bringt, in ihr Land zurückzukehren.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, Sie haben die Gastfreundlichkeit der Länder angesprochen. Wie gastfreundlich ist denn Deutschland? Wurde angeboten, ein paar hunderttausend Flüchtlinge von dort aufzunehmen?

An das Entwicklungsministerium: Wie kommt das Ministerium darauf, das Ergebnis von gestern "beachtlich" zu nennen, wenn Sie selbst gesagt haben, dass von 2012 bis 2014 630 Millionen Euro gezahlt wurden, für die nächsten drei Jahre aber sogar weniger gezahlt wird?

Diroll: Ich fange einmal mit dem zweiten Punkt an. Gestern ist auch deutlich gesagt worden: Mit mindestens 500 Millionen Euro ist eine Verstetigung erst einmal für die nächsten drei Jahre angekündigt worden. Alle waren sich gestern einig, dass die Flüchtlingskrise in der Region nicht in wenigen Monaten - Herr Schäfer hat es gerade dargestellt - zu Ende sein wird. Es müssen vielmehr auch Perspektiven für die Menschen geschaffen werden. Gerade mit Blick auf die jungen Menschen entweder in den aufnehmenden Gemeinden oder in den Flüchtlingscamps geht es darum, Schulen aufzubauen, Gesundheitsstationen aufzubauen. Die Ankündigung für die nächste Periode war auch ganz klar, dass mindestens eine halbe Milliarde Euro bereitgestellt werden. Sie haben ja auch gesehen: In den vergangenen zweieinhalb Jahren, in denen im Auswärtigen Amt und auch im Entwicklungsministerium schon an diesen Hilfe gearbeitet wurde, ist immer wieder aktuell - den Krisen folgend, den einzelnen Ländern folgend und den Herausforderungen folgend - noch ein Mittelzuwachs genehmigt worden. Sie haben gestern also ganz deutlich gehört, dass die Verstetigung jetzt mit mindestens 500 Millionen Euro für die nächsten drei Jahre angekündigt wurde.

Schäfer: Zu Ihrer leicht polemischen Frage zur Aufnahmebereitschaft Deutschlands: Ich würde Sie da gern auf das verweisen - ich weiß nicht, ob es Anwesende hier gibt, die gestern bei der Pressekonferenz dabei waren -, was jemand gesagt hat, der nicht unbedingt im Ruf steht, für die Bundesregierung zu sprechen. Ich meine da den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, Herrn Guterres, der gestern auf eine ähnliche Frage wie die, die Sie hier jetzt stellen, geantwortet hat und gesagt hat, wie er die Bereitschaft Deutschlands als ein Land, das ziemlich weit weg ist von der Region, und als ein Land, das inzwischen weit über 70.000 Menschen in unterschiedlichen Aufnahmeprogrammen geholfen hat - sei es dadurch, dass Asylanträge gestellt werden konnten, ohne dass Abschiebungen erfolgen, sei es in anderen Aufnahmeprogrammen, die sozusagen auf die Bedürfnisse syrischer Flüchtlinge maßgeschneidert sind, die wirklich außergewöhnliches geleistet haben -, bewertet. Er hat gesagt - ich kann das jetzt nicht im Wortlaut zitieren, aber das lässt sich sicherlich nachlesen - , er würde sich wünschen, dass andere Länder in der Welt ein genauso großes Maß an Verantwortung und Gastfreundschaft für sich in Anspruch nehmen, wie Deutschland das getan hat. Ich möchte das hier nur wiedergeben und sehe mich eigentlich gar nicht in der Pflicht, auf Ihren Vorwurf, Deutschland würde nicht genug tun, selber zu antworten, sondern lasse da am liebsten Herrn Guterres sprechen.

Wir lassen uns auch nicht davon abbringen, weiter dafür zu arbeiten, dass die Situation für die vielen Millionen Flüchtlinge verbessert werden kann. Diese Flüchtlinge wollen ja gar nicht auswandern, sondern wurden gezwungen - durch die Verhältnisse und durch den Krieg, der Ihnen aufgezwungen worden ist -, Syrien zu verlassen oder innerhalb Syriens ihre Heimat zu verlassen; die allermeisten Menschen wollen zurück, wollen in ihre Heimat und wollen nicht wo auch immer hin, ob nach Deutschland oder in andere Länder weit weg von ihrer Heimat. Deshalb müssen wir unsere politische Energie darauf verwenden, Herrn de Mistura, die Vereinten Nationen und all diejenigen zu unterstützen, die auf der Suche nach politischen Lösungen sind. Da bringen wir uns ein, daran sind wir beteiligt, dazu führt der Außenminister nahezu täglich Gespräche, ohne dass es irgendeine Garantie dafür gäbe, dass uns das schnell gelingt. Sie können sich aber darauf verlassen, dass die Bundesregierung an all diesen Aktivitäten mit allergrößtem Einsatz beteiligt sein wird.

Der Außenminister hat gestern gesagt: Die Flüchtlingskatastrophe in Syrien ist die größte Flüchtlingskatastrophe unserer Zeit. Ich glaube, das kann man von der Dimension gar nicht mehr höher ansiedeln. Da ist es doch völlig selbstverständlich, dass wir uns um diese 10 Millionen Vertriebenen kümmern wollen, indem wir auch daran mitwirken, politische Lösungen zu finden.

Diroll: Wenn ich das vielleicht noch ergänzen darf: Wir haben hier jetzt viel über Zahlen und auch über die politischen Botschaften des gestrigen Tages geredet, aber wichtig sind natürlich auch die Projekte - Sie alle können sich die entsprechenden Informationen entweder noch einmal bei uns im Internet anschauen, oder wir stellen sie Ihnen zur Verfügung. Wenn aufnehmende Gemeinden so viele Menschen aufnehmen, wie ihr Dorf oder ihre Stadt selbst an Einwohnern zählt, wenn Sie sehen, wie mit deutschen Mitarbeitern und Entwicklungsexperten Wasserleitungen gebaut werden, Abwasserleitungen gelegt werden, Infrastruktur aufgebaut wird, wenn Sie sehen, wie in Amman für Jugendliche und Kinder Traumazentren aufgemacht werden, Schulen gegründet werden, wenn Sie sehen, wie in Erbil im Kirkuk Center Opfer von Folter und höchst traumatisierte Kinder von deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern behandelt werden, dann zeigt das, dass das alles Projekte sind, die sehr konkret sind und die sowohl den Flüchtlingen als auch den aufnehmenden Gemeinden und den Menschen vor Ort helfen, die vor der großen Herausforderung stehen, selber nicht im allergrößten Luxus und Wohlstand zu leben, aber dennoch ihre Türen und auch ihre Herzen aufzumachen für die Flüchtlinge, die zu ihnen kommen. Da hilft Deutschland und setzt nicht nur mit der Konferenz ein starkes Zeichen, sondern setzt auch viele Projekte um, die tatsächlich vor Ort helfen, und zwar sowohl den Gemeinden, die die Flüchtlinge aufnehmen, als auch den Flüchtlingen selbst.

Plate: Eine ganz kleine Ergänzung zum Thema Gastfreundschaft, auch wenn Herr Schäfer das Wichtigste vielleicht schon gesagt hat: Herr Guterres hat Deutschland ja schon häufiger als beispielgebend gelobt, was die Aufnahme syrischer Flüchtlinge betrifft. Wie Sie vielleicht wissen, wird am 9. Dezember in Genf vonseiten des UNHCR auch eine sogenannte Pledging-Konferenz zum Thema Syrien veranstaltet. Nicht umsonst hat Herr Guterres den Bundesinnenminister gebeten, dass von unserer Seite eine zentrale Rolle auf dieser Konferenz gespielt werden solle, um sozusagen für das deutsche Beispiel zu werben.

Ich möchte auch ergänzend - das ist eine letzte kleine Ergänzung - darauf hinweisen, dass in der Tat für Syrer, die nach Deutschland kommen, eine Schutzquote von nahezu 100 Prozent besteht. Wer also aus Syrien kommt und bei uns Schutz sucht, der wird bei uns nicht von der Schwelle gewiesen.

Frage: Frau Diroll, ist das Entwicklungsministerium denn der Meinung, dass Deutschland genug Flüchtlinge aus Syrien aufnimmt?

Herr Schäfer, Sie hatten Herrn Guterres angesprochen. Der hat auch gesagt, dass, wenn die Mittel nicht deutlich erhöht werden würden, eine humanitäre Katastrophe bevorstehe. Jetzt sind die Mittel nicht deutlich erhöht worden.

Diroll: Ich habe Ihnen, glaube ich, aus Sicht unseres Ressorts gerade ausreichend dargestellt, was unsere Aufgabe ist, die wir sehr ernst nehmen und deren Wahrnehmung wir in den letzten Monaten mit verstärkten Kräften noch einmal intensiviert haben. Insofern denke ich, dass das Innenministerium die erste Frage für das Ressort und für die Bundesregierung absolut ausreichend beantwortet hat.

Schäfer: Ich glaube, dass wir da gar keinen Dissens haben. Auch ich bin der Auffassung, dass das, was derzeit von der internationalen Gemeinschaft getan wird, aller Voraussicht nach nicht genug ist; dafür gibt es genügend Anzeichen. Es ist die größte Flüchtlingskatastrophe unserer Zeit und es bleibt unsere Aufgabe, zu sagen, dass wir unsere eigene Verantwortung da wahrnehmen, genauso wie es die Aufgabe jedes anderen Mitglieds der internationalen Gemeinschaft ist, für sich das zu tun, was man als eigene Verantwortung sieht. Da geschieht eine ganze Menge. Noch einmal - ich kann Frau Diroll dabei nur unterstützen -: Das, was die Bundesregierung bisher getan hat - da steht ja die Summe von über 600 Millionen Euro im Raum -, und das, was die Bundesregierung sozusagen als planbare Mindestsumme bereits jetzt für die nächsten drei Jahre angekündigt hat, ist eine ganze Menge.

Dass das nicht ausreicht, da haben Sie wahrscheinlich recht. Deshalb bleibt es weiter an uns, dafür Sorge zu tragen, dass wir in Absprache mit unseren Partnern, mit all denjenigen, die helfen wollen und helfen können, all das tun, was in unserer Macht steht, um den Menschen, die sich jetzt auf einen harten Winter vorbereiten müssen, das zu geben, was sie brauchen. Die Konferenz hat - ich glaube, mit einigem Erfolg - den Fokus der Weltöffentlichkeit darauf gerichtet, dass es wichtig ist, den Menschen ihre ersten Notbedürfnisse zu erfüllen - Nahrung, Wärme, Unterkunft -, dass es aber angesichts der traurigen Erkenntnis, dass sie nicht bald, nicht sofort und auch nicht in den nächsten Monaten nach Syrien zurückkehren können werden, auch darum geht, dafür Sorge zu tragen, dass die Strukturen, dass die öffentliche Daseinsvorsorge in den Aufnahmeländern nicht total zusammenbricht und durch den Export von Flüchtlingen aus dem Krieg in Syrien auch noch andere Staaten gewissermaßen wie Kartenhäuser zusammenbrechen. An dieser Stelle sage ich noch einmal, so wie ich es bereits eingangs mit Blick auf die Äußerungen des libanesischen Premierministers und des libanesischen Außenministers, was die Stabilität des eigenen Landes und die Herausforderungen angeht, gesagt habe: Die Herausforderungen, die die Flüchtlingsströme an ein so kleines, irgendwie auch instabiles Land wie Libanon stellen, sind einfach immens. Wir werden dem Geiste und auch dem Wortlaut der gestern vereinbarten Erklärung gemäß wirklich alles, was in unserer Macht steht, dafür tun, dass diese Staaten, die Gastfreundschaft gezeigt haben, stabil bleiben können.

Frage: Eine Frage an das Arbeits- und Sozialministerium zum Thema Rentenerhöhungen: Die VdK-Vorsitzende Mascher hat heute Morgen davon gesprochen hat, dass sich Millionen von Rentnern nicht anständig auf die Rentenerhöhungen vorbereiten und einstellen könnten, weil die aktuellen Zahlen der Erhöhung von den Prognosen differieren. Herr Westhoff, was sagen Sie denn den Millionen verschaukelten Rentnern, warum ist das so? Kann sich künftig vielleicht jemand besser auf die Prognosen einstellen?

Westhoff: Tja, die Prognosen. Ich würde die Millionen Rentner dann fragen müssen, wann es zuletzt so war, dass sie schon im Oktober des Vorjahres der anstehenden Rentenerhöhung gewusst haben, wie hoch genau die Rentenerhöhung im Jahr darauf ausfallen wird. Das war nach meinem Wissen bisher noch nie der Fall. Wir haben immer gesagt und immer gebetsmühlenartig wiederholt, dass die Rentenanpassungen in diesem Fall des Jahres 2015 frühestens im März des Jahres 2015 feststehen. Frau Mascher hat sich ja in einer Zeitung geäußert, die auch in dem darum herum gestrickten Beitrag den Eindruck erweckt hat, die Prognosen des Vorjahres oder irgendwelche Ergebnisse von Schätzerkreisen seien Voraussagen, Versprechungen, Androhungen oder dergleichen gewesen. Das ist natürlich nicht der Fall. Es bleibt bei der Rente ganz einfach nach wie vor so, wie es in den letzten mindestens 50 bis 60 Jahren immer war, nämlich dass es immer wieder Annäherungen gibt. Das sind Annäherungen in Schätzungen oder in Modellrechnungen an die Rentenanpassung des jeweiligen Jahres, das darauf fo lgt; das sind aber keine Prognosen. Das ist ein feiner, aber sehr wichtiger Unterschied.

So ist es auch in diesem Jahr: Wir haben gesagt, dass im nächsten Jahr mutmaßlich nach jetzigem Stand eine Rentenanpassung nach oben da sein wird. Wie hoch diese Anpassung in Ost und West jeweils ausfällt, wissen wir heute noch nicht. Wir gleichen das dann immer mit den Mutmaßungen über die Inflationsentwicklung ab. Wenn eine niedrige Inflation zu gewärtigen ist, dann heißt das, dass real auch etwas übrig bleiben wird. Wie hoch die Rentenanpassung 2015 dann tatsächlich ausfallen wird, werden wir frühestens im März wissen. Auch wenn in den nächsten zwei Wochen im Zusammenhang mit dem jährlichen Renten-Presseseminar - in diesem Fall in Würzburg, glaube ich - der Deutschen Rentenversicherung Bund wieder Zahlen kolportiert werden, dann sind auch das nicht die endgültigen Daten, auch das sind dann keine Zusagen - selbst wenn es in der Zeitung stehen sollte.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 29. Oktober 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/10/2014-10-29-regpk.html;jsessionid=43203C1E44332CD6540CF959A63255FC.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2014