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PRESSEKONFERENZ/929: Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 30. Januar 2015
Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise nach Budapest, Einweihung eines Laborneubaus des Robert-Koch-Instituts, Empfang des Premierministers von Singapur, Kabinettssitzung, Empfang des maltesischen Ministerpräsidenten, Gespräch mit dem ESA-Astronauten Alexander Gerst, Empfang des irakischen Ministerpräsidenten, Sicherheitskonferenz in München), Terroranschlag im Nordsinai, informelles Treffen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsidenten und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments in Straßburg, Treffen der Bundeskanzlerin mit dem Präsidenten des Europäischen Rats, Griechenland, Mindestlohn, Äußerung des Bundesinnenministers auf dem JI-Rat zum Thema Terrorismusbekämpfung, NSA-Untersuchungsausschuss, Einsatz von NSA-Hardware seitens des BND, hohe Anzahl nicht besetzter Studienplätze in zulassungsbeschränkten Studienfächern, Transatlantisches Freihandelsabkommen, Sammeln von Telekommunikation-Metadaten durch den BND, geplante Eingreiftruppe der Afrikanischen Union gegen Boko Haram, Waffenlieferungen in den Irak

Sprecher: SRS'in Wirtz, Schäfer (AA), Jäger (BMF), Toschev (BMWi), Küchen (BMAS), Plate (BMI), Fischer (BMBF), Moosmayer (BMVI), Gerhartz (BMVg)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Herr Seibert hatte an dieser Stelle am Mittwoch ja schon angekündigt, dass die Bundeskanzlerin am nächsten Montag nach Budapest reisen wird. Sie wird dort um 11.45 Uhr den Ministerpräsidenten Viktor Orbán treffen. Es wird bilaterale Gespräche bei einem Mittagessen geben. Anschließend wird die Bundeskanzlerin den ungarischen Staatspräsidenten János Áder treffen.

Am Nachmittag wird die Kanzlerin an der deutschsprachigen Andrássy-Universität mit Studenten ungarischer Universitäten sprechen. Sie wird die Ehrendoktorwürde der Universität Szeged verliehen bekommen. Im Abschluss wird sie sich mit Vertretern jüdischer Glaubensgemeinschaften bei der Großen Synagoge treffen. Am Abend wird sie dann nach Berlin zurückkommen.

Am Dienstagmorgen wird sie einen Laborneubau des Robert-Koch-Instituts in Berlin einweihen. Das ist ein Labor, das sozusagen die höchste Sicherheitsstufe, nämlich die Sicherheitsstufe 4, haben wird. Das ist deshalb interessant und auch in diesem Zusammenhang hier noch einmal zu erwähnen, weil in solch einem Labor hochriskante Erreger wie etwa Ebola-, Marburg- und Lassaviren untersucht werden können.

Die Bundeskanzlerin wird dieses Labor sozusagen symbolisch übergeben, gemeinsam mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Reinhard Burger. Auch die Bundesumweltministerin und der Bundesgesundheitsminister werden bei diesem Termin zugegen sein. Die Kanzlerin wird sich den Neubau anschauen, verschiedene Stationen begutachten, und dann wird sie um 10.30 Uhr eine Rede halten.

Um 12 Uhr wird die Kanzlerin dann den Premierminister von Singapur im Bundeskanzleramt mit militärischen Ehren empfangen. Es wird ein Mittagessen geben, und bei dieser Gelegenheit werden bilaterale, wirtschaftliche, regionale und globale Fragen erörtert werden. Alles Weitere wird es dann konkreter in einer Pressekonferenz um 13.15 Uhr geben, die die Bundeskanzlerin zusammen mit Lee Hsien Loong abhalten wird.

Am Mittwoch wird, wie gewohnt, um 9.30 Uhr das Kabinett tagen.

Anschließend wird die Kanzlerin um 12 Uhr den maltesischen Ministerpräsidenten Joseph Muscat zu einem Antrittsbesuch empfangen, ebenfalls mit militärischen Ehren. Für 13.15 Uhr ist eine Pressekonferenz geplant. In dem Gespräch soll es auch wieder um europapolitische, wirtschaftspolitische und internationale Fragen gehen.

Am Donnerstag, dem 5. Februar, wird die Kanzlerin quasi Besuch aus dem All bekommen. Um 16 Uhr wird der ESA-Astronaut Alexander Gerst zu einem Gespräch im Kanzleramt erwartet.

Am Freitag wird die Kanzlerin dann um 13 Uhr den irakischen Ministerpräsidenten Haider al-Abadi mit militärischen Ehren im Bundeskanzleramt empfangen. Bei den Gesprächen - das liegt nahe - wird es um die aktuelle Situation im Irak und natürlich auch um die gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen die Terrormiliz ISIS sowie überhaupt um die innenpolitischen Entwicklungen in der Region gehen. Um 14.15 Uhr wird es dann eine gemeinsame Pressekonferenz geben.

Schließlich wird die Kanzlerin am Samstag in München bei der Sicherheitskonferenz erwartet. Dort wird sie um 10.30 Uhr eine Rede halten, in der sicherlich auch von der Ukraine-Krise und der Situation im Mittleren und Nahen Osten die Rede sein wird. - So weit die Woche der Kanzlerin!

Schäfer: Ich würde Ihnen gerne sagen, dass die Bundesregierung auf das Schärfste den gestrigen schweren Terroranschlag im Nordsinai verurteilt, bei dem mehr als 28 Menschen getötet worden sind. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer, den Verwundeten sowie der ägyptischen Regierung und ihrer Bevölkerung. Wir beobachten mit großer Sorge die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Region, die zunehmend auch die Arbeit der internationalen Friedenstruppe zur Überwachung der Einhaltung des israelisch-ägyptischen Friedensschlusses MFO auf dem Sinai beeinträchtigt.

Die Bundesregierung verurteilt Terrorismus in jeder Form und steht an der Seite aller Länder, die ihre Bevölkerung unter der Beachtung rechtsstaatlicher Standards gegen terroristische Bedrohungen schützen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Ungarn-Besuch an Frau Wirtz. Herr Orbán wird heute damit zitiert, es sei unvorstellbar, dass Länder, die denselben Bündnissen angehören, einander kritisieren, und er gehe nicht davon aus, dass der Sinn der Diplomatie, also dieses Gesprächs am Montag, darin bestehe, dass man sich gegenseitig belehre. Das hört sich ein bisschen anders als das an, was Sie selbst avisiert haben, nämlich dass auch über innenpolitische Probleme offen zwischen Orbán und der Kanzlerin geredet werden werde, dass, wenn man liest, was heute überhaupt erwartet wird, durchaus doch auf Presse- und Meinungsfreiheit gepocht werden werde und dass es um den Umgang mit Minderheiten gehen werde. Wie passt das für Sie zusammen?

SRS'in Wirtz: Lassen Sie mich zunächst einmal grundsätzlich sagen - das gilt für jedes Gespräch, das die Kanzlerin führt -, dass sich vor dem Gespräch schlecht prognostizieren und vorhersagen lässt, was gesagt werden wird. Insofern möchte ich aber gerne auf das hinweisen, was Herr Seibert am Mittwoch an dieser Stelle auch schon gesagt hat, nämlich dass es natürlich so ist, dass es vielfältige Beziehungen zu Ungarn gibt, die auch durchaus über einen langen Zeitraum hinweg gewachsen sind. Insofern ist dieser Besuch auch nichts Ungewöhnliches.

In einem Gespräch der Kanzlerin werden sicherlich auch innenpolitische Fragen zur Sprache kommen. Dazu, inwieweit die bewertet werden und wie die auch von der anderen Seite aufgenommen werden, kann ich hier keine Vorhersagen treffen. Jetzt müssen wir das Gespräch abwarten.

Zusatzfrage: Gehen Sie aber schon davon aus, dass das dann vom Gesprächspartner möglicherweise als ein unfreundlicher Akt der Kanzlerin empfunden wird?

SRS'in Wirtz: Es steht mir nicht zu, hier sozusagen die Reaktion des Gesprächspartners vorwegzunehmen oder überhaupt das Gespräch vorwegzunehmen. Das müssen wir abwarten. Alle Fragen, die sozusagen auf der Hand liegen und die im Rahmen der Beziehungen zu Ungarn besprochen werden müssen, werden in dem Gespräch besprochen werden. Alles Weitere wird es dann sicherlich nach dem Termin geben.

Frage: Frau Wirtz, ohne das Gespräch vorwegnehmen zu wollen: Ist das Thema der Presse- und Medienfreiheit denn eines, das von vornherein aus deutscher Sicht auf der Tagesordnung stehen muss?

SRS'in Wirtz: Ich kann tatsächlich - ich bitte um Nachsicht - nur noch einmal auf das verweisen, was Herr Seibert hier am vergangenen Mittwoch schon gesagt hat, nämlich dass sicherlich auch Fragen der innenpolitischen Aktualität in dem Gespräch behandelt werden. Aber dazu, um welche Fragen es dann konkret gehen wird, kann ich mich jetzt noch nicht äußern.

Frage: Ich habe auch im Zusammenhang mit Ungarn eine Frage an das Auswärtige Amt: Herr Schäfer, würden Sie sagen, dass Ungarn eher zu den Problemfällen in der EU gehört, was die Befolgung von Werten angeht, die die anderen europäischen Partner teilen?

Wie ist das im Zusammenhang mit der Russland-Politik, weil ja auch aus Ungarn schon scharfe Kritik an der Sanktionspolitik der EU geäußert wurde?

Schäfer: Vielleicht zunächst zu dem letzten Punkt: Ungarn hat seine eigene Sichtweise auf die Ereignisse in der Ukraine der letzten elf Monate, genauso wie andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch. Das ist weder etwas Besonderes noch etwas, das es zu kritisieren gälte, sondern das ist einfach das Ergebnis sozusagen geographischer, objektiver Tatsachen, historischer Erfahrungen und politischer Wertungen der jeweils Regierenden. Daran ist überhaupt nichts auszusetzen.

Gestern war auch der ungarische Außenminister da, als im Rat der Außenminister der Europäischen Union ziemlich lange über die Haltung Europas angesichts der Lage in der Ostukraine debattiert wurde. Er hat sich dabei genau wie alle anderen 27 Außenminister in einer Weise eingelassen, die es möglich gemacht hat, eine geschlossene und gemeinsame Haltung Europas zu finden, die Sie sicherlich gestern mitbekommen haben. Die kann ich gerne erläutern, wenn Sie wollen, aber das war ja nicht Ihre Frage. Deshalb haben wir an der Russland-Politik der ungarischen Regierung keine Kritik zu üben, schon gar nicht von dieser Stelle aus.

Was Ihre erste Frage angeht: Ich werde mich hüten, Ihnen hier an dieser Stelle zu sagen, dass Ungarn oder ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union ein Problemfall oder kein Problemfall ist, schon gerade nicht vor dem Besuch der Bundeskanzlerin in Budapest. Das können Sie jetzt nicht ernsthaft von mir verlangen. Deutschland und Ungarn pflegen gute und enge Beziehungen miteinander, und das schon ganz lange. Es stimmt, dass es auch Dossiers und Fragen gibt, bei denen wir nicht vollends einer Meinung sind. Aber ich wüsste kein Land, mit dem das so wäre. Das ist einmal mehr und einmal weniger so. Die Beziehungen zu Ungarn sind uns wichtig. Die wollen wir pflegen. Ich bin sicher, dass das auch einer der Gründe ist - vielleicht der wichtigste -, weshalb eine solche Reise stattfindet.

Frage: Herr Schäfer, am Mittwoch hat Herr Seibert gesagt, dass es irgendwie doch Probleme gibt. Er hat sich besorgt über die 20 oder 30 Prozent fremdenfeindlicher Parteipolitik in Ungarn geäußert.

Schäfer: Ich habe ja gar nicht bestritten, dass es Schwierigkeiten gibt. Jedenfalls ist das von mir nicht so angelegt gewesen. Aber ich glaube, vor einer solchen Reise sollten wir es dann doch damit sein Bewenden haben lassen und es dann der Bundeskanzlerin und ihrer Begegnung mit ihren Gesprächspartnern in Budapest überlassen, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.

Zusatzfrage: Wie geht die Bundesregierung allgemein mit eher fremdenfeindlichen Regierungen um? Gibt es dafür einen Masterplan?

Schäfer: Ich kann noch einmal ausdrücklich sagen: Sie sagen oder insinuieren, dass Ungarn eine fremdenfeindliche Regierung hat. Das haben, glaube ich, weder Frau Wirtz noch ich gesagt. Wir sind - das ist ja im Zusammenhang mit der PEGIDA-Diskussion in den letzten Wochen auch vom Außenminister sehr deutlich gemacht worden - in Deutschland und überall sonst auf der Welt gegen jede Art von Xenophobie, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie oder Ausgrenzung von ethnischen, religiösen oder anderen Minderheitengruppen. Das ist Teil der deutschen Außenpolitik.

SRS'in Wirtz: Wenn ich das ergänzen und auch noch einmal klarstellen darf, was Herr Seibert am Mittwoch in der Tat gesagt hat: Er hat auch noch einmal dargestellt, dass Fremdenfeindlichkeit eben ein Problem ist, dem, wenn es europaweit auftritt, die Bundesregierung entschieden entgegentritt.

Zusatzfrage: Aber wie?

SRS'in Wirtz: Ich glaube, Herr Schäfer hat es jetzt gerade schon deutlich gemacht: Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten viele Worte und Taten gesehen, sicherlich auch noch einmal nach den Anschlägen in Paris, durch die viele Mitglieder der Bundesregierung gezeigt haben, welche Haltung sie in dieser Hinsicht haben.

Frage : Frau Wirtz, die Bundeskanzlerin findet ja nicht bei jedem Auslandsbesuch Zeit, auch die örtliche jüdische Gemeinde zu treffen. Können Sie uns den Grund für diese Visite nennen?

Können Sie uns sagen, ob die Bundesregierung von in Ungarn tätigen deutschen Unternehmen Beschwerden über diese neuen Steuern bekommen hat, die wohl vor allem deutsche Unternehmen hart treffen?

SRS'in Wirtz: Zu Ihrer zweiten Frage kann ich Ihnen keine Antwort geben, weil es solche Beschwerden meiner Kenntnis nach nicht gab.

Was den Programmablauf anbelangt, ist es so, dass der Kanzlerin oder der Bundesregierung insgesamt das Gedenken - das haben wir ja gerade auch in dieser Woche wieder gesehen - an diese Verbindung zum jüdischen Leben in Europa auch immer wieder wichtig ist und dass es immer wieder unterstrichen wird. Insofern ist es der Bundeskanzlerin, wenn sie in Budapest ist, eben auch ein großes Anliegen, dort die jüdische Gemeinde in der Großen Synagoge zu treffen.

Frage: Wissen Sie etwas über die Studenten, mit denen sich die Kanzlerin dann auch treffen und sprechen wird? Ist das ein handverlesenes Publikum, oder ist das möglicherweise eine kritische Öffentlichkeit, die auch bewusst gesucht wurde, um diese Fragen dann in der Diskussion in Ungarn aufzuwerfen?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen, ehrlich gesagt, jetzt nicht sagen, wie die ausgewählt worden sind. Ich kann Ihnen nur sagen, dass es ungarischsprachige Studenten an der deutschsprachigen Universität gibt, die sie dort treffen wird. Aber dazu, wie die jetzt ausgewählt worden sind, kann ich Ihnen keine Angaben machen.

Frage: Ich habe eine Frage zu Terminen, die hier nicht erwähnt wurden, und zwar zum Treffen der Bundeskanzlerin mit Herrn Tusk am Mittwochabend und dem Treffen mit Herrn Hollande und Herrn Schulz in Straßburg heute Abend. Was wird dabei konkret erörtert werden? Was ist der Zweck dieses Treffens heute Abend?

SRS'in Wirtz: Das Treffen, das heute Abend in Straßburg stattfinden wird - das habe ich ja schon in der vergangenen Woche gesagt -, ist ein nachgeholtes Treffen. Eigentlich war dieses Treffen für Anfang Januar anberaumt und geplant gewesen. Als es aber zu den schrecklichen Anschlägen in Paris kam, wurde für dieses Treffen der heutige Abend als Ersatztermin gefunden.

Es geht bei diesem Gespräch um ein informelles Treffen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsidenten und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments. Insofern wird es um Fragen gehen, die im Moment sicherlich alle drei Gesprächspartner bewegen. Aber auch dem kann ich nicht vorgreifen. Aber ich denke, mit etwas Fantasie kommt man auf die Ideen und Themen, die derzeit im europäischen Raum von Belang sind.

Zusatzfrage: Und das Treffen mit Herrn Tusk am Mittwochabend?

SRS'in Wirtz: Genau das Gleiche gilt für das Gespräch mit Herrn Tusk am Mittwochabend: Auch dabei wurden die Dinge besprochen, die im Moment europapolitisch auf der Agenda stehen.

Frage: Sind die Themen, die Sie uns zu vermuten geben, denn so vertraulich, dass hinterher nichts dazu veröffentlicht wird? Man wundert sich schon ein bisschen, dass das stillschweigend ablaufen soll. Mit welcher Agenda geht die Kanzlerin grundsätzlich in ein Gespräch mit dem immerhin wichtigsten Partner? Das müsste ja eigentlich ein bisschen mehr sein, als dass man vermuten oder sich zusammenreimen kann, dass es vielleicht auch um die Ukraine oder Russland gehen wird.

SRS'in Wirtz: Na ja, es ist nun so, dass - diese Praxis üben wir ja hier im Grunde immer - man einem Gespräch der Kanzlerin nicht vorweggreift, wir als Sprecher schon einmal gar nicht. Das Gespräch muss also erst einmal stattfinden. Insofern ist es schon einmal so, dass wir im Vorhinein nur einige Stichworte dazu kommunizieren. Es ist so, dass es um ein informelles Treffen gehen soll, und insofern ist auch keine große Pressekonferenz oder Ähnliches nach dem Gespräch geplant. Es soll darum gehen, dass man sich vertraulich mit wichtigen Playern in der Europäischen Union zusammensetzt; dem dient dieses Gespräch.

Frage: Zu Griechenland: Herr Schäfer, ich habe zwei Fragen zu gestern Abend. Wie groß ist jetzt eigentlich die Erleichterung der Bundesregierung, nachdem der griechische Außenminister offenbar nach ziemlich zähen Verhandlungen doch noch auf die EU-Linie in Sachen Russland und Sanktionen eingeschwenkt ist?

Zweitens: Sehen Sie damit jetzt auch endgültig Befürchtungen aus dem Weg geräumt, dass Griechenland dieses Thema sozusagen als Joker in diesen Verhandlungen über die Finanzhilfen nutzen könnte? Das wäre vielleicht auch noch eine Frage an Frau Wirtz.

Schäfer: Die Vermutung oder Annahme, dass Griechenland geneigt sein könnte, das Ukraine-Dossier gewissermaßen zu kapern, um damit an anderer Stelle - ich weiß nicht, was Sie damit insinuieren -, sozusagen im Zusammenhang mit Fragen des Hilfsprogramms oder Ähnlichem, Punkte zu machen oder gar zu erpressen, sind keine Sorgen oder Befürchtungen, die in der Bundesregierung gehegt worden wären.

Außenminister Steinmeier hat sich gefreut, dass es gestern noch vor den Ratsberatungen, die um 15 Uhr begonnen hatten, also gleich nach Ankunft, zu einem ersten bilateralen Treffen mit seinem neuen griechischen Kollegen Nikos Kotzias gekommen ist. Das Gespräch war gut. Es hat ungefähr 20 Minuten gedauert und diente einem ersten Kennenlernen, aber natürlich auch ersten Konsultationen über das Ukraine-Dossier.

Was den Verlauf der Beratungen oder der Diskussionen gestern im Rat angeht, so stimmt es, dass Griechenland eine dezidierte Position eingenommen hat - genauso wie auch andere Staaten mit anderen Interessen und Anliegen. Aber sowohl Griechenland als auch andere Staaten waren bereit, eine aus unserer Sicht in der Sache sowie mit Blick auf die Geschlossenheit Europas vernünftige Linie mitzutragen. Dabei war allen Beteiligten einschließlich des griechischen Kollegen von Herrn Steinmeier klar, dass das ein ganz wichtiges Anliegen von allen und damit auch Griechenlands ist.

Das ist jetzt noch nicht das Ende des Weges in der Ukraine-Krise. Die Außenminister haben gestern entschieden, dass die Kommission und der Europäische Auswärtige Dienst Vorbereitungen für die nächsten förmlichen Sitzungen treffen mögen. Das sind der nächste ordentliche Außenministerrat am 9. Februar, einem Montag, und dann der Europäische Rat am 12. Februar, bei dem sich die Staats- und Regierungschefs ganz sicher auch dem Thema Ukraine und damit auch den Beziehungen zu Russland zuwenden werden. Es ist an jeder wichtigen Wegmarke dieser unguten Entwicklungen der Krise in der Ostukraine immer wieder die Aufgabe Europas, klare, deutliche und geschlossene Antworten auf die Lage vor Ort zu finden. Deswegen ist, sozusagen frei nach Sepp Herberger, nach dem Spiel vor dem Spiel. Das bedeutet, dass es jetzt im Grunde schon in zehn Tagen weitergehen wird.

Für uns - ausdrücklich für die deutsche Außenpolitik und für den deutschen Außenminister - sind die Ergebnisse von Brüssel von gestern sehr zu begrüßen, und zwar sowohl, was die Geschlossenheit angeht, als aber auch, was den Inhalt angeht, weil sie, wenn Sie so wollen, ein Zeitfenster bieten, in dem erneut der Versuch gemacht werden kann, im Normandie-Format oder in anderer Weise Fortschritte bei dem Versuch einer Deeskalation zu erzielen.

Sie haben ja vielleicht gestern auch den Agenturen entnommen, dass die potenziellen weißrussischen Gastgeber eines neuen Kontaktgruppentreffens bereits gesagt haben, dass es heute zu einem solchen Kontaktgruppentreffen unter Beteiligung der Separatisten kommen soll. Das kann ich - das wäre auch gar nicht meine Aufgabe - nicht bestätigen. Aber jedenfalls ist es absolut in unserem Interesse, dass ein solches Kontaktgruppentreffen zustande kommt - im Wesentlichen mit dem Ziel, die Vereinbarungen von Berlin vom vergangenen Mittwoch, dem 21. Januar, umzusetzen, nämlich endlich mit dem Rückzug schwerer Waffen zu beginnen. Das ist, so glauben wir, ein ganz wichtiger Einstieg in einen Prozess, der erst zu einer Waffenruhe und dann zu einem hoffentlich belastbaren Waffenstillstand führen könnte.

Wie es dann im Normandie-Format weitergehen wird, etwa im Hinblick auf eine mögliche Konferenz in Astana, über die wir in den letzten Wochen ja sehr häufig gesprochen haben, ist derzeit offen. Aber auch da besteht vonseiten der Bundesregierung Offenheit, in diesem Format, etwa einem der Außenminister, wieder zusammenzukommen, wenn es dafür einen guten, richtigen und geeigneten Moment gibt.

Frage: Ich hatte ja eigentlich nach Griechenland gefragt. Jetzt haben Sie fast die ganze Zeit über die Ukraine-Krise geredet, was doch so ein bisschen andeutet, dass diese Themen offenbar irgendwie miteinander zu tun haben.

Ich will noch einmal nachfragen: Frau Wirtz, vielleicht können Sie auch eine Bewertung dieser jüngsten Äußerungen vornehmen. Es hat ja schon Äußerungen in Sachen Russland-Politik gegeben, die auch die Bundesregierung etwas irritiert haben.

Wie bewerten Sie eigentlich diese Ankündigung des russischen Finanzministers, dass man Finanzhilfen für Griechenland definitiv prüfen werde, wenn es eine solche Anfrage gäbe?

SRS'in Wirtz: Ich kann vielleicht kurz sagen, Herr Delfs: Ich meine, wenn Sie den Konnex in Ihrer Frage herstellen, dann sehen Sie es uns auch nach, dass wir versuchen, Ihnen so gut wie möglich zu antworten und dann auch alle Aspekte Ihrer Frage in den Blick zu nehmen. Insofern kann ich mich den Ausführungen von Herrn Schäfer im Grunde nur anschließen: Die gestrigen Beschlüsse in Brüssel sind einstimmig und einvernehmlich gefasst worden. Ich denke, wie Herr Schäfer schon ausgeführt hat, das ist ein Prozess. Wir haben hier mehrfach postuliert, welche Erwartungen wir an diesen Friedensprozess haben, die im Protokoll von Minsk niedergelegt sind. Insofern ist das ein Prozess, der natürlich auch möglichst in einer größtmöglichen Geschlossenheit innerhalb der Europäischen Union fortgeführt werden wird.

Wenn Sie erlauben, würde ich jetzt zu Griechenland wechseln und Ihre Frage dazu beantworten: Es ist so, dass wir auch hierüber in den vergangenen Pressekonferenzen immer wieder gesprochen haben. Trotzdem lautet die Antwort gleich, nämlich dass wir jetzt zunächst einmal abwarten müssen, was die neugewählte griechische Regierung für Gesprächsangebote macht und welche Vorstellungen sie hat. Es geht jetzt praktisch darum, dass die europäischen und internationalen Partner davon Kenntnis bekommen, was sich die griechische Regierung vorstellt. Sie wissen, dass Eurogruppenchef Dijsselbloem heute in Athen sein wird, und ich denke, das werden jetzt die ersten Gespräche sein, um Klarheit zu finden und zu sehen, wie dieser Prozess weitergeht.

Schäfer: Wenn ich darf, ergänze ich auch einen Satz. Vielleicht - ich dachte, ich war schon klar genug - mache ich es etwas klarer: Es gab gestern weder in den bilateralen Kontakten zwischen dem deutschen und dem griechischen Außenminister sowie der beiden Delegationen noch im Rat, also im multilateralen Format der 28, irgendwelche Anzeichen oder Anhaltspunkte dafür, dass die von Ihnen angenommene Verknüpfung zwischen dem Ukraine-Russland-Dossier einerseits und anderen Fragen andererseits, die in Zusammenhang mit Griechenland stehen, von griechischer Seite aus aufgeworfen werden würde. Ehrlich gesagt: Wir glauben auch nicht, dass es eine gute Idee wäre, diese beiden Dossiers miteinander zu verknüpfen.

Frage: Frau Wirtz und Herr Jäger, Herr Tsipras wird nächste Woche nach Paris und nach Rom fliegen. Er ist von Herrn Renzi und Herrn Hollande eingeladen worden. Der neue Wirtschaftsminister wird nach London, Paris und Rom fliegen. Haben Sie im Moment Kontakt mit der griechischen Regierung? Warum fliegen Herr Tsipras oder Herr Varoufakis nicht auch nach Berlin?

SRS'in Wirtz: Sie müssten jetzt Herrn Tsipras fragen, warum er sich nicht sozusagen auch um einen Antrittsbesuch oder eine Einladung nach Berlin bemüht. Aber das kann nur unser Kollege in Athen beantworten.

Zusatzfrage: Er braucht also eine Einladung, oder? Herr Hollande hat Herrn Tsipras eingeladen.

SRS'in Wirtz: Solche Planungen liegen im Moment nicht vor. Die gibt es im Moment nicht. Es wird aber - vielleicht darf ich das kurz ergänzen - am 12. Februar den Europäischen Rat geben, und bei dieser Gelegenheit wird es sicherlich auch zu einem Treffen der Bundeskanzlerin mit Herrn Tsipras kommen.

Jäger: Ich kann das hier gerne ergänzen: Von Reiseplanungen von Herrn Varoufakis nach Berlin ist uns nichts bekannt. Ich will aber an dieser Stelle noch anmerken: Es ist natürlich möglich, einen Partner einzuladen. Es ist aber auch durchaus üblich, wenn man ein Amt übernimmt, einen Antrittsbesuch zu machen.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, wann fand dieses bilaterale Treffen gestern statt, vor dem Rat?

Schäfer: Ja, unmittelbar nach Ankunft von Herrn Steinmeier um 14 Uhr im Ratsgebäude, und zwar für 20 Minuten in den Räumlichkeiten der deutschen Delegation. Das Gespräch hat von vorne bis hinten unter vier Augen stattgefunden und wurde in deutscher Sprache geführt.

Zusatzfrage: Frau Wirtz, ich habe noch eine Frage zu dem Treffen am heutigen Abend zwischen Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande: Inwiefern besteht für die Bundesregierung der Bedarf einer Koordination zwischen Berlin und Paris angesichts der neuen Regierung in Griechenland, die vor einer Woche angetreten ist, und der neuen Situation in Griechenland?

SRS'in Wirtz: Sie wissen, dass die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich traditionell sehr eng und freundschaftlich ist. Wie es sich für eine solche Beziehung gehört, spricht man auch über die wichtigen Themen, die Europa betreffen. Insofern gibt es jetzt keinen besonderen Anlass, die deutsch-französische Partnerschaft noch einmal zu betonen, weil es in Griechenland Wahlen gegeben hat.

Noch einmal zu dem Gespräch heute Abend: Es geht um einen Austausch und ein informelles Treffen. Dieses Treffen war, wie gesagt, schon lange vorher terminiert, nämlich im Januar, ist verlegt worden und findet jetzt nach den griechischen Wahlen statt. Insofern ist es dadurch jetzt nicht aufgewertet worden, sondern es geht natürlich darum, über die aktuellen Fragen zu sprechen. Das ist natürlich selbstverständlich.

Zusatzfrage: Ich will nicht wissen, wie das Gespräch heute Abend ablaufen wird, aber ich will doch wissen, ob die Bundesregierung einen Bedarf für eine koordinierte Haltung zwischen Berlin und Paris gegenüber Tsipras sieht. Der eine trifft Tsipras nämlich, der andere nicht, und Herr Schulz kommt außerdem mit ganz frischen Eindrücken.

SRS'in Wirtz: Wie ich eben schon gesagt habe, legt die Bundesregierung immer großen Wert darauf, sich mit Frankreich gut auszutauschen und im Zweifel in Einzelfällen auch koordiniert vorzugehen. Aber das ist allgemein auf die guten deutsch-französischen Beziehungen bezogen.

Frage: Noch einmal zu der Frage an das Finanzministerium nach dem Finanzierungsangebot Russlands an Griechenland: Halten Sie es, Herr Jäger, eigentlich für besonders sinnvoll und auch für rechtlich möglich, dass in einer Zeit, in der die neue griechische Regierung erst einmal mit der EU oder den Euro-Partnern beziehungsweise dem IWF verhandelt, Russland eigene Finanzangebote macht?

Es gibt eine Meldung darüber, dass sich Griechenland schon entschieden habe, Abkehr von der Sparpolitik zu nehmen und die Beschlüsse notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof infrage stellen zu lassen. Vielleicht können Sie das auch kommentieren.

Jäger: Zunächst zu diesem russischen Angebot: Das will ich nicht bewerten. Ich bin für Finanzpolitik zuständig. Für die hohen Fragen der Außenpolitik sitzen die Experten links von mir. Dazu habe ich wenig beizutragen.

Aber ich kann Ihnen ein paar Worte sagen, was die Diskussionen der vergangenen Tage angeht. Vielleicht steige ich mit folgender Feststellung ein: Die Diskussion über einen Schuldenschnitt oder eine Schuldenkonferenz geht an der Realität vorbei. Diese Realität, mit der wir uns zu beschäftigen haben, ist mit einfachen Worten beschrieben: Ende Februar wird ein Hilfsprogramm enden, das eines ordentlichen Abschlusses zusätzlicher Leistungen seitens Griechenlands bedarf. Es ist Aufgabe der Troika, zu bestätigen, ob diese Leistungen erbracht worden sind. Wenn die von der neuen Regierung in Athen angekündigten Maßnahmen so umgesetzt werden würden, müsste man sich allerdings die Frage stellen, ob das Programm dann nicht in seiner Substanz infrage gestellt und letztlich gegenstandslos wäre.

Wir sind - das ist bekannt - weiterhin zur Zusammenarbeit mit Griechenland und auch zur Hilfeleistung für Griechenland bereit. Der Bundesfinanzminister hat aber verschiedentlich darauf hingewiesen, dass wir Griechenland unsere Hilfe nicht aufdrängen. Auch dies sollte man vielleicht ergänzen: Ein griechischer Antrag auf eine weitere Verlängerung des Programms liegt bislang nicht vor. Eine solche Verlängerung würde aber nur dann tragen, wenn sie mit der klaren Bereitschaft Griechenlands verbunden ist, die vereinbarten Reformschritte umzusetzen. Die Ankündigungen aus Athen gehen bislang in eine entgegengesetzte Richtung. Die vereinbarten Reformmaßnahmen waren und bleiben aber die Grundlage für die Leistungen der Geberländer. Die Aufhebung dieser Reformschritte wäre ein falsches Signal.

Zusatzfrage: Das ist jetzt die Position des deutschen Finanzministeriums oder ist das eine Haltung, die auch schon mit anderen Europartnern abgestimmt wurde?

Noch eine Frage zu den Kontakten: Auch wenn es keinen physischen Kontakt der beiden Minister gibt, gibt es denn überhaupt personelle Kontakte auf Minister- oder Staatssekretärsebene mit der neuen griechischen Führung?

Jäger: Ich spreche hier für das deutsche Finanzministerium. Sie aber dürfen natürlich von ausgehen, dass wir uns mit den Partnern in der Eurozone abstimmen.

Zusatzfrage: Abstimmen oder abgestimmt haben?

Jäger: Abstimmen. Ich sage aber ausdrücklich: Ich kann hier natürlich nur für mein Ministerium, für meinen Minister, für diese Bundesregierung in finanzpolitischen Fragen sprechen. Der Vorsitzende der Eurogruppe, Herr Dijsselbloem - Sie haben es erwähnt -, ist heute in Athen.

Was die Kontakte angeht, so habe ich Ihnen gesagt, dass mir keine Besuchsplanung von Herrn Varoufakis bekannt ist. Es gab bislang auch keinen telefonischen Kontakt.

Zusatzfrage: Ich muss noch einmal kurz nachhaken: Nur auf Ministerebene oder gab es zumindest auf Staatssekretärsebene oder auf hoher Beamtenebene Kontakte?

Jäger: Das kann ich Ihnen jetzt nicht im Einzelnen sagen. Mir sind solche Kontakte nicht bekannt.

Frage: Herr Jäger, Sie haben gerade das schöne Wort "Hilfsprogramm" erwähnt. Der neue griechische Finanzminister hat in Sachen Griechenland-Rettung von "fiskalischem Waterboarding" gesprochen. Gibt es eigentlich in der Finanzpolitik ein Folterverbot?

Jäger: Das Folterverbot, Herr Jung, gilt universell. Wir brauchen aber gar nicht darauf hinzuweisen, dass auch in der Finanzpolitik möglicherweise so eine Anwendung zu finden wäre, denn das entspricht ja nun überhaupt gar nicht dem Stil des Umgangs, den wir in finanzpolitischen Fragen in der Eurozone miteinander pflegen. Insofern geht die Frage an der Sache total vorbei.

Was das "wording" selber angeht: Jeder legt sich seine Formulierungen selber zurecht. Das will ich nicht bewerten.

Zusatzfrage: Er hat außerdem gesagt, dass die Währungsunion völlig falsch konstruiert sei. Stimmt das?

Jäger: Das ist ganz offenkundig, wenn Sie ihn richtig zitiert haben, die Auffassung von Herrn Varoufakis. Wenn ich, wenn die Bundesregierung, wenn wir alle in der Europäischen Union, in der Eurozone dieser Auffassung wären, hätten wir in den letzten 10, 20 Jahren verdammt viel falsch gemacht. Wir sind nicht der Auffassung, dass es so ist. Insofern kann ich Ihre zweite Frage mit einem klaren Nein beantworten.

Zusatzfrage: Also haben Sie in den letzten 20 Jahren alles richtig gemacht?

Jäger: Niemand wird von sich behaupten, dass er immer alles richtig macht. Wir sind aber sehr fest davon überzeugt, dass wir auf einem richtigen und guten Weg sind.

Frage: Eine Lernfrage, weil ich mich nicht so auskenne: Habe ich es richtig verstanden, dass es von deutscher Seite keine Einladung an die griechische Regierung, auf welcher Ebene auch immer, zu einem Besuch nach Berlin gab? Entspricht das den Usancen? Wartet man, bis sie sagen, dass sie gerne einen Antrittsbesuch machen würden?

SRS'in Wirtz: Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen - ich kann nicht für das ganze Kanzleramt sprechen -, auf welchen Ebenen auch immer. Wenn es darum geht, ob Herr Tsipras in Berlin erwartet wird, so gibt es solche Planungen nicht. Außerdem habe ich darauf verwiesen, dass es am 12. Februar den Europäischen Rat gibt.

Zusatzfrage: Sie verzeihen mir, aber ich bin da so schlicht gestrickt. Ich habe schon verstanden, dass es keine Planungen gibt. Meine Frage war aber, ob es eine Einladung gibt. Einladungen und Planungen sind ja vielleicht doch zwei unterschiedliche Dinge.

SRS'in Wirtz: Nach meiner Kenntnis gab es keine Einladung. Es ist aber, wie gesagt, so, dass Kommunikation immer zweiseitig läuft.

Jäger: Kurz, damit die Dinge hier keinen falschen Drall bekommen: Üblicherweise ist es unter den Finanzministern so: Wenn es im Kreis der Mitglieder der Europäischen Union oder Eurozone einen neuen Finanzministerkollegen gibt - das kommt immer wieder vor; mein Minister ist inzwischen der am längsten gediente europäische Finanzminister -, dann ist es in der Praxis eigentlich so, dass wir einen Anruf bekommen und der jeweilige Partner sagt: Ich bin jetzt unterwegs, ich mache meine Antrittsbesuche und komme dann und dann. - Das ist eigentlich eingespielte Praxis. Ich denke, daraus darf man nicht weiter eine Geschichte drehen. Das muss man ganz gelassen sehen.

Frage: Frau Wirtz, zum EU-Gipfel. Strebt denn die Bundeskanzlerin ein bilaterales Treffen mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten an?

Herr Schäfer, gab es gestern Abend eine klare Zusage des griechischen Außenministers, dass man dieses russische Finanzangebot nicht annehmen wird? Wenn Griechenland das machen würde oder das überhaupt in Erwägung zieht, würde das doch innerhalb der EU im Grunde genommen jedes Gespräch sofort unmöglich machen.

SRS'in Wirtz: Ich darf beginnen. Es ist so, dass es bis zum 12. Februar noch eine Weile hin ist, und insofern kann ich Ihnen noch keine konkreten Planungen mitteilen. Im Moment ist kein bilaterales Gespräch geplant. Es wird aber sicherlich oder zwangsläufig Gelegenheit geben, wenn beide anreisen, dass man sich dort trifft.

Schäfer: Mir wäre nicht bekannt, dass der Sachverhalt, den Sie ansprechen - Äußerungen aus Moskau über eine möglicherweise existierende Bereitschaft, Griechenland mit Geld auszuhelfen -, in irgendeiner Weise an irgendeiner Stelle im Rat gestern zur Sprache gekommen ist. Mir ist das nicht bekannt. Ich kann es aber auch nicht mit letzter Sicherheit ausschließen, weil es bei einem solchen Rat - jedenfalls am Rande - jede Menge bilaterale Gespräche gibt. Ich halte das für sehr unwahrscheinlich, aber ich weiß es, wie gesagt, nicht mit letzter Sicherheit.

Frage : Herr Jäger, habe ich Sie so richtig verstanden, dass es für den Fall eines Antrags aus Griechenland für eine zweite Verlängerung eine Voraussetzung gibt, damit diesem Antrag von deutscher Seite zugestimmt wird?

Zweitens. Kann man nach dem, was Sie vorhin gesagt haben, davon ausgehen, dass Herr Dijsselbloem diesen Vorschlag, der diese Voraussetzung beinhaltet, der griechischen Regierung unterbreitet?

Jäger: Ich würde das nicht eine Voraussetzung nennen, sondern ich habe einen Zusammenhang beschrieben. Ich kann nur noch einmal wiederholen: Ein griechischer Antrag liegt bislang nicht vor. Ein Antrag auf Verlängerung würde, wenn er gestellt würde, nur dann tragen, wenn dieser Antrag mit der klaren Bereitschaft Griechenlands verbunden ist, die vereinbarten Reformschritte umzusetzen. Denn wir reden hier über den Abschluss eines Programms. Die Elemente dieses Programms sind vereinbart. Einige Elemente waren im Dezember offen, und deshalb wurde verlängert. Sollte man nochmals verlängern, wird es selbstverständlich wieder um eben diese Fragen gehen, die wir schon im Dezember diskutiert haben.

Zusatzfrage: Ist das der Vorschlag, den Herr Dijsselbloem heute der griechischen Regierung unterbreiten wird?

Jäger: Ich kann hier nicht für Herrn Dijsselbloem sprechen, der ja auch nicht mit einem Verhandlungsmandat der Eurogruppe nach Athen reist. Sondern er reist als Vorsitzender dieser Gruppe dahin, um zu sondieren und einige Botschaften zu überbringen. Die Botschaften, die Herr Dijsselbloem in Athen überbringen wird, kann ich hier logischerweise nicht vorwegnehmen. Das wird er heute Nachmittag vor Ort in Athen natürlich selber kommunizieren.

Frage: Ich hätte ganz gerne Frau Wirtz und Herr Schäfer gefragt, ob Sie eigentlich angesichts der Besuchskette, die eben von griechischen Ministern und Ministerpräsidenten beschrieben wurde, glauben, dass Deutschland in der EU mittlerweile zunehmend isoliert ist oder sich möglicherweise selbst isoliert?

Herr Toschev, ich hätte ganz gerne an Sie die Frage gestellt, ob Ihr Minister möglicherweise seinen griechischen Counterpart eingeladen hat oder mit ihm Kontakt hatte.

SRS'in Wirtz: Zu Ihrer ersten Frage: Ich habe keinerlei Anzeichen dafür, dass Deutschland innerhalb der Europäischen Union in irgendeiner Form isoliert ist. Deutschland, die deutsche Bundesregierung pflegt einen regen Kontakt. Eben ging es in die andere Richtung, warum der Kontakt zwischen Frankreich und Deutschland so eng ist oder warum man ihn suchen muss. Insofern gab es in dieser Regierungspressekonferenz, glaube ich, schon viele Anzeichen dafür - wenn man die Termine der Bundeskanzlerin in der vergangenen Woche, in der kommenden Woche und die heute Abend betrachtet -, dass Deutschland, die deutsche Bundeskanzlerin, der deutsche Bundesaußenminister in einem sehr regen Kontakt zu den europäischen Partnern sind.

Ich kann Ihre Frage also mit einem klaren Nein beantworten. Es gibt aus meiner Sicht keine Anzeichen dafür.

Schäfer: Ich würde es vielleicht sogar noch ein bisschen deutlicher formulieren. Aus offiziös, vielleicht auch offiziell - oder auch nicht - bekanntgewordenen Reiseplänen einer neu ins Amt gekommenen Regierung oder ihres Ministerpräsidenten herzuleiten, dass Deutschland isoliert sei, finde ich regelrecht abwegig. Deshalb weiß ich gar nicht, was ich darauf antworten soll.

Ich kann vielleicht nur meinen Eindruck aus den Diskussionen gestern im Außenrat wiedergeben, dass Deutschland und die deutsche Außenpolitik alles andere als isoliert ist, sondern einen Kurs verfolgt, der auf allergrößte Zustimmung aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union trifft. Es sind dort ausdrücklich die Anstrengungen der deutsch-französischen Außenpolitik in der Ukraine gewürdigt worden, zum Beispiel im Normandie-Format. Eine irgendwie geartete Isolation habe ich da nirgendwo entdecken können.

SRS'in Wirtz: Ich würde vielleicht einmal hinzufügen wollen, dass diese ganzen Besuchspläne, die wir hier jetzt erörtert und durchdekliniert haben, nichts daran ändern, dass die deutsche Bundesregierung natürlich mit der griechischen Regierung zusammenarbeiten wird und dass sie sich auch auf die Zusammenarbeit mit Herrn Tsipras freut. Aus den ganzen Besuchsplänen - wer wen einlädt oder wie auch immer - eine Isolation, einen Boykott oder Ähnliches herzuleiten, (wäre falsch). Es gibt die neue griechische Regierung und die deutsche Bundesregierung wird mit dieser Regierung zusammenarbeiten. Alles Weitere werden wir jetzt abwarten und beobachten.

Toschev: Ich kann Ihnen bestätigen, dass Herr Gabriel seinem Counterpart ein Glückwunschschreiben übermittelt hat. Er gratuliert dem griechischen Wirtschaftsminister Stathakis, dem Energieminister Lafazanis sowie dem Vizepremierminister, Herrn Dragasakis.

Von Einladungsschreiben ist mir nichts bekannt. Es ist aber ganz normal, dass es natürlich im Rahmen der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und auf der europäischen Wirtschaftspolitik zu einem Austausch und einem direkten Kontakt kommen wird. Ich würde, wie Herr Jäger das schon geschildert hat, das nicht überbewerten. Es ist ganz normal, dass man sich dann auch trifft.

Schäfer: Dann hake ich vielleicht auch noch einmal ein. In dem zwanzigminütigen Gespräch, das, wie gesagt, in deutscher Sprache geführt wurde, in dem auch in aller Herzlichkeit über den gemeinsamen Studienort Gießen der beiden Außenminister gesprochen und in Erinnerungen geschwelgt wurde, kann ich Ihnen ferner berichten, dass die beiden Minister vereinbart haben, dass es möglichst bald zu einem Treffen in Berlin kommen soll.

Es ist genau so, wie der Kollege Jäger es sagt: Es ist gute und bewährte Praxis, dass man sich nicht in Verbalnoten, Formalismen und Bürokratismen ergeht, sondern dass man entweder zum Telefonhörer greift oder sich bei den vielen multilateralen Treffen in Europa oder sonstwo trifft, sich begrüßt, sich kennenlernt, einen Antrittsbesuch informell vereinbart und den dann umsetzt. Ich kann Ihnen aus der freundlichen Begegnung des griechischen und des deutschen Außenministers noch nicht einmal sagen, ob jetzt der deutsche Minister den griechischen Minister eingeladen hat oder der griechische Minister um einen Antrittsbesuch nachgesucht hat. Es ist ganz normal und eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass ein neuer Außenminister sich gemäß "Hallo, hier bin ich" vorstellt, und so ist das gestern zum ersten denkbar physisch möglichen Zeitpunkt passiert. Man sagt dann: Wann sehen wir uns denn in Berlin? Du bist herzlich willkommen. Lass uns einen Termin vereinbaren. - Genauso war es, und so ist es mit jedem anderen Kollegen in der Europäischen Union und im Übrigen auch darüber hinaus.

Zusatzfrage: Darf ich die Frage andersherum stellen. Frau Wirtz, haben Sie das Gefühl, dass möglicherweise die neue griechische Führung Deutschland ausgrenzen möchte?

SRS'in Wirtz: Mein Gefühl hat hier sowieso überhaupt gar nichts zu suchen, denke ich. Ich habe auch dafür keine Anzeichen.

Zusatzfrage: Glauben Sie das?

SRS'in Wirtz: Mein Glaube übrigens auch nicht.

Nichtsdestotrotz versuchen wir es einmal mit Tatsachen. Ich habe keine Anzeichen dafür - Herr Schäfer hat gerade ausgeführt, dass man sich auf der Ebene der Außenminister schon getroffen hat -, dass es aus Griechenland Hindernisse gibt.

Frage: Frau Wirtz, Frau Merkel fährt nächste Woche nach Ungarn. Dann könnte sie ja eigentlich weiter nach Athen fliegen.

SRS'in Wirtz: Rein flugtechnisch ginge das sicherlich.

Zusatzfrage: Aber?

SRS'in Wirtz: Das ginge flugtechnisch sicherlich.

Zusatzfrage: Aber zeittechnisch nicht?

SRS'in Wirtz: Sie fragten nach der Flugroute. Ich kann Ihnen bestätigen, dass das sicherlich funktionieren würde. Sie wird aber am Abend zurück in Berlin erwartet.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, haben Sie gerade eine neue beste Freundschaft angedeutet, die da entsteht?

Schäfer: Politik und Freundschaft ist sozusagen ein weites Feld, würde ich einmal sagen. Das sind Beziehungen zwischen zwei Außenministern, denen es nicht schadet, wenn die handelnden Personen sich gut verstehen.

SRS'in Wirtz: Wie im ganz normalen Leben auch.

Frage: Ganz kurze Verständnisfrage, Herr Schäfer. Sie sagten, dass die beiden Minister auf Deutsch miteinander gesprochen haben. Sie haben eher beiläufig ""Ruf mich mal an" wiedergeben. Sind die beiden per Du oder war das nur so dahingesagt?

Schäfer: Das weiß ich nicht genau. Das halte ich für möglich, weil es durchaus Komment unter den Außenministern ist, dass man relativ schnell zum Vornamen und auch zum Du übergeht. Vielleicht habe ich nicht genug aufgepasst, ob sie sich am Ende geduzt haben. Ich frage noch einmal nach. Wenn das für Sie wichtig ist, fragen Sie doch am besten am Montag noch einmal nach.

Zusatz: Das ist vielleicht ein interessantes Detail.

Vorsitzender Mayntz: Das können Sie doch bestimmt klären.

Schäfer: Wen soll ich jetzt fragen?

SRS'in Wirtz: Den Außenminister. Der Außenminister ist der Telefonjoker.

Schäfer: Soll ich ihn gerade anrufen? Ich fürchte, das kriege ich jetzt gerade nicht hin. Ich versuche aber, das nachzutragen, wenn es Ihnen wichtig ist.

Frage: Frau Nahles hat vorhin bekanntgegeben, dass die Bundesregierung die Anhebung des Mindestlohns für ausländische Lkw-Fahrer im reinen Transitverkehr aussetzt. Frage an das Arbeitsministerium: Gilt das auch für andere Bereiche, also Luft- oder Bahnverkehr?

Küchen: Sie haben Recht. Es gab vorhin ein gemeinsames Statement der Bundesarbeitsministerin mit ihrem polnischen Amtskollegen, das Sie bei uns auf der Website nachhören können. Es bezieht sich nach jetzigem Stand nur auf die Lkw-Fahrer beziehungsweise die Fahrer von Logistikunternehmen im Transitbereich.

Zusatzfrage: Also nicht auf Stewardessen etc., was ja auch schon einmal in Rede stand?

Küchen: Genau so ist es.

Frage: Es gibt von der CSU die Forderung, dass der Zoll so lange die Kontrollen bei der Einhaltung des Mindestlohns aussetzen soll, bis über mögliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf entschieden wurde. Können Sie uns sagen, ob das Arbeitsministerium gedenkt, dieser Forderung nachzukommen?

Zweitens. Hat sich bei der Haltung von Frau Nahles irgendetwas hinsichtlich des Zeitpunkts der Überprüfung möglicher Nachbesserungen bewegt?

Küchen: Vielen Dank für die Frage. Ich fürchte, auch da kann ich jetzt am besten eigentlich nur auf die gestrige Pressekonferenz in Sachen Arbeitsmarkt verweisen. Die Ministerin hat dort länglich genau zu diesem Thema Stellung genommen. Ich will Ihnen gerne, konkret auf Forderungen aufgehängt, die aus der CSU-Landesgruppe kamen, sagen: Ein Aussetzen, wie von der CSU-Landesgruppe gefordert, wird es nicht geben.

Ansonsten ist in dem Zusammenhang gestern alles umfänglich erklärt worden. Es geht wirklich darum, dass ein Mindeststundenlohn nur so gut wie seine nachvollziehbare Kontrolle ist. Die Ministerin hat gestern sehr deutlich gemacht, dass schon im Gesetzentwurf die Dokumentationspflichten auf die Branchen und Arbeitsverhältnisse beschränkt wurden, wo es wirklich nötig ist. Sie sieht dort keinen Änderungsbedarf.

Zusatzfrage: Herr Kauder hat gestern Abend den Wirtschaftsminister und SPD-Chef ausdrücklich dafür gelobt, dass er Gesprächsbereitschaft beim Thema Mindestlohn gezeigt habe, auch im Gespräch mit Herrn Kauder. Kann es sein, dass der Wirtschaftsminister eine andere Position einnimmt als die Arbeitsministerin?

Toschev: Die Frage kann ich klar mit Nein beantworten.

Zusatzfrage: Das heißt, innerhalb der nächsten drei Monate oder bis Ostern wird es keine Überprüfung geben?

Toschev: Zur Überprüfung äußert sich am besten die Kollegin.

Küchen: Auch dazu hat die Ministerin gestern sehr deutlich gesagt, dass es dort keine Fristen gibt. Ich kann Ihnen das, wie gesagt, gerne noch einmal übersenden. Da gibt es keine Festlegungen. Wir werden uns das kontinuierlich anschauen.

Frage: An das Innenministerium. Herr de Maizière hat gestern gesagt: Wir wollen in engen Kontakten mit den großen Anbietern dafür sorgen, dass sie freiwillig einen Teil von wirklichen Brutalitäten aus dem Netz nehmen.

Dazu habe ich mehrere Fragen. Was ist mit "enger Kontakt" gemeint?

Plate: Was ist mit "enger Kontakt" gemeint? - Sie sehen mich stutzen, weil ich mit diesem Teil der Frage jetzt nicht gerechnet habe, wie ich zugeben muss.

Es handelt sich zwar um eine neue Äußerung, aber um keine neue Haltung. Es war schon vor einigen Wochen in der "Süddeutschen Zeitung" ein Artikel von Herrn Mascolo mit einem Zitat des Ministers zu diesem Thema zu lesen, das in die gleiche Richtung ging.

Selbstverständlich ist das Bundesinnenministerium, wie wahrscheinlich auch andere Ministerien der Bundesregierung, die in dem Themenbereich tätig sind, ständig in einem engen Kontakt mit Wirtschaftsunternehmen - in dem Fall Internet-Anbieter -, die auf diesen Feldern tätig sind. "Enger Kontakt" bedeutet, dass man sich regelmäßig über die Themen austauscht - sei es in persönlichen Gesprächen, per Mail oder schriftlich -, die von gemeinsamem Interesse sind. Das kann auf Ministerebene, aber auch auf allen anderen Ebenen des Ministeriums stattfinden. Der Begriff "enger Kontakt" umfasst sozusagen all diese Spielarten der Kommunikation.

Zusatzfrage: Was ist mit "große Anbieter" gemeint und was ist mit den kleinen Anbietern?

Plate: Ich bin nicht total sicher, ob der Minister sozusagen eine abschließende Liste von Anbietern vor Augen hatte. Sicherlich ist es so, dass die Kommunikation in diesem Themenbereich zunächst mit den Anbietern stattfinden wird, die eine erhebliche Marktposition haben. Ob man danach gegebenenfalls auch noch mit kleinen Anbietern spricht, muss man sehen. Es geht darum: Sie können im Internet - das wissen Sie sicherlich besser als ich - sowieso nicht restlos verhindern, dass sich Inhalte, die Ihnen möglicherweise nicht gefallen oder die Sie für jugendgefährdend halten, weiterhin im Internet finden. Es kann also niemals darum gehen - das ist auch nicht der Plan des Bundesinnenministers -, das Internet sozusagen restlos von Inhalten zu befreien, die zum Beispiel außerordentlich gewalttätig sind.

Sicher ist es aber interessant - das war, glaube ich, der Auslöser dieser Debatte -, wenn solche Szenen wie die von Paris zu sehen sind, zumindest nur noch eine Verbreitung in einem geringeren Umfang haben. Dafür sind sicherlich Anbieter mit einer besonders gewichtigen Marktstellung noch von größerer Bedeutung als vielleicht sehr kleine Anbieter.

Frage: Um vielleicht mit einem Missverständnis aufzuräumen, das sich geradezu anbietet: Wir reden jetzt von den Anbietern wie beispielsweise Google, Facebook etc. und wir reden nicht von den Internetserviceprovidern und auch nicht von möglichen Sperrinfrastrukturen innerhalb des Ganzes?

Plate: Das, was Sie sagen, ist zutreffend.

Frage: Dann interessiert mich, was mit dem Begriff "wirkliche Brutalität" gemeint ist. Wer entscheidet, was "wirkliche Brutalität" und was "nicht wirkliche Brutalität" ist?

Plate: Wenn Sie die Aussage des Innenministers, die Sie zitiert haben, im Ganzen vor Auge haben, werden Sie auch gelesen haben, dass ihm so etwas wie eine Selbstverpflichtung vorschwebt, die man auch mit "code of conduct" bezeichnen kann. Schon daraus folgt, dass der Innenminister selbst sicherlich nicht derjenige sein wird, der die Definitionshoheit für sich beansprucht, was den Begriff "wirkliche Brutalität" angeht. Es geht ihm darum - ich glaube, das ist aus der Aussage auch klar geworden -, dass die Anbieter selbst ihren Teil der Verantwortung, den sie heute zum Teil schon in begrüßenswerter Weise wahrnehmen, sozusagen verinnerlichen und möglicherweise auch noch zu einer Verbesserung und Intensivierung der Übernahme dieser Verantwortung kommen.

Zusatzfrage: Es soll also jeder Anbieter selbst entscheiden, was "wirklich brutal" ist?

Plate: Noch einmal: Der Innenminister hatte die Idee eines gemeinsamen "code of conduct" angeregt. Ich glaube, daraus wird klar, dass sie sozusagen gemeinsam selbst entscheiden sollen. Jedenfalls ist das die Vorstellung des Bundesinnenministers, der aber hier keine staatliche Regelung oder etwas Ähnliches anstrebt. Ich glaube, dass ich das gerade schon betont habe, aber ich sage es zur Sicherheit noch einmal: Es geht also um eine Selbstregulierung der Anbieter, die auf dem Feld tätig sind.

Frage: Aus einem anderen Aspekt heraus gefragt: Es ist ja auch wieder einer dieser Bereiche, in denen es einen Zielkonflikt in Ihrem Haus gibt. Wenn diese ganzen Inhalte nicht mehr bei den großen Anbietern zu finden sind, wie Sie es eben schon beschrieben haben, wird sich das noch weiter verteilen. Sie berichten uns ja immer gerne, dass der Verfassungsschutz zum Beispiel ein Problem hat, nachzuvollziehen, wo diese Kommunikation stattfindet. Momentan ist das mit den relativ zentralen Plattformen wie Twitter, Google etc. noch relativ leicht aufzufinden. Würden Sie sich da nicht selber Probleme bereiten?

Plate: Nein, ich sehe eigentlich nicht, dass wir uns da selber Probleme bereiten würden. Es geht ja auch nicht darum, dass solche Inhalte sozusagen per se von Anfang an gar nicht erst ins Netz gestellt werden - das kann man im Prinzip eh nicht verhindern -, sondern es geht darum, die Verbreitung im Rahmen der Möglichkeiten ein wenig einzuschränken. Das vorweggeschickt, sehe ich das von Ihnen beschriebene Problem eigentlich nicht.

Frage: Mir ist die Definition des Materials, um das es dabei geht, noch nicht ganz klar. Wenn es dabei um das Video aus Paris geht, in dem ein Polizist quasi hingerichtet wird - ich nehme an, auf dieses Video spielen Sie an - ins Netz gestellt wird - okay. Auf der anderen Seite müsste man dann eigentlich auch diverse Augenzeugenberichte aus Syrien unter die gleiche Kategorie fassen. Wo trennen Sie da eigentlich? Geht es darum, wer der Absender ist, also: Wenn es die Bösen machen, dann ist es ein böses Video, und wenn es die Guten machen, dann ist es ein gutes Video? Mir ist nicht klar, wo Sie da die Trennlinie ziehen und wie Sie das definieren. Ist ein Bericht von Human Rights Watch über Gräueltaten des Assad-Regimes in Aleppo, die mit einem Video belegt werden, dann nicht genauso Material, dessen Verbreitung Sie unterbinden wollen?

Plate: Unterbinden - damit möchte ich vielleicht einmal anfangen - will das Bundesinnenministerium gar nichts. Es geht darum, an die Eigenverantwortung der Anbieter zu appellieren - die zum Teil schon in begrüßenswerter Weise wahrgenommen wird -, zu extremem Material keine besondere Plattform einzuräumen. Herr Jung hatte ja bereits danach gefragt, ob das Bundesinnenministerium das definieren möchte, was jetzt genau nicht verbreitet werden soll oder weniger verbreitet werden soll oder nicht und wie dann diese Definition aussieht. Ich glaube, darauf hatte ich eigentlich schon geantwortet, nämlich indem ich gesagt habe, dass das Bundesinnenministerium selber gar nicht die Absicht hat, sich eine solche Definitionshoheit anzumaßen, sondern es um eine Selbstverpflichtung gehen soll. Das ist dann natürlich auch die Antwort auf Ihre Frage, die in die gleiche Richtung geht: Eine solche Definition ist vonseiten des Bundesinnenministeriums überhaupt nicht beabsichtigt.

Zusatzfrage : Ich vermute aber einmal, dass das Bundesinnenministerium bestimmte Vorstellungen hat, um welches Material es gehen soll; denn in irgendeiner Form geht es ja um bestimmtes Material. Wenn Sie solche Aussagen treffen oder wenn der Minister solche Aussagen trifft, dann sind damit doch Vorstellungen verbunden, um welches Material es geht, oder nicht?

Plate: Ich will mich nicht wiederholen, aber der Minister hat gesagt: Ihm schwebt eine Selbstverpflichtung, ein gemeinsamer "code of conduct" vor. Er hat auch gesagt - das wurde dankenswerterweise zitiert -: Es gibt enge Kontakte zu den maßgeblichen Anbietern auf diesem Feld, und diese Kontakte wird es auch weiterhin geben. Ich glaube, damit ist schon fast alles gesagt.

Aber um es noch einmal etwas klarer zu fassen: Sicherlich werden auch gemeinsame Überlegungen mit den Anbietern, um was für Inhalte es dabei gehen kann, Gegenstand dieser Kontakte sein. Da die Idee eines solchen "code of conduct", wie Sie wissen, einmal gestern und einmal vor, ich glaube, zehn Tagen formuliert worden ist, können Sie davon ausgehen, dass diese engen Kontakte mit den Anbietern noch nicht abgeschlossen sind. Es gibt also keine Definition zu präsentieren - weder des Innenministeriums noch nach meinem Kenntnisstand der größeren Anbieter in diesem Feld -, welches Material am Ende durch eine solche Selbstverpflichtung erfasst sein könnte und welches nicht.

Zusatzfrage: Habe ich das also richtig verstanden: Der Innenminister möchte einen "code of conduct", weiß aber noch nicht, wofür?

Plate: Es war Ihre Formulierung - die ich nicht unterstreichen würde -, dass er nicht wisse, wofür das sein soll. Ich glaube, man kann sehr wohl sagen, dass man eine genaue Zielrichtung vor Augen hat, die ich, glaube ich, auch hinreichend beschrieben habe, ohne dass jetzt alle Einzelheiten feststehen würden. Denn es geht ja gerade nicht darum - ich sage es zur Klarstellung noch einmal -, etwaige Anbieter in diesem Feld mit einem Regulatorium, das sich der Bundesinnenminister überlegt hat, zu überziehen, sondern es geht nach seiner Vorstellung darum, dass sich diese Anbieter selbst mit dem Thema befassen mögen und sich einen sinnvollen Vorschlag geben mögen, der das Problem, das ich beschrieben habe, umfasst. Selbstverständlich hat eine solche Idee - wenn es gerade kein Vorschlag des Bundesinnenministers, sondern ein Vorschlag der betroffenen Unternehmen sein soll - jetzt nicht eine konkrete Definition zum Gegenstand, welches Material im Einzelnen erfasst sein wird.

Zusatzfrage: Ich habe es immer noch nicht verstanden: Was hätte der Innenminister gerne nicht im Netz? Können Sie das mit zwei Sätzen sagen?

Plate: Also gut, ich kann noch einmal kurz darauf Bezug nehmen, dass diese Äußerung, glaube ich, im Zusammenhang mit dem von Ihnen selbst richtigerweise beschriebenen Video, in dem die Hinrichtung eines Polizisten in Paris zu sehen ist, gefallen ist. Das war und ist ein Ansatzpunkt dieser Überlegungen. Ob darüber hinausgehende ähnliche, wie auch immer geartete Videos, die mit diesem vergleichbar sind, am Ende unter eine Selbstverpflichtung der Unternehmen fallen oder nicht, wird man sehen müssen. Das wird das Ergebnis der Gespräche sein, die jetzt geführt werden.

Frage: Wir kommen damit dann irgendwie auch zum Ende, Herr Plate: Gab es dazu vor der Äußerung des Ministers denn irgendwelche Vorarbeiten in Ihrem Ministerium?

Zweitens. Ist für den Fall, dass keine Initiative seitens der Anbieter kommt, in Erwägung gezogen worden, dann eventuell ein "Rote-Linie-Gesetz" oder Ähnliches zu formulieren?

Plate: Vielleicht zunächst einmal zur Frage der Vorarbeiten: Vorarbeiten ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, aber es ist so, dass natürlich schon seit Längerem immer wieder regelmäßig anlassbezogen Gespräche zwischen dem Bundesinnenministerium und den fraglichen Anbietern stattfinden, in denen auch über solche Fragen, zum Teil auch über bestimmtes Material, gesprochen wird. Das sind ganz regelmäßige Gespräche. Wenn Sie das sozusagen unter die Überschrift "Vorüberlegungen" fassen wollen, dann kann ich das auf jeden Fall bejahen.

Zu Ihrer Frage hinsichtlich einer Regulierung: Das kann ich relativ klar verneinen. Ich will jetzt kein Proseminar im Völkerrecht abhalten, aber es ist klar, dass einseitige staatliche Rechtssetzung, wie sie durch Gesetze erfolgt, nur im Hoheitsgebiet des Staates Geltung entfalten kann, der durch das Mittel des Gesetzes agiert. Sie wissen mindestens so gut wie ich, dass das Internet ein Raum ist, der sich sozusagen nicht nur im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland befindet. Insofern wird man sicherlich ein Fragezeichen dahinter setzen können, ob eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich die richtige Antwort auf die aufgeworfene Frage darstellt.

Frage: Herr de Maizière hat ja auch gesagt, die Anbieter sollten "einen Teil" dieser "wirklichen Brutalitäten" herausnehmen. Was ist mit dem anderen Teil?

Plate: Ich möchte vielleicht einmal mit dem Bild eines Eisberges antworten: Sie wissen, dass bei einem Eisberg nur ein Teil - ich glaube, ein Siebtel - oben aus dem Wasser herausguckt, und der Rest ist unter Wasser. Gemeint ist also tatsächlich jener Teil, der sozusagen besonders stark in Sachen Brutalität hervorsticht und zum Beispiel besonders jugendschutzgefährdend ist. Der andere Teil, der sich unterhalb dieser Schwelle bewegt, ist von diesen Ideen deswegen nicht erfasst.

Zusatzfrage: Wie passt den eigentlich dieser Wunsch nach Informationskontrolle mit dem Verständnis von Demokratie zusammen?

Plate: Es geht gar nicht um Informationskontrolle. Auch auf die Gefahr hin, dass ich die Anwesenden vielleicht ein bisschen langweile: Es geht darum, dass die Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, durch den Minister vielleicht noch einmal in besonderer Weise darauf hingewiesen worden sind, dass auch sie eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung haben, wenn es darum geht, welche Inhalte bei ihnen verbreitet werden und welche nicht. Es geht ja explizit um einen "code of conduct", also sozusagen die Idee einer Selbstverpflichtung. Diese Idee und die Definition des Wortes Selbstverpflichtung verträgt sich mit der Idee von Informationskontrolle nicht. Das hat mit Informationskontrolle schlicht und einfach gar nichts zu tun.

Frage: Ich habe eine Frage, die sich aus dem NSA-Untersuchungsausschuss gestern ergibt und sich damit an Frau Wirtz als diejenige, die im weitesten Sinne den BND unter ihren Fittichen hat, richtet. Und zwar wurde dort berichtet, dass Hardware der NSA im Rahmen der Operation Eikonal in Frankfurt verbaut wurde, also dort in Überwachungsräume, die vom BND genutzt wurden, hineingegeben wurde. Da würde ich gerne fragen: Auf welcher Rechtsgrundlage ist das nach Auffassung der Bundesregierung geschehen?

SRS'in Wirtz: Da das sehr, sehr spezielle Fragen sind, die den Untersuchungsausschuss anbelangen, kann ich jetzt aus dem Stegreif keine Stellung dazu nehmen. Soweit wir dazu etwas sagen können, werden wir uns an Sie wenden und Ihnen eine Rechtsgrundlage - so uns das möglich ist - mitteilen.

Frage: An das Bildungsministerium: "Spiegel Online" schreibt, tausende Studienplätze seien im Wintersemester, das ja bald schon wieder vorbei ist, ungenutzt, und zwar gerade auch in Fächern, in denen die Studienplätze besonders begehrt sind, die also auch durch NC begrenzt sind. Haben Sie diesbezüglich im Ministerium schon Signale oder eine Vorwarnung bekommen? Was können Sie da möglicherweise noch steuern oder für die Zukunft besser machen? Oder sagen Sie: Das ist eben allein Ländersache und das müssen die Länder regeln?

Fischer: Sie spielen ja auf das Dialogorientierte Serviceverfahren an. Das ist in der Tat eine ganz klare Angelegenheit der Bundesländer, die sind also für die Durchführung und auch für die Einführung dieses Dialogorientierten Serviceverfahrens verantwortlich. Zu den Zahlen, die Sie genannt haben, können wir nichts sagen, die sind uns nicht bekannt.

Zusatzfrage: Werden Sie sich möglicherweise darum kümmern oder sagen Sie: Das ist für uns damit für uns erst einmal erledigt? Oder können Sie Einfluss nehmen auf die Länder, die zuständig sind? Es gibt inzwischen ja durchaus bessere Beziehungen in Hochschulfragen zwischen Bund und Ländern.

Fischer: Die Länder haben das ZVS - das war ja das Vorgängersystem - aufgelöst, das ist also eine originäre Entscheidung der Bundesländer. Die Stiftung, die heute für die Hochschulzulassung verantwortlich ist, wird ja von den Ländern und den Hochschulen selber getragen. Von daher liegt die Verantwortung klar dort.

Frage: An das Verkehrsministerium: Wann kommt denn jetzt die Maut?

Moosmayer: Die Maut kommt, wie der Herr Minister angekündigt hat, 2016. - Wenn Sie von der Pkw-Maut sprechen.

Zusatzfrage: Ja! - Was heißt 2016? Das ist ein Jahr. 1. Januar, 31. Dezember?

Moosmayer: Das kann ich von hier aus leider nicht so konkret sagen; denn wie Sie wissen, durchlaufen Gesetzentwürfe das parlamentarische Verfahren, und da ist man nicht unbedingt Herr aller Termine. Das ist dann fertig, wenn es das parlamentarische Verfahren durchlaufen hat.

Zusatzfrage: Können Sie vielleicht noch einmal erläutern, wie die 700 Euro Mehreinnahmen generiert werden sollen?

Moosmayer: Das können wir gern erläutern, aber das haben wir auch alles im Internet eingestellt. Die Grundlagen, wie wir das kalkuliert oder prognostiziert haben, sind dort alle zusammen mit dem Kabinettsentwurf veröffentlicht.

Zusatzfrage: Aber warum musste die "ZEIT" dann erst eine einstweilige Verfügung vor einem Berliner Gericht erwirken, um an diese Informationen zu kommen? Dann wird das ja nicht auf Ihrer Webseite sein.

Moosmayer: In der Detailtiefe, wie die "ZEIT" das wollte, vielleicht nicht, aber die Zahlen, die wir dem Entwurf zugrunde gelegt haben, haben wir veröffentlicht. Wenn die "ZEIT" mehr will, dann müssten Sie dort fragen, warum die den weiteren Verlauf nicht abwarten. Normalerweise ist es üblich, parlamentarische Verfahren abzuwarten und dann, wenn es konkreter wird, die weiterreichenden Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Zusatzfrage: Wann können wir also mit dieser Detailtiefe rechnen?

Moosmayer: Der Minister hat im Dezember bereits angekündigt, dass er das jetzt in dem parlamentarischen Verfahren tun wird. Das wird zeitnah geschehen.

Zusatzfrage: Das heißt?

Moosmayer: Zeitnah.

Frage: Ihrer Antwort entnehme ich, dass Sie nicht vorhaben, in Revision zu gehen, was das Verwaltungsgerichtsurteil angeht?

Moosmayer: Das ist davon unabhängig. Ich habe gerade vorgetragen, was der Minister im Dezember bereits gesagt hat und im Januar vor den Parlamentariern auch noch einmal wiederholt hat. Wie man jetzt mit dem Urteil beziehungsweise dem Beschluss umgehen wird, wird untersucht und geprüft.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium: Ihr Minister hatte ja einen TTIP-Beirat gegründet. Jetzt haben sich innerhalb dieses TTIP-Beirats mehrere Gruppen, die alle TTIP-kritisch sind, zusammengeschlossen und angekündigt, dass sie sich künftig intern beraten werden. Ist das eigentlich die Intention, die der Minister bei der Gründung des Beirates hatte? Kritisiert er diesen Schritt oder hätte er sich eine andere Form der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Anregungen verschiedener Gruppen gewünscht?

Toschev: Ich danke Ihnen für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt zu sagen, dass es natürlich das gute Recht einer jeden Person ist - und dazu zählen auch die Mitglieder des Beirats zu Fragen von TTIP beim BMWi -, sich zu TTIP zu äußern, in welcher Form auch immer sie das für richtig halten; das ist ganz klar. Der Minister hat den Beirat im letzten Jahr berufen, weil es sich hier um eine außerordentlich wichtige Angelegenheit handelt. Ziel des Beirats ist es, verschiedene Stimmen zu versammeln - wie gesagt, zu versammeln und nicht zu vereinheitlichen - und mit Stakeholdern - dazu zählen auch Gewerkschaften, dazu zählen Umwelt- und Sozialverbände, dazu zählen Verbraucherschutzverbände; das sind insgesamt 23 Vertreter - in einen Dialog zu treten. Dieser Dialog findet auch regelmäßig im Rahmen des Beirats mit allen Vertretern statt. Es gab bisher, glaube ich, fünf Sitzungen zu unterschiedlichen Schwerpunkten. Da werden Informationen aufbereitet, da werden Experten eingeladen, eben um die Gruppen - gerade auch die, die Sorgen und Befürchtungen äußern - sozusagen mit Informationen aus erster Hand zu versorgen. Das ist sozusagen ein wichtiger Schritt in Sachen Transparenz; dieses Thema hatten wir ja schon in der letzten Regierungs-PK. Was darüber hinaus jeder Einzelne macht, ist sozusagen ihm oder ihr überlassen.

Der Minister hat sich auch noch einmal - ich glaube, gestern war es - zu TTIP geäußert. Er hat betont, wie wichtig Freihandelsabkommen für die deutsche Wirtschaft sind, welche Gelegenheit es hier gibt, Standards im Sinne Europas zu setzen, statt dann anderen Standards zu folgen, und dass es nicht darum geht, Standards abzusenken, dass es nicht um Einschränkungen bei Daseinsvorsorge oder Kultur geht. Das ist die inhaltliche Position des Wirtschaftsministers. Und wie gesagt, jeder hat das Recht, seine Position zu äußern, klar.

Frage: Es gab jetzt eine schöne europaweite Umfrage zu TTIP, die gezeigt hat, dass die Deutschen zusammen mit den Österreichern gegenüber dem ganzen Vorhaben am skeptischen sind - 39 Prozent der Deutschen haben das in dieser Umfrage gesagt. Wertet die Bundesregierung es als Erfolg, dass die Deutschen da sehr skeptisch sind, oder muss jetzt noch mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden?

Toschev: Ich kann keine Bewertung vornehmen, ob das als Erfolg gilt oder nicht. Es ist klar - das ist ja offensichtlich und liegt auf der Hand -, dass es in der Bevölkerung Sorgen gibt - auch berechtigte Sorgen -, und die nehmen wir sehr ernst. Da gibt es nicht nur den Beirat, den ich eben erwähnt habe, sondern da gibt es auch eine starke Aufbereitung von Informationen. Wer sich informieren will, findet sehr viele sachliche Informationen bei uns, bei der Kommission, und auch auf Veranstaltungen wie dem TTIP-Bürgerdialog, der in Deutschland in verschiedenen Städten stattfindet und der nicht allein durch uns veranstaltet wird, sondern bei dem wir und bei dem auch andere Gruppen - auch kritischere Gruppen - Partner sind. Dabei geht es darum, vor Ort zu informieren.

Ich kenne die Umfrage nicht, aber wenn das so ist, dann sollte das ein Ansporn sein, noch mehr zu informieren. Daran arbeiten wir.

Zusatzfrage: Wie neutral sind denn eigentlich diese Informationen? Die Informationen, die Sie bereitstellen, kommen ja von einem Player in der ganzen Sache, der pro TTIP ist. Müsste es nicht eigentlich auch Informationen von unabhängiger Stelle geben?

Toschev: Wir regen an, dass jeder sich mit Informationen beteiligt. Wir halten die Informationen, die wir veröffentlichen, für sachgerecht und informativ.

Zusatzfrage: Also veröffentlichen Sie auch Informationen, die gegen TTIP sprechen würden?

Toschev: Wir veröffentlichen Informationen zu TTIP. Dabei geht es zum Beispiel um die Frage: Wie wirkt sich TTIP auf Kultur aus? Da veröffentlichen wir die Position, wie wir sie sehen. Dabei kann es natürlich Unterschiede zu anderen Akteuren geben, aber wir sagen zum Beispiel: Audiovisuelle Medien sind im Verhandlungsmandat ausgenommen. Wir versuchen, sachlich darüber zu informieren beziehungsweise klar zu machen, welche Folgen im Bereich Daseinsvorsorge zu befürchten wären. Der Minister hat diesbezüglich klar gemacht, dass die Rahmenbedingungen unverändert sein sollen. Das heißt, wir veröffentlichen keine Informationen pro oder contra, sondern wir veröffentlichen Informationen zu TTIP.

Zusatzfrage: Aber warum betonen Sie, dass Sie versuchen, sachlich zu informieren; warum informieren Sie nicht sachlich?

Toschev: Aus unserer Sicht informieren wir sachlich.

Frage: Frau Wirtz, "ZEIT Online" berichtet heute umfassend über ein Metadatensammelprogramm durch den Bundesnachrichtendienst, bei dem es um sogenannte Routineverkehre - also Auslandskommunikation - geht. Ich würde von Ihnen gerne wissen, ob aus Sicht der Bundesregierung ein Problem mit dem Geheimschutz beim BND besteht; denn die Informationen über dieses Programm scheinen wohl nicht aus dem Untersuchungsausschuss zu stammen, sondern aus anderen Quellen. Die Frage ist also: Gibt es eine Art Edward Snowden beim BND?

SRS'in Wirtz: Es gibt in der Tat diesen Bericht von "ZEIT Online", der sich ja ausweislich selber auf geheime Dokumente bezieht. Insofern kann ich jetzt weder inhaltlich etwas dazu sagen - danach haben Sie aber wohlweislich auch gar nicht gefragt -, noch kann ich darüber spekulieren, woher diese Informationen kommen. Ich kann dazu nur im Allgemeinen das sagen, was ich auch in anderem Zusammenhang schon einmal gesagt habe, nämlich dass die Bundesregierung natürlich in bestimmten Belangen - gerade, was den Geheimdienst anbelangt - ein sensibles Interesse daran hat, dass solche Dokumente auch geheim bleiben und im Parlament nur dem zuständigen Gremium zur Verfügung gestellt werden. Die Bundesregierung unternimmt selbstverständlich alle erforderlichen Schritte, um diese Dokumente auch entsprechend zu schützen. Das ist natürlich auch ein Prozess, der immer wieder angepasst werden muss, wenn man sieht, dass irgendwelche Dokumente bekanntwerden oder wir solche Zeitungsberichte zur Kenntnis nehmen oder ähnliches.

Zusatzfrage: Dann erlauben Sie mir die Nachfrage - auch das ist nicht inhaltlich gemeint -: Dementieren würden Sie den Bericht aber nicht?

SRS'in Wirtz: Ich sage gar nichts zu diesem Bericht. Ich verweise nur darauf, dass "ZEIT Online" selbst auf geheime Dokumente verweist und ich zu geheimen Dokumenten mit Sicherheit nichts sage. Das würde ja auch selbst unter die Strafbarkeit fallen.

Frage: An das Auswärtige Amt: Die Afrikanische Union hat sich ja entschieden, eine Truppe von 7.500 Mann gegen Boko Haram aufzustellen. Ich hätte gerne gewusst, ob die Bundesregierung diesen Versuch finanziell mit unterstützt, und falls ja, mit wie viel Geld.

Schäfer: Es gibt dazu noch keine Entscheidungen. Es gibt in der Tat öffentliche Äußerungen der Bundesregierung, die einen solchen Schritt der Afrikanischen Union ausdrücklich begrüßen und auch Unterstützung zugesagt habe. Ich glaube, es spricht viel dafür - aber ich möchte den Diskussionen und den Entscheidungen nicht vorgreifen -, dass man dafür bewährte europäische Mechanismen in Anspruch nimmt, das also gemeinsam mit den europäischen Partnern. Damit will ich nicht ausschließen, dass es nicht auch bilaterale Unterstützung geben könnte, aber es gibt Prozeduren, Verfahren und auch Mittel der Europäischen Union, die dafür geeignet erscheinen.

Zusatzfrage: Herr Gerhartz, die Bundesregierung liefert ja Waffen, etwa an die Kurden. Es gibt Berichte, dass diese Waffenlieferungen noch einmal erhöht werden sollen. Ist möglicherweise auch geplant, dass man neben finanzieller Unterstützung auch Waffen oder logistische Hilfe für diese Sondertruppe gegen Boko Haram bereitstellt?

Gerhartz: Derartige Planungen sind mir derzeit nicht bekannt, das wüsste ich nicht.

Ich möchte dennoch etwas zu den Waffenlieferungen in den Irak sagen: Es ist etwas zu kurz gegriffen, wenn immer nur nach den Waffenlieferungen gefragt wird. Primär geht es darum, dass wir Ersatzteile für die Fahrzeuge, für das Material, das wir schon geliefert haben, an die Kurden liefern, damit dieses Material auch nachhaltig einsetzbar ist.

Frage: Herr Gerhartz, es gibt ja Berichte, dass die gelieferte Munition für Sturmgewehre und insbesondere Milan-Raketen schon großenteils verbraucht sei. Deckt sich das mit den Erkenntnissen der Bundesregierung und der Bundeswehr?

Gerhartz: Es liegt in der Natur der Sache, dass die Munition dort verbraucht wird. Wir haben die Bilder aus Kobane und der Gegend gesehen: Dort ist Krieg, es wird gekämpft.

Zusatzfrage: Aber in Kobane ist doch keine deutsche Munition, oder?

Gerhartz: Ich sage, dass die Kurden grundsätzlich eingesetzt sind; dass sie dementsprechend im Rahmen ihrer Kämpfe das Material verbrauchen, ist völlig klar. Ich wollte damit nur klar machen: Auf der Zeitschiene gesehen geht es jetzt primär erst einmal darum, die Peschmerga, die wir unterstützen, zum Beispiel mit solchen Dingen wie Winterbekleidung, Sanitätsmaterial oder Gefechtshelmen - also vielen Dingen, die für den Schutz erforderlich sind - und eben auch Ersatzteilen für Fahrzeuge zu beliefern, um das Material zu pflegen, zu warten usw. Darum geht es jetzt zeitnah.

Um noch einmal auf die Waffenlieferungen zurückzukommen: Ja, die Munition ist natürlich verbraucht worden, und hier muss man einmal genau schauen. Es wird in bewährter Weise in der Bundesregierung abgestimmt, ob und, falls ja, wann wir eventuell noch einmal Waffen und Munition liefern.

Zusatzfrage: Ich habe ja bewusst nicht gefragt, wann und was geliefert wird. Ich wollte jetzt nur wissen: Gibt es einen Überblick oder hat man einen Prozentsatz, wie viel von dieser Munition bereits verbraucht wurde?

Gerhartz: Die genauen Munitionsverbrauchslisten geben die Peschmerga nicht an uns durch. Das wäre auch völlig unüblich.

Freitag, 30. Januar 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 30. Januar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/01/2015-01-30-regpk.html;jsessionid=A6630E9AF37BA4E5956BD2596B521249.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Februar 2015

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