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PRESSEKONFERENZ/947: Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 27. Februar 2015
Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2015


Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Konferenz der Europäischen Investitionsbank, Antrittsbesuch des italienischen Staatspräsidenten, Empfang des mongolischen Staatspräsidenten, Kabinettssitzung, Besuch der Europäischen Kommission in Brüssel, Plenarsitzung des Deutschen Bundestags, Reise nach Japan), Abgabe einer schriftlichen Reformselbstverpflichtung in Bosnien-Herzegowina, Griechenland, Entscheidung der EU-Kommission bezüglich des Abbaus des Staatsdefizits von Frankreich, energetische Gebäudesanierung, iranisches Nuklearprogramm, bevorstehende Reise des Bundesaußenministers nach Genf, Ermittlungen gegen die Commerzbank wegen Steuerhinterziehung

Sprecher: SRS'in Wirtz, Schäfer (AA), Kothé (BMF), Dünow (BMWi), Westhoff (BMAS), Dimroth (BMI), Fichtner (BMUB)

Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Herr Seibert hat es ja am Mittwoch schon angekündigt: Am kommenden Montag wird die Bundeskanzlerin gegen 13:45 Uhr auf einer Konferenz der Europäischen Investitionsbank eine Rede halten, und zwar im AXICA-Konferenzzentrum am Pariser Platz. Das Thema der Konferenz ist die Wechselwirkung von Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

Um 15:30 Uhr wird die Kanzlerin dann den italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella empfangen. Es ist der Antrittsbesuch des italienischen Staatspräsidenten. Es wird sicherlich um europapolitische Themen gehen, Themen, die bilateral anstehen. Bei Ankunft des Staatspräsidenten wird es die Möglichkeit für einen Bildtermin geben.

Am Dienstag, dem 3. März, wird die Bundeskanzlerin den mongolischen Staatspräsidenten Elbegdorj empfangen. Der mongolische Staatspräsident wird in Berlin unter anderem auch deshalb sein, weil bei der ITB in diesem Jahr die Mongolei das Partnerland ist. Das Gespräch mit der Bundeskanzlerin wird sicherlich bilaterale Beziehungen sowie auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Mongolei zum Inhalt haben. Es wird um 13:15 Uhr eine Pressekonferenz oder Pressebegegnung geben, zu der Sie natürlich herzlich eingeladen sind. Darüber hinaus kann ich Ihnen noch berichten, dass der mongolische Staatspräsident auch die Möglichkeit haben wird, den deutschen Bundespräsidenten Gauck zu treffen.

Dann wird es am Mittwoch um 9:30 Uhr ganz normal mit dem Kabinett weitergehen.

Dann wird die Kanzlerin nach Brüssel fliegen und dort die Europäischen Kommission besuchen. Das ist der erste Besuch der Kommission seit dem 1. November 2014. Damit will die Bundeskanzlerin sozusagen auch noch einmal die Gelegenheit haben, sich jenseits der europäischen Gipfel mit der Kommission über die vielen Herausforderungen auszutauschen, die derzeit vor Europa liegen. Es wird ein Gespräch mit Kommissionspräsident Juncker geben, und dann wird es ein Arbeitsmittagessen mit dem gesamten Kollegium der Kommission geben. Im Anschluss daran wird es Gelegenheit für die Kollegen von Ihnen in Brüssel geben, in einer Pressekonferenz noch einmal Fragen zu stellen.

Danach wird die Bundeskanzlerin den König Belgiens, Phillipe, im Schloss Laken treffen. Auch dort wird es zum Auftakt des Treffens einen Bildtermin geben. Im Mittelpunkt der Gespräche werden aktuelle europa- und außenpolitische Themen stehen.

Donnerstag und Freitag wird das Plenum des Deutschen Bundestags zusammentreffen.

Dann wird die Bundeskanzlerin am 8. März, also am nächsten Sonntag, nach Japan aufbrechen. Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin im Jahr unserer G7-Präsidentschaft alle Länder besucht, die im G7-Kontext stehen, um dieses Treffen, das dann im Juni stattfinden wird, vorzubereiten. Insofern ist jetzt Japan dran.

Die Bundeskanzlerin wird am 9. März zunächst Kaiser Akihito treffen. Dann wird es am Abend ein Gespräch und ein Abendessen mit Ministerpräsident Shinzo Abe geben. Im Anschluss an diese Gespräche wird es eine Begegnung mit der Presse geben. Darüber hinaus wird die Bundeskanzlerin während ihres Aufenthaltes in Japan eine außen- und europapolitische Rede halten. Sie wird darüber hinaus deutsche und japanische Wirtschaftsvertreter treffen. Sie wird sich mit Wissenschaftlern über mögliche oder schon existierende deutsch-japanische Wissenschaftskooperationen austauschen. Da G7 ja auch ganz im Zeichen der Frauen steht, wird sie bei dieser Gelegenheit weibliche japanische Führungskräfte treffen und Vertreter japanischer Finanzinstitutionen treffen. Außerdem steht ein Gespräch mit dem Oppositionsführer Katsuya Okada auf dem Programm. Die Bundeskanzlerin wird ein deutsches Unternehmen in Kawasaki besuchen.

Wem diese Informationen noch nicht reichen, den verweise ich auf das Briefing, das es vor dieser Reise wie gewöhnlich geben wird, und zwar in diesem Fall am Donnerstag, am 5. März, um 9:30 Uhr hier in der Bundespressekonferenz. Da sein werden Herr Seibert, Herr Röller und Herr Heusgen. - Das war es von meiner Seite.

Schäfer: Vielleicht ist das nicht von allen von Ihnen hier in Berlin beobachtet worden, und deshalb erlaube ich mir, Sie auf eine Entwicklung in Bosnien-Herzegowina aufmerksam zu machen, die jedenfalls aus unserer Sicht bemerkenswert ist und die wir als einen Schritt in die richtige Richtung interpretieren, nämlich in Richtung einer Integration und einer Bewegung in Richtung Europäischer Union. Sie haben vielleicht noch in Erinnerung, dass der deutsche Außenminister vor Kurzem - vor etwas mehr als einem Monat - gemeinsam mit seinem britischen Kollegen Philip Hammond in Sarajevo war. Er ist bereits im Mai 2014 in Bosnien-Herzegowina gewesen, und auch das zeigt Ihnen, dass für die britische und in diesem Fall für die deutsche Außenpolitik der westliche Balkan und gerade die Lage in Bosnien-Herzegowina außenpolitische Schwerpunkte sind.

In dieser Woche ist es nun in der Tat, nämlich Anfang der Woche, dazu gekommen, dass sich alle politischen Führer des Landes und zuletzt das Parlament dazu durchgerungen haben, sich nun wirklich zur Durchführung von notwendigen Reformen zu bekennen. Dieses Bekenntnis zur Reform hat eine sehr breite Zustimmung gefunden und ist Gegenstand einer schriftlichen Reformselbstverpflichtung, die ihrerseits Voraussetzung für weitere Schritte im Annäherungsprozess Bosnien-Herzegowinas an die Europäische Union ist. Genauso wie überall sonst auf dem westlichen Balkan stehen die Menschen in Bosnien ganz mehrheitlich hinter einer europäischen Perspektive für ihr Land, und sie verlangen von ihren Politikern, dass sie etwas dafür tun, die wirtschaftliche und soziale Lage von ihnen zu verbessern. Auch das ist immer wieder in den letzten Monaten und Jahren deutlich geworden, auch bei einigen Protesten, die es in Sarajevo und anderswo im Land gegeben hat.

Dass es nun zu diesem Ruck in Bosnien-Herzegowina gekommen ist, den manche in Europa schon nicht mehr für möglich gehalten haben, ist, so glauben wir, ein Zeugnis des Engagements der Europäischen Union, von Frau Mogherini und des zuständigen EU-Kommissars Hahn. Wir freuen uns, dass das auf der Grundlage eines deutsch-britischen Ansatzes erfolgt ist, den der britische Außenminister und der deutsche Außenminister hier in Berlin im November der Öffentlichkeit vorgestellt hatten. Das ist erst einmal nur ein erster Schritt, aber ein Schritt, den wir ausdrücklich würdigen wollen. Nun kommt es wirklich darauf an, dass der politischen Selbstverpflichtung auch konkrete Umsetzungsmaßnahmen folgen, insbesondere im Bereich der Sozial- und der Wirtschaftspolitik.

Ich möchte hier für die Bundesregierung sagen, dass wir den Weg Bosnien-Herzegowinas in Richtung Europa weiter tatkräftig unterstützen werden. Mit der Annahme dieser Selbstverpflichtung ist nun der politische Weg für das Inkrafttreten des europäischen Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens frei, das aufgrund des politischen Stillstands in Sarajevo lange auf Eis lag. Es ist jetzt geplant, und das geschieht mit voller Unterstützung durch die Bundesregierung, dass der Rat der Außenminister am 16. März eben die politischen Weichen für das Inkraftsetzen dieses Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens stellen wird.

Frage: Ich möchte nach ein paar Aspekten des Themas Griechenland fragen. Mich würde zunächst einmal vom Bundesfinanzministerium interessieren, ob man dort etwas von Gesprächen des griechischen Finanzministers mit anderen Euro-Finanzministern weiß, in denen diese Herrn Varoufakis den Tipp gegeben haben sollen, diese sechs Seiten des Reformpakets bewusst unscharf zu formulieren, um die Zustimmung im Rat der Euro-Finanzminister zu steigern. Das hat Herr Varoufakis so in einem Fernsehinterview am Vorabend der Sitzung der Eurogruppe erklärt.

Mich würde zum Zweiten interessieren - dabei habe ich das Kanzleramt, das Arbeitsministerium, das Wirtschaftsministerium und das Finanzministerium konkret im Blick -, ob man etwas von einem Gespräch von Staatssekretär Asmussen mit Herrn Varoufakis im Vorfeld des Besuchs bei Herrn Schäuble weiß.

Das Finanzministerium möchte ich ganz konkret Folgendes fragen: In einer Zeitung hieß es, Herr Schäuble sei über dieses Gespräch empört, dass mit ihm nicht abgesprochen gewesen sei. Mich würde interessieren: Hat Herr Schäuble eine Meinung zu diesem Gespräch geäußert? Gibt es vonseiten der Bundesregierung oder von irgendeiner Seite einen Auftrag an Herrn Asmussen, solche Gespräche zu führen?

Kothé: Vielleicht gebe ich vorab doch noch einmal zur Einordnung der Hinweis meinerseits, dass der Finanzminister ja an mehreren Stellen und auch heute im Bundestag noch einmal darauf hingewiesen hat, dass es aus deutscher Sicht wichtig ist, dass die griechische Regierung das Vertrauen ihrer Partner und auch der Märkte nicht unnötig belastet, sondern dass jetzt eine verlässliche und glaubwürdige Reformpolitik notwendig ist und es notwendig ist, dabei zu konkreten Schritten und zu Ergebnissen zu kommen.

Sie haben konkret nach Nebenabsprachen zu den Vereinbarungen gefragt, die in der Eurogruppe getroffen worden sind. Dies ist nicht der Fall. Es gibt keine Nebenabreden, sondern Sie kennen die Erklärungen der Eurogruppe zu Griechenland, und das sind exakt die Vereinbarungen, die getroffen worden sind.

Lassen Sie mich vielleicht an dieser Stelle auch noch einen Punkt aufgreifen: Es gab auch Berichte darüber, dass es eben eine solche Nebenabrede zum Thema der Primärüberschüsse gebe. Auch eine solche Nebenabrede - das möchte ich noch einmal explizit sagen - gibt es nicht. Die Primärüberschüsse gelten so, wie es vereinbart wurde. Lediglich für das Jahr 2015 hat die Eurogruppe in der Erklärung zugesichert, dass die Institutionen die veränderte wirtschaftliche Lage berücksichtigen können. Das heißt, dass das im Programm vereinbarte Ziel - hier ist die Zahl von 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wichtig - weiterhin gilt. Das ist, und das hatten wir ja schon mehrfach gesagt, keine willkürliche Zahl, sondern sie ist wichtig, um den Schuldenstand wieder auf ein tragfähiges Maß zu senken, wie es vereinbart worden ist.

Dann hatten Sie nach Gesprächen im Vorfeld und nach Herrn Asmussen gefragt. Auch dieses Thema hatten wir hier schon mehrfach angesprochen. Für die Bundesregierung gilt: Mir ist nicht bekannt, dass es einen offiziellen Auftrag an Herrn Asmussen gibt, für die Bundesregierung zu sprechen oder zu verhandeln. Das wird zuständigkeitshalber vom Bundesfinanzminister wahrgenommen, wie Sie wissen.

SRS'in Wirtz: Da kann ich mich Frau Kothé anschließen: Mir ist in solcher Auftrag auch nicht bekannt, und mir ist auch ein solches Treffen nicht bekannt.

Zusatzfrage : Das Arbeits- und das Wirtschaftsministerium?

Dünow: Ich kann mich dem auch vorbehaltlos anschließen und darauf hinweisen, dass Herr Asmussen nicht im Bundeswirtschaftsministerium tätig ist.

Westhoff: Dann ist es jetzt an mir, mich auch vorbehaltlos anzuschließen und zu bestätigen, dass Herr Asmussen nach wie vor im BMAS tätig ist und dass er meines Wissens auch keine offizielle Funktion bekleidet. Ob dieses Treffen stattgefunden hat oder nicht, kann ich weder bestätigen noch dementieren noch kommentieren. Wenn es denn stattgefunden hätte, dann wäre das in der Tat nicht im Zusammenhang mit einer Funktion im BMAS der Fall gewesen. Ich war bei dem Gespräch selbst nicht dabei, wenn es denn stattgefunden hat. Ich glaube auch nicht, dass Abendessen in Berlin weitgehend privat bleiben können oder unentdeckt bleiben können. Von "Geheimtreffen" oder so etwas würde ich dann also auch nicht so vorschnell reden wollen. Aber ich weiß nicht, wie gesagt, ob dieses Treffen stattgefunden hat. Ich weiß nicht, in welchem Kreis es stattgefunden hat und welchen Inhalt es hatte. Insofern bitte ich um Verständnis dafür, dass ich das auch nicht tiefergehend kommentieren kann.

Zusatzfrage: Ich würde gerne noch einmal beim Finanzministerium nachfragen, weil in dieser Zeitung ja von der Empörung des Ministers über dieses Gespräch die Rede ist. Ist dem Finanzministerium denn etwas von einem solchen Gespräch oder Treffen bekannt? Ist der Bundesfinanzminister über ein solches Gespräch irritiert?

Kothé: Da wir gerade übereinstimmend ausgeführt haben, dass so ein Gespräch - ob es stattgefunden hat oder auch nicht - nicht im Auftrag oder im Namen der Bundesregierung erfolgt ist, sehe ich auch keinerlei Notwendigkeit, das in irgendeiner Weise zu kommentieren.

Frage: Nun muss ich doch noch einmal nachfragen. Es wird in diesem Vorabbericht sehr konkret gesagt, dass Herr Asmussen Herrn Varoufakis quasi gebrieft habe, wie man mit Herrn Schäuble umzugehen habe. Das kann ja in der Bundesregierung nicht ganz ohne Verwerfungen bleiben, wenn es so ist. Das ist etwas, worüber tatsächlich Empörung herrschen kann. Ich würde schon gerne wissen, ob es zwischen den beiden Ministerien im Nachklang dazu einen Kontakt gegeben hat.

Westhoff: Ich kann von so einem Kontakt nicht berichten. Ich kann, wie gesagt, auch nicht bestätigen, dass es das Treffen gegeben hat. Wenn ich das Treffen nicht bestätigen kann, kann ich insbesondere keine Inhalte bestätigen, die von dritter Seite kolportiert werden, die wir hier alle nicht namentlich kennen. Die Bandbreite von Themen für ein solches Gespräch - rein theoretisch gesprochen - ist ja sehr breit. Es kann ja alles Mögliche besprochen worden sein. Es muss nicht so sein, wie dort kolportiert wird. Ich kann, wie gesagt, nicht bestätigen, dass das irgendeinen Wahrheitsgehalt hätte.

Zusatzfrage: Ist denn mit einer Äußerung von Herrn Asmussen dazu zu rechnen?

Westhoff: Die Äußerung würde lauten, dass er das nicht kommentiert. Wenn es stattgefunden hätte, würde er ein solches Treffen nicht weiter kommentieren.

Frage: Frau Kothé, wie ist das zu interpretieren, was im griechischen Antrag steht, dass Griechenland sich gegenüber allen Gläubigern verpflichtet, alle Verbindlichkeiten zu begleichen? Heißt das, dass die Entscheidung der Eurogruppe aus dem Jahre 2012 gilt, dass die Euro-Partner über die Schuldentragfähigkeit Griechenlands nicht mehr diskutieren müssen?

Kothé: Ich verstehe Ihre Frage nicht ganz. Der Satz ist, wie ich finde, hinreichend klar. Die Verpflichtung gilt gegenüber allen Gläubigern. In der Erklärung von 2012 sind die Ziele zur Schuldentragfähigkeit unter anderem quantifiziert, und diese - das hatte ich gerade ausgeführt - gelten weiterhin.

Zusatzfrage: In der Erklärung von 2012 steht, dass, wenn Griechenland diese und jene Reformen durchführt, die Partner an der Reihe sind, die Schuldentragfähigkeit Griechenlands zu garantieren. Jetzt gibt es eine neue Erklärung Griechenlands, in der steht, dass die griechische Regierung allen Gläubigern alle Verbindlichkeiten zurückzahlen wird.

Kothé: Wo ist da der Widerspruch? Das widerspricht sich doch nicht.

Zusatzfrage: Der Widerspruch ist folgender: Wenn Griechenland sowieso alle Verbindlichkeiten zurückzahlt, brauchen sich die Partner keine Sorgen zu machen, was die Schuldentragfähigkeit Griechenlands angeht. Dann gilt die Entscheidung von 2012 also nicht mehr.

Kothé: Natürlich gilt die Entscheidung von 2012; das habe ich ja gerade noch einmal gesagt. Das Ziel des Programms, das jetzt verlängert wird, zielt darauf ab, die Schuldentragfähigkeit von Griechenland bis zum Jahr 2022 wiederherzustellen. Daran gibt es keine Veränderungen. Ich sehe da auch keine Widersprüche.

Frage: Es gibt seit Mittwoch ein weiteres Interview mit Herrn Varoufakis in der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo", das bis jetzt nicht weiter kommentiert ist. In diesem fährt der Finanzminister noch einmal ziemlich scharfes Geschütz auf und sagt, die Troika sei getötet worden. Das geht zum Teil auch in den persönlichen Bereich. Herr Schäuble hat im Bundestag gesagt, es müsse wieder Vertrauen aufgebaut werden. Fällt das für Sie in den Bereich Vertrauensbildung, wenn möglicherweise einem größeren Plan gefolgt wird, immer wieder mit Spitzen zu arbeiten?

Kothé: Wie Sie richtig bemerkt haben, habe ich gerade einleitend das Nötige zu verschiedenen Äußerungen gesagt, die in der Presse zu lesen waren. Aus unserer Sicht ist es, wie gesagt, wichtig, dass jetzt Vertrauen durch konkrete Politik wiederhergestellt und nicht unnötigerweise belastet wird.

Frage: Der Generalsekretär eines der Koalitionspartner hat vor Kurzem im Bundestag gesagt, für ihn stehe Mitte des Jahres/Ende Juni im Hinblick auf Griechenland die Fragestellung "Ausschluss oder weiter in der Eurozone" an. Mich würde interessieren, ob es inzwischen den Charakter einer allgemeinen Einschätzung der Bundesregierung hat, wenn einer der Koalitionspartner sich so äußert.

SRS'in Wirtz: Nein. Im Grunde ist es ja so, dass wir zunächst einmal an der Stelle sind, dass der Bundestag heute den nächsten Schritt verabschiedet hat, nämlich die Verlängerung dieses Programms. Jetzt geht es darum, dass die Zusagen, die Griechenland in diesem Zusammenhang gemacht hat, eingehalten werden. Insofern wird man jetzt Schritt für Schritt sehen müssen, wie diese Vereinbarungen eingehalten werden und wie dieser Weg weiter beschritten wird.

Zusatzfrage: Aber Sie gehen nicht so weit, dass das in die Fragestellung "Ende Juni - Ausschluss oder nicht?" mündet?

SRS'in Wirtz: Das ist jetzt eine Spekulation, an der ich mich nicht beteiligen möchte.

Frage: Gibt es mittlerweile eine Anfrage aus Athen für einen Antrittsbesuch von Herrn Tsipras?

SRS'in Wirtz: Nicht, dass ich wüsste.

Frage: Es gibt Meldungen, dass Griechenland im Moment relativ freizügig mit Schengen-Visa umgeht. Es wird darüber spekuliert, dass das möglicherweise in der ganzen politischen Debatte eingeführt werden soll. Die Frage an das Innenministerium ist, ob es schon eine Reaktion dazu gibt. Was sagen Sie insgesamt dazu?

Dimroth: Der konkrete Sachverhalt, dass das Thema Schengen-Visa, in welchem Kontext auch immer, seitens Griechenland in größerer Art gestellt worden sei oder bereits gestellt wurde, ist mir nicht bekannt.

Frage: Erneut eine Frage an das Bundesfinanzministerium: Mich würde die Positionierung der Bundesregierung zu der Entscheidung der EU-Kommission interessieren, Defizitländern, insbesondere aber Frankreich, doch etwas mehr Zeit für den Defizitabbau zu geben.

Kothé: Es ist richtig, dass die EU-Kommission vorgeschlagen hat, Frankreich eine Fristverlängerung zu gewähren und konkret einen Zeitraum einräumt, das übermäßige Defizit auf unter die unter Drei-Prozent-Grenze bis 2017 zurückzuführen, dies aber in Schritten mit einem Abbau von 0,5 Prozentpunkten des sogenannten strukturellen Defizits zu tun. Gleichzeitig hat die EU-Kommission Frankreich aufgefordert, zusätzliche Maßnahmen für 2015 in Höhe von 0,2 Prozent des BIP zu ergreifen. Die Kommission wird das auch im Mai/Juni überprüfen.

Wir haben immer gesagt, dass dieser Vorschlag der EU-Kommission beim nächsten Treffen der Eurogruppe Thema sein wird. Der Minister hat auch verschiedentlich darauf hingewiesen, dass wir großen Respekt bezüglich der Reformvorhaben haben, die in Frankreich schon auf den Weg gebracht worden sind. Gleichzeitig haben wir immer gesagt, dass für alle Mitgliedstaaten natürlich die Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts bindend ist.

Zusatzfrage: Mich würde ergänzend dazu interessieren: EU-Währungskommissar Moscovici hat heute Morgen ein Interview im Deutschlandfunk gegeben, das ich so verstanden habe, als sei er sich mit seinen "deutschen Freunden", wie er sagt, einig, dass man eigentlich Sanktionen unterlassen sollte, um die Einhaltung des Stabilitätspaktes einzufordern, denn es sei immer eine Niederlage, wenn man Sanktionen einfordere - so in der Art hat er sich geäußert. Ist es tatsächlich so, dass die Bundesregierung der Meinung ist, Sanktionen seien eigentlich ein Weg, der sich verschließt, wenn es darum geht, die Einhaltung des Paktes zu garantieren?

Kothé: Die Sanktionen sind ein Element des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, aber sicherlich ist es richtig, dass der Pakt dazu da ist, dass man es gar nicht so weit kommen lassen soll, sondern frühzeitig die notwendigen Korrekturen ergreifen soll. In diesem Sinne sehe ich auch die Äußerungen des Kommissars.

Vorsitzende Sirleschtov: Herr Dimroth möchte noch einmal kurz zu dem Thema Griechenland/Schengen zurückkommen.

Dimroth: Vielleicht nicht unter diesen Stichworten - deswegen bleibt es auch grundsätzlich bei der Antwort von eben -, aber sehr wohl bekannt sind mir die Pressemeldungen über die Einlassung des stellvertretenden griechischen Innenministers, der wohl mehr Geld von Brüssel fordert und ansonsten in Aussicht stellt, dass in Griechenland aufhältige Flüchtlinge tatsächlich in andere EU-Mitgliedstaaten weiterreisen dürfen. Wenn Sie das meinen: Das ist bekannt. Diese Forderung richtet sich an Brüssel, nicht an die Bundesregierung, und ist bis jetzt - mir jedenfalls - auch nur aus der Presse bekannt und nicht als ein Antrag oder ein förmliches Vorbringen Griechenlands gegenüber Brüssel. Aber noch einmal: Der Adressat ist eindeutig Brüssel.

Frage (zum Stabilitäts- und Wachstumspakt): Frau Kothé, Ihre Antwort ist mir nicht ganz klar geworden. Ich habe zum Beispiel Herrn Oettinger in der "FAZ" so verstanden, dass er sehr wohl für Sanktionen eintreten würde, wenn Frankreich keine glaubwürdigen Vorschläge bringe. Sie sagen: Wir sollen es gar nicht so weit kommen lassen. Können Sie mir das ein bisschen weiter erklären?

Kothé: Ich kann mich eigentlich nur wiederholen und versuchen, das deutlicher zu machen: Wir stehen zu dem Pakt, so wie er existiert; das haben wir immer gesagt. Auf der anderen Seite ist es, denke ich, im Interesse aller, wenn es erst gar nicht zu diesen weit vorangeschrittenen Maßnahmen, zu diesen eskalierenden Maßnahmen kommen muss, sondern man eben möglichst frühzeitig die notwendigen Korrekturen in der Finanzpolitik auf den Weg bringt.

Frage: Eine Frage an Frau Wirtz und an Herrn Dimroth: Erhält nach Ihrem Wissen die Bundesregierung weiterhin, wie bis vor vier Wochen, Informationen seitens der britischen Geheimdienste als Partnerdienste, oder hat sich in diesem Zusammenspiel seitdem irgendetwas verändert?

SRS'in Wirtz: Es wird Sie jetzt nicht überraschen, dass ich Ihnen eine Antwort gebe, die Sie hier schon häufig gehört haben, nämlich dass wir uns zu geheimdienstlichen Aktivitäten unserer Dienste nicht öffentlich äußern. Insofern geht leider auch diese Frage ins Leere - jedenfalls, was mich anbelangt; ich weiß nicht, ob Herr Dimroth mehr dazu sagen möchte.

Dimroth: Es wird Sie nicht wahnsinnig überraschen, dass ich dazu leider auch nicht mehr sagen kann.

Frage: Eine ganz einfache Frage, und zwar an das Wirtschaftsministerium und andere zuständige Ministerien: Wie geht es denn bei der energetischen Gebäudesanierung weiter? War es das?

Dünow: Wenn das eine einfache Frage ist - - Vielleicht darf ich einmal kurz ein bisschen ausholen: Wie Sie wissen, hat das Kabinett am 3. Dezember beschlossen, die energetische Gebäudesanierung zukünftig auch steuerlich zu fördern. Zur Gegenfinanzierung sollte der Handwerkerbonus modifiziert werden. In den Gesprächen mit den Ländern gab es dafür auch breite Zustimmung. Eine abschließende Verständigung hat es dann aber in den vergangenen Tagen nicht gegeben. Das ist insbesondere, wie man der Presse zutreffenderweise entnehmen kann, an einem einzelnen Bundesland gescheitert. Das ist aus unserer Sicht außerordentlich bedauerlich.

Ich will aber noch einmal betonen, dass damit die staatliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung keineswegs tot ist. Wir haben - ebenfalls am 3. Dezember vergangenen Jahres - im Zuge des NAPE beschlossen, das Volumen der Förderprogramme der KfW auf 2 Milliarden Euro aufzustocken. Das ist so viel Geld für die energetische Gebäudesanierung, wie es in Deutschland noch nie zuvor zur Verfügung stand. Die laufenden KfW-Programme sind von der aktuellen Debatte völlig unberührt. Es ist ganz wichtig, zu betonen - auch als Nachricht an alle Wohnungsinhaber, an alle Häuslebauer und alle Mieter - : Wir stehen weiter zur energetischen Gebäudesanierung und suchen auch weiter nach Wegen, diese zu verbessern.

Was Ihre konkrete Frage angeht, so ist vollkommen klar und, glaube ich, auch Konsens in der Bundesregierung: Wie können uns keine endlose Hängepartie leisten, denn die Folge wäre schlicht und ergreifend, dass dringend erforderliche Investitionen weiter verzögert würden. Gegenwärtig sehen wir leider keine Lösung für die eigentlich verabredete steuerliche Förderung. Wir sind aber selbstverständlich weiterhin zu weiteren Gesprächen bereit, wenn sie schnell, konstruktiv und verlässlich geführt werden. Allerdings muss ich hinzufügen: Der Ball liegt gegenwärtig nicht im Feld des Bundeswirtschaftsministeriums.

Fichtner: Ich könnte für die Bundesumwelt- und -bauministerin ergänzen, dass auch sie sehr bedauert, was sich da in den vergangenen Tagen entwickelt hat. Weil das ja auch ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz war, muss nun geklärt werden, wie diese Lücke geschlossen werden kann.

Frage: Eine Frage an das Außenministerium: Der Außenminister reist ja nächste Woche nach Genf. Ist zu erwarten, dass es dort eingehende Gespräche zum iranischen Nuklearprogramm geben wird? Besteht die Chance, dass schon nächste Woche ein Abschluss der Verhandlungen zustande kommt?

Schäfer: Nein. Das Ziel der Reise des Außenministers nach Genf, die er für den kommenden Dienstag in der Tat plant, ist der Menschenrechtsrat und ist die Abrüstungskonferenz, also Institutionen der Vereinten Nationen für die Abrüstungs- und Menschenrechtspolitik. Dort wird er eine Rede halten und dort wird er auch Gespräche mit führenden Vertretern der Vereinten Nationen führen.

Zum jetzigen Zeitpunkt wäre mir nicht bekannt, dass es am Rande dieser Reise auch zum Iran-Dossier Gespräche gäbe; ich kann das aber auch nicht ausschließen. Ich glaube nicht, dass die Verhandlungen so weit fortgeschritten sind, dass es bereits in der nächsten Woche zu einer abschließenden grundsätzlichen Einigung kommen wird. Das schließt nicht aus, dass es in den letzten Wochen hier und da tatsächlich in den Verhandlungen Fortschritte gegeben hat. Ich glaube aber, wir sind weit davon entfernt, bereits jetzt beziehungsweise in unmittelbarer zeitlicher Nähe weißen Rauch zu erwarten.

Zusatzfrage: Da Herr Kerry, Herr Lawrow, der iranische Außenminister und Frau Mogherini ja gleichzeitig in Genf sein werden: Gibt es da irgendwelche multilateralen oder bilateralen Gesprächstermine?

Schäfer: Ich meine in den Agenturen gelesen zu haben, dass in der Tat noch einmal eine Verhandlungsrunde zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika ansteht. Das wird in der Regel begleitet durch intensives Feedback und auch Beratungen im Kreis der E3+3, also unter Beteiligung Deutschlands. Alles andere ist für mich jetzt Spekulation, insofern kann ich Ihnen diese Frage nicht mit Gewissheit beantworten.

Frage: Noch einmal an das Bundesfinanzministerium: Der Minister hat sich ja in den letzten Monaten erheblich für die Bekämpfung von Steuerflucht und Steuerbetrug eingesetzt. Nun gibt es just in diesem Felde Vorgänge beziehungsweise Ermittlungen gegen die Commerzbank, an der es ja eine Bundesbeteiligung gibt. Hat das Bundesfinanzministerium vor, über seinen Vertreter im Aufsichtsrat in der Commerzbank irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, Forderungen zu stellen, Initiativen einzuläuten, um dieses Problem zu lösen?

Kothé: Ich kann an dieser Stelle nur wiederholen, was wir auch gestern schon gesagt haben, nämlich dass es sich hier um ein laufendes Ermittlungsverfahren handelt und wir dazu nicht Stellung nehmen. Ich weise aber noch einmal darauf hin, dass wir natürlich davon ausgehen, dass sich die Commerzbank an die geltenden Gesetze und Vorschriften in den jeweiligen Jurisdiktionen hält - oder gehalten hat.

Vorsitzende Sirleschtov: Fragen zu diesem Thema oder zu anderen Themen? - Dann geben Sie mir bitte zum Schluss noch die Möglichkeit für zwei Sätze:

Ich war viele Jahre lang Mitglied des Vorstands der Bundespressekonferenz. Ich bin es eigentlich immer noch, bewerbe mich aber in der nächsten Legislatur nicht mehr. Ich habe hier vorne sehr gern gesessen und danke Ihnen allen für die gute Zeit - es war wirklich eine spannende Zeit - und sage auf Wiedersehen. - Schönes Wochenende!

Freitag, 27. Februar 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 27. Februar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/02/2015-02-27-regpk.html;jsessionid=AD8FC753F2B0B67BA809A28703D69B90.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2015

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