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PRESSEKONFERENZ/950: Regierungspressekonferenz vom 6. März 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 6. März 2015
Regierungspressekonferenz vom 6. März 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Reise der Bundeskanzlerin nach Japan, Kabinettssitzung, Treffen mit den Vorsitzenden internationaler Wirtschafts- und Finanzorganisationen, Münchner Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft, Besuch bei der Firma KUKA in Augsburg, Besuch der CeBIT), Reise des Bundesaußenministers nach Rumänien und Bulgarien, Reise der Bundesfamilienministerin in die USA, Grubenunglück in der Ostukraine, Ukraine-Krise, finanzielle Lage Griechenlands, Zahl sogenannter Gefährder in Deutschland, Pläne der Landesregierung Sachsens zur Positionierung des Flughafens Leipzig/Halle als Ausweichflughafen für den Flughafen BER, geplantes Gesetz zur Tarifeinheit, Solidaritätszuschlag, für 2016 geplante Stilllegung des Gaskraftwerks Irsching, Treffen des deutschen, des britischen und des französischen Außenministers zum iranischen Atomdossier, Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, Reise des Bundeswirtschaftsministers nach Saudi-Arabien, in Deutschland stationierte amerikanische Atomwaffen, Klage des Telekommunikationsunternehmens Telefónica gegen die Mobilfunkauktion

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Kempe (BMFSFJ), Gerhartz (BMVg), Plate (BMI), Jäger (BMF), Strater (BMVI), Küchen (BMAS), Toschev (BMWi)


Vors. Szent-Iványi eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Wir haben ja in dieser Woche schon angekündigt, dass die Bundeskanzlerin am 9. und 10. März einen Arbeitsbesuch in Japan durchführt. Über die Details sind Sie auch im Briefing schon informiert worden. Ich will deswegen nur ganz kurz summarisch sagen, dass es natürlich eine Begegnung mit dem japanischen Premierminister Shinzo Abe geben wird. Es wird eine gemeinsame Begegnung des Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin mit deutschen und japanischen Wirtschaftsvertretern geben. Auf Einladung der Tageszeitung "Asahi Shimbun" und des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin wird die Bundeskanzlerin eine außen- und europapolitische Rede halten. Es gibt ein Gespräch mit japanischen Forschern über deutsch-japanische Wissenschaftskooperation, eine Begegnung mit weiblichen japanischen Führungskräften, ein Mittagessen mit Vertretern japanischer Finanzinstitutionen und ein Gespräch mit dem Oppositionsführer Okada, dem Parteivorsitzenden der Demokratischen Partei. Trotz des gedrängten Programms ist die Bundeskanzlerin am Dienstagspätnachmittag wieder in Berlin.

Am Mittwoch wird, wie gewohnt, um 9.30 Uhr die Kabinettssitzung stattfinden.

Am Mittwoch um 15.30 Uhr empfängt die Bundeskanzlerin den Präsidenten der Weltbank, Jim Yong Kim, im Kanzleramt zu einem Gespräch. Es ist innerhalb kurzer Zeit die zweite Begegnung mit Jim Yong Kim, denn sie hat ja auf ihrer USA-Reise in Washington auch die Zentrale der Weltbank besucht. Es wird sicherlich um aktuelle Themen in diesem Entwicklungsjahr 2015 gehen, vor allem um die Entwicklungsagenda, die im September in New York verabschiedet werden soll, sicherlich aber auch um Lehren aus der Ebola-Epidemie und natürlich die Schwerpunkte der deutschen G7-Präsidentschaft.

Im Anschluss - immer noch am Mittwoch - empfängt die Kanzlerin - das hat längst Tradition - die Vorsitzenden der OECD, des Internationalen Währungsfonds, der Welthandelsorganisation, der Internationalen Arbeitsorganisation und der Weltbank zu einem gemeinsamen Gespräch im Kanzleramt, also die Herren Gurría, Azevêdo, Ryder, Kim und Frau Lagarde. Es gibt um 19 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz und anschließend dann noch ein Abendessen.

Am Freitag, dem 13. März, wird die Bundeskanzlerin ab 11 Uhr in München am Münchner Spitzengespräch der deutschen Wirtschaft teilnehmen. Sie trifft dort auf die Vertreter der großen deutschen Wirtschaftsverbände. Sie hält eine Rede, dann eine Diskussion, und im Anschluss gibt es gegen 12.35 Uhr auch eine Pressekonferenz mit den Vertretern der Verbände. Anschließend besucht die Kanzlerin noch kurz die Handwerksmesse.

Dann wird am Freitagnachmittag ein Besuch nachgeholt, der für den 23. Februar geplant war und damals aus technischen Gründen verschoben werden musste: Das ist der Besuch bei der Firma KUKA AG in Augsburg. Ziel des Besuchs ist, sich über die Roboter und Steuerungstechnologie für die Fabrik im Zeitalter von Industrie 4.0 zu informieren. Es wird eine Führung über das Werksgelände geben, und anschließend auch ein Pressestatement der Bundeskanzlerin. Sie erinnern sich vielleicht: Am 23. Februar gab es den anderen Teil der Reise zum Thema Industrie 4.0, nämlich die Besichtigung des Siemens-Elektronikwerks beziehungsweise der digitalen Fabrik/Smart Factory in Amberg.

Sonntag, der 15. März: Die Kanzlerin reist, wie jedes Jahr, zur CeBIT nach Hannover. Sie wird gegen 17 Uhr ein kurzes Pressestatement abgeben. Dann hat sie eine kurze bilaterale Begegnung, ein bilaterales Gespräch mit dem stellvertretenden Ministerpräsidenten des diesjährigen Partnerlandes China, Herrn Ma Kai. Dann wird sie gemeinsam mit Herrn Machen an der Eröffnungsveranstaltung teilnehmen und auch eine Rede halten.

Schäfer: Der Außenminister wird nicht nach Japan reisen, und auch nicht so weit wie die Bundeskanzlerin - jedenfalls nicht am Montag und am Dienstag. Er wird am Montag und am Dienstag vielmehr zu unseren jüngsten und neuesten EU-Partnern, nämlich nach Rumänien und nach Bulgarien, also nach Südosteuropa reisen. Er ist zunächst am Montag, dem 9. März, über den Vormittag und Mittag in Bukarest und wird dann weiterreisen nach Hermannstadt, um dann den ersten Teil des Dienstags, des 10. März, in Sofia, der Hauptstadt Bulgariens, zu verbringen. Da geht es, wie Sie sich denken können, um den politischen Austausch mit diesen beiden wichtigen Partnern Deutschlands angesichts großer Herausforderungen, aber auch darum, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Beziehungen mit diesen beiden Ländern zu intensivieren.

Herr Steinmeier wird in Bukarest und in Sofia jeweils mit seinen Amtskollegen zusammentreffen, aber auch mit den Ministerpräsidenten und den Präsidenten der beiden Länder. Sie wissen ja, dass der neue rumänische Präsident vor Kurzem erst in Berlin zu Besuch gewesen ist. Die Erwiderung dieses Besuches dient dann eben auch der Vertiefung der Beziehungen zu Rumänien. In Hermannstadt wird der Außenminister Gelegenheit haben, einen Blick auf die Geschichte und die Gegenwart des Lebens der deutschen Minderheit in Rumänien zu werfen. Er wird dort an einer Festveranstaltung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien teilnehmen und dabei auch eine Festrede halten. Insgesamt, wie gesagt, geht es darum, auch aktuelle internationale Fragen wie etwa die Krise in der Ukraine oder andere aktuelle europapolitische Fragen mit den Partnern in Bukarest und in Sofia intensiv zu erörtern. - Vielen Dank.

Kempe: Schönen guten Tag! Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig am Sonntag, dem Internationalen Frauentag, in die USA fliegen wird. Zum einen wird sie zu Beginn der Woche an der Eröffnung der UN-Frauenrechtskommission teilnehmen. In New York wird sie voraussichtlich am Montagnachmittag - Ortszeit - vor der UN zu Frauenrechten sprechen. Das ist der erste Besuch einer deutschen Familienministerin bei den Vereinten Nationen in New York seit acht Jahren.

Im Anschluss an die Sitzung der Frauenrechtskommission wird sie dann am Mittwoch zu weiteren politischen Gesprächen nach Washington D.C. reisen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

StS Seibert: Ich wollte noch ein paar Worte zur aktuellen Lage in der Ukraine sagen.

Zunächst einmal: Die Bundeskanzlerin hat dem ukrainischen Staatspräsidenten Poroschenko ihr Beileid anlässlich des schweren Grubenunglücks in der ostukrainischen Stadt Sasjadko übermittelt. Das ist eine schlimme Katastrophe in einem Land, das ohnehin seit langer Zeit von Not und Leid heimgesucht wird. Die Bundeskanzlerin hat den Präsidenten gebeten, den Angehörigen der zahlreichen Opfer ihre Anteilnahme auszudrücken.

Zur Politik: Heute wird ein Treffen im Normandie-Format im Auswärtigen Amt auf hoher Beamtenebene stattfinden, an dem auch Vertreter der OSZE teilnehmen werden; dem will ich auf keinen Fall vorgreifen. Ich will nur noch einmal die Gelegenheit ergreifen, um für die Bundesregierung zu wiederholen, wie wichtig es uns ist, dass der Waffenstillstand eingehalten wird und dass der Abzug der schweren Waffen in einer Weise, die überprüfbar ist, verifizierbar ist, erfolgt. Es ist die Sonderbeobachtermission der OSZE, die eben das Mandat hat, beide Vorgänge - Waffenstillstand wie Abzug von Waffen - zu überwachen und zu zertifizieren, ob die Umsetzung auch entsprechend der Vereinbarungen geschehen ist. Dazu müssen die Parteien der OSZE alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, und sie müssen den OSZE-Beobachtern volle Bewegungsfreiheit ermöglichen. Erst eine stabile Waffenruhe, erst ein verifizierbarer Abzug der schweren Waffen, eröffnet den Weg zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen vom September des vergangenen Jahres und des Maßnahmenpakets, das in Minsk im Februar beschlossen worden ist.

Ich darf in diesem Zusammenhang auf den jüngsten Bericht der Sonderbeobachtermission der OSZE hinweisen. Diese Berichte sind öffentlich und werden täglich auf der Webseite der OSZE veröffentlicht. Ich kann die Lektüre nur empfehlen. Laut dem letzten Bericht werden die Beobachter weiterhin von allen Parteien in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sodass sie den Abzug von schweren Waffen auch nur in seltenen oder in vereinzelten Fällen bis zum letzten Verbleibsort beobachten können. Nun scheint sich in den letzten Tagen auf der ukrainischen Seite ein Umdenken in dieser Sache anzudeuten, aber aufseiten der Separatisten ist noch keine ausreichende Kooperation sichtbar. - So viel dazu.

Frage: Herr Seibert, zur OSZE: Gibt es mittlerweile irgendwelche Anzeichen, dass sich auf russischer Seite etwas bewegt? Denn diese Forderung gibt es ja seit Langem.

Zweitens. Die "Bild"-Zeitung berichtet, dass sich die Mutter der gefangenen Pilotin Sawtschenko in einem persönlichen Brief an die Kanzlerin für einen Einsatz der Bundeskanzlerin für ihre Tochter eingesetzt hat. Gibt es konkrete Überlegungen, was man da tun könnte?

StS Seibert: Zu Ihrer ersten Frage: Ich glaube, ich habe gerade klar geäußert, was unsere Erwartungen an beide Parteien sind, was die Unterstützung der Arbeit der Beobachtermission der OSZE betrifft. Dem habe ich hier nichts hinzuzufügen. Wir haben, wie gesagt, auf der Seite der Ukraine in den letzten Tagen eine Bewegung gesehen, die wir derzeit aufseiten der Separatisten noch nicht sehen, die wir aber natürlich dringend einfordern.

Zum Fall der Hubschrauberpilotin Sawtschenko kann ich Ihnen sagen, dass der Brief der Mutter von Frau Sawtschenko der Bundeskanzlerin vorliegt, und es wird auch eine Antwort übermittelt werden. Über den Fall an sich haben wir hier ja nun schon mehrfach gesprochen. Die Bundesregierung wird sich weiter für eine rasche humanitäre Lösung einsetzen, das heißt, für die Freilassung von Frau Sawtschenko. Sie wissen, dass wir diesem Fall erhebliche Bedeutung beimessen; deswegen gab es auch die Untersuchung des Gesundheitszustandes von Frau Sawtschenko durch deutsche Ärzte - das hat nun schon zweimal stattgefunden. Über Einzelheiten kann ich hier aber nicht sprechen.

Frage: Inwieweit ist denn die Kanzlerin und inwieweit ist eventuell der Außenminister in das Projekt einer Agentur zur Modernisierung der Ukraine involviert, an der als Senior-Experten Herr Steinbrück, Herr Verheugen und Rupert Scholz teilnehmen sollen?

StS Seibert: Auch dazu ist hier am vergangenen Mittwoch - Herr Schäfer wird sich erinnern - schon gesprochen worden. Diese am Dienstag begründete sogenannte Modernisierungsagentur ist eine private Initiative, die vor allem vom ukrainischen Oligarchen Firtasch ausgeht. Sie liegt außerhalb des Handelns der Bundesregierung, deswegen kann ich hier auch keine Stellungnahme abgeben.

Zusatzfrage: Im Interview mit der Deutschen Welle hat Herr Verheugen die Bundesregierung gestern kritisiert und sinngemäß gesagt: Wir mussten auf Firtasch, der in Wien jetzt auf seine Auslieferung wartet, zurückgreifen, weil die Bundesregierung nicht bereit war, Geld für so eine Agentur zu geben. Wie würden Sie diese Aussage kommentieren?

StS Seibert: Ich kenne das Interview nicht, auf das Sie anspielen, da müsste ich mir den Wortlaut selber genau angucken. Ich denke aber, wir haben hier schon oft dargestellt, wie sich die Bundesregierung und wie sich vor allem auch Gesamteuropa einsetzt, um der Ukraine wirtschaftlich wie finanziell zu helfen. Das tun wir, indem wir die demokratisch legitimierte Regierung der Ukraine unterstützen.

Frage: Ich möchte noch einmal auf das Treffen der hohen Beamten zurückkommen: Herr Schäfer, was ist denn günstigstenfalls von diesen hohen Beamten heute zu erwarten, und wie werden Sie das kommunizieren?

Schäfer: Grundsätzlich ist von hohen Beamten ganz viel zu erwarten. Die sitzen jetzt seit einer Dreiviertelstunde im Viererkreis zusammen, nachdem es heute Morgen bereits einige Vorgespräche gegeben hat. Sie handeln im Auftrage der Staats- und Regierungschefs und ihrer Außenminister und kommen auf Bitte der Staats- und Regierungschefs zusammen, um gemeinsam eine Bestandsaufnahme der militärischen Lage vor Ort und der politischen Konsequenzen, die sich daraus ergeben, vorzunehmen. Die Punkte, die uns am Herzen liegen, hat Herr Seibert gerade ja schon dargestellt. Diese Punkte sind natürlich auch Gegenstand der Tagesordnung der heutigen Beratungen der hohen Beamten.

Es geht darum, den Waffenstillstand sozusagen belastbar zu machen, ihn wirklich umfassend zur Geltung zu bringen. Es geht darum, der OSZE all die Bewegungsmöglichkeiten einzuräumen, die sie braucht, um ihrer Überwachungs- und Verifikationsaufgabe nachgehen zu können. Es geht darum, dass die OSZE wirklich überall freien Zugang haben muss; denn ohne Sicherheit und ohne Sicherheitsgarantien kann sie mit Blick auf ihre Fürsorgeverpflichtungen den Mitarbeitern gegenüber ihre Arbeit natürlich nicht machen. Es geht auch darum - das ist etwas, was auch Gegenstand der heutigen Beratungen sein wird -, den in den Vereinbarungen von Minsk angelegten politischen Prozess, der, wenn alles gut läuft, langsam aber sicher hin zu einer politischen Lösung führen kann und führen soll, langsam in Gang zu bekommen. Da geht es etwa darum, innerhalb der trilateralen Kontaktgruppe Arbeitsgruppen einzurichten, die sich mit den in Minsk angelegten politischen Fragen beschäftigen. Und es geht darum, humanitären Zugang zu den Millionen Menschen im Donbass hinzubekommen, die frieren und Hunger haben. All das ist furchtbar schwierig, und all das soll politisch eingehegt werden durch die Vertreter der vier Regierungen im sogenannten Normandie-Format, die heute zusammenkommen - so wie die Außenminister letzte Woche zusammengekommen sind - und die sicherlich auch in der Zukunft weiter zusammentreffen werden, um das, was politisch möglich ist, tatsächlich auch möglich zu machen.

Zusatzfrage: Werden Sie das Ergebnis kommunizieren?

Schäfer: Es wäre nicht üblich, dass es nach einem Treffen von hohen Beamten eine Pressekonferenz gibt, aber wenn es Ergebnisse gibt, so werden wir diese selbstverständlich publik machen.

Ich sollte vielleicht noch ergänzen, dass die wichtigsten Vertreter der OSZE vor Ort, nämlich die Botschafterin Tagliavini, Vorsitzende der trilateralen Kontaktgruppe, heute auch in Berlin ist und an den Beratungen teilnimmt, ebenso wie Botschafter Apakan, der Leiter der zivilen Beobachtermission in der Ukraine.

Frage: Herr Schäfer, da die Vertreter der OSZE auch vor Ort sind: Wird es bei diesem Treffen auch um die deutsch-französische Initiative gehen, Drohnen des Typs LUNA für die OSZE bereitzustellen?

Herr Seibert, ging es in dem gestrigen Telefonat von Angela Merkel und Petro Poroschenko auch um Sanktionen?

StS Seibert: Ich kann zunächst einmal das Telefonat bestätigen. Es ging um die Themen, die wir hier, glaube ich, im Großen und Ganzen schon angesprochen haben: Stand der Einhaltung der Waffenruhe sowie des Abzugs schwerer Waffen, Stärkung der OSZE - die uns sehr wichtig ist und von der wir glauben, dass sie notwendig ist, um die Waffenruhe und den Abzug der Waffen überhaupt überprüfen zu können -, und dann vor allem auch der Einstieg in den politischen Prozess. Das waren im Wesentlichen die Themen des Telefonats.

Schäfer: Wenn da Vertreter der vier Nationen mit Vertretern der OSZE zusammenkommen, dann wird am Rande sicherlich auch über diese Fragen gesprochen. Die vier Staaten des Normandie-Formats haben sich ja auch schon gemeinsam dazu bekannt, dass die zivile Beobachtermission der OSZE gestärkt werden muss, um ihrer Rolle gerecht zu werden. Dazu gehört erstens, das ihr Mandat, das am 21. März ausläuft, möglichst zügig - das ja nur noch zwei Wochen und einen Tag lang läuft - verlängert wird. Dazu gehört auch, dass die OSZE personell, technisch und logistisch gestärkt wird. Das Drohnensystem LUNA haben wir an dieser Stelle vor einigen Tagen besprochen. Damals war meine Antwort so wie heute: Das Angebot steht, aber das Angebot ist in der Wiener Hofburg, dem Sitz der OSZE, in mannigfaltigen Diskussionen an manchen kleineren und auch einigen größeren Problemen bislang abgeprallt, sodass es da noch keine Einigung gibt.

Das ändert aber nichts daran, dass Deutschland und Frankreich beziehungsweise dass Berlin - ich spreche jetzt einmal für die Bundesregierung - nicht nur ein Interesse daran hat, die OSZE zu stärken, sondern der OSZE auch ganz konkret schon Vorschläge unterbreitet hat - darüber laufen auch schon Verhandlungen -, wie wir dazu beitragen können, dass die OSZE ihre Aufgabe möglichst optimal gerecht werden kann. Dazu gehört es zum Beispiel, dass wir überlegen, der OSZE sondergeschützte Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen; dazu gehört es, dass wir mit Hochdruck daran arbeiten, zusätzliche zivile Beobachter in die OSZE-Mission zu entsenden; und dazu gehört es auch, dass wir das Ziel verfolgen, der OSZE die Möglichkeit zu geben, Zugriff auf datengestützte Aufnahmen - etwa Satellitenaufnahmen - zu bekommen, die ihr ein besseres Lagebild verschaffen, etwa zu der Frage des Rückzugs schwerer Waffen. Da sind wir dran, da stehen Entscheidungen im Grunde auch unmittelbar an; es ist für mich hier und jetzt aber zu früh, um Ihnen das sozusagen schon mit Brief und Siegel zu verkünden.

Frage: Herr Schäfer, nur eine ganz kurze Frage zur Zeitplanung: Ist dieses Treffen auf heute befristet?

Schäfer: Ja, das ist ein Treffen, das über den Tag verlaufen wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass es aus irgendwelchen Gründen Verlängerungen geben sollte. Ich gehe aber sicher davon aus, dass sich die Staaten des Normandie-Formats auf unterschiedlichen Ebenen - mindestens auf der Ebene der Politischen Direktoren oder der Vizeaußenminister, so wie heute - auch in Zukunft weiter eng abstimmen und bestimmt auch zusammentreffen werden.

Frage: Herr Schäfer, können Sie noch einmal ganz kurz konkret sagen, was die Bundesrepublik jetzt zur Unterstützung anbieten kann?

Schäfer: Ich glaube, das hatte ich gerade gesagt - mehr als die drei Punkte, die ich genannt hatte, würde ich jetzt auch gar nicht sagen wollen - : Erstens zusätzliche personelle Verstärkung, zweitens Überlegungen dazu, wie man der OSZE Zugriff auf Daten - digitale Fotos etc., zum Beispiel über Satelliten - geben kann, und drittens Unterstützung durch technisch-logistische Hilfe, also zum Beispiel sondergeschützte Fahrzeuge, Hilfe bei medizinischer Ausrüstung - alles Dinge, die sich in den Anforderungslisten der OSZE an ihre Mitgliedstaaten widerspiegeln, und bei bestimmten dieser Dinge können wir entweder schneller, besser oder angemessener helfen und unterstützen.

Frage: Herr Gerhartz, eine technische Frage: Die Russen behaupten, dass mithilfe der Drohnen das russische Territorium ausspioniert werden könne. Wie weit kann so eine LUNA-Drohne denn nach Russland hineinschauen, wenn sie entlang der Grenze fliegt?

Gerhartz: Bevor ich das hier technisch beantworte: Ich denke, entscheidend ist jetzt - das hat gerade ja auch Herr Schäfer als Sprecher im Auswärtigen Amt gesagt -, dass die Waffenruhe durchgesetzt wird, und zwar nachhaltig und auch vollumfänglich.

Zu den technischen Details der LUNA-Drohne: Das ist ein punktuelles Aufklärungssystem mit einem ganz, ganz eng begrenzten Radius. Damit ist also nicht eine grenzüberschreitende Aufklärung über größere Gebiete möglich. Das ist wirklich ein punktuelles, sehr beschränktes Aufklärungsmittel.

Frage: Herr Plate, der "Focus" berichtet unter Bezug auf die Ukraine-Krise, dass es eine russische Spionageoffensive gegen Deutschland gebe. Können Sie solche Beobachtungen bestätigen?

Plate: Dazu kann ich nichts bestätigen. Es ist nicht ungewöhnlich - der Verfassungsschutzpräsident hat dazu in den letzten Wochen auch schon ein paar Mal öffentlich gesprochen -, dass es aus verschiedenen Ländern Spionageaktivitäten gegen Deutschland gibt; das können Sie bei Bedarf gerne nachlesen. Aber über eine solche konkrete Initiative kann ich nichts berichten.

Frage: An das Finanzministerium: Sind für das Wochenende irgendwelche Termine des Ministers oder von Staatssekretär Steffen zum Thema Griechenland absehbar?

Zweitens: Welchen Informationsstand haben Sie hinsichtlich der akuten Zahlungskrise Griechenlands? Ist da irgendetwas absehbar? Ich vermute, Sie würden nicht mehr sagen - wie noch vor zwei Tagen -, dass die Eurogruppe das Thema Griechenland eher nebenbei streifen wird?

Drittens. Ist Ihnen etwas von einem akuten und kurzfristigen Ersuchen des griechischen Ministerpräsidenten bekannt, mit Herrn Juncker zu sprechen, weil die Probleme so akut sind?

Jäger: Was etwaige Anfragen des griechischen Ministerpräsidenten an Herrn Juncker angeht, so kann ich dazu nichts sagen; dazu ist mir auch nichts bekannt. Es wird über das Wochenende keine gesonderten Termine des Ministers zu Griechenland geben. Wir werden am Montag - das haben Sie sehr richtig beschrieben - in Brüssel sein; denn am Montag tagt die Eurogruppe, und Griechenland wird ein regulärer Tagesordnungspunkt unter anderen sein.

Was die Liquiditätssituation Griechenlands angeht, so kann ich hierzu keinerlei Einschätzungen abgeben oder Aussagen machen.

Frage : Herr Jäger, in diesem Artikel war heute, was diesen Hilferuf angeht, ja auch davon die Rede, dass die griechische Regierung wohl das Ziel verfolge, aufgrund der angespannten finanziellen Lage sozusagen schon vorab Geld zu erhalten, und im Gegenzug würde man schon jetzt gewisse Reformen beschließen. Wäre das für die Bundesregierung oder für den Finanzminister ein mögliches Vorgehen, das man auch am Montag besprechen könnte - einfach als Maßnahme, um zu verhindern, dass Griechenland am Ende zahlungsunfähig wird?

Jäger: Dafür gibt es aus unserer Sicht keine Grundlage. Die Erklärung der Eurogruppe vom 20. Februar skizziert sehr eindeutig den zu gehenden Weg. Daran, dass Griechenland bis Ende April sein Reformprogramm im Detail ausarbeitet und mit den drei Institutionen abstimmt, wird festgehalten. Dieses Reformprogramm muss dann bis spätestens Ende Juni, denn so lange läuft das Programm, umgesetzt werden. Diese Umsetzung wird dann von den drei Institutionen begutachtet. Auf Grundlage der Einschätzung der drei Institutionen wird sich dann die Eurogruppe zusammensetzen, um festzustellen, ob die noch ausstehenden Mittel ausgezahlt werden können. Ich füge hinzu: In Deutschland muss dann außerdem der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags beteiligt werden.

Frage: Herr Jäger, der griechische Finanzminister soll eigentlich am Montag den Partnern eine Liste von Reformen präsentieren. Sind Sie darüber informiert, ob diese Liste außerdem schon an Herrn Dijsselbloem geschickt worden ist? Haben Sie Informationen darüber, was darin steht? Ist das noch am Wochenende zu erwarten?

Jäger: Dazu möchte und kann ich mich im Detail jetzt nicht äußern. Das müsste Ihnen der griechische Finanzminister selbst sagen, mit welchen Vorschlägen er am Montag zur Sitzung der Eurogruppe nach Brüssel reisen wird.

Frage: Ich tue mich immer schwer, Folgerungen aus solchen Texten zu ziehen. Können Sie mir einmal sagen, wann nach den Vereinbarungen der Eurogruppe frühestmöglich Geld an Griechenland fließen könnte - Ende April oder letztendlich erst im Juni?

Ich habe in Erinnerung, dass einzelne Tranchen doch wiederholt wieder in Subtranchen unterteilt worden sind. Gibt es die Möglichkeit, die Auszahlung irgendwelcher Subtranchen aus diesen noch ausstehenden 1,5 Milliarden Euro vorzuziehen oder zusätzliche Bedingungen zu formulieren, damit die gezahlt werden können?

Jäger: Sie haben recht: In der Vergangenheit gab es so etwas. In diesem Fall sehen wir das nicht. Das, über das wir jetzt reden, ist nämlich eine ausstehende letzte Tranche, und die Auszahlung dieser letzten Tranche setzt notwendigerweise voraus, dass das Programm erfolgreich abgeschlossen wird. Wann das der Fall sein wird, wissen wir nicht.

Wir haben in der Erklärung der Finanzminister einen Zeitplan vorgegeben. Sollte die griechische Regierung in der Lage sein, ihr Reformprogramm früher als Ende April im Detail auszuarbeiten und die Zustimmung der Troika dazu zu finden, und sollte dieses Programm entsprechend früher umgesetzt werden, dann wäre natürlich auch eine frühere Auszahlung möglich. Es gibt hier also keinen festgelegten Zeitpunkt, aber es gibt klar definierte und in ihrer Reihenfolge zu absolvierende Arbeitsschritte. Diese Reihenfolge ist für uns bindend. Sie ist Grundlage der gemeinsamen Erklärung. Wir werden uns entlang dieser Linie bewegen.

Zusatzfrage: Darf ich bitte noch einmal nachfragen, weil ich es nicht begreife? Vielleicht bin ich begriffsstutzig. Heißt das, was Sie gesagt haben, dass für eine Auszahlung letztendlich der Zeitraum zwischen April und Juni relevant ist? Kann das in diesem Zeitraum passieren? Wenn Griechenland sein Reformprogramm früher detailliert vorlegt, ist es ja nämlich immer noch nicht umgesetzt. Das heißt, es wäre wohl unrealistisch, zu meinen, dass schon quasi vor dem April beide Schritte gegangen worden sein werden.

Jäger: Ich will jetzt keine Vermutung dazu äußern, wann das der Fall sein kann. Hypothetisch könnten Sie sagen: Griechenland wird innerhalb der nächsten Woche sein Reformprogramm im Detail ausarbeiten und in der darauf folgenden Woche mit allen darin enthaltenen Maßnahmen in das Kabinett und dann in das Parlament gehen. Das überlasse ich Ihrer Einschätzung. Aber aus der Tatsache, dass die Eurogruppe Griechenland bis Ende April Zeit gegeben hat, das Reformprogramm im Detail auszuarbeiten, und dass das Programm bis Ende Juni verlängert wird, kann man gewisse Schlüsse ziehen.

Aber das liegt, noch einmal gesagt, letztlich allein an der griechischen Regierung. Es liegt völlig in der Hand der Griechen, wie schnell und wie gründlich sie hierbei vorgehen. All das, was die griechische Seite tut, muss dann von der Troika eingeschätzt und beurteilt werden und wird dann in der Eurogruppe diskutiert werden. Es ist nur eines klar: Das kann nicht länger als bis Ende Juni dauern, denn das Programm ist bekanntermaßen bis Ende Juni verlängert worden.

Frage: Der Eurogruppenchef, Herr Dijsselbloem, hat gesagt: Wenn Griechenland zum Beispiel mit den Reformen beginnt, dann kann es durchaus sein, dass auch die Zahlungen nach Athen zu fließen beginnen. - Wie ist diese Äußerung zu verstehen? Sind Sie auch damit einverstanden?

Jäger: Ich kann hier keine Äußerungen von Herrn Dijsselbloem interpretieren. Aber ich habe Ihnen, glaube ich, gerade sehr eindeutig und, wie ich hoffe, unmissverständlich die Haltung der Bundesregierung zu dieser Frage geschildert.

Zusatz: Die steht aber im krassen Gegensatz zu dem, was Herr Dijsselbloem schon gesagt hat.

Jäger: Das ist ein Schluss, den Sie ziehen müssen.

Zusatzfrage: (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Jäger: Ja.

Frage: Herr Plate, Ihr Chef hat gestern Abend von 1.000 Gefährdern in Deutschland gesprochen. Wie kommt er auf diese Zahl?

Plate: Die Zahl ist ja nicht neu. Das sind Zahlen, die in Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zusammengestellt werden.

Zusatz: Er hatte explizit gesagt, dass die Zahl neu sei. Er hat gesagt, er verkünde sie.

Plate: Nein. Die Zahl, die neu ist - ich habe es mir gestern auch angeschaut -, war die Zahl 650. Das ist die Zahl derjenigen, die in die Krisengebiete in Syrien ausgereist sind. Diese Zahl hat er als neu gekennzeichnet. Die andere Zahl ist nicht neu.

Zusatzfrage: Das Interessante ist, dass er vor noch nicht einmal acht Wochen von 250 Gefährdern gesprochen hat, auch im ZDF. Sie haben diese Zahl bestätigt. Hat sich die Zahl der Gefährder in Deutschland innerhalb der letzten acht Wochen also vervierfacht?

Plate: Nein, das ist nicht so. Da werden, glaube ich, ein paar Zahlen ein bisschen durcheinandergebracht. Zur Zahl 250: Mir ist jetzt, ehrlich gesagt, nicht in Erinnerung, in welchen Zusammenhang das erwähnt worden sein soll. Aber es gibt eine ganze Menge an Zahlenmaterial. Bei Interesse kann ich die Entwicklung der jeweiligen Zahlen gerne auch noch einmal schriftlich nachreichen; ich habe sie jetzt nicht alle auswendig parat. Aber es trifft nicht zu, dass die Zahl derjenigen, die als Gefährder bezeichnet werden, von 250 auf 1.000 in dem von Ihnen skizzierten Zeitraum angestiegen ist.

Zusatz: Die Zahlen haben Sie selbst nach den Anschlägen von Paris genannt.

Plate: Aber nicht unter der von Ihnen genannten Überschrift, sondern unter einer anderen. Das müssen wir vielleicht noch einmal im Protokoll von damals nachlesen. Ich habe es jetzt, ehrlich gesagt, nicht dabei. Aber die Zahl, die jetzt mit 1.000 angegeben worden ist, fällt nicht in die gleiche Kategorie wie die Zahl, die offenbar vor einiger Zeit mit 250 angegeben worden ist. Das ist nicht die gleiche Kategorie, sondern sozusagen ein Vergleich von Äpfel mit Birnen.

Frage: Herr Plate, wie wird denn der sogenannte Gefährder definiert? Sind das Leute, die aus Syrien zurückgekehrt sind, nachdem sie dort gekämpft haben, oder gilt man auch schon vorher als Gefährder?

Plate: "Gefährder" ist eine Kategorie, die dadurch skizziert wird, dass das Personen sind, die die Sicherheitsbehörden, etwas salopp gesagt, sozusagen auf dem Radar haben und in Bezug auf die wir konkrete Befürchtungen hegen, dass sie dafür infrage kommen, schwere Straftaten zu begehen.

Die Zahl der Rückkehrer aus Syrien ist eine ganz andere Zahl. Man kann sich ja vorstellen, dass nicht nur Leute, die nach Syrien gefahren sind und dann zurückkommen, dafür infrage kommen, hier schwere Straftaten zu begehen, sondern möglicherweise auch durchaus Leute, die zum Beispiel die ganze Zeit über in Deutschland gewesen sind. Das sind also einfach zwei ganz verschiedene Zahlen.

Die Rückkehrerzahlen sind so: Es gibt 650 Leute, von denen wir wissen, dass sie ausgereist sind. Davon ist grob etwa ein Drittel zurückgereist. Da gibt es natürlich immer eine gewisse Dunkelziffer - das ist auch völlig klar -, und es liegt in der Natur von Dunkelziffern, dass ich sie auch nicht näher spezifizieren kann. Aber etwa ein Drittel dieser 650 Leute ist zurückgereist und zwei Drittel sind nach wie vor im Ausland.

Die Zahl der Gefährder hat mit Aus- und Rückreisen im Prinzip nichts zu tun, aber es gibt natürlich einen Überschneidungsbereich: Diejenigen, die hierhin zurückgereist sind, fallen zumindest zum Teil auch unter die Rubrik der Gefährder. Nicht alle, die zurückgereist sind, sind aus Sicht des Bundesinnenministeriums und der Sicherheitsbehörden Gefährder, denn viele kommen auch völlig frustriert zurück, teilweise von dem geschockt, was sie dort erlebt haben, und werden nie wieder gewalttätig werden. Die gehören natürlich nicht zu den Gefährdern. Aber ein Ausschnitt aus diesen Zurückgereisten gehört zu den Gefährdern.

Zusatzfrage: Haben Sie Kapazitätsprobleme, wenn es darum geht, all die auf dem Schirm oder auf dem Radar zu haben, die Sie als Gefährder bezeichnen? Nimmt die Zahl zu oder nimmt das Problem zu, alle gleichmäßig und gleich gut zu beobachten?

Plate: Von Kapazitätsproblemen würde ich nicht sprechen wollen. Natürlich ist es so, dass man immer mehr Personal gebrauchen und es dann etwas großzügiger für die Aufgabe einsetzen kann, die Sie gerade geschildert haben, also dafür, diese Leute auf dem Schirm zu behalten, wie Sie es, glaube ich, genannt haben. Aber es ist ohnehin nicht so, dass die Sicherheitsbehörden ihre Aufgabe erfüllen, indem sie jetzt bei all diesen Menschen rund um die Uhr jemanden vor die Tür setzen. Wir haben da sehr viel zielgerichtetere Maßnahmen, um zu schauen, wie wir die Entwicklung rund um diese Personen beobachten und im Griff behalten.

Deshalb gilt: Probleme gibt es nicht. Man kann die Aufgaben durch Priorisierung und durch eine Verwendung eines zielgerichteteren Arbeitseinsatzes immer noch erfüllen. Selbstverständlich ist zusätzliches Personal immer eine Hilfe; das ist gar keine Frage.

Frage: Herr Plate, Sie sind Jurist. Können Sie uns noch einmal die Definition von "Gefährder" geben?

Plate: "Gefährder" ist kein juristischer Begriff. Insofern ist es keine juristische Definition, die ich Ihnen geben kann. Ich kann nur die Definition wiederholen, die ich gerade schon einmal genannt habe: Das sind Leute, bei denen aufgrund der Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden konkrete Befürchtungen in Bezug darauf bestehen, dass sie schwerwiegende Straftaten begehen.

Zusatzfrage: Könnten das also auch Neonazis sein?

Plate: Das könnten potenziell auch Neonazis sein. Ich müsste aber nachreichen, ob das mit diesem Begriff tatsächlich gemeint ist; das ist mir hier jetzt ad hoc nicht präsent. Das kann ich gerne tun.

Zusatz: Ja, das wäre wichtig.

Plate: Gerne!

Frage : Herr Strater, Herr Dobrindt unterstützt die Pläne, den Flughafen Leipzig zum Ausweichflughafen von Berlin zu machen. Dazu habe ich zuerst einmal zwei Fragen: Welche Funktion könnte der Flughafen Leipzig/Halle da konkret übernehmen? Soll der BER dann sozusagen in der Folge nicht erweitert werden, wenn zusätzliche Millionen Fluggäste dort erwartet werden?

Strater: Zur ersten Frage: Der sächsische Ministerpräsident Tillich hat ja angekündigt, mit allen regional Beteiligten ein Konzept erarbeiten zu wollen. Dafür, dies zu erstellen, müssen wir ihm jetzt auch erst einmal Zeit geben. Der Minister hat gesagt: Er hegt Sympathie für den Vorschlag, Synergien zwischen Leipzig und dem BER zu entwickeln. Wenn Sachsen jetzt weitere Überlegungen anstellt und Konzepte entwickelt, dann kann der Minister nichts dagegen haben.

Zum BER hat er sich vor einiger Zeit auch schon in einem Interview geäußert. Es ist jetzt erst einmal wichtig, den BER fertigzustellen, sodass er in Betrieb gehen kann. Wenn er in Betrieb gehen wird, dann wird er genügend Start- und Landekapazitäten bieten. In Bezug auf Synergien zwischen dem BER und dem Flughafen Leipzig müssen wir uns jetzt, wie gesagt, erst einmal das Konzept des Landes Sachsen anschauen, und dann kann man in Ruhe über Weiteres reden.

Zusatzfrage: Wünscht sich der Minister denn so eine Zusammenarbeit zwischen dem BER und Leipzig/Halle? Würde er dann auch bei der Bahn darauf drängen, dass es eine noch schnellere Verkehrsverbindung gibt?

Strater: Das Land Sachsen ist ja, wie ich es heute auch der Presse entnommen habe, schon mit der Bahn im Gespräch. Es gibt dort ja auch einen Bahnhof. Wenn Sie sich den Satz, dass er Sympathie für Synergien zwischen dem BER und dem Flughafen Leipzig hegt, genau anschauen, dann können Sie daraus ja schon eine Menge schließen.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMAS: Nun ist die Forderung aus der Unionsfraktion laut geworden, dass man bei der Tarifeinheit noch einmal nachjustieren sollte, was das Thema "Kooperationsbereitschaft von Mehrheitsgewerkschaften" angeht. Sieht das BMAS irgendeinen Handlungsbedarf, dort noch einmal nachzubessern?

Küchen: Vielen Dank für die Frage. Wie Sie ja wissen, befindet sich das Gesetz zur Tarifeinheit jetzt im parlamentarischen Verfahren. Der Respekt vor der Hoheit des Gesetzgebers gebietet mir einfach, es jetzt dabei zu belassen und diese Forderung nicht weiter zu kommentieren. Der Ball liegt im Parlament.

Frage: Das passt zu diesem Thema der Tarife: Es geht um das Thema, Betriebsrenten in Tarife einzugliedern. Rechnet die Ministerin da mit erheblichem Widerstand der Union, des Wirtschaftsflügels oder der Wirtschaft allgemein?

Küchen: Da möchte ich vielleicht noch einmal einen Schritt zurückgehen: Es handelt sich bei dem, was in der Presse kolportiert wird, um erste Vorschläge der Arbeitsebene. Ich möchte mich hier jetzt also ausdrücklich davon distanzieren, dass das quasi schon der abgestimmte Weg sei, der eingeschlagen werden wird. Das ist ein erster inhaltlicher Vorschlag. Der wird am kommenden Montag beraten werden. Alles Weitere wird dann geklärt werden.

Frage: Ich möchte noch einmal das Finanzministerium fragen, und zwar zum schon am Mittwoch ausgiebig abgehandelten Thema Soli.

Nachdem man von den Ländern eigentlich durchweg nur negative Äußerungen zu diesem neuen Vorschlag des langsamen Abschmelzens gehört hat - ich habe jedenfalls keine einzige positive gehört -, ist das eigentlich noch ein Vorschlag, den man angesichts dieses Widerstands von der Länderseite noch weiter verfolgen kann?

Mich interessiert zum Zweiten zur Klarstellung Folgendes: Der Vizechef der Unionsfraktion, Herr Fuchs, hat das am Mittwoch Gesagte so interpretiert, dass der Vorschlag, den Soli in die Einkommensteuer zu integrieren, vom Tisch sei. Hat er damit die Kanzlerin richtig verstanden?

Mich würde zum Dritten interessieren, ob die verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich einer Verlängerung mit Abschmelzvorgang, die der ehemalige Verfassungsrichter Papier angebracht hat, Bedenken sind, die das Finanzministerium nachvollziehen kann und die möglicherweise auch diesem neu ins Gespräch gebrachten Modell widersprechen oder es in Gefahr bringen.

Jäger: Ich fange vorne an: Der Bundesfinanzminister hat seit Mittwoch eine Reihe von Gesprächen mit Vertretern der Bundesländer geführt. Das Ergebnis dieser Gespräche ist, dass wir die zukünftigen Gespräche zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nach 2019 auf Basis der Annahme einer stufenweisen Abschmelzung des Solidaritätszuschlags führen werden.

Was die rechtliche Einschätzung von Herrn Papier angeht, kann ich mich hier nicht dazu äußern. Ich möchte aber dennoch unterstreichen, dass wir nach einer sehr gründlichen internen Prüfung der rechtlichen Aspekte einer stufenweisen Abschmelzung des Solis der Auffassung sind, dass eine solche Lösung rechtlich Bestand haben wird.

Zusatzfrage: Bedeutet das Gesagte, dass dieser Vorschlag zur Eingliederung in die Einkommensteuer damit als Option vom Tisch ist?

Jäger: Darauf kann ich nur die gleiche Antwort wie auch schon am Mittwoch geben: Ich sage Ihnen, dass der Bundesfinanzminister von nun an auf Basis der Annahme einer stufenweisen Abschmelzung des Solis in die Gespräche gehen wird. Die Frage, ob es aufseiten der Länder noch Länder geben wird, die am Modell der Integration des Solidaritätszuschlags in die Einkommensteuer festhalten, kann ich nicht beantworten. Das müssten Sie die Länder fragen. Deswegen kann ich natürlich auch keine Antwort auf die Frage geben, ob dieser Vorschlag nach wie vor auf den Tisch ist. Es ist nämlich klar, dass wir hier Gespräche von zwei Seiten führen, und jeder geht mit seinen Grundannahmen in solche Gespräche hinein. Was die Grundannahmen des Bundesfinanzministeriums angeht, habe ich Sie jetzt eben darüber unterrichtet, welche das sind. Aber was die Länder in diesen Gesprächen fordern werden, müssten Sie bitte bei den Ländern selbst erfragen.

Frage: Herr Jäger, Sie sagten: "Die Gespräche finden künftig auf Basis einer Annahme des Abschmelzens des Zuschlags statt." Bei wem liegt denn der Ball, dieses Abschmelzen als Vorschlag anzunehmen - bei den Ländern oder bei den Koalitionspartnern? Wer muss jetzt entscheiden, ob dieser Vorschlag angenommen wird?

Jäger: Nein, dann haben Sie mich missverstanden. Ich kann hier nur für das Bundesfinanzministerium sprechen, und es ist die Aufgabe, die dem Bundesfinanzminister übertragen wurde, seitens des Bundes Gespräche mit den Ländern über eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nach 2019 zu führen. Diese Gespräche wird er - das haben die Gespräche seit Mittwoch ergeben - von nun an führen, und zwar in der Annahme oder unter der Voraussetzung, dass die Position des Bundes ist, dass wir den Solidaritätszuschlag stufenweise abschmelzen wollen.

Zusatzfrage: Geht es also um eine Annahme nicht im Sinne eines Akzeptierens, sondern im Sinne einer Erwartung?

Jäger: Ja, genau so.

Frage : Herr Toschev, das heißt, dass der Wirtschaftsminister, also die SPD Seite, dem jetzt auch so zugestimmt hat. Richtig?

Toschev: Die Diskussion bewegt sich ja sehr stark auf der Parteienebene. Der Parteivorsitzende hat sich am Mittwoch dazu geäußert. Er hat auf die aus seiner Sicht wesentlichen Punkte verwiesen, nämlich darauf, keine neuen Schulden zu machen, den Aufbau Ost fortzusetzen und die Bund-Länder-Finanzbeziehungen solidarisch auszugestalten. Auf die hat Herr Jäger gerade verwiesen.

Zusatz: Ich habe das jetzt nicht mehr als Diskussion, sondern als Kurs der Bundesregierung angesehen, demzufolge als eine vorhergehende Entscheidung.

Toschev: Es bleibt Ihnen überlassen, wie Sie das sehen.

Zusatzfrage: Ist das so, oder ist das nicht so?

Toschev: Ich habe auf die Äußerungen des Parteivorsitzenden und auf die Tatsache verwiesen, dass er auf die Ausgestaltung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen verwiesen hat. Alles Weitere hat Herr Jäger geschildert.

Zusatzfrage: Herr Jäger, gibt es eine Entscheidung innerhalb der Bundesregierung?

Jäger: Ich kann nur ergänzen: Wir haben die drei Elemente, die Herr Gabriel genannt hat, ja auch zur Kenntnis genommen. Das sind ganz sicher Elemente, die man in den nun beginnenden Gesprächen berücksichtigen kann.

Frage: Herr Jäger, wenn Sie von Gesprächen sprechen, die der Minister geführt hat, dann frage ich: Hat er noch einmal mit Herrn Gabriel über dieses Thema Gespräche geführt?

Jäger: Er hat mit einer Reihe von Gesprächspartnern gesprochen. Ich werde Ihnen jetzt nicht aufzählen, mit wem im Einzelnen. Aber hierfür gilt wie in allen anderen Fällen: Gehen Sie grundsätzlich davon aus, dass der Bundesfinanzminister nur auf Grundlage gesicherter Annahmen in solche Gespräche hineingeht.

Frage: Das letzte Mal, als Sie darüber gesprochen haben, war noch davon die Rede, dass es nach wie vor diese zwei Optionen gebe. Jetzt gibt es aus Sicht des Finanzministeriums nur noch diese eine Option. Richtig?

Jäger: Nein, nach wie vor sind verschiedene Optionen denkbar, insbesondere zwei. Ich habe vorhin darauf hingewiesen, dass es nun offenkundig Vertreter auf der Länderseite gibt, die am Integrationsmodell festhalten wollen. Nachdem der Bundesfinanzminister aber seit Mittwoch eine Reihe von Gesprächen geführt hat, ist für uns als Finanzministerium klar, dass wir die zukünftigen Gespräche mit den Ländern auf Basis des Vorschlags führen werden, den Solidaritätszuschlag stufenweise abzuschmelzen.

Frage: Herr Toschev, die Betreiber des Gaskraftwerkes Irsching in Oberbayern planen, dieses Kraftwerk 2016 stillzulegen. Wie steht das Wirtschaftsministerium zu diesen Plänen?

Der bayerische Ministerpräsident Seehofer gibt Herrn Gabriel die Schuld an diesen Plänen. Teilen Sie diesen Vorwurf?

Toschev: Danke für die Frage! Wir haben die Meldung, dass beabsichtigt ist, das Gaskraftwerk Irsching stillzulegen, auch zur Kenntnis genommen. Soweit bekannt ist, ist bisher weder bei dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet noch bei der Bundesnetzagentur die erforderliche Stilllegungsanzeige eingegangen. Nach dem Energiewirtschaftsgesetz ist diese Anzeige mindestens ein Jahr vorher zu stellen.

Entscheidend für uns ist, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet ist. Dies ist der Fall. Wir haben derzeit - deutschlandweit und auch europaweit betrachtet - Überkapazitäten. Wir haben Instrumente, um die Versorgungssicherheit auch in Wintermonaten und in Spitzenlastzeiten zu sichern, nämlich mit dem Wintergesetz und der Reservekraftwerksverordnung. Zu bewerten, welche Schlüsse jetzt zu dieser Meldung geführt haben - es liegt ja, wie gesagt, noch keine Anzeige vor -, ist Sache des Unternehmens.

Wir haben auch für die künftige Ausgestaltung des Strommarkts einen Prozess aufgesetzt, im Rahmen dessen eben genau geschaut werden soll, wie sich der künftige Strommarkt eigentlich darstellen soll. Wir haben ein Grünbuch mit verschiedenen Optionen vorgelegt. Das haben wir konsultiert. Dafür sind 700 Stellungnahmen eingegangen. Das geht jetzt in ein Weißbuch und dann in gesetzgeberische Maßnahmen über. Das sind sozusagen die Instrumente und der Fahrplan für die künftige Ausgestaltung der Versorgungssicherheit.

Zusatzfrage: Was sagen Sie zu dem Vorwurf des bayerischen Finanzministers, Herr Gabriel sei durch Verzögerungen bei der Energiewende für diese Pläne der Betreiber verantwortlich?

Toschev: Das eine ist die konkrete Frage, was die Betreiber dazu motiviert, gegebenenfalls solch eine Stilllegungsanzeige zu stellen. Das ist eine unternehmerische Bewertung. Wir haben ganz klar das Bestreben, die Energiewende zügig und systematisch voranzubringen. Wir haben einen entsprechenden Punkteplan vorgelegt, und wir bewegen uns dabei genau im Rahmen. Wir haben, wie gesagt, den Grünbuch-Prozess auch im Rahmen vollzogen, und jetzt sind wir bei der nächsten Stufe. Wir bewegen uns dabei also auch genau im verkündeten Zeitplan.

Frage: Wenn Sie sagen, die Versorgungssicherheit sei derzeit gegeben, dann bezieht sich das ja auf eine Situation, in der es Irsching gibt. Wäre die Versorgungssicherheit in der betreffenden Region ohne das Gaskraftwerk nicht gegeben?

Zweitens interessiert mich Folgendes: Wenn diese Stilllegungsanzeige denn kommen sollte, wer entscheidet dann ganz formal darüber, ob dieses Kraftwerk aufgrund gesamtwirtschaftlicher Überlegungen auch über 2016 hinaus mit Subventionen weiter am Leben erhalten wird? Wer macht das, das Wirtschaftsministerium oder die Bundesnetzagentur?

Toschev: Ich fange einmal hinten an: Das macht die Bundesnetzagentur in Zusammenarbeit mit dem Übertragungsnetzbetreiber. Dort geht die Stilllegungsanzeige jeweils ein, bei beiden. Die Bundesnetzagentur prüft dann den Bedarf an Reservekraftwerken zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit. Die beantwortet dann auch genau die von Ihnen aufgeworfene Frage: Wenn die entsprechenden Blöcke - es geht ja, glaube ich, um bestimmte Blöcke - wegfallen würden, wäre die Versorgungssicherheit in der Region dann weiterhin gewährleistet, oder bedarf es eben bestimmter Instrumente? - Das ist die erwähnte Reservekraftwerksverordnung.

Die Bundesnetzagentur kann also feststellen, dass ein Kraftwerk oder ein bestimmter Teil eines Kraftwerks systemrelevant ist und entsprechend weiter betrieben werden muss, und sie sieht entsprechende Vergütungen vor. Das ist aber ein sehr einzelbezogenes Instrument, das temporär begrenzt ist und das wir durch diesen von mir erwähnten Prozess in eine generelle Ausgestaltung des künftigen Strommarktdesigns überführen wollen.

Frage: Herr Toschev, betreibt E.ON mit solchen Überlegungen das Geschäft des Wirtschaftsministers? Nicht, dass es gezielte Absicht wäre, weil Sie sicherlich wirtschaftliche Argumente haben, aber quasi als Nebeneffekt, dass dadurch Herr Seehofer so sehr unter Druck gerät, vielleicht doch Trassen zuzustimmen, um eine Versorgung Bayerns auch in Zukunft zu sichern?

Toschev: Der Betrieb von Kraftwerken ist Aufgabe der Betreiber und nicht des Wirtschaftsministeriums. Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass es genügend Kraftwerke gibt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Und das tun wir. Ich teile die Grundannahme nicht so ganz, die, glaube ich, in der Frage mitschwingt.

Zusatzfrage : Wenn die Zahl der Kraftwerke vielleicht irgendwann nach dem Abschalten der verbliebenen AKW in Bayern nicht mehr ausreicht, wenn Irsching, das ja eine gewaltige Kapazität hat, vielleicht tatsächlich vom Netz ist, braucht man vielleicht doch den Strom aus dem Norden. Diese Trassen gehören zur Energiewende, die der Wirtschaftsminister vertritt, und er will ja auch diese Trassen. Es gibt ein Netzausbaugesetz, und es ist ja quasi beschlossen und Plan dieser Bundesregierung. Herr Seehofer hat sich bisher dagegen gewehrt. Gerät er jetzt durch die angekündigte Schließung oder Stilllegung von Irsching quasi so unter Druck, dass dieser am Ende dem Plan der Regierung zustimmen muss?

Toschev: Sie beschreiben den Prozess zum Trassenausbau ganz richtig. Es gibt einen entsprechenden Fahrplan zum Ausbau der erneuerbaren Energien und dazu, den Anteil erneuerbarer Energien zu steigern - das ist insbesondere durch Onshore-Windenergie der Fall -, und es gibt den entsprechenden Trassenbau, der von der Bundesnetzagentur als notwendig anerkannt wurde. Es gibt natürlich die verschiedenen Verfahren: Wo sollen die Trassen entlang laufen? Wie sollen sie im Einzelnen ausgestaltet werden? Das wird von der Bundesnetzagentur jeweils vor Ort konsultiert. Das ist das eine.

Dieser notwendige Ausbau steht im Bundesbedarfsplangesetz. Es ist damit energiewirtschaftlich vorgegeben, dass wir, wenn wir diesen Anteil an erneuerbaren Energien erreichen wollen, diesen auch brauchen.

Die zweite Frage ist: Was brauchen wir daneben, um auch in Spitzenlastzeiten genug Strom zu produzieren, wenn eben nicht genug Wind weht, wenn nicht genug Sonne scheint? Welche Kraftwerke sind dafür notwendig und was sollen sie dafür gegebenenfalls erhalten? Das ist genau die Frage, die jetzt in diesem Grünbuch-Weißbuch-Prozess geklärt wird.

Die politische Bewertung der Frage, ob das sozusagen mehr Druck erzeugt, überlasse ich Ihnen. Ich schildere nur, welche energiewirtschaftlichen Instrumente es gibt und wie der Bedarf von der Bundesnetzagentur festgestellt wurde.

Frage: Herr Toschev, der bayerische Ministerpräsident hat gerade der ARD gesagt, dass es geradezu ein Treppenwitz sei, ausgerechnet das mordernste Gaskraftwerk stillzulegen, weil die Entscheidung über den Energiemarkt hier in Deutschland noch nicht getroffen sei. Das hat er mit der Aufforderung an Ihren Minister verbunden, doch schnellstmöglich für Klarheit zu sorgen. In welchem Zeitraum könnte denn Klarheit entstehen?

Toschev: Wenn Sie sich die genaue Agenda anschauen, die auf unserer Internetseite verfügbar ist, so sind wir von der Stufe Grünbuch in die Stufe Weißbuch eingetreten. Wir schauen uns momentan die über 700 eingegangenen Stellungnahmen an, die, soweit es geht, online gestellt werden. Sie sehen schon an der Anzahl, dass es natürlich Konsultationsbedarf und einen hohen Bedarf der Beteiligten gibt, ihre Meinung vorzubringen. Wir wollen das sehr schnell und zügig anpacken.

Zusatzfrage: Ich habe mir gerade überlegt, ob Ihr Minister Herrn Seehofer auf die Website des Ministeriums verweisen würde, wenn er ihn anrufen würde. Wahrscheinlich nicht.

Toschev: Ich verweise Sie darauf, weil Sie mich fragen, wie der Zeitplan ist. Der Zeitplan ist dort niedergeschrieben.

Zusatzfrage: Es gibt aber keine konkreten Gesprächsanmeldungen des bayerischen Ministerpräsidenten beim Bundeswirtschaftsminister, von denen Sie schon wissen?

Toschev: Nein, aktuell hierzu nicht.

Plate: Ich möchte gerne die Gelegenheit nutzen, auf die Frage, die in erster Linie von Herrn Jung gestellt worden ist, etwas zu ergänzen, zu präzisieren und auch ein Stück weit das zu korrigieren, was ich vorhin gesagt habe.

Zunächst zu dem Begriff "Gefährder": Dieser Begriff ist ein polizeilich geprägter Begriff. Die Definition ist im Wesentlichen so, wie ich es gerade gesagt habe. Ich lese aber noch einmal die genaue Definition vor, weil sie etwas präziser ist:

Das ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne von 100a Strafprozessordnung, begehen wird.

Das bedeutet, dass auch Personen aus dem rechts- oder linksextremen Spektrum grundsätzlich unter diesen Gefährder-Begriff fallen. Die Zahl von rund 250, die Sie vorhin genannt haben, ist ein Ausschnitt aus diesem Gefährderbereich. 270 Personen - Stand Januar 2015 -, die dem islamistisch-terroristischen Spektrum zuzuordnen sind, sind als Gefährder eingestuft. Vergleichsweise sei genannt: Aus dem rechtsextrem Spektrum werden 12 Personen als Gefährder eingestuft, aus dem linksextrem Spektrum momentan 6 Personen.

Dann hatten Sie bezüglich der 250 nach der Entwicklung gefragt und wie es vorher war. Zum Vergleich: Im November waren es 240. Das heißt, zwischen November und Januar ist die Zahl solcher Gefährder, die dem islamistisch-terroristischen Spektrum zugeordnet werden, von 240 auf 270 angestiegen.

Dann war die Zahl 1.000 im Raum. Bei der Zahl 1.000 handelt es sich nicht um Gefährder, sondern ganz generell um Angehörige des sogenannten islamistischen Personenspektrums. Das sind nicht alles Gefährder, und deswegen ist die Zahl größer.

Frage: Der Innenminister hat sich also gestern geirrt, als er von 1.000 Gefährdern gesprochen hat?

Plate: Er hat sich, wenn Sie so konkret fragen, nicht geirrt. Er hat sich aber in der Tat versprochen, was die Zahl 1.000 angeht.

Frage: Herr Schäfer, dpa meldet gerade aus Paris, dass Bundesaußenminister Steinmeier morgen nach Paris reisen wird, um das weitere Vorgehen in Sachen iranisches Atomdossier mit seinen amerikanischen, französischen und britischen Kollegen zu erörtern. Können Sie ein solches Treffen bestätigen?

Schäfer: Ja, das ist korrekt. Der Außenminister plant im Anschluss an das informelle Außenministertreffen in Riga - das ist das sogenannte Gymnich-Treffen, das zweimal im Jahr stattfindet; er ist gerade dort gelandet - morgen am frühen Nachmittag nach Paris zu reisen. Es ist beabsichtigt, dass es dort zu einem Zusammentreffen mit dem amerikanischen, dem britischen und dem französischen Außenminister kommt. Ganz oben auf der Tagesordnung stehen in der Tat Fragen rund um die Verhandlungen mit dem Iran im E3+3-Kreis. Das stimmt, und das kann ich bestätigen.

Frage: Es gab zumindest ein bisschen Verwirrung bei mir, was die Aufarbeitung dessen angeht, wie viele Dinge in Sachen Rüstungsgeschäften nun eigentlich nach Saudi-Arabien exportiert wurden. Vielleicht können Sie ein bisschen für Aufklärung sorgen: Gab es in diesem Jahr Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien? Wenn ja, in welchem Umfang?

Schäfer: Sie schauen mich so an.

Zusatz: Die Frage richtet sich an das Wirtschaftsministerium oder an Herrn Seibert.

Toschev: Ich kann dazu etwas sagen. Meinen Sie, im Jahr 2015?

Zusatz: Speziell Januar 2015.

Toschev: Ich habe die Zahlen nicht parat. Wir haben dazu eine parlamentarische Anfrage beantwortet, die sich auf das letzte Quartal 2014 einschließlich Januar 2015 bezog, in der die Gesamtzahlen und meines Erachtens auch die Zahlen für die MENA-Regionen - Nordafrika und Naher Osten - aufgeführt wurden. Ich würde Sie auf unsere Internetseite verweisen, wo das zu finden. Dort steht das aktuellste Zahlenmaterial.

Frage: Herr Schäfer, wir hatten vor ein paar Wochen über das Verhältnis zu Saudi-Arabien gesprochen. Der Innenminister hat gestern gesagt, dass das System in Saudi-Arabien vollständig inakzeptabel und mit unserem Rechts- und Kulturverständnis nicht im Entferntesten vereinbar sei. Gibt es eine Dissonanz zwischen Innen- und Außenministerium?

Schäfer: Ich fürchte, zu den Aussagen des Innenministers müssen Sie den Sprecher des Innenministers befragen.

Plate: Ob das eine Dissonanz ist oder nicht, ist für mich relativ schwer zu beurteilen. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das so ist. Die Aussagen, die Herr Schäfer getätigt hat, und die mir bekannten Aussagen des Außenministers - wenn Sie nach Differenzen fragen, muss man notwendigerweise vergleichen -, gehen doch sehr in eine ähnliche Richtung. Ich habe nicht den Eindruck, dass es sich um eine Differenz handelt. Wenn Sie das anders bewerten mögen, kann ich Ihnen das natürlich nicht verbieten. Tun Sie das, wenn Sie mögen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es diesbezüglich eine nennenswerte Differenz gibt.

Frage: Herr Toschev, wird der Wirtschaftsminister bei seiner Reise nach Saudi-Arabien direkt den Fall Badawi ansprechen?

Toschev: Das kann ich Ihnen im Vorfeld nicht sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass er wiederholt klargemacht hat - in einem Interview am letzten Wochenende, aber auch anlässlich seines Treffens mit dem saudischen Ölminister am Mittwoch hier in Berlin -, dass das Thema Menschenrechte natürlich von großer Bedeutung ist. Er hat das in der Rede, die verfügbar ist, thematisiert.

Er hat auch klargemacht, dass Betroffenen nicht geholfen ist, wenn öffentlich über ihre Situation und den Umgang damit gesprochen wird.

Frage: Wir waren vorhin schon bei den iranischen Atombomben. Ich wollte einmal zu den amerikanischen Atombomben in Deutschland kommen. Herr Schäfer, können Sie einmal kurz erklären, warum die amerikanischen Atombomben in Deutschland bleiben müssen?

Schäfer: Ich glaube nicht, dass ich dazu etwas sagen sollte. Das entscheiden in erster Linie einmal die Amerikaner. Es gibt in der Tat ein Interesse der Bundesregierung an "Global Zero", also an einer Welt ohne Atomwaffen. Eine Welt ohne Atomwaffen wäre auch eine Welt ohne Atomwaffen auf deutschem Boden. Auf dem Weg zu diesem Ziel arbeiten wir mit aller Kraft im Rahmen unserer Abrüstungspolitik. Die Welt ist allerdings so, wie sie ist. Wir sind weder Illusionisten noch Naivlinge. Deshalb wissen wir, dass das ein dickes, fettes Brett ist, das wir dabei bohren müssen. Wir wissen aber auch andere wichtige Partner an unserer Seite. Auch die amerikanische Regierung unter Präsident Obama vertritt das Ziel von "Global Zero". Da sind wir noch nicht - das wird sicherlich auch noch viele Jahre brauchen -, aber wir werden an diesem Ziel weiter festhalten und daran arbeiten. Das würde dann gegebenenfalls womöglich auf deutschem Boden stationierte Atomwaffen betreffen.

Zusatzfrage: Ich habe noch nicht ganz verstanden, warum das die Amerikaner entscheiden. Wenn Deutschland will, dass auf deutschem Boden keine Atombomben sein sollen, warum kann dann Deutschland nicht sagen "Raus mit diesen Atombomben"?

Schäfer: Ich glaube, Sie dürfen allianzpolitische Absprachen unter Bündnispartnern nicht unterschätzen. Es geht um gemeinsame Entscheidungen über die Verteidigung des Nato-Gebiets. Da sind einseitige Entscheidungen - von wem auch immer; jedenfalls auch von deutscher Seite - gänzlich unangebracht.

Frage: Herr Strater, es wird gemeldet, dass Telefónica bei der Bundesnetzagentur unter anderem gegen die Frequenzauktion auf dem Digitale-Dividende-2-Spektrum klagen möchte. Ich würde gerne von Ihnen erfahren, ob es seitens des BMVI Bedenken gibt, dass sich diese Auktion verzögern und damit der Mittelzufluss zu einem Breitbandausbau verzögern könnte.

Strater: Wenn ich es im Vorfeld dieser Regierungspressekonferenz richtig gesehen habe, hat sich die Bundesnetzagentur heute zu dem Thema geäußert. Sie rechnet nicht mit Verzögerungen.

Zusatzfrage: Rechnet denn das BMVI mit Verzögerungen?

Strater: Da das Ganze bei der Bundesnetzagentur läuft, vertraue ich den Aussagen, die von dort getätigt werden.

Freitag, 6. März 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 6. März 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/03/2015-03-06-regpk.html;jsessionid=F6106CF74C55D4187AABFB51B323302D.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2015

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