Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


PRESSEKONFERENZ/1017: Kanzlerin Merkel und der italienische Ministerpräsident Renzi, 01.07.2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Bundeskanzleramt - Mittwoch, 01. Juli 2015
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem italienischen Ministerpräsidenten Renzi

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)


BK'in Merkel: Ich freue mich, dass mein italienischer Kollege Matteo Renzi heute in Deutschland ist. Ich erinnere mich noch sehr gerne an meinen Besuch in Florenz, dieser wunderschönen Stadt. Einen David als Hintergrund zur Pressekonferenz kann ich nicht bieten, sondern nur eine einfache blaue Wand.

Ich freue mich auch, Matteo, dass du heute die Ehre hattest, die Humboldt-Lektionen in Berlin an der Humboldt-Universität zu halten. Wir haben das genutzt, um uns unsererseits auszutauschen, und zwar zum einen über ein Thema, das bei deinem ersten Besuch hier eine Rolle gespielt hat, nämlich: Wie geht es weiter in Italien mit den Reformen? Du hattest einen sehr ambitionierten Plan, und es ist schon beeindruckend, in welcher Weise die Dinge jetzt umgesetzt sind - von den institutionellen Reformen bis zum sogenannten "Jobs Act", also den Projekten in der Arbeitsmarktpolitik. Ich muss sagen: Wenn man sich die Perspektiven des italienischen Wachstums anschaut, dann stellt man fest, dass die Richtung stimmt. Ich wünsche dir auch weiterhin sehr viel Erfolg!

Wir haben uns dann noch einmal kurz über die Flüchtlingsfrage ausgetauscht. Wir haben hierzu beim letzten Europäischen Rat gemeinsam Positionen vertreten und deutlich gemacht, dass wir eine faire Verteilung der Flüchtlinge in Europa brauchen. Unsere Innenminister werden auf diesem Gebiet auch sehr eng zusammenarbeiten, wenn es demnächst den Justiz- und Innenministerrat Anfang Juli geben wird.

Wir haben uns dann auch über die Situation in Griechenland ausgetauscht. Ich für meinen Teil habe noch einmal das wiederholt, was heute im Bundestag Thema der Debatte war. Wir sind uns hier einig: Die Gesprächstüren werden offen bleiben. Ansonsten kann ich nur noch einmal wiederholen, dass wir natürlich eine Situation brauchen, in der auch umfassende Reformen in Griechenland so durchgeführt werden, dass daraus dann auch nachhaltiges Wachstum entstehen kann - so wie das in einigen anderen Ländern Europas der Fall ist, die bereits ein solches Programm durchlaufen haben.

Ich möchte mich bedanken für eine sehr enge Zusammenarbeit. Auch dann, wenn wir uns nicht persönlich sehen, haben wir viele Kontakte. Ich glaube, dass wir gemeinsam an unserem Haus Europa bauen, und auch, wenn es einmal Widerstände gibt - wie jetzt die unterschiedlichen Positionen im Bereich der Flüchtlinge -, so muss man einfach das dicke Brett bohren und versuchen, gemeinsame Antworten zu finden.

Also noch einmal herzlich willkommen!

MP Renzi: Vielen Dank, Angela - herzlichen Dank für die Einladung.

Heute ist für mich ein ehrenreicher Tag, denn an der Humboldt-Universität sprechen zu dürfen, ist etwas wirklich Unglaubliches. Ich bin durch die Galerie der Hochschulabsolventen dieser Universität gegangen, und es war wirklich wunderbar für mich.

Es war auch sehr schön für mich, die Zeit zu haben, ein wichtiges deutsches Unternehmen mit einer italienischen Beteiligung zu besuchen, nämlich die Berlin-Chemie. Ich habe dort zusammen mit dem deutschen Botschafter auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer getroffen.

Ich bin sehr zufrieden mit unserer gegenseitigen bilateralen Arbeit. Unsere Arbeit wächst und ist in vielen Bereichen sehr bemerkenswert. Angela war entscheidend auf dem Gipfel am Donnerstagabend, als es darum ging, dass wir eine gemeinsame Position zu den Flüchtlingen teilen konnten. Ich habe es bereits gesagt, und das wiederhole ich: Das ist kein Problem, für das Italien Hilfe braucht; Italien kann auch allein das Problem lösen, Italien kann es sich leisten, das allein zu erledigen. Aber Europa kann sich nicht leisten, dass Italien das Problem allein löst, denn Europa ist auf Idealen aufgebaut. Diese Position war eine gewinnende Position auf dem Europäischen Rat - auch dank dem persönlichen Engagement von Angela. Ich danke ihr dafür herzlich.

Ich möchte die Gelegenheit auch nutzen, um allen deutschen, italienischen, britischen, irischen, dänischen, spanischen Kräften und den italienischen Ordnungskräften zu danken, die heute eine hochrangige Operation durchgeführt haben. Dabei wurde eine wichtige Terrorzelle vernichtet, die in Italien tätig war, aber Terroranschläge in Nordafrika durchführte.

Wir haben auch über Griechenland gesprochen. Die Entscheidung, eine Volksabstimmung in Griechenland durchführen zu lassen, ist meiner Meinung nach ein Irrtum, aber ich respektiere den Willen des griechischen Volks. Grundsätzlich ist es meines Erachtens wichtig, den gesunden Menschenverstand überwiegen zu lassen. Was wir in den letzten Wochen und Tagen getan haben, war, eine gemeinsame Vereinbarung zu treffen. Wir werden sehen, was in der Zukunft passieren wird. Wir haben aber gesagt: Es ist nicht denkbar, dass wir die Baby-Pensionen in Italien nicht mehr zahlen, damit sie dann in Griechenland ausbezahlt werden. Es ist nicht möglich, gegen die Steuerhinterziehung weltweit zu kämpfen und gleichzeitig zuzulassen, dass die griechischen Reeder Steuerhinterzieher sind. Wir müssen vermeiden - das habe ich der Kommission gesagt -, dass das Referendum zu einem Derby zwischen europäischen Leaders und Tsipras wird; diesen Fehler dürfen wir nicht begehen.

Schließlich - ich habe bereits zu viel gesagt - möchte ich noch sagen, dass es meines Erachtens wichtig ist, dass Italien wieder wächst. Als wir im März letzten Jahres in diesem Saal waren, war es dunkel, deshalb habe ich heute den Saal nicht wiedererkannt. Vor einem Jahr hatte Italien ein negatives Wachstum, die Arbeitslosenquote hatte einen Weltrekord erreicht, die Reformen standen still. Heute bin ich zwar nicht zufrieden, aber die Reformen sind bereits eingeleitet worden. Das Schlüsseldatum wird der Juni 2016 mit einem verfassungsrechtlichen Volksentscheid über das Arbeitsreformgesetz sein. Ich kann heute lustigerweise sagen: Der Arbeitsmarkt ist heute in Italien flexibler als in Deutschland. Wir arbeiten an der öffentlichen Verwaltung und am Steuersystem.

Insofern kann ich sagen: Wir haben noch sehr, sehr viel zu tun, aber Italien ist wieder auf der Rennbahn und will schneller als alle anderen rennen. Manchmal imitieren wir Sie dabei: Das Berufsausbildungssystem, das Sie in Deutschland haben, ist für uns ein Modell, das habe ich Angela gesagt. Was wir versuchen können, ist, so schnell wie möglich zu rasen. Deshalb habe ich Angela jetzt offiziell eingeladen, an der Expo teilzunehmen. Sie hat eine volle Agenda, aber wir werden versuchen, sie mit italienischen Produkten zu verführen. Das ist eine sehr tolle Gelegenheit, über die Zukunft der Erde nachzudenken - sehr viele Politiker, aber auch sehr viele Bürger und Touristen.

Italien ist jedenfalls wieder auf dem Wege. Wir arbeiten an einer Strategie für Europa, die mehr auf Wachstum basiert ist und weniger auf Bürokratie.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt, bis zum Referendum in Griechenland gebe es keine weiteren Verhandlungen. Könnte man, falls etwas dazwischenkommt und das Referendum nicht mehr stattfinden sollte, gleich ein neues Abkommen mit Griechenland erreichen?

Herr Ministerpräsident, ich möchte dazu auch die italienische Position wissen. Sollen wir ab sofort verhandeln oder sollen wir das Ergebnis des Volksentscheids abwarten?

BK'in Merkel: Wir haben heute ja schon Mittwoch, und Sonntag ist schon das Referendum. Ich habe meine Position gesagt, und der habe ich jetzt auch nichts hinzuzufügen. Wir sind der Meinung: Es muss erst einmal das Referendum stattfinden. Wenn neue Situationen entstehen, muss man immer wieder neu sprechen, aber es gibt nach meinem Kenntnisstand keine neue Situation.

MP Renzi: Ich habe diese Volksabstimmung nicht einberufen, das hätte ich nie getan. Ich mische mich da aber nicht ein, denn das ist eine Entscheidung des griechischen Volks. Das Wort "Demokratie" ist ein schönes Wort; es ist ein Wort, das aus dem Griechischen stammt, und es bedeutet, dass wir alle eine Verantwortung tragen. In diesem Fall ist das eine Entscheidung der griechischen Regierung. Ich persönlich hätte die Volksabstimmung gemieden, das habe ich überall gesagt. Wir werden jetzt sehen, welches Szenario es geben wird.

Sicher ist aber: Sobald wir aufhören werden, von der griechischen Wirtschaft sprechen zu können, werden wir endlich von der europäischen Wirtschaft sprechen können; denn wir müssen - das haben wir auch beim letzten Europäischen Rat getan - über das nächste Entwicklungsmodell sprechen. Diese Debatte führen wir zurzeit nicht durch, weil wir jeden Tag über eine zwar wichtige Frage sprechen, die aber nur einen der 28 Mitgliedstaaten betrifft. Ich möchte, dass wir auch von den anderen 27 Mitgliedstaaten sprechen und dass wir darüber sprechen, wie wir Wachstum und Investitionen wieder in Gang setzen.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben sich ja mehrfach geäußert, dass es vor dem Referendum keine Verhandlungen mehr mit Griechenland geben wird. Heißt das gleichzeitig, dass Sie auch mit Herrn Tsipras überhaupt nicht mehr sprechen? Heißt das auch, dass Ihr persönliches Verhältnis, das ja immer als relativ gut beschrieben worden ist, durch die Ereignisse der letzten Tage gelitten hat?

Eine Frage an den Ministerpräsidenten: In der italienischen Meinung wird die deutsche Position gegenüber Griechenland für sehr hart gehalten. Ist das auch Ihre Meinung, oder welchen Unterschied gibt es zwischen der italienischen und der deutschen Position?

BK'in Merkel: Ich habe in den letzten Tagen ja mehrfach noch mit Alexis Tsipras Kontakt gehabt, und unser menschliches Verhältnis hat überhaupt keinen Schaden gelitten. Ich habe auch immer wieder gesagt: Es ist natürlich das Recht eines souveränen Staates, dass man Entscheidungen treffen kann. Das habe ich nie infrage gestellt. Aber umgekehrt werden die anderen 18 Euro-Staaten dann auch eine Haltung dazu entwickeln. Wir können allerdings jederzeit miteinander sprechen und haben das auch in letzter Zeit getan.

MP Renzi: Wie Sie besser als ich wissen, werden die deutschen Positionen in Italien oft als hart angesehen, und zwar so sehr, dass ich im Spaß oft gesagt habe, dass der Erfolg der Reformen in Italien nicht von Frau Merkel abhinge, sondern von der Fähigkeit der Italiener, diese Reformen durchzuführen. Ich spreche hier von der Vergangenheit; denn als Angela mich zum ersten Mal einlud, war ich noch Bürgermeister in Florenz, und wir tauschten damals unsere Meinungen über die Reformen in Italien und in Europa aus.

In Bezug auf die griechische Frage: Ich glaube, dass jeder von uns unterschiedliche Meinungen, eine unterschiedliche Sensibilität und einzelne Urteile über einzelne Fragen hat. Das Wichtigste ist, solange wir in einem gemeinsamen Haus wie Europa leben, die Regeln einzuhalten. Wir haben am Donnerstag eine Sitzung des Europäischen Rats gehabt. Ich habe auch ein Bild, auf dem ich sowohl Angela als auch Alexis zusammen umarme. Das hat aber offensichtlich nicht gut funktioniert.

Unser persönliches Verhältnis ist natürlich so: Heute ist dieses Zusammenleben in Europa ein Element der Schwierigkeit. Ich hoffe und glaube, dass wir das in den nächsten Stunden, Tagen, Wochen lösen können. Aber wenn Sie mich fragen, ob es Meinungsunterschiede gibt, dann sage ich Ihnen: Ja. Wenn wir Meinungsunterschiede haben, dann sprechen wir darüber, und dann erreichen wir eine gemeinsame Position. Das passiert im Rahmen der G7, der G20 und an anderen Orten. Ich diskutiere oft über viele Fragen mit Angela, und Angela diskutiert mit vielen anderen, aber die Schlussposition ist dann doch dieselbe, und das ist das Schöne an der Europäischen Union. Das sind die Werte, die wir alle anerkennen sollten. Wenn jeder von uns das macht, was er will, dann erreichen wir gar nichts.

Frage: Ich habe eine Frage an beide. Das Thema ist Griechenland. Aus Paris kommt gerade eine Forderung, die Verhandlungen gleich fortzusetzen und so schnell wie möglich - noch vor dem Referendum - eine Vereinbarung zu erzielen. Dazu hat Deutschland ganz eindeutig eine negative Grundhaltung. Premierminister Renzi hat seine Meinung schon geäußert. Frau Bundeskanzlerin, gibt es einen Meinungsunterschied zwischen Berlin und Paris über die Verhandlungszeiten oder nicht?

BK'in Merkel: Es gibt keine Meinungsunterschiede darüber, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder Gespräche führen müssen, und das steht für mich im Vordergrund. Insofern ist das das eigentlich Wichtige.

MP Renzi: Ich verstehe, dass Sie noch über Griechenland sprechen wollen. Sechs von sechs Fragen bezogen sich auf Griechenland. Das ist ein wichtiges und anspruchsvolles Thema. Wir wollen das Problem lösen. Ich gebe zu, dass ich etwas mehr über den Terrorismus als über Griechenland besorgt bin; vielleicht sind Sie darüber enttäuscht.

Zu den öffentlichen Schulden: Für Italien hat ein Urteil des Verfassungsgerichts eher eine negative Auswirkung als Griechenland. Wenn wir für alle in Wachstum investieren können, dann ist das besser als etwas in Bezug auf die Mehrwertsteuer für die griechischen Inseln. Ich weiß nicht, ob François und Angela unterschiedliche Meinungen haben, was die Mehrwertsteuer für die griechischen Inseln betrifft, oder nicht. Das ist aber kein Schlüsselthema. Meiner Meinung nach war die Entscheidung, diese Volksabstimmung abzuhalten, eine überraschende Entscheidung. Ich bin unter denen, die es lieber hätten, wenn dieser Volksentscheid nicht stattfände; das war aber schon vorher so. Es ist aber nicht meine Aufgabe, darüber zu entscheiden. Das ist auch nicht die Aufgabe von Angela. Wenn es eine Volksabstimmung geben wird, dann werden wir nach der Volksabstimmung wieder losgehen. Wenn es keine Volksabstimmung geben wird - - - Aber das hängt nicht mehr von mir ab. Das hat nie von mir abgehangen.

Was ich aber hervorheben möchte, und das haben wir heute Morgen an der Humboldt-Universität debattiert: Wir haben heute ein Europa der 28. Ich weiß nicht, ob Angela einverstanden damit ist, dass es entweder zu viel, zu groß oder zu klein ist. Entweder wird dieses Europa wieder ideal und Energie haben, oder es ist nur eine Wirtschaftsunion. Warum erweitern wir es dann nicht um Serbien und Albanien? Wir haben das Thema der Ukraine; das ist ein ganz wichtiges Thema. Wir haben das Problem des Kampfes gegen den Terrorismus. Wir haben Millionen von Flüchtlingen. Im Namen Italiens - Angela hat es schon im Namen Deutschlands gesagt - wollen wir Präsident al-Sisi hinsichtlich dessen, was auf dem Berg Sinai passiert ist, umarmen. Es gibt Dutzende von Toten. Das sind die wahren Themen, zu denen Europa seine Stimme hören lassen soll. Es ist nicht nur eine ganz wichtige Diskussion über ein ganz wichtiges Land, das uns am Herzen liegt. Wenn es auch kleine Meinungsunterschiede gibt, versuchen wir, sie zusammen zu lösen; denn wenn uns das teilt, dann h aben wir kein Europa mehr.

Frage: Ich habe trotzdem eine sehr grundsätzliche Frage, auch wenn es die letzte ist:

Sie haben heute Morgen beide sehr grundsätzliche Worte zur Entwicklung Europas gefunden. Frau Bundeskanzlerin, Sie haben von einer Stabilitätsunion gesprochen, und Sie, Herr Ministerpräsident, haben davon gesprochen, dass es einen dritten Weg zwischen Schuldenwahn und Sparpolitik gebe. Mich würde interessieren, ob Sie damit - zumindest mit der Sparpolitik - auch Kritik an Deutschland verbunden haben.

Frau Bundeskanzlerin, sehen auch Sie den dritten Weg zwischen beiden Extremen, den der Ministerpräsident erwähnt hat?

BK'in Merkel: Erst einmal habe ich von einer Stabilitätsunion und von einer Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft gesprochen. Wir müssen die Regeln einhalten, die wir uns gegeben haben, und wir müssen füreinander Verantwortung übernehmen. Wenn das nicht mehr klappt und die Fähigkeit zum Kompromiss verloren geht, dann ist das nicht gut für Europa.

Zweitens: Wenn es so wäre, dass es entweder eine Wachstums- oder eine Sparpolitik gibt, dann bräuchte man dringend einen dritten Weg. Wir sprechen in Deutschland immer von wachstumsorientierter Konsolidierung, und das ist vielleicht so etwas wie ein dritter Weg, wenn man die beiden Extreme sieht. Mir geht es sehr stark um Wachstum. Ich meine, zum Schluss ist das doch kein Selbstzweck. Weder der Haushalt noch das Bruttoinlandsprodukt sind ein Selbstzweck. Es geht darum, dass die Menschen Arbeit haben, dass es dem Land gut geht und dass wir zukunftsfähige Arbeitsplätze haben. Das ist unser gemeinsames Ziel.

MP Renzi: Ich bin nicht sicher, dass ich Angelas Meinung immer teile. Ich bin mir sogar sicher, dass wir über viele Themen nicht immer dieselbe Meinung haben. Das ist ja die Demokratie. Das ist das natürliche Leben zweier großen Länder und zweier Parteien, die unterschiedliche Grundhaltungen haben. Wir vertreten die meistgewählten Parteien in Europa. Zusammen haben wir 21 Millionen Wähler in Europa. Vielleicht vertreten wir mit 22 Millionen Wählern die stärksten Parteien in Europa.

Wir haben nicht dieselben Meinungen. Wenn wir über die letzten zehn Jahre nachdenken, dann glaube ich, dass einige Entscheidungen getroffen wurden, die vielleicht nicht Angelas sind. Wenn wir über die nächsten zehn Jahre sprechen, dann werden wir nicht immer dieselben Ideen haben, wenn wir von Wachstum, von Sparpolitik und von Investitionen sprechen. Vielleicht teilen wir hinsichtlich vieler Dinge aber auch dieselbe Meinung. Wir führen aber zwei große Länder der G7 und der G20, die 1957 in Rom Europa errichtet haben. Diese beiden Länder wissen, dass wir heute sehr stark ein Europa der Politik und der Ideale brauchen. Wir brauchen nicht nur eine Diskussion über die Parameter, über Kommata und Zahlen. Es gibt Bürger, die auf uns warten. Es sind nicht nur Endverbraucher, es sind Bürger, es sind Menschen. Es sind nicht nur Steuernummern. Vor diesem Hintergrund finden unsere Gespräche statt.

Die Meinungsverschiedenheiten, die wir haben und die wir beim Europäischen Rat, in den bilateralen Gesprächen vor dem David, in Berlin, in Verona, in Frankfurt oder egal, wohin wir fahren, debattieren, zielen darauf ab, Europa stärker zu machen. Was aber hier fehlt, ist manchmal das historische Bewusstsein dafür, dass diese Arbeit eine europäische Arbeit ist. Deutschland, das heute das stärkste Land in Europa ist - - - Das müssen die anderen leitenden europäischen Länder wie Italien, das schließlich aufhören soll, zu weinen - - - Jetzt ist es wieder an der Zeit, an die Zukunft zu denken und über die Zukunft zu wetten. Diese Stadt hat eine Mauer abgebaut. Jetzt müssen wir die Mauer der Angst abbauen und keine neue Mauer errichten wie nach dem Vorhaben eines Mitgliedstaats der Europäischen Union. Wir haben eine historische Verantwortung. Die Politik soll wieder Europa leiten. Wir können Meinungsunterschiede haben. Wir können vor einem Glas Wein oder vor einem Bier sitzen und diskutieren. Wir vertreten zwei große Länder und wollen wirklich keine Angst mehr haben.

Mittwoch, 1. Juli 2015

*

Quelle:
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem italienischen Ministerpräsidenten Renzi
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/07/2015-07-01-merkel-renzi.html;jsessionid=732592060E23C425B12AC7E81CEE60E3.s3t2
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang